Januar 2005 |
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P. phone +91 1892 223363 / 229225, fax: +91 1892 225874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org |
Jahresbericht über Menschenrechtsverletzungen in Tibet 2004 |
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A. Kurzfassung des Jahresberichts über die Menschenrechtslage in Tibet 2004
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Menschenrechte stehen allen Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht zu. Daher brauchen sie nicht von einem Staat verliehen werden noch kann sie ihnen ein Staat entziehen. Jeder Mensch hat Anspruch auf diese Rechte und sie sollten auch von jedermann anerkannt werden. Die Internationale Menschenrechtskonvention und deren Normen garantieren sie jedem Menschen. Für die Tibeter in Tibet trifft dies allerdings nicht zu. Ihren grundlegenden Freiheitsrechten, wie sie sowohl in der chinesischen Verfassung als auch in diversen nationalen Gesetzen festgeschrieben sind, sind enge Grenzen gesetzt. Wer diese überschreitet, hat mit ernsten Konsequenzen wie Gefängnis oder gar noch Schlimmerem zu rechnen. Die Tibeter in Tibet haben keine Rechte und keine Freiheit. Ja, das Volk ist sehr frei, frei unter ungesunden Lebensbedingungen und in der Arbeitslosigkeit zu leben! Die Tibeter sind frei, jeder Art von wirtschaftlicher Tätigkeit nachzugehen. Die lukrativen Verdienstmöglichkeiten, die sich den Tibetern in den größeren Städten bieten, lassen sich nur schwer ignorieren. Leider nehmen durch das in Lhasa und anderen urbanen Gegenden reichlich fließende Bargeld auch viele Tibeter üble Gewohnheiten an wie Rauchen, Trinken, Spielen, Drogenkonsum und geben ihr Geld in Karaoke-Bars aus. Die Chinesen sehen in den Tibetern und anderen nicht han-chinesischen ethnischen Volksgruppen Barbaren und eine Bedrohung für die territoriale Integrität ihres Landes. Die Tibeter sind in ihrer eigenen Heimat zu Opfern dieser tief sitzenden Vorurteile geworden. Die raffiniert ausgeklügelte und seit 45 Jahren betriebene Politik der Verweigerung von grundlegenden Rechten, Freiheiten und Gerechtigkeit hat in Tibet zum kulturellen Genozid geführt. Die Überwachung der Einhaltung und der Schutz von Menschenrechten (durch die internationale Gemeinschaft) stellen für ein Regierungssystem, das sich bisher praktisch der Straflosigkeit erfreute, einen ungewohnten Angriff dar. Wer die Politik der Regierung hinterfragt, muß mit einschneidenden Konsequenzen rechnen. Darüber hinaus ist es infolge der Geheimhaltungspolitik der Regierung und dem Fehlen jeglicher Transparenz extrem schwierig geworden, Informationen aus den sogenannten ethnischen Minderheitsgebieten Tibet und Xinjiang zu bekommen. Am meisten Anlaß zu Besorgnis gibt jedoch die wahllose Verurteilung zur Todesstrafe. Trotz der Zusätze zu dem Strafverfahrensgesetz von 1996 werden sowohl das Prinzip der Unschuldsvermutung wie auch das Recht auf Vertretung durch einen Anwalt eigener Wahl weiterhin mißachtet vielen unschuldigen Menschen wird auf diese Weise ein fairer Prozeß vorenthalten. Des weiteren läßt die ständige Einmischung der Behörden in juristische Verfahren stark an der Unabhängigkeit der Justiz zweifeln. Chinas scharfes Vorgehen gegen jede Art von Dissens unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terror verletzt die Menschenrechte in gröbster Weise. "Staatssicherheit" ist ein Begriff, den die Regierung ständig bemüht, um Informationen zurückzuhalten, was den Schutz der Menschenrechte erheblich erschwert. Ein aktueller Fall hierzu ist der von Tulku Tenzin Delek. Der Zeitpunkt, der von China für die Veröffentlichung des Weißbuchs "Fortschritte in Menschenrechtsfragen" gewählt wurde, nämlich am 30. März 2004 während der 60. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission (UNHCR) in Genf, war gewiß nicht zufällig. Pekings in derartigen Angelegenheiten an den Tag gelegte neue diplomatische Raffinesse ist nichts Neues für die internationale Gemeinschaft. Das eilig herausgegebene Weißbuch war eher eine Erwiderung auf die US-Resolution zur Menschenrechtslage in China, welche die Vereinigten Staaten bei der UNHCR eingebracht hatten, als eine genuine Darstellung von Fakten. Letzten Endes wurde das Weißbuch von Menschenrechtsgruppen in erster Linie wegen seiner propagandistischen Phrasendrescherei heftig kritisiert. In dem am 23. Mai 2004 veröffentlichten sechsten chinesischen Weißbuch zu Tibet "Regionale ethnische Autonomie in Tibet" wurden die nämlichen Phrasen gedroschen und ansonsten nichts Neues geboten. Der Kommentar der tibetischen Regierung-im-Exil zu dem Papier, in dem sie eine Erwiderung auf den Vorschlag des Dalai Lama bezüglich "echter Autonomie" für Tibet sah, lautete: "Das Weißbuch kann über die wahren und traurigen Zustände in Tibet nicht hinwegtäuschen." Im September waren die Emissäre des Dalai Lama zum dritten Mal in Peking zu Gast, was den Eindruck einer Fortführung der Verhandlungen zwischen Tibetern und der chinesischen Regierung erweckte. Letztere hat aber nicht etwa aufgehört, den Dalai Lama in seiner internationalen Reisetätigkeit zu behindern. Jahrelang konnte Peking durch Ausübung entsprechenden Drucks den Besuch des Dalai Lama in Rußland verhindern, bis dieser schließlich im September 2004 endlich stattfand. Japans Ankündigung, im April 2005 einen Besuch des tibetischen Oberhaupts zu gestatten, führte zu scharfen Protesten aus dem Chinesischen Außenministerium. Die Menschenrechtslage in Tibet hat sich auch 2004 nicht gebessert. Es gab keine Lockerung der vielen unpopulären Überwachungsmaßnahmen, und die daraus resultierende Atmosphäre der Angst hält unverändert an. Die Wiederaufnahme der "Kampagne des harten Zuschlagens", die mit neuem Nachdruck durchgeführte "Kampagne zur patriotischen Umerziehung" und die Errichtung eines Lagers für Umerziehung-durch-Arbeit im Distrikt Ngari in der Autonomen Region Tibet (TAR), durch welches der Flüchtlingsstrom eingedämmt werden soll, sind klare Anzeichen für die anhaltende Unterdrückung des tibetischen Volkes. Nach den Aufzeichnungen des Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) sitzen mindestens 150 namentlich bekannte politische Gefangene in den verschiedenen Haftanstalten in Tibet ein (Stand Dezember 2004). Die Ankündigung der chinesischen Regierung vom 30. November 2004, daß am 1. März 2005 die neue "Verordnung über religiöse Angelegenheiten" in Kraft träte, welche für alle in China vertretenen Glaubensrichtungen gültig ist, erfüllt die in Tibet lebenden Tibeter mit den schlimmsten Vorahnungen. Das TCHRD sieht in dieser Verordnung ein weiteres von dem atheistischen Regime geschaffenes Instrument zur Kontrolle. Diese Verordnung, die erlassen wurde, um "mit der rapiden sozio-ökonomischen Entwicklung Schritt zu halten", wird nach ihrem Inkrafttreten zur Schließung etlicher kleinerer Klöster in Tibet führen. Für alle Tibeter ist Religion ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, und derartige Einschränkungen sind ein heftiger Eingriff in das ihnen sogar durch die chinesische Verfassung verbürgten Rechtes auf Religionsfreiheit. Tibeter, die ihrer Verbundenheit mit dem Dalai Lama als ihrem spirituellen und weltlichen Oberhaupt Ausdruck verleihen, werden nach wie vor ins Gefängnis geworfen. Die atheistische chinesische Führung mißtraut allen, deren Loyalität nicht ihr allein gilt und ganz besonders denjenigen, die der Religion einen höheren Stellenwert einräumen. Für die Kommunistische Partei Chinas hat die soziale Ordnung Vorrang vor allen anderen Zielen. Und vor nichts hat sie mehr Angst als vor Unruhen. Die religiösen und ethnischen Spannungen sind sehr groß. Die Zusammenstöße zwischen Hui-Moslems und han-chinesischen Dorfbewohnern in der Provinz Henan, bei denen im November 2004 mindestens sieben Personen starben, trugen zu der zuvor schon explosiven Mischung aus wirtschaftlicher und sozialer Unzufriedenheit bei. An ihnen wird deutlich, welches Potential an chaotischen und auseinanderstrebenden Kräften unter der Oberfläche von Chinas unaufhaltsamem wirtschaftlichem Aufstieg besteht. Konflikte dieser Art sind auch in Tibet nicht auszuschließen, wenn man sich vor Augen führt, wie die Tibeter in allen Lebensbereichen diskriminiert werden. Angesichts des explosionsartigen wirtschaftlichen Wachstums sind Veränderungen in China trotz der spezifisch chinesischen Charaktereigenschaften unvermeidlich. Im März 2004 wurde das Wort "Menschenrechte", das in China jahrelang tabu war, in die Verfassung aufgenommen fast ein historisches Ereignis. Die offiziellen staatlichen Medien begrüßten dies überschwenglich als "das erste Mal überhaupt". Allerdings wurde dem Begriff keine weitere Erläuterung beigefügt, so daß viel Raum für seine Interpretation bleibt. Er stellt allerdings die Ernsthaftigkeit von Chinas Anstrengungen in Richtung einer offeneren und demokratischeren Gesellschaft weiterhin in Frage. Heute, wo China sich seiner Stellung in der Welt immer sicherer wird, sollte sich die übrige Welt darüber im klaren sein, daß China, obwohl es vielleicht ein in der Entwicklung befindliches Land ist, ein sehr bestimmendes Land ist. Dort ist immer noch ein Regime an der Macht, das keine Opposition duldet und brutal gegen Andersdenkende vorgeht. Es ist eines der wenigen heute noch verbliebenen Länder, das keine freien Wahlen mit mehreren Kandidaten kennt, und in dem man ein Leben unter Hausarrest oder Schlimmeres zu befürchten hat, wenn man das Falsche sagt. Chinas Aufstieg geht bedächtig und ruhig vonstatten, aber ob dieses Wachstum eine Wende zum Besseren bringen wird, bleibt offen. Die Regierungen rund um den Erdball haben die Pflicht, dafür zu sorgen, daß der wachsende Riese mit Achtung gegenüber Menschenrechten und Demokratie aufwächst. Und dies kann nur durch die vereinten Bemühungen der führenden Politiker dieser Welt erreicht werden. |
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