14. März 2019
Radio Free Asia, www.rfa.org

UN fordert Untersuchung des Todes der Aktivistin Cao Shunli

Experten bei den Vereinten Nationen haben Peking aufgefordert, eine unabhängige Untersuchung über den Tod einer chinesischen Menschenrechtsaktivistin in einem Polizeigefängnis vor fünf Jahren einzuleiten, während Peking wegen der internationalen Kritik an seiner Menschenrechtsbilanz wachsendem Druck ausgesetzt ist.

"Der Fall Cao Shunli ist emblematisch für den Kampf, dem sich viele Menschenrechtsverteidiger in China gegenübersehen", sagten die Experten in einer Erklärung am Donnerstag.

Sie sagten, daß Cao, die festgenommen wurde, als sie im September 2013 in die Schweiz reisen wollte, um an der Überprüfung Chinas durch den UN-Menschenrechtsrat teilzunehmen, für ihr zielstrebiges Handeln "den ultimativen Preis", nämlich den Tod, bezahlt habe.

Cao Shunli, Photo: RFA

Cao starb am 14. März 2014 im Alter von 52 Jahren in der Haft, nachdem ihr monatelang die medizinische Behandlung verweigert worden war, sagten ihr Bruder und ihre Mitaktivisten, die die Regierung beschuldigten, die medizinische Versorgung als Druckmittel eingesetzt zu haben, um Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Ihre Anwälte hatten wiederholt um ihre Freilassung gebeten, um ihr eine medizinische Behandlung zu ermöglichen, aber es wurden keine Maßnahmen ergriffen, bis sie schwer erkrankte. Sie litt unter beidseitiger Tuberkulose, Leberzirrhose und Uterusmyomen.

"Heute, am fünften Jahrestag ihres Todes, erneuern wir unsere Forderung nach einer unabhängigen, unparteiischen und umfassenden Untersuchung der Umstände, die zu ihrem Tod führten, um die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen", sagten die Experten der Vereinten Nationen.

Menschenrechtsgruppen und das US-Außenministerium haben auf das erzwungene Verschwinden, die willkürlichen Verhaftungen und die medizinische Vernachlässigung von Häftlingen durch die regierende Kommunistische Partei Chinas hingewiesen.

US-Außenminister Mike Pompeo sagte am Mittwoch, daß China "in einer eigenen Liga" ist, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht, und nannte die Masseninhaftierungen von schätzungsweise einer Million Muslimen und die Unterdrückung von Christen, Tibetern und anderen religiösen Minderheiten in diesem Zusammenhang.

Chinas Menschenrechtsverletzungen umfassen willkürliche oder rechtswidrige Tötungen, gewaltsames Verschwinden und willkürliche Inhaftierung sowie harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, heißt es im Jahresbericht des US-Außenministeriums.

Die offizielle Unterdrückung der Meinungs-, Religions-, Bewegungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sei weit verbreitet, aber sie sei noch viel schlimmer, wenn es um Tibeter, Uiguren und andere ethnische und religiöse Minderheiten geht, heißt es da.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lu Kang, wies den Bericht, der "voller ideologischer Vorurteile" sei, ähnlich wie in den Vorjahren zurück. Er warf den USA vor, sie sollten "zuerst mal in ihre eigene Menschenrechtsbilanz gucken".

"Chinas Umgang mit den Menschenrechten hat große Fortschritte gemacht", sagte Lu bei einer regulären Pressesitzung in Peking. "Wir hoffen, daß die USA... die Mentalität des Kalten Krieges ablegen... und Chinas Fortschritte in Sachen Menschenrechte objektiv und neutral einschätzen und aufhören wird, sich in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen."

China, das formell auf die Überprüfung der Menschenrechtsbilanz durch die Vereinten Nationen in dieser Woche antworten wird, hat auch die Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrates abgelehnt und erklärt, daß diese "mit den nationalen Gegebenheiten Chinas unvereinbar seien, im Widerspruch zu den chinesischen Gesetzen stünden und politisch voreingenommen oder unwahr" seien.

China hat während seiner Überprüfung auch die Anträge anderer Regierungen auf Beitritt zu einem internationalen Abkommen über das Verschwinden von Personen abgelehnt, sagte die in New York ansässige Gruppe Human Rights Watch (HRW) in einer Erklärung.

Ebenso lehnte China die Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, den es 1998 unterzeichnet hatte, unter dem Vorwand, es sei noch nicht bereit dazu, ab.

"Die Forschung zeigt etwas anderes".

Während chinesische Offizielle behaupten, Folter in der Haft zu bekämpfen, die Rechte von Häftlingen zu respektieren, die Religionsfreiheit ethnischer Minderheiten zu schützen, die Meinungsfreiheit der Bürger zu wahren und mit den Menschenrechtsmechanismen der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, beweisen "die jüngsten Nachforschungen von Human Rights Watch deutlich etwas anderes", sagte die Gruppe.

Peking wies auch die Bedenken zurück, die wegen der Masseninhaftierung von mindestens einer Million Uiguren und anderer Muslime ethnischer Minderheiten in "Umerziehungslagern" in der Autonomen Region Xinjiang der Uiguren geäußert worden waren, sagte sie.

"Dies kommt einer Ablehnung des Mandats des Menschenrechtsrates gleich, einer Bestätigung von Chinas bösem Willen bei der Teilnahme an solchen Überprüfungen, und es ist vor allem ein Hinweis darauf, daß Peking weiterhin massive Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang begehen wird", schrieb die Direktorin der China-Abteilung von HRW Sophie Richardson.

Mehrere Menschenrechtsgruppen haben bei der Überprüfung festgestellt, daß Chinas System der "Residential Surveillance in a Designated Location" (Wohnüberwachung an einem bestimmten Ort), kurz RSDL, erzwungenes Verschwinden legalisiert und Personen einem größeren Risiko von Folter, Mißhandlung und medizinischer Vernachlässigung aussetzt.

"Es ist für uns ein Anlaß zu großem Bedauern, daß Cao Shunlis unermüdliche Arbeit zur Verteidigung der Menschenrechte schließlich zu ihrem Tod führte, und unsere Gedanken sind zu diesem Zeitpunkt bei ihrer Familie und ihren Freunden", sagten die Experten der Vereinten Nationen.

Ji Sizhun erhält Auszeichnung

Indessen erhielt der inhaftierte Rechtsaktivist Ji Sizhun für seinen Beitrag zur Förderung von gesetzlichen Rechten und von Bildung an der Basis in China den fünften „Cao Shunli Gedächtnispreis für Menschenrechtsverteidiger“.

"Die Auszeichnung wird an diejenigen vergeben, die Caos Verteidigung an der Basis fortsetzen und gleichzeitig bei der Förderung der Menschenrechte, dem Schutz gefährdeter sozialer Gruppen vor Mißbrauch, der Förderung der Beteiligung der Zivilgesellschaft an internationalen Menschenrechtsmechanismen und der Überwachung der Umsetzung der Menschenrechtsverpflichtungen der chinesischen Regierung Bedrohungen und Risiken ausgesetzt sind", sagte das im Ausland ansässige Netzwerk der Chinesischen Menschenrechtsverteidiger (CHRD) in einer Erklärung auf seiner Website.

Ji, 70, ist ein autodidaktischer Menschenrechtsaktivist aus der südöstlichen Provinz Fujian, der im Oktober 2014 wegen öffentlicher Unterstützung der pro-demokratischen Proteste in Hongkong festgenommen wurde.

Später erhielt er eine viereinhalbjährige Gefängnisstrafe wegen "des Versammelns einer Menschenmenge, um die öffentliche Ordnung zu stören" und "des Anzettelns von Streitigkeiten und des Entfachens von Ärger", weil er im August und September 2014 Bittstellern geholfen hatte, zwei Proteste zu organisieren.

"Ji Sizuns Gesundheitszustand hat sich während seiner Inhaftierung ernsthaft verschlechtert, er erlitt 2016 einen lähmenden Schlaganfall und hat für eine Reihe von schweren gesundheitlichen Leiden keine angemessene medizinische Behandlung erhalten", sagte CHRD.

Er soll am 26. April 2019 aus dem Putian-Gefängnis in der Provinz Fujian entlassen werden.