26. April 2019
Central Tibetan Administration, www.tibet.net

Propaganda im Namen des Konfuzius

von Benedict Rogers, UCA News

China nutzt Bildungseinrichtungen in 154 Ländern, um seinen Einfluß zu verbreiten und die akademische Freiheit zu gefährden.

China führt einen globalen Propagandakrieg, um die Kritiker aus Übersee zum Schweigen zu bringen, und das zu einer Zeit, in der es die repressivste Unterdrückung der Abweichung von der offiziellen Meinung seit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor 30 Jahren entfesselt hat.

Zu den Akteuren gehören Reporter der chinesischen Staatsmedien, Diplomaten und Auslandsstudenten, die angeheuert werden, um auf Geheiß der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu handeln. Das jüngste Beispiel ist die Entscheidung der London School of Economics, die Darstellung Taiwans auf einer Skulptur auf Druck chinesischer Studenten hin anzupassen.

Zu den Waffen gehören politische Infiltration und Einflußnahme, eine globale Medienausrüstung, Drohungen und Aggressionen gegen Aktivisten im Ausland, ein Versuch, die Diskussion über die Menschenrechtsagenda bei den Vereinten Nationen an sich zu reißen und zum Scheitern zu bringen, und - wie einige nun langsam realisieren - der Einsatz Hunderter harmlos klingender Sprach- und Kulturinstitutionen, die in Universitäten und Schulen integriert sind.

Chinas Konfuzius-Institute, die oberflächlich gesehen nur eine Entsprechung zu dem British Council, American Center, der Alliance Française oder Deutschlands Goethe-Instituten zu sein scheinen, sind heute an mindestens 548 Universitäten und 1.193 Schulen in 154 Ländern vertreten. Mit einem Budget von 314 Millionen US-Dollar, 46.200 Lehrern und 1,7 Millionen Studenten will China bis 2020 eintausend Konfuzius-Institute bei dem, was es eine "Konfuzius-Revolution" nennt, beteiligen.

Südkorea eröffnete 2004 das weltweit erste Konfuzius-Institut und verfügt heute über 23 davon, womit es in Asien den Rekord hält. Thailand, das an zweiter Stelle in der Region steht, hat 16 Konfuzius-Institute, während Japan über 15 verfügt.

Indonesien hat sieben und Indien, Pakistan, die Philippinen und Malaysia je vier, aber auch in Singapur, Afghanistan, Sri Lanka, Nepal, der Mongolei, Hongkong, Kambodscha, Laos und Vietnam gibt es sie.

Großbritannien zählt mindestens 29, die zweitgrößte Zahl in der Welt nach den Vereinigten Staaten, an großen Universitäten wie Edinburgh, Liverpool, Manchester, Newcastle, Nottingham, Cardiff und dem University College London, sowie 148 „Konfuzius-Klassen" an Schulen im ganzen Land.

Konfuzius-Institute nehmen für sich in Anspruch, die chinesische Sprache und Kultur zu vermitteln, was sicherlich willkommen ist. Wenn China seinen Platz als globale Supermacht einnimmt, müssen wir seine Geschichte und Kultur verstehen, und wir brauchen mehr Menschen, die die Sprache sprechen. Aber kratzt man ein wenig an der Oberfläche, so wird man feststellen, daß das nicht alles ist, was sie tun. Sie stellen auch eine potentielle Bedrohung für die akademische Freiheit und die Meinungsfreiheit in Bildungseinrichtungen und Demokratien dar.

Vor etwa 12 Jahren beschrieb der damalige Propagandachef der KPCh, Li Changchun, die Konfuzius-Institute als "einen wichtigen Teil des chinesischen Propagandasystems im Ausland". Im Jahr 2010 bestätigte Xu Lin, Generaldirektor einer Einheit des chinesischen Bildungsministeriums, die als Hanban (Confucius Institute Headquarters) bekannt ist, daß die Partei ihren Einfluß ausbauen wolle und Konfuzius-Institute ein wichtiger Teil der sanften Gewalt Chinas seien.

Die Konfuzius-Institute werden direkt vom Hanban kontrolliert, finanziert und mit Personal ausgestattet. Diesem steht Sun Chunlan vor, ein Politbüromitglied, das zuvor das United Front Work Department, die wichtigste Propaganda-Einrichtung der Partei, leitete.

Chinas Propagandaminister Liu Yunshan sagte 2010, daß "Überseepropaganda umfassend, mehrstufig und weitreichend sein muß... Wir täten gut daran, in anderen Ländern Kulturzentren und Konfuzius-Institute zu errichten und zu betreiben". Sogar Präsident Hu Jintao, der Vorgänger von Xi Jinping, unterstützte die Institute als eine Möglichkeit, "eine Gruppe oder ganze Schar von Menschen zu kultivieren und aufzubauen, um sicherzustellen, daß die KPCh in Zukunft an der Macht bleibt... und um unseren Einfluß der KPCh auf der ganzen Welt zu verstärken".

Anfang dieses Jahres veröffentlichte die britische Menschenrechtskommission der Konservativen Partei einen Bericht, der auf einer Untersuchung der Konfuzius-Institute basiert. Er stützt sich auf Beweise von Experten und auf den Dokumentarfilm „Im Namen von Konfuzius“, und seine Schlußfolgerung ist, daß Konfuzius-Institute die akademische und die Meinungsfreiheit bedrohen und - wie die KPCh selbst erklärt - ein Bestreben des chinesischen Regimes darstellen, seine Propaganda zu verbreiten und seine Kritiker über seine Grenzen hinaus im Zaum zu halten.

Diese Einschätzung stimmt mit derjenigen des US-Kongresses, der US Central Intelligence Agency (CIA) und der Nachrichtendienste in Kanada und Belgien überein. Im Jahr 2018 warnte die CIA vor der chinesischen Finanzierung von Universitäten im Gegenzug für akademische Zensur, und der Direktor des Federal Bureau of Investigation (FBI) erklärte dem Senatsausschuß für Nachrichtendienste, daß die Konfuzius-Institute überprüft würden.

Der Kongreß hat Gesetze für mehr Transparenz der Finanzierung von Universitäten aus dem Ausland eingeführt, die von den Konfuzius-Instituten verlangen, sich beim Justizministerium als Vertreter der chinesischen Regierung registrieren zu lassen. Und Kanadas ehemaliger Chef des asiatisch-pazifischen Geheimdienstes Michael Juneau-Katsuya macht geltend, daß die Konfuzius-Institute mit den chinesischen Geheimdiensten in Verbindung stehen und „eine eindeutige und unbestreitbare Bedrohung für unsere Gesellschaft darstellen".

Die Konfuzius-Institute haben ein gemeinsames Thema: Die vollständige Unterdrückung der Diskussion von drei Themenbereichen, die mit "T" beginnen - Tiananmen, Tibet und Taiwan.

Rachelle Peterson, politische Direktorin der in den USA ansässigen National Association of Scholars, sagt, daß die Konfuzius-Institute eine "subversive politische Agenda unter der Aufsicht der chinesischen Regierung" haben, während die Dozentin der Nottingham Trent University, Tao Zhang, erläutert, daß sie "strategisch an verschiedenen ausländischen Universitäten angesiedelt sind, so daß die chinesischen Behörden Fuß fassen können, um die Kontrolle über die Beschäftigung mit China auszuüben". Sie sind, so fügt sie hinzu, "eine Erweiterung des chinesischen Bildungssystems, direkt vom Staat kontrolliert und haben die gleichen ideologischen und propagandistischen Rollen wie Schulen und Universitäten in China".

Es gibt genügend Beispiele dafür, daß Universitäten Einladungen an kontroverse Referenten unter Druck aus China zurückziehen oder bestimmte Publikationen entfernen. Im Jahr 2014 beschlagnahmte der Generaldirektor von Hanban, Xu Lin, auf einer Konferenz der European Association for Chinese Studies in Portugal alle gedruckten Programme und ordnete an, daß Seiten, die für einen taiwanesischen Co-Sponsor werben, entfernt werden. In ähnlicher Weise wurde in einem von einem Konfuzius-Institut veröffentlichten Buch ein ganzer Abschnitt über den Umweltaktivismus des chinesischen Dissidenten Wu Lihong in einem Kapitel der Chinaexpertin Isabel Hilton kompletter Zensur unterzogen. Einladungen an den Dalai Lama wurden zurückgezogen oder an Orte außerhalb des Campus verlegt.

Diskriminierung persönlicher Überzeugungen

Am abschreckendsten ist vielleicht die Diskriminierung bei der Einstellung von Mitarbeitern an Konfuzius-Instituten. Laut der National Association of Scholars besagen die Zulassungskriterien von Hanban für Lehrer an Konfuzius-Instituten unter anderem, daß die Lehrer "in ihrer Vorgeschichte keine Beteiligung an Falun Gong haben dürfen".

Sonia Zhao, eine chinesische Lehrerin, die Falun Gong, einer dem Buddhismus nahestehenden spirituellen Bewegung, angehört, wurde von Hanban angestellt und an das Konfuzius-Institut der McMaster University in Kanada geschickt. Bevor sie nach Kanada ging, erhielt sie ein dreimonatiges Training in Peking. "Uns wurde gesagt, daß wir den Studenten sagen sollen, daß es nur ein China gibt: Taiwan ist ein Teil von China, Tibet ist ein Teil von China... Wir sollten nicht über Themen wie Taiwan und Tibet sprechen", berichtet sie. "Wir mußten auch einen Vertrag unterschreiben, in dem steht: "Wir dürfen keine Falun-Gong-Praktizierenden sein".... Dieser Vertrag ist für alle Konfuzius-Institute in allen Ländern rechtskräftig. Dieser Vertrag stellt eine Diskriminierung der persönlichen Überzeugungen der Lehrer und eine Verletzung der Glaubensfreiheit weltweit dar."

Im Jahr 2011 hat Sonia Zhao die McMaster Universität auf diese Bedenken aufmerksam gemacht. Sie hatte Angst, daß sie, wenn sie zugeben würde, eine Falun-Gong-Praktizierende zu sein, bestraft würde. Aufgrund ihrer Beschwerde beendete die McMaster Universität ihre Beziehung zu Hanban und schloß ihr Konfuzius-Institut. Seitdem sind andere dem Beispiel gefolgt. Mindestens 30 Universitäten und eine Schulbehörde haben oder werden die Verbindung zu den Konfuzius-Instituten abbrechen.

Konfuzius-Institute sind keineswegs Chinas einziges Soft Power Tool. Aber in Kombination mit den chinesischen Studenten- und Gelehrtenverbänden stellen sie eine mächtige Bedrohung für die akademische Freiheit dar. Sie dienen auch dazu, chinesische Studenten, die im Ausland studieren, im Auge zu behalten, da diese sonst die dort herrschende Gedanken- und Meinungsfreiheit für attraktiv halten könnten.

Wie Prof. Christopher Hughes von der London School of Economics (LSE) in einem Artikel zu diesem Thema sagt, als die LSE 2006 ein Konfuzius-Institut eröffnete, "zeigten sich chinesische Studenten... enttäuscht, daß sie, als sie an einer ausländischen Universität ankamen, entdecken mußten, daß ihre eigene Regierung eine Organisation auf dem Campus gegründet hatte, die ihnen das Gefühl gab, noch immer unter derselben Art von Überwachung zu stehen, unter der sie in China leben mußten". Ein Student erzählte Prof. Hughes, daß sich das Konfuzius-Institut wie eine Videoüberwachung anfühle und "das Potential hat, das kritische Denken in mir abzutöten".

Was also sollte getan werden? Es ist klar, daß wir uns nicht ganz von China lösen können. Aber wie der in der vergangenen Woche veröffentlichte Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des britischen Unterhauses argumentiert, müssen wir unsere Beziehungen neu überdenken und die nationale Sicherheit in den Vordergrund stellen. Im Rahmen dieser Neukalibrierung sollten wir nicht nur die Handelsbilanz gegenüber den Menschenrechten und die Sicherheitsbedenken um Huawei herum neu bewerten, sowie die Fragen des politischen Einflusses, die in einem kürzlich erschienenen Bericht des Royal United Services Institute und im australischen Kontext in Clive Hamiltons exzellentem Buch Silent Invasion behandelt werden, sondern auch die Frage der Konfuzius-Institute.

"Ich kenne den Druck und die Angst", sagt Sonia Zhao. "Niemand verdient das. Ich hoffe, daß die Konfuzius-Institute geschlossen werden, damit Lehrer die chinesische Sprache frei unterrichten und die Schüler etwas über das wirkliche China und die chinesische Kultur lernen können, und nicht nur über die mit Ideologie befrachtete Kultur der chinesischen Kommunisten."

Wenn wir noch nicht bereit sind, so weit zu gehen, die Konfuzius-Institute jetzt ganz zu schließen, sollten wir zumindest ähnliche Maßnahmen wie die der US-Gesetzgebung in Betracht ziehen - eine gründliche Überprüfung durchführen, alle neuen Geschäfte mit Konfuzius-Instituten aussetzen, bis die Überprüfung abgeschlossen ist, und sicherstellen, daß Maßnahmen ergriffen werden, um die akademische Freiheit und die freie Meinungsäußerung, die Nicht-Diskriminierung und die vollständige Transparenz der Fördermittel zu garantieren.

Wir täten gut daran, uns an die Worte des britischen Diplomaten im Ruhestand Roger Garside zu erinnern, der sagt, daß "die akademische Freiheit grundsätzlich dadurch gefährdet ist, daß einer von der KPCh kontrollierten staatlichen Behörde erlaubt wird, an jeder beliebigen Schule oder Universität eine Lehranstalt einzurichten". Oder, wie Rachelle Peterson sagt, "es besteht eine Bedrohung nicht nur für die Integrität unserer heutigen Institutionen, sondern vor allem für die Zukunft der Hochschulbildung und die Zukunft aller freien Länder". Das ist sicherlich ein Grund zum Handeln.

Benedict Rogers ist stellvertretender Vorsitzender der Menschenrechtskommission der Konservativen Partei. Er ist außerdem Teamleiter für Ostasien bei der internationalen Menschenrechtsorganisation CSW und Vorsitzender von Hong Kong Watch.