28. März 2005
Radio Free Asia, www.rfa.org
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"Es wird um Ihre Kinder geschehen sein"

China warnt uighurische Aktivistin vor ihrer Ausreise in die USA

Washington: Chinesische Gefängnisbeamte warnten die uighurische Geschäftsfrau Rebiya Kadeer, ihre fünf erwachsenen Kinder, die sie in China zurückließ, wären "erledigt", sollte sie im Ausland politisch heikle Informationen enthüllen oder sich mit uighurischen Separatisten treffen.

"Drei Tage ehe ich freigelassen wurde kamen acht oder neun Gefängnisaufseher zu mir", berichtete Frau Kadeer in einem Interview am 28. März. "Sie sagten, ich dürfe hier nicht mit Uighuren zusammenkommen, keinen Umgang mit uighurischen Separatisten pflegen und keine Dinge aus Xinjiang mitteilen, die politisch brisant sein könnten. "Falls Sie es trotzdem tun sollten, wird mit Ihren geschäftlichen Unternehmen und Ihren Kindern kurzer Prozeß gemacht", warnten sie mich".

Die Aufseher hätten den umgangssprachlichen Mandarin-Begriff "wandan" gebraucht, was "erledigen, den Rest geben" bedeutet, erzählte sie. Sie habe nur die Erlaubnis bekommen, für 18 Monate in den USA zu bleiben, um sich dort in ärztliche Behandlung zu begeben, danach müsse sie wieder nach China zurückkehren.

"Von der Armut ins Gefängnis": Frau Kadeer, die in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, wurde später eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die von den chinesischen Behörden beispielhaft für den Aufstieg einer Angehörigen des uighurischen Volkes hingestellt wurde. 2000 wurde sie wegen "Gefährdung der nationalen Sicherheit" zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch vorzeitig entlassen und auf einen offensichtlichen Kuhhandel mit Washington hin am 17. März in die USA geschickt.

Vor ihrer Verhaftung war Frau Kadeer Eigentümerin eines Kaufhauses in der im Nordwesten Chinas gelegenen Stadt Urumqi, und sie führte die "Eintausend-Mütter-Bewegung", die muslimischen Frauen beim Start eines eigenen Geschäfts helfen sollte. 1995 war sie als Delegierte bei der UN-Frauen-Konferenz in Peking zugegen.

"Ich verlor beinahe den Verstand": "Ich wäre imstande, wieder Millionärin zu werden und ich werde ein Buch darüber schreiben", sagte sie. "Doch meine vordringliche Aufgabe ist es nun, für die Menschenrechte zu kämpfen, also den Männern und Frauen zu helfen, die es nötig haben".

Während im chinesischen Gefängnis die muslimischen Vorschriften bei ihrer Ernährung respektiert wurden, litt sie in anderer Weise: "Ich mußte eine Zelle mit drei anderen Frauen teilen, die mich fortwährend beobachteten, und ich durfte sechs Jahre lang weder sprechen, noch lesen, noch schreiben". "Am Anfang habe ich fast den Verstand verloren", fuhr sie fort. "Es war jedoch mein Traum und mein fester Glaube, daß ich eines Tages wieder frei kommen würde, und das war es, was mich aufrecht hielt".

"Keine Kenntnis von der Kampagne zu ihrer Freilassung": Frau Kadeer sagte, sie habe sechs Jahre lang keine Verbindung zu ihren fünf in den USA lebenden Kindern gehabt und daher überhaupt nichts davon gewußt, daß sich Menschenrechtsgruppen und westliche Regierungen vehement für ihre Freilassung einsetzten.

"Anfangs machte ich eine Menge Geld und ich lernte eine Menge über alle Bevölkerungsschichten. Ich habe aus eigener Anschauung mitbekommen, wie die Uighuren leben - ich konnte es einfach nicht mehr mit ansehen. Jedes Mal, wenn ich zu der Konferenz [Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes] ging, brachte ich diese Themen zur Sprache, was zu einer Bedrohung für die chinesische Regierung und für mich wurde".

"Ich sagte meinem Mann, er solle kritische Artikel über die Politik der Chinesen schreiben… Ich wollte den uighurischen Frauen helfen, sie aus ihren ärmlichen Verhältnissen, ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit befreien, ich wollte, daß sie die Chance hätten, sich zu bilden", sagte sie. "Aber die chinesische Regierung setzte durch ihre Maßnahmen gegen meine Gesellschaft allen meinen Bemühungen ein Ende. Ich konnte gar nichts mehr zuwege bringen, weshalb ich an das amerikanische Volk appellieren wollte".

"Modell-Bürgerin": Frau Kadeer wurde einst von den chinesischen Behörden als eine Modell-Bürgerin hingestellt und als Abgeordnete in die "Chinese People's Political Consultative Conference" (CPPCC) berufen. Mehrere Jahre nachdem ihr Ehemann Sidik Rouzi, ein ehemaliger politischer Gefangener, in die Vereinigten Staaten geflohen war, wurde Frau Kadeer 1999 festgenommen. Sie war gerade auf dem Weg, um sich mit der Gruppe amerikanischer Delegierter zu treffen, mit denen sie über die Not der Uighuren in Xinjiang sprechen wollte. Fünf ihrer Kinder leben in den USA, fünf in der uighurisch-autonomen Region Xinjiang in China, und eines in Australien.

"Ein eigenes, doch verarmtes Volk": Die Uighuren sind eine eigenständige, turk-sprachige ethnische Volksgruppe, deren Heimatland sich als Ost-Turkestan Ende der vierziger Jahre einer kurzen Periode der Selbständigkeit erfreute, seit 1949 jedoch unter chinesischer Herrschaft steht. Dem Menschenrechts-Report des US State Department von 2004 zufolge werden des Separatismus angeklagte Uighuren weiterhin zu langen Haftstrafen verurteilt, und manchmal wie etwa letztes Jahr auch hingerichtet.

Chinesischen Angaben zufolge werden in Xinjiang derzeit über 3.000 Fälle strafrechtlich verfolgt, und im Zuge der offiziell 2003 abgeschlossenen Hartdurchgreif-Kampagne seien die Delinquenten bei Massenversammlungen vor über 300.000 Schaulustigen öffentlich verurteilt worden.