Human Rights Update

Februar 2000

Inhalt
  1. Die Flucht des Karmapa: Sorge um die Sicherheit seiner Eltern und Verwandten
  2. Neues Lager zur "Reform durch Umerziehung"
  3. China wäscht sich rein in Sachen Menschenrechte
  4. Sechs Verhaftungen und 49 Ausweisungen in dem Kloster Rating
  5. Tod nach Folterung
  6. Verhaftungen während der Übergabe von Hongkong
  7. Verhaftung der Mönche von Kyomolung
  8. Das "State Department" der USA verurteilt die chinesische Herrschaft in Tibet
  9. Korruption versperrt tibetischen Studenten den Zugang zu höherer Bildung
  10. Sonam Phuntsok entlassen, letzte Information über Demonstration in Kandze
  11. Einzelhaft und Urteilsverlängerung nach dem Vorfall in Drapchi vom Mai 1998
Teil 1

Die Flucht des Karmapa: Sorge um die Sicherheit seiner Eltern und Verwandten

Die kürzliche Flucht des 17. Karmapa Ugyen Trinley Dorje löste intensive Untersuchungen in Tibet aus. Seine Eltern wurden von ihrem Heim in Lhasa nach Chamdo in das Hauptquartier der Politischen Konsultativ-Konferenz der Präfektur Chamdo gebracht. Dort werden sie in einer Wohnung, die einem Komiteemitglied gehört, unter strenger Überwachung gehalten.

In dem Kloster Tsurphu in Distrikt Toelung Dechen, dem Sitz des Karmapa in Tibet, wurden der tibetische Sicherheitsbeamte aus Nagchu und ein Mönch, der ebenfalls für die Sicherheit verantwortlich war, von ihren Posten entfernt. Personal und Mönche in Tsurphu wurden Ermittlungen und Vernehmungen unterworfen. Einem Bericht von TIN zufolge soll es auf die Flucht hin eine größere Umschichtung in dem Verwaltungskomitee des Klosters gegeben haben. Den Mönchen wurde nachdrücklich anheimgelegt, ihre "politische Einstellung" zu rektifizieren, andernfalls würden sie intensiver "patriotischer Umerziehung" unterworfen.

Es heißt auch, daß das Tsurphu Kloster, das etwa 60 km westlich von Lhasa liegt, nun für Besucher geschlossen sei. Anfangs dieses Jahr berichteten Besucher noch, daß eine ungewöhnlich große Anzahl an "Public Security Bureau" (PSB) Personal in Uniform und in Zivil in und um das Kloster herum stationiert sei. Die Tatsache, daß der Karmapa sowohl von dem Dalai Lama als auch von Peking anerkannt ist, hat kritische politische Implikationen. Die einzige Aussage, welche die chinesische Regierung bisher gemacht hat, um nicht ihr Gesicht zu verlieren, ist, daß er sich nach Indien begeben hätte, um dort bestimmte sakrale Gegenstände zu holen, und daß er später nach Tibet zurückkehren würde.

Die Absicht der chinesischen Regierung, den Karmapa als eine Marionette zu benutzen, so wie sie sich früher den 10. Panchen Lama zur Legitimierung ihrer Kontrolle über die tibetische Religion zunutze machte, ist offensichtlich. Sein offizieller Besuch in Peking in 1994, als er gerade 11 Jahre alt war, fiel mit dem chinesischen Nationalfeiertag zusammen. Es gab eine ausführliche Berichterstattung in den Medien, wobei zitiert wurde, daß er die Partei unterstütze und für Mao Zedong bete. Seit seiner Ankunft im Exil hat der Karmapa sich in seinen Ansprachen sehr deutlich über den Mangel an religiöser Freiheit in Tibet ausgesprochen. Es besteht auch ernste Besorgnis um die anderen Familienglieder des Karmapa, denn es ist anzunehmen, daß sie ebenfalls unter strenger Überwachung stehen.

Teil 2

Neues Lager zur "Reform durch Umerziehung"

Zuverlässige Quellen aus Tibet bestätigen die Schaffung eines neuen laoijao in Chamdo. Dieses in Zethang, 10 km östlich von Chamdo gelegene "Reformlager", das direkt der Aufsicht der Polizeibehörde der Region Chamdo untersteht, nahm seine Tätigkeit am 15. Januar 1998 auf. Die von den verschiedenen Distriktverwaltungen auf administrativem Wege verurteilten Opfer kommen hierher. Die ersten 6 Mönche kamen aus Drayab: Ngawang Sangye, Chemi Lobsang, Gonpo, Tashi Nyima und zwei namentlich nicht bekannte. Sie wurden inzwischen entlassen. Es gibt 30 Zimmer für je sechs Gefangene. Gegenwärtig sollen sich etwa 30 Häftlinge dort befinden, aber außer Namgyal, 50, aus Distrikt Chamdo Pasho, und Gedun Gyatso, 22, einem zu 3 Jahren verurteilten Mönch von Kloster Chamdo Pondha, sind die übrigen kriminelle Straftäter. Dieses neue Zentrum zur Reform-durch-Umerziehung in der Region Chamdo dient einem doppelten Zweck: erstens, mehr Kriminelle einsperren zu können und zweitens, alle diejenigen Tibeter, die sich gegen die chinesische Herrschaft aussprechen, foltern zu können. Die Einrichtung dieser neuen Anstalt ist ein klares Zeichen, daß die Verletzung der Menschenrechte der Tibeter, wozu auch der häufige Einsatz von Folter gehört, im Zunehmen begriffen ist.

Teil 3

China wäscht sich rein in Sachen Menschenrechte

Die VR China (People's Republic of China) veröffentliche am 17. Februar 2000 ihr Weißbuch über Menschenrechte. Der 18-seitige Bericht handelt aber nicht, wie man erwarten sollten, von den bürgerlichen, politischen und religiösen Rechten der Bürger der PRC, sondern richtet sein Augenmerk nur auf wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität. Mit dem Wort "Fortschritt" soll das Versäumnis der PRC, ihren Bürgern die Grundrechte zu gewähren, überdeckt werden.

In dem ganzen Bericht wich die Regierung den international anerkannten Menschenrechtsnormen aus. Chinesische Statistiken werden als ein Beweis für die Besserung der Lebensbedingungen der Durchschnittschinesen zitiert. So ist etwa die Rede von der Bettenanzahl in Krankenhäusern in dem "neuen China". Aus dem Weißbuch wird deutlich, wie sehr sich die chinesische Regierung auf Statistiken stützt und den Fortschritt nach diesen Kategorien bemißt. Es gibt jedoch keine Erwähnung, womit diese "Errungenschaften" erkauft wurden, noch der verheerenden Effekte der Kulturrevolution (1966-1987), welcher zwischen 20 und 30 Mio. Chinesen und etwa 1 Mio. Tibeter zum Opfer fielen. Selbst wenn man die chinesischen Statistiken für bare Münze nehmen würde, sind die Zahlen nicht regional aufgegliedert, noch werden so wichtige Probleme wie der Zugang zu den Früchten des Fortschritts, ja nicht einmal die grundlegenden Rechte auf Lebensunterhalt behandelt. Das Weißbuch stellt auch nicht die notwendigen Verbindungen zwischen wirtschaftlich-sozialen und bürgerlich-politischen Rechten her. Das Recht auf Fortschritt in der internationalen Rechtsgebung kann nicht auf diese Weise isoliert dargestellt werden, sonst ist es nur noch dem Namen nach ein Menschenrecht.

Die chinesische Regierung behauptet, daß die Verhältnisse in ihrem Land es nicht zulassen, Menschenrechte in derselben Weise wie in den hochentwickelten westlichen Ländern oder auch in anderen Entwicklungsländern zu fördern. Das läuft darauf hinaus, daß ungeachtet aller internationaler Verpflichtungen und nationalen Gesetze zum Schutz der Rechte der chinesischen Bürger die Regierung weiterhin die Rechte ihrer Bürger beschneidet und alle Meinungen unterdrückt, die konträr zu den von der PRC und der Kommunistischen Partei verkündeten sind. Das Weißbuch erhebt auch den Anspruch, daß Peking in dem Kampf gegen Prostitution mit gutem Beispiel vorausgehe, worauf "alle anderen großen, mittleren und kleinen Städte in der ganzen Nation nach und nach die Prostitution verboten".

Dagegen besagt ein TIN Bericht nach einer inoffiziellen Studie eines Tibeters von 1998, daß es in den 18 Hauptstraßen von Lhasa schätzungsweise 658 Bordells gibt. Bei einer angenommenen Einwohnerzahl von 200.000 in Lhasa bedeutet dies ein Bordell auf je 304 Personen. In einem durchschnittlichen kleineren Bordell sind 7-8 Mädchen und in einem großen 10-14 beschäftigt. Agence France Presse (AFP) berichtete am 29. Februar 2000, daß Sun Jiazhen, der Kulturminister Chinas, über die wild wuchernde Prostitution entsetzt war und ein landesweites Eindämmen ihres unaufhaltsamen Wachstums gefordert hat. Er beschuldigte sogar staatliche Stellen, aktiv an diesem Gewerbe beteiligt zu sein. "Eine Reihe von lokalen Regierungsbehörden fördern diese illegalen Tätigkeiten gar noch". Die Sorge des Ministers wird von der Aussage von Neuankömmlingen aus Tibet unterstützt. Ein 22-jähriger junger Mann sagte, daß Prostitution ein Riesenproblem in Lhasa sei, wobei "die Mehrzahl der Prostituierten, die überall in der Stadt herumstehen, Chinesinnen sind". In einem Kommentar zu dem Weißbuch stellte Amnesty International fest, daß "dieses Weißbuch zur Verteidigung der Menschenrechtslage mehr durch seine Auslassungen als durch seine Ausführungen spricht."

Teil 4

Sechs Verhaftungen und 49 Ausweisungen in dem Kloster Rating

Tsondue Gyaltsen, 21, ursprünglich aus Gemeinde Thangko, Distrikt Phenpo Lhundrup, war Mönch im Kloster Rating. Seine Eltern sind Bauern. Er sagte, daß es unter der chinesischen Klosterverwaltung derzeit 130 Mönche in Rating gebe, die mit den notwendigen Ausweisen versehen wurden. Im September 1996 wurde die patriotische Umerziehung von 12 Kadern durchgeführt. Sie riefen jeden Morgen alle Mönche zusammen und gaben ihnen Schriften aus, denen zufolge sie sich allem "Spaltertum" zu widersetzen und S.H. den Dalai Lama zu denunzieren haben. Die Mönche wurden in drei Gruppen geteilt, um diese Themen unter sich zu diskutieren. Daraufhin wurden sie mündlich geprüft und außerdem aufgefordert, schriftlich ihre Abkehr vom Dalai Lama zu bestätigen.

Als die Mönche sich heftig weigerten, dies zu tun, fälschten die Kader Erklärungen im Namen der Mönche. Diese gefälschten Dokumente wurden dem vorgesetzten Büro unterbreitet, worauf bestätigt wurde, daß der Parteisekretär der TAR Chen Kuiyuan am 30. November 1996 das Kloster Rating besuchen würde, um das Umerziehungsprogramm dort unter Dach und Fach zu bringen. In der Nacht vor dem Besuch zündeten die Mönche jedoch das Fahrzeug eines der Kader an, um ihrem Unmut über den bevorstehenden Besuch des Parteisekretärs und die Abgabe gefälschter Dokumente Luft zu machen. Dadurch wurde der Besuch vereitelt.

Nun durchsuchten 11 Sicherheitskräfte des PSB von Lhasa und Distrikt Shundup zusammen mit den Kadern alle Zimmer der Mönche, wobei sechs von ihnen verhaftet wurden. Mehrere Mönche, auch der Ökonom des Klosters, wurden verprügelt und wegen des in Brand gesteckten Fahrzeuges vernommen, aber keiner wurde als Täter ermittelt. Das "Arbeitsteam" dehnte seinen Aufenthalt auf 6 Monate aus.

Die Einzelheiten der sechs Verhafteten sind folgende. Der 21-jährige Lama Kushab Sikpa und der 28-jährige Phuntsok Dhargyal wurden am 27. Dezember 1996 verhaftet. Nach 6 Monaten Untersuchungshaft in Gutsa wurden sie zu 2 Jahren Gefängnis in Drapchi verurteilt. Seit ihrer Entlassung im Dezember 1998 wohnen sie zu Hause, wo alle ihre Tätigkeiten strenger Kontrolle unterliegen. Der 27-jährige Thinlay Tsondue wurde nach seiner Verhaftung 6 Monate lang in Gutsa festgehalten und dann auf seine Verurteilung zu 8 Jahren hin nach Drapchi verlegt. Bei der Verhaftung wurde er so schwer geschlagen, daß er immer noch an den Folgen leidet, aber im Gefängnis kaum Möglichkeit zu angemessener Behandlung hat. Der 23-jährige Lobsang Tsondue wurde ebenfalls nach 6 Monaten in Gutsa zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt. Jamyang Sangye, 35, wurde nach 6 Monaten in Gutsa zu 1 Jahr verurteilt. Seit seiner Entlassung wohnt er zu Hause.

Im Februar 1997 warfen die Kader 17 Mönche aus dem Kloster hinaus. Im Juni 1998 kamen sie noch einmal und wiesen 32 Mönche aus. Im ganzen also gab es 49 Ausweisungen und 6 Verhaftungen in Kloster Rating. Tsondue Gyaltsen floh im Oktober 1999 aus Tibet.

Teil 5

Tod nach Folterung

Ngawang Sengye, ein ehemaliger politischer Gefangener aus Distrikt Paksho, der neulich in Dharamsala ankam, sagte, daß im Januar 1997 ein Mönch namens Jamyang Thinlay nach den schweren Mißhandlungen im Gefängnis Chamdo starb. Im Februar 1996 wurde Jamyang von dem PSB unter der Beschuldigung, Unabhängigkeitsplakate angeklebt zu haben, verhaftet. Bei der Vernehmung in dem Gefängnis Chamdo wurde er so schwer geschlagen, daß er einen gefährlichen Nierenschaden davontrug. Im Januar 1997 brachten sie ihn in ein öffentliches Krankenhaus, aber es war bereits zu spät. Er starb 3 Tage später im Alter von 28 Jahren. Bei dem traditionellen tibetischen Bestattungsritus wurde festgestellt, daß er innere Blutungen erlitten hatte. Obwohl die Mönche wegen dieses Todesfalles Klage zu erheben versuchen, brachte sie keinen Erfolg.

Teil 6

Verhaftungen während der Übergabe von Hongkong

Chime Lobsang aus Distrikt Paksho, Region Chamdo, erreichte Dharamsala im Januar 2000. Drei Jahre lang war er im Chamdo Gefängnis eingesperrt gewesen, weil er Plakate angeklebt hatte. Nach Aussage von Chime veranstalteten 7 Mönche aus dem Kloster Sepu in der Ortschaft Sernon in Paksho während der Übergabe von Hongkong an China am 1. Juli 1997 eine friedliche Demonstration. Sie riefen die üblichen Parolen. Nach etwa 15 Minuten wurden sie von den Sicherheitskräften festgenommen und in das Haftzentrum von Paksho gebracht. Es handelte sich um den 24-jährigen Rigzin Chophel, den 23-jährigen Sherab Tsultrim, den 25-jährigen Tashi Phuntsok, den 25-jährigen Lobsang Topchen, den 15-jährigen Ngawang Chophel, den 13-jährigen Dawa Dorje und den 28-jährigen Lobsang Dechen. In der Haft wurden sie brutal geschlagen. Auch Rigzin, ein Maler, der früher einmal in Indien war, wurde zusammen mit den Mönchen festgenommen. 13 Tage später wurden die Mönche und Rigzin in das Haftzentrum von Chamdo verlegt. Im November 1997 fällte das Volksgericht von Chamdo die Urteile: Rinzin 8 Jahre, Rigzin Chophel und Sherab Tsultrim 6 Jahre, Tashi Phuntsok, Lobsang Topchen, Ngawang Chophel, Dawa Dorje und Lobsang Dechen je 4 Jahre. Alle kamen nach Drapchi, wo sie nun ihre Strafen abbüßen.

Teil 7

Verhaftung der Mönche von Kyomolung

Ngawang Tenzin, Laienname Phurbu Tsering, 25, aus Toelung Dechen bei Lhasa kommt aus einer Bauernfamilie. Von 8 bis 15 Jahren ging er zur Volksschule von Kyomolung. Danach half er zwei Jahre lang seinen Eltern bei der Feldarbeit, 1991 trat er in das Kyomolung Kloster ein, wo damals 30 Mönche wohnten. Im ersten Jahr studierte er buddhistische heilige Schriften. Im Dezember 1992 begab er sich zusammen mit Dawa, 27, aus demselben Kloster nach Lhasa. Am nächsten Tag demonstrierten Phurbu und Dawa vor dem Barkhor, indem sie die üblichen Parolen riefen. Bereits nach 10 Minuten wurden sie von PSB Personal umgeben und augenblicklich verhaftet. Jeder wurde von zwei Polizisten gepackt und zu der lokalen Polizeistation am Barkhor geschleppt. Danach wurden sie formell von dem PSB von Lhasa verhaftet.

Dann wurden sie unter Mißhandlungen gefragt, warum sie protestiert hätten und was ihre Personalien seien. Nun wurden sie an einen unbekannten Ort gefahren, wo die Vernehmung weiterging. Am 12. Mai 1993 stellte das PSB von Stadt Lhasa einen formellen Verhaftungsbefehl für Phurbu und Dawa aus. Dann kamen sie in das Gutsa Haftzentrum, wo sie stehen bleiben mußten, bis man sie in verschiedene Zellen sperrte. In Gutsa wurden sie immer wieder vernommen, brutal geschlagen und ohne Verbindung zur Außenwelt gelassen. Am 27. Juni 1993 erhob die Volksprokuratur von Stadt Lhasa wegen "konterrevolutionärer Propaganda und Aufhetzung" bei dem Mittleren Volksgericht Anklage gegen die zwei Mönche. Schließlich wurde Phurbu am 12. Juli 1993 von dem Mittleren Volksgericht wegen Verletzung der § 102, 22, 23, 24, 14 und 52 des Strafkodexes der PRC überführt. Im ganzen wurde Phurbu acht Monate lang festgehalten, ehe er zu zwei Jahren Gefängnis und Verlust der politischen Rechte auf 1 Jahr verurteilt wurde. Dawa wurde zu 5 Jahren Gefängnis und Verlust der politischen Rechte für 2 Jahre verurteilt.

7 Tage nach der Urteilsverkündung kam er nach Drapchi, wo ihm Arbeiten wie Reinemachen und Botengänge zugewiesen wurde. Nach 1 Jahr und 4 Monaten wurde er im Dezember 1994 entlassen. Seitdem wohnte er in seinem Heimatdorf und half seinen Eltern. Im Januar 1996 fand er einen Job in einer Druckerei in Lhasa, wo er bis zum Oktober blieb. Phurbu beschreibt, wie die politischen Gefangenen auch nach ihrer Entlassung Probleme haben, eine Unterkunft zu finden und ständig von dem PSB behelligt werden. Da er solch ein Dasein nicht mehr aushalten konnte, verließ er Tibet im Dezember 1999.

Teil 8

Das "State Department" der USA verurteilt die chinesische Herrschaft in Tibet

Das amerikanische Außenministerium veröffentlichte am 25. Februar 2000 seinen Jahresbericht 1999 über die Menschenrechtslage in China und Tibet. Darin wird die chinesische Regierung wegen ihrer zunehmenden Menschenrechtsmißbräuche im vergangenen Jahr kritisiert: "Die chinesischen Staatsorgane fuhren fort, ernste Menschenrechtsverstöße in Tibet zu begehen mit Vorfällen von Folter, willkürlicher Verhaftung, Festhaltung ohne öffentliches Verfahren und langzeitiger Einsperrung tibetischer Nationalisten wegen der friedlichen Bekundung ihrer politischen und religiösen Ansichten."

Die chinesische Regierung reagierte ärgerlich auf diesen Bericht und beschuldigte die USA, sich in die internen Angelegenheiten anderer Länder einzumischen und die Menschenrechtslage in China zu entstellen, statt die Probleme in ihrem eigenen Lande anzugehen. Der Bericht beschreibt in Einzelheiten den schlechten Menschenrechtsstandard, der sich im letzten Jahr sogar noch merklich verschlechterte. Anders als in vergangenen Jahren geht der Bericht genau auf die Menschenrechtslage in dem historischen Tibet ein, nicht nur in der "Autonomen Region Tibet" (TAR). Politische Proteste und Festhaltungen seien im Zunehmen begriffen, besonders in den tibetischen Gegenden außerhalb der TAR.

"Dieser Bericht dokumentiert die fortgesetzte Repression des tibetischen Volkes durch die Chinesen. Während er zu dem in Aussicht genommenen "Westchina Armut-Reduzierungsprojekt", das den Bevölkerungstransfer nach Tibet finanziert, schweigt und ebensowenig die heftige Niederschlagung eines großen Protestes von etwa 3.000 Menschen im Oktober 1999 in der TAP (Tibetan Autonomous Prefecture) Kandze erwähnt, liefert er dennoch ein recht umfassendes Bild der chinesischen Politik in Tibet", meint Lobsang Nyandak, der Direktor des TCHRD.

Dem Bericht zufolge geriet auch der Buddhismus unter zunehmenden Angriff. Die patriotische Umerziehung wurde in den Klöstern weitergetrieben, was zur Flucht von Tausenden von Tibetern ins Exil führte. Mönche und Nonnen wurden zum Unterschreiben von Verpflichtungen gegen den Dalai Lama und den Tibetischen Panchen Lama gezwungen, in denen sie die Einheit Chinas und Tibets anerkennen und versprechen müssen, nicht den Sender Voice of America zu hören und sich von der Unabhängigkeit für Tibet loszusagen. Wer sich weigerte, wurde hinausgeworfen und in manchen Fällen verhaftet. "Man hörte auch von Gefangennahmen und Folterung oder von Mißbrauch von Mönchen und Nonnen, denen politischer Aktivismus vorgeworfen wird, vom Tod von Gefangenen und der Schließung von mehreren Klöstern".

Der Bericht stellt fest, daß die chinesische Regierung weiterhin die religiöse Routine in vielen Klöstern stört und durch die demokratischen Verwaltungskomitees und die lokalen Religionsbüros starke Kontrolle ausübt. Alle Mitglieder dieser Komitees müssen von der Regierung bestätigt werden. Im Januar startete die Regierung eine dreijährige Atheismus Kampagne, die sich hauptsächlich an staatliche Angestellte richtet, um deren Loyalität für China zu festigen und "den Kampf gegen den Separatismus zu verstärken". 1999 hat die chinesische Regierung die Grundfreiheiten ihrer Bürger schwer beschnitten, besonders in den Tagen vor den bedeutsamen Jahrestagen in Tibet und China. In Tibet gab es Proteste am 10. März, dem 40. Jahrestag des tibetischen Aufstandes, während der nationalen Minoritäten Wettkämpfe in Lhasa im Juli und während der Feierlichkeiten zu dem 50. Jahrestag der Gründung der PRC. Alle diese Proteste wurden eiligst und drastisch unterdrückt.

Der Bericht bemerkt auch die zunehmende Häufigkeit, mit der tibetische politische Gefangene wegen der Schläge und Mißhandlungen in der Haft sterben. Seit 1987 sind bei den weiblichen politischen Gefangenen im Drapchi Gefängnis 1 von je 22 gestorben, und bei den männlichen 1 von je 37. Im ganzen ist das Verhältnis 1 zu 48. Im April wurde Legshe Tsoglam geschlagen, weil er sich dem patriotischen Umerziehungsprogramm in dem Kloster Nalanda widersetzte. Er kam in die Gutsa Haftanstalt und starb wenige Tage nach seiner Entlassung. Die Mönche Ngawang Jinpa und Norbu starben kurz nach ihrer Entlassung 1999. Sonam Wangdu starb ebenfalls 1999 wegen der Folterung, die er in Drapchi erlitten hatte. Gefangene werden gepeinigt und mißhandelt durch Elektroschocks, Aufhängen in schmerzhaften Positionen und andere grausame Methoden, heißt es in dem Bericht weiter.

Obwohl die offiziellen Statistiken angeben, daß 74% der staatlichen Angestellten in Tibet ethnische Tibeter seien, sind auf dem Gebiet der öffentlichen Repräsentation die Schlüssel- und Machtpositionen von ethnischen Chinesen besetzt. Auch auf dem Privatsektor ist die Diskriminierung gegen Tibeter weitverbreitet, was vor allem von der zunehmenden Sinisierung Tibets kommt. Die tibetische Sprache wird von Chinesisch verdrängt und viele behördliche und kommerzielle Geschäfte und Korrespondenz erfolgen nur noch auf Chinesisch. Chinesische Einwanderer treten besonders in urbanen Regionen in Wettkampf mit tibetischen Unternehmen und Arbeitskräften und verdrängen sie zunehmend. Mit der Einwanderung großer Zahlen von Nichttibetern nach Tibet ging eine dramatische Zunahme der Prostitution einher. Der Bericht erwähnt, daß "die Prostitution meistens an den Lokalitäten, die der Partei oder Regierung gehören, und unter Militärschutz stattfindet. Die meisten Prostituierten in Tibet sind ethnische Han-Frauen. Bis zu 10.000 kommerzielle "Sexarbeiterinnen sind alleine in Lhasa beschäftigt."

Durch die diskriminierenden Erziehungsmethoden werden Tibeter weiter an den Rand gedrängt. Die tibetische Sprache wird auf allen Erziehungsstufen abgewertet und Chinesisch schon in der ersten Klasse gelehrt. In der höheren Schule sind die meisten Schulstunden auf Chinesisch. Im College finden wegen ihrer besseren Sprachkenntnisse und höheren Erziehung mehr chinesische als tibetische Studenten Zulassung. Der Lehrplan wird zensiert. An der Tibet Universität "wurden viele alte und religiöse Texte aus politischen Gründen verboten".

Wenn ethnische Tibeter eingesperrt werden, dann sind die rechtlichen Garantien für sie dieselben wie im übrigen China, dazu von ihrer Konzeption und Anwendbarkeit her ungenügend. Gerichtsverhandlungen für Tibeter, die politischer Verbrechen wegen angeklagt werden, sind kurz und hinter verschlossenen Türen. Der Bericht schließt, daß "repressive gesellschaftliche und politische Kontrollmaßnahmen weiterhin die fundamentale Freiheit der ethnischen Tibeter einschränken und daher das einzigartige kulturelle, religiöse und linguistische Erbe Tibets allmählich der Zerstörung preisgeben".

Teil 9

Korruption versperrt tibetischen Studenten den Zugang zu höherer Bildung

Das jüngste chinesische Weißbuch über Menschenrechte kam im Februar heraus. Es betont ausdrücklich das Recht auf Lebensunterhalt und Fortschritt, auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte allgemein. Dieser Nachdruck auf Fortschritt beinhaltet eigentlich auch die Aussicht auf ein besseres Leben in Wohlstand und Arbeitsplätze für eine zunehmende Zahl von Menschen, die unter chinesischer Herrschaft leben. Aber trotz der chinesischen Beteuerung, daß alle Nationalitäten und ethnischen Gruppen gleichen Zugang zu den Errungenschaften hätten, hören wir immer wieder, daß viele junge Tibeter keine Chance auf höhere Bildung und Berufsausbildung haben. Die chinesische Regierung beteuert in ihrem Weißbuch, daß "ein vielförmiges und vielschichtiges Weiterbildungs- und Berufsausbildungssystem geschaffen wurde, welches den Erfordernissen des Wirtschaftsaufbau gerecht wird."

Die folgende Geschichte von Namlang, einem 24-jährigen Nomaden aus der Provinz Qinghai, wirft Zweifel auf, ob tibetische Studenten wirklich in den Genuß höherer Bildung kommen. Namlang traf am 3. Januar 2000 im Exil ein, denn wie viele andere junge Tibeter hatte er seine Heimat auf der Suche nach Weiterbildung verlassen. Sein Fall ist insofern ungewöhnlich, als er eine Mittelschule besuchen und eine Lehramtsprüfung ablegen konnte, aber seine Erfahrung der Korruption und Diskriminierung illustriert, warum das Erziehungssystem trotz der großen Zahl der in letzter Zeit gebauten Schulen den Tibetern keine Zukunftsaussicht bietet, nicht einmal die Aussicht auf Beschäftigung. 1998 stellte die chinesische Regierung fest, daß von 1991 bis 1997 in Tibet 580.000 m2 neuer Schulhäuser gebaut wurden. Namlangs Geschichte geht jedoch über Ziegelsteine und Mörtel hinaus und hinterleuchtet, wer in diesen neuen Klassenräumen lernt. Wo er aufwuchs, gab es keine Dorfschule, weshalb Namlang in der nächsten Ortschaft in die Grundschule ging. Es handelte sich um eine Regierungsschule (shungtsug), wo also keine Schulgebühren entrichtet werden mußten. Wie so oft der Fall, mußte aber jedes Kind statt der Schulgebühren ein Schaf pro Jahr und 10 gyamas Butter beisteuern. Namlang kam mit 12 Jahren ins Internat, wo er 4 Jahre blieb, in denen er die Volksschule abschloß. In der Schule waren auch einige chinesische Kinder, deren Eltern beim Staat angestellt waren. Im ganzen waren es 200 Schüler und 20 Lehrer, alles Tibeter. Während in der Theorie diese Schule ein Beweis für die Behauptung der Chinesen, daß sie Schulen in entlegenen Gegenden baut und daß im modernen Tibet viele Schüler freie Erziehung genießen, sein könnte, ist das Bild in der Praxis ein ganz anderes. Namlang hegt Zweifel über den Standard der Erziehung und erzählt von dem Mangel an richtigen Strukturen und der ungenügenden Unterrichtsqualität in dieser Schule. Die Schüler schwänzten die ganze Zeit die Klassen und die Disziplin war verheerend. Der Lehrplan umfaßte Tibetisch, Chinesisch, Wissenschaft, Mathematik und Zeichnen. Das Unterrichtsmedium ist Tibetisch, welches auch das Hauptfach ist. Das ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, denn obwohl vorgeschrieben ist, daß in Tibet in den Schulen Tibetisch die Hauptunterrichtssprache bleibt, wird die höhere Erziehung und Berufsausbildung in Chinesisch gehandhabt, wodurch es den tibetischen Schülern schwerfällt, hinsichtlich der Ergebnisse und Plätze zu konkurrieren.

In der Tat lernte Namlang nach Abschluß der Grundschule drei weitere Jahre an der Distriktmittelschule, wo der gesamte Unterricht nun auf Chinesisch erfolgte, entgegen der Beteuerung der Regierung von 1998, daß sie "konkrete Maßnahmen zur Garantie der Freiheit des tibetischen Volkes zur Verwendung und Entwicklung sowohl des gesprochenen als auch des geschriebenen Tibetisch, einem Hauptstudiengang in allen Schulen in Tibet, ergriff". Um in die Mittelschule aufgenommen zu werden, mußten die Schüler eine Aufnahmeprüfung ablegen, bei der sie mindestens 70% erzielen mußten. Das Examen war unentgeltlich, ebenso wenig brauchten sie für die Mittelschule Gebühren zu zahlen, aber wieder mußte jeder Schüler ein Schaf pro Jahr beizusteuern. Diese Malo Dzong Mirig Lobta genannte Schule war nur für tibetische Schüler da, denn für die chinesischen gab es eine andere. Namlang kann nicht sagen, ob der Standard dort besser oder schlechter war.

Auf der einen Seite konnte Namlang eine gewisse Bildung über die Grundstufe hinaus erhalten, was bestimmt nicht für alle jungen Tibeter aus entlegenen Gegenden der Fall ist. Aber das Bild, das er zeichnet, beeinträchtigt die glorreiche Version des Bildungsstandes in Tibet, welche die Chinesen vorgeben. In dem Weißbuch von 1998 argumentierten die Chinesen, daß sie "viele Präferenzmaßnahmen zur Förderung der Bildung in Tibet ergriffen hätten. Internate seien in ländlichen Gegenden eingerichtet worden, wo die tibetischen Grund- und Mittelschüler freie Ernährung, Kleidung und Unterkunft bekommen. Ein Beihilfe- und Stipendiumssystem wurde Schritt für Schritt in Grund- und Mittelschulen über der Gemeindeebene eingeführt."

Und doch "gab es für die große Mehrheit der tibetischen Schüler - wie Namlang erzählt - keine Chance für ein Studium über diese Ebene hinaus." Am Ende bekam Namlang trotz all seiner Bildung keine Arbeit, obwohl er gerne Lehrer geworden wäre. Dazu hätte er normalerweise die Oberschule beenden und dann ein Lehrerseminar besuchen müssen. Kein einziger seiner tibetischen Schulkameraden in der Mittelschule konnte zur Oberschule oder darüber hinausgehen. Wie er feststellte, "war das Haupthindernis für eine weitere Erziehung die Prüfung, für welche Tibeter nicht qualifiziert genug waren. In der Praxis wurde das System so gehandhabt, daß, wenn ein chinesischer und ein tibetischer Schüler beide eine Aufnahmeprüfung schrieben, und der tibetische besser abschnitt, der Platz trotzdem auf jeden Fall dem chinesischen Schüler zufiel, während der tibetische disqualifiziert wurde." Während es also in der Theorie wieder scheinen mag, daß die Schüler eine gleiche Ausgangsposition hatten, um sich für Arbeitsplätze und Weiterbildung zu bewerben, verhinderten Diskriminierung und Korruption, daß Namlangs tibetische Klassenkameraden Studienplätze für die höhere Bildung bekamen. Namlang hatte aber immer noch Hoffnung und wollte das Lehrerexamen machen, denn obwohl er keine höhere Schule besucht hatte, stand ihm dies offen. Es gab damals 25 chinesische und 36 tibetische Anwärter, von denen 12 Chinesen, aber nur 3 Tibeter die Zulassung bekamen. Namlang zufolge "hatten die Tibeter, welche die Prüfung zu dem höheren Studium bestanden, alle Eltern, die in der chinesischen Regierung arbeiteten." Es war allgemeine Praxis, daß die chinesischen Studenten Schmiergelder zahlten und die zum Bestehen der Examen notwendigen Zeugnisse sich käuflich erworben. Außerdem luden die chinesischen Studenten ihre Prüfer vor der Bekanntgabe der Ergebnisse zum Schmaus in ein Restaurant ein. Es gibt keine offene und durchsichtige Handhabung der Sache und Namlang stellte fest, "daß diese Schmiergelder und Verlockungen einfach obligatorisch waren, wenn man durchkommen wollte. Sowohl chinesische als auch tibetische Schüler mußten zusätzlich teure Geschenke wie Matratzen, Whisky und Zigaretten für die sie prüfenden Lehrer kaufen. Außerdem mußten sie noch mit Bargeld schmieren."

Und wie schaut das von der chinesischen Regierung 1998 gemalte Bild dagegen aus? "Das Prinzip der Einräumung von Priorität für die Angehörigen der lokalen ethnischen Gruppen wird bei der Aufnahme neuer Schüler von allen Schulen wahrgenommen." Solche Beschönigungen verschleiern die im Wachstum begriffene Korruption und den Mangel an Offenheit und Transparenz in dem tibetischen Erziehungssystem. Namlangs grundlegende Erfahrung ist: "Man braucht einfach Geld, um solch einen Job zu bekommen". In der Mirig Gethun Labtha, der Pädagogischen Hochschule des Distrikts, beliefen sich alleine die Schmiergelder, die notwendig waren, um Lehrer zu werden, auf 10.000 Yuan, was aber gerade für die Aufnahmeprüfung reichte. Pro Jahr betragen die Gebühren für dieses College 1.200 Yuan, und der ganze Kurs dauert 4 Jahre. Die Unterrichtssprache in der Lehrerausbildungsstätte ist wiederum Chinesisch, und es gibt separate Klassen für tibetische und chinesische Studenten. Nur wenige Tibeter kommen auf den ersten Anhieb hinein. Solche Fälle illustrieren, warum sogar jene jungen Tibeter, die einen gewissen Zugang zu höherer Erziehung haben, keinen Anteil an dem Fortschritt haben, den China behauptet in der Wirtschaftsentwicklung und der höheren Berufsausbildung erzielt zu haben. Namlang hofft nun, seine Studien im Exil fortsetzen zu können.

Teil 10

Sonam Phuntsok entlassen, letzte Information über Demonstration in Kandze

Inoffiziell verlautete aus Tibet, daß Sonam Phuntsok entlassen wurde, aber wann dies geschah, weiß man nicht. Er soll sich im Distrikt Kandze aufhalten. Das TCHRD erhielt weitere Information von einem kürzlichen Ankömmling aus der Kandze TAP, Provinz Sichuan, der bei der Demonstration in Kandze dabei war. Er berichtete auch, daß es wegen der Verhaftung von Sonam Phuntsok, Agyal Tsering und Sonam Choephel zwei Demonstrationen gegeben hätte.

Am 31. Oktober 1999, als Sonam Phuntsok sich gerade im Retreat befand, kamen zwei Fahrzeuge des PSB des Distrikts Kandze, um ihn festzunehmen. Während ihn etwa 10 Offizielle festnahmen, stellten sich ihnen seine Anhänger in den Weg und fragten nach den Gründen. Die Beamten erklärten ihnen, daß Sonam Phuntsok politischen Aktivitäten nachginge. Die Leute antworteten, daß er nur seine monastischen Pflichten erfülle, und wenn dies illegal sei, dann gebe es ja gar keine Religionsfreiheit. Etwa 1.000 Personen hatten sich versammelt. Die PSB Beamten transportierten Sonam Phuntsok in ihrem Fahrzeug ab. Die Menge hielt jedoch ein zweites Polizeifahrzeug mit 6 Beamten auf und schloß sie in eine Scheune in der Nähe ein. Sie verlangte die sofortige Freilassung von Phuntsok, anderenfalls würden die Beamten in der Scheune bleiben. Diese hatten keine Wahl, als stattzugeben. Am folgenden Tag jedoch wurde Phuntsok früh morgens still und leise verhaftet. Als das Volk davon erfuhr, begannen noch mehr Tibeter, etwa 3.000 an der Zahl, vor dem Polizeigebäude zu protestieren. Viele von ihnen wurden auf der Stelle verhaftet. Der ganze Vorfall wurde gefilmt, was zu nachträglichen Verhaftungen und Geldstrafen führte. Die festgenommenen Protestanten wurden geschlagen, einige wurden eingesperrt und andere mit Geldstrafen belegt und dann freigelassen. Obwohl sie nicht ausdrücklich nach Freiheit für Tibet gerufen hatten, ist Sonam Phuntsok dennoch der Sache der Unabhängigkeit nicht abhold, und die Forderung des Volkes nach seiner Freilassung stand also im weiteren Sinne mit der Tibet-Freiheits-Bewegung im Zusammenhang.

Aus dem Dorf des Berichterstatters wurden 19 Personen mit harten Strafen belegt. Vier wurden nach dem Vorfall eingesperrt, zwei davon sind Pema Phuntsok und Tserug Orug. Pema, der verheiratet ist und zwei kleine Kinder hat, ist der Dorfvorsteher von Dorf No. 3 von Golok. Seine Gefangensetzung für 3 Jahre gefährdet ernstlich den Lebensunterhalt der Familie. Tserug Orug wurde zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Er hat eine Frau und Kinder.

Zusätzlich wurden 5 Personen mit je 3.000 Yuan bestraft, vier Personen mit 2.000 Yuan und einige andere mit 1.500 Yuan. Nun hatten die Familien die Last, diese Strafgelder aufzubringen. Shongpa Khedrup entkam der Festnahme, wurde jedoch mit einer Geldstrafe von 3000 Yuan bestraft, und weil er die Summe nicht hatte, mußte er seine Tiere verkaufen. Die Höhe der Geldstrafe hing von dem Grad der Beteiligung an der Demonstration ab.

Sonam Phuntsok ist eine angesehene Persönlichkeit in dem Distrikt und hat viele Anhänger. Diesen wurde erklärt, daß sie seine Lehren nicht befolgen dürften und zusätzlich eine Erklärung gegen ihn unterschreiben müssen. Weil unser Berichterstatter dies nicht über sich brachte, floh er nach Indien. Er hat große Sorge um Sonam Choephel und Agyal Tsering, deren Aufenthaltsort weiterhin unbekannt ist.

Teil 11

Einzelhaft und Urteilsverlängerung nach dem Vorfall in Drapchi vom Mai 1998

Kelsang Phuntsok (Mönchsname Ngawang Ngonkhen), 25, aus Dorf No. 1, Distrikt Chushul, Präfektur Lhasa, war ehemals Mönch in dem Kloster Tashigang. Seine Familie zählt 8 Personen und er ist der zweitälteste unter seinen Geschwistern. Seine Schwester war früher Nonne in dem Ani Tsangkhung Kloster, und der jüngste Sohn der Familie ist derzeit noch in dem Tashigang Kloster. Phuntsoks Familie stammt aus bäuerlichem Hintergrund, und abgesehen von einer zweijährigen Schulzeit half Phuntsok hauptsächlich seinen Eltern auf dem Feld. 1990, als er in Tashigang eintrat, lebten dort etwa 18 Mönche.

Tibeter der Gegend renovierten das Tashigang Kloster während der Zeit der Liberalisierung. Kelsang war einer der ersten Mönche, die nach der Renovierung dort eintraten. Anfangs war er Koch, dann wurde er Ökonom, ehe er sich permanent dem Studium der heiligen Schriften widmete.

Am 15. Februar 1994 begaben sich Kelsang und sein 25-jähriger Freund Nyima Tsering aus demselben Kloster nach Lhasa. Als sie dort um ca. 10 Uhr ankamen, begannen sie friedlich vor dem Jokhang Tempel zu demonstrieren. Sie holten die verbotene tibetische Nationalflagge hervor, hielten sie an beiden Seiten fest und riefen Parolen. Nachdem sie etwa 10 Minuten demonstriert hatten, wurden sie von dem Sicherheitspersonal festgenommen. Die PSB Beamten legten die Mönche in Handschellen, warfen sie in ein Fahrzeug und brachten sie in die Gutsa Haftanstalt. Dort wurden sie in verschiedene Zellen gesteckt und dann vernommen. Sie wurden wiederholt gefragt und dabei geschlagen, weil sie sich weigerten, ihren monastischen Hintergrund preiszugeben. Das brachte ihnen zusätzliche Mißhandlung ein und verlängerte ihre Haftzeit. Einen Monat nach ihrer Festnahme kamen sechs PSB Offiziere in ihr Kloster, um dort nachzuforschen und ihre Zimmer zu durchsuchen. Die Mönche wurden über ein Jahr in Gutsa festgehalten, wobei sie in den ersten 10 Monaten keine Besucher empfangen durften. Sie wurden ständig belästigt und ungewöhnlich langen Befragungen ausgesetzt.

Im Oktober 1995 fällte der Mittlere Volksgerichtshof von Lhasa ihre Urteile. Kelsang Phuntsok wurde zu 6 Jahren Gefangenschaft und 3 Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt, Nyima Tsering zu 4 Jahren und 2 Jahren Verlust der politischen Rechte. Nach der Verurteilung kamen sie nach Drapchi. Nach drei Jahren Haft machte Phuntsok im Mai 1998 bei der friedlichen Demonstration im Gefängnis mit. Dieser von einem nichtpolitischen Gefangenen begonnene Protest fiel mit dem Besuch einer Delegation der EU in dem Drapchi Gefängnis zusammen. Der Protest wurde brutal niedergeschlagen mit dem Ergebnis, daß 10 politische Gefangene starben und viele andere schwere Verletzungen davontrugen. Den Verletzten wurde jegliche medizinische Hilfe verweigert. Einige Gefangene erfuhren auf die Proteste hin eine Urteilsverlängerung. Phuntsok war 2 Monate lang in Einzelhaft, wonach sein Urteil im Oktober um 4 Jahre vermehrt wurde, so daß es nun insgesamt 10 Jahre beträgt. Nach der Verlängerung wurde er in die Einheit 4 für nichtpolitische Gefangene verlegt. Sein Freund Nyima wurde 1998 entlassen.

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