Human Rights Update

Juni 2000

Inhalt
  1. Patriotische Umerziehungskampagne: ein Todesfall und 25 Festnahmen
  2. Kanadischer Regierungsvertreter berichtet über den Mangel an religiöser Freiheit in Tibet
  3. Tibetische Funktionärin erzählt über ihre Erfahrung
  4. Zwangsräumung in Kloster Gangchen
  5. Hafturteil von 9 Mönchen in Kandze verlängert
  6. Strenge Maßnahmen zur Geltendmachung der Geburtenkontrolle
  7. Tibetische Nomaden entbehren der Basisgüter
  8. Leben im Drapchi Gefängnis
  9. Patriotische Erziehung in dem Kloster Dechen Choekhorling
  10. Festhaltung und Verhaftung beim Versuch, aus Tibet zu fliehen
  11. Ein Blick auf das chinesisch verwaltete Schulsystem
  12. Eingesperrt wegen Unabhängigkeitsprotest
Teil 1

Patriotische Umerziehungskampagne: ein Todesfall und 25 Festnahmen

Das TCHRD erhielt Informationen aus erster Hand, daß Tashi Rabten, der Schatzmeister des Klosters Thenthok, während eines von dem Büro für Religionsangelegenheiten Chamdo durchgeführten patriotischen Umerziehungsfeldzuges zu Tode kam, und daß fünf weitere Mönche festgenommen wurden. In der Folge nahmen die Polizisten des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) noch 20 Zivilisten aus der Gegend fest und ordneten strenge Überwachung an. Am 1. Mai 2000 traf ein offizielles 30-köpfiges "Arbeitsteam" aus dem Büro für religiöse Angelegenheiten von Chamdo in dem Kloster Thenthok in Distrikt Dzogang, Bezirk Chamdo, TAR, ein, um die patriotische Umerziehung einzuleiten. Dem Kloster wurde befohlen, alle Dalai Lama Bilder zu entfernen, was einen starken Protest bei den Mönchen hervorrief. Zur Vergeltung wurden drei Mönche, von denen einer einen Rippenbruch erlitt, schwer geschlagen. Alle Dalai Lama Bilder wurden konfisziert. Auch Tashi Rabten wurde zur Rede gestellt und zu diesem Zweck in einen Raum im 3. Stock des Klosters gebracht. Bald danach sahen ihn die anderen Mönche schwer verletzt im Erdgeschoß liegen. Unter verdächtigen Umständen war er vermutlich aus dem 3. Stockwerk heruntergefallen. Trotz der Bemühungen seiner Kameraden, ihn zu retten, starb Tashi Rabten kurz danach. In der darauffolgenden Nacht, am 2. Mai 2000, brachten einige Mönche Freiheitsposter im Kloster an. Als an den Wänden der Hauptversammlungshalle Aufschriften wie "Tibet ist unabhängig" erschienen, führten die PSB Milizen aus Dzogang zusammen mit lokalen Beamten eine Untersuchung durch, bei der sie 5 Mönche verhafteten: Jamyang Tashi (28), Tenpa (25), Tsultrim Jinpa (2), Tsering Chonden (22) und Yeshi Nyima (25) sind derzeit in dem Distrikthaftzentrm von Dzogang eingesperrt.

Am 3. Mai verkündeten die Sicherheitsbeamten, daß jeder, der den lokalen Milizen die Schuld an Tashi Rabtens Tod zuschiebe, mit schweren Gefängnisstrafen zu rechnen hätte. Sie lehnten jede Verantwortung für Tashi Rabtens Tod ab, den sie als einen Fall von Selbstmord bezeichneten. Örtliche Bewohner vermuten jedoch, daß es sich bei Tashi Rabtens Tod um einen vorsätzlichen Mord handelt. Einige in der Nähe des Klosters ansässige Personen waren empört und verlangten eine Aufklärung von den Behörden. Um einem möglichen Ausbruch von Gewalt zuvorzukommen, wurden noch mehr Polizeikräfte stationiert und die Sicherheit in der Gegend verschärft. Als zusätzliche Maßnahme wurden am 3. Mai rund 20 Zivilisten in das Distrikthaftzentrum von Dzogang eingeschlossen.

Seit dem Beginn der patriotischen Umerziehungs-Kampagne im April 1996 wurden in Tibet insgesamt 13.333 Mönche und Nonnen aus ihren Klöstern ausgewiesen und mindestens 596 verhaftet. 20 religiöse Institutionen wurden vollständig geschlossen, zwei davon in diesem Jahr.

Teil 2

Kanadischer Regierungsvertreter berichtet über den Mangel an religiöser Freiheit in Tibet

Raymond Chan, ein kanadisches Kabinettmitglied, machte unlängst eine Tour durch China und konnte dabei auch das Drapchi Gefängnis, das Gefängnis No. 1 der TAR, besuchen. Der kanadische Staatssekretär für Asien und die Pazifikregion erhielt die seltene Möglichkeit, einen Blick auf die Behandlung von inhaftierten tibetischen Dissidenten zu werfen. Herr Chan sagte, daß er nicht mit den Gefangenen hätte sprechen dürfen. "Die Kontrolle über die Religion wird immer schlimmer", kommentierte Chan über Telefon aus Peking, wie in "The Globe and Mail" berichtet wurde. "An der Oberfläche wird man nicht viel merken, aber darunter gibt es großen Anlaß zur Sorge. Ich denke, es ist wichtig für uns, dies zu wissen". Er bestätigte, daß die religiöse Unterdrückung in Tibet zunimmt - einem Land, wo staatlichen Angestellten das Recht verwehrt wird, ihren buddhistischen Glauben auszuüben, und wo Mönche, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, nichts mehr in den Klöstern zu suchen haben. Die Hauptklagen der Bevölkerung seien seiner Meinung nach, daß tibetische Regierungsangestellte nicht "öffentlich die buddhistische Philosophie vertreten dürfen, und daß die Zahl der Mönche in den Klöstern im Abnehmen begriffen ist: Es gibt nicht genug Leute, um das religiöse Wissen weiterzugeben". Diese Feststellung steht in deutlichem Widerspruch zu dem neuen chinesischen Weißbuch mit dem Titel "Die Entwicklung der tibetischen Kultur", das am 22. Juni 2000 von dem Informationsbüro des Staatsrates herausgegeben wurde. Es behauptet, daß tibetische Religion und Kultur prächtige Fortschritte gemacht hätten und über die Jahre gut erhalten wurden. Herr Chans Bitte, den Panchen Lama zu Gesicht zu bekommen, wurde nicht gewährt, er bekam nur zu hören, der Junge sei bei guter Gesundheit. Weitere Auskünfte verweigerten die Chinesen. Damit hat die chinesische Regierung wieder einmal einer ausländischen Delegation verweigert, den 11-jährigen Panchen Lama zu sehen. Herr Chan versicherte jedoch, daß derartige Menschenrechtsverletzungen Kanada nicht daran hindern würden, in Tibet zu investieren. Raymond Chan ist das erste kanadische Kabinettsmitglied, das seit der chinesischen Invasion 1950 Tibet besuchte.

Teil 3

Tibetische Funktionärin erzählt über ihre Erfahrung

Khando Kyi wurde 1971 in Akham, Distrikt Ngaba, Tibetisch Autonome Präfektur Ngaba, Provinz Sichuan, geboren. Von 6 bis 14 Jahren besuchte sie die lokale Volksschule, danach ging sie drei Jahre zur Mittelschule des Distrikts Marthang. Nach deren Abschluß machte sie eine 4-jährige Ausbildung als Veterinärin in der Präfektur Ngaba. 1992 wurde Khando als Sekretärin in dem Gemeinderat von Akham mit einem Monatsgehalt von 300 Yuan eingestellt. Ihre Arbeit umfaßte die Verteilung von wichtigen Dokumenten und Informationsblättern unter die Einwohner, Aufsetzen von Reden für die Funktionäre der Gemeindeverwaltung und Organisierung von Versammlungen und Sitzungen. 1995 wurde sie auf einen wichtigen Posten in der Abteilung für Familienplanung befördert, womit sie nun für die Wohlfahrt der Frauen in drei Einheiten und einigen Dörfern der Gemeinde Akham verantwortlich war. Ihre Pflichten schlossen auch ein, für die Beachtung der Geburtenkontrollpolitik zu sorgen und zu überwachen, daß die Gesetze über Eheschließung und Mutter- und Kindfürsorge befolgt werden. Verordnungen wurden erlassen, welche die Anzahl der Kinder für Nomaden und Bauern auf drei beschränkten. Diejenigen, welche dieses Limit überschritten, wurden mit bis zu 3.000 Yuan bestraft. Die Abteilung pflegte jeden März in den Dörfern Inspektionen durchzuführen und jenen, die mehr Kinder bekamen, die Strafe abzuverlangen. Auch für die Nichteinhaltung des zeitlichen Abstandes zwischen den Geburten wurden Strafen erhoben. Wenn ein zweites Kind innerhalb von drei Jahren nach dem ersten geboren wurde, mußte die Familie 80 Yuan Strafe zahlen. Insgesamt beliefen sich die Strafen für die Familien auf rund 2.000 bis 3.000 Yuan. Die Regierung gewährt Familien mit nur einem Kind bis zu dessen 16. Lebensjahr einen Bonus von 12 Yuan pro Monat. Khando berichtet, daß die Mehrzahl der Tibeter durch und durch arm seien. Abgesehen von der Verteilung von öffentlichen Notifikationen über die Familienplanung tut die Familienplanungsabteilung nichts für die Entwicklung und Verbesserung der nötigen Infrastruktur. Im Januar 2000 wurde angeordnet, daß für jedes "überschüssige" Kind im Dorf 200 bis 800 Yuan aus dem Gemeinschaftsfonds erhoben würden.

Es gibt nur eine Grundschule in der Ortschaft und drei Kategorien von Grundschulen in den Dörfern. Die Schüler zahlen 24 Yuan für Schulbücher und werden hauptsächlich in kommunistischer Ideologie und chinesischer Sprache unterrichtet. Die tibetischen Kader in der Gemeinde müssen einmal wöchentlich politische Klassen besuchen. Die Hauptkriterien zur Einstellung von Tibetern in der Verwaltung sind, ob sie dem "Spaltertum" Widerstand leisten, nach der Einigung des Mutterlandes streben und fest in der kommunistischen Ideologie verankert sind. Die Kandidaten müssen einen sauberen politischen Hintergrund vorweisen und dürfen keine religiösen Neigungen haben. Die Ortsverwaltung beruft jeden Winter öffentliche Versammlungen ein, bei denen die Leute gezwungen werden, politische Indoktrinierung über sich ergehen zu lassen. Die Einwohnerzahl der Ortschaft Akham wird auf 2.180 geschätzt. 1998 wurde Khando zur zweiten Gemeindevorsteherin befördert, womit ihr Gehalt auf 800 Yuan monatlich erhöht wurde.

Bis zum nächsten Krankenhaus haben die Dorfbewohner einen Fahrweg von einem ganzen Tag, aber dort gibt es kein qualifiziertes ärztliches Personal. In Khandos Gegend gibt es fast kein richtig ausgerüstetes und normales Hospital. Die verabreichten Medikamente seien entweder über das Verfallsdatum hinaus oder von minderer Qualität. Trotz ihrer offiziellen Stellung konnte Khando keine besondere Autorität ausüben. Weil es keine Freiheit für die Tibeter gibt, ihre Religion auszuüben und ihre kulturellen Bräuche zu bewahren, floh Khando schließlich und erreichte Dharamsala Ende Mai.

Teil 4

Zwangsräumung in Kloster Gangchen

Sonam Wangdak, ein 32-jähriger ehemaliger Mönch des Klosters Gangchen, Gemeinde Drashuk, Distrikt Saga, Präfektur Shigatse, erreichte Nepal am 30. Mai. Er stammt aus einer Bauernfamilie des Dorfes Gangchen der Gemeinde Drashuk und hatte nie die Möglichkeit zur Schule zu gehen, weil es in seinem Dorf keine gab. Von denn 53 tibetischem Familien dort leiden 37 wegen ihrer viel zu kleinen Felder, ungünstiger Witterung und hohen Steuern permanent unter Getreidemangel. Mit 20 Jahren wurde Sonam Mönch in dem Kloster Gangchen des Distrikts Saga, Präfektur Shigatse, und seitdem widmete er sich intensiv dem Studium religiöser Literatur. Das Kloster Gangchen wurde während der Kulturrevolution völlig zerstört und ab 1987 renoviert, als einige lokale Tibeter und ehemalige Mönche eine Initiative zum Wiederaufbau starteten. Bis zum März 1997 waren 29 Mönche in Kloster Gangchen, aber deren Anzahl ist nun auf 12 gefallen. 1997 wurde Sonam Mitglied des "Democratic Management Committee" und zweiter Vorsitzender des religiösen Komitees von Kloster Gangchen. Ein "Arbeitsteam" aus 6 Personen kam im März 1997 in sein Kloster und führte dreieinhalb Monate lang die politische Umerziehung durch. Dalai Lama Bilder wurden verboten, und ein Limit von 19 Mönchen gesetzt. Damals hörte man aber noch nichts von Verhaftungen. Im Juni 1997 besuchte Gangchen Lama, der als ein Bundesgenosse der Chinesen gilt, das Kloster. Bei einer von ihm arrangierten Versammlung der Mönche mahnte er sie, "patriotisch und der VR China gegenüber loyal zu sein". Gangchen Lama kam erneut am 3. Dezember 1999 und verlangte von den Mönchen, daß sie die Gottheit Shugden anbeten (Shugden ist ein Geist, von dessen Anrufung der Dalai Lama abrät). Er bezeichnete sich als Reinkarnation des Gründerlamas von Gangchen, Panchen Sang-Tashi, und forderte die Mönche auf, ihm den nötigen Respekt zu zollen. Er verteilte Büchlein mit Erzählungen über seine Reinkarnation. Keiner der Mönche wollte ihn jedoch akzeptieren. Daraufhin rief Gangchen Lama 10 Kader des Religionsamtes des Distrikts und PSB Kräfte, um den Mönchen beizubringen, daß sie Shugden anzubeten und ihn zu respektieren hätten. Am selben Tag wurde ein Meeting im Kloster abgehalten, wo die Kader den Mönchen mit Festhaltung, Verhaftung und Gefängnis drohten, falls sie sich Gangchen Lama zu widersetzen wagten. Ihre Weigerung würde als ein Akt politischer Abweichung betrachtet, weshalb wegen eines Verbrechens gegen die Nation gegen sie vorgegangen würde. Anfang 1999 begann Gangchen Lama damit, sein eigenes neues Kloster in einem Tal nördlich des jetzigen Klosters zu bauen. Die Kader des Distrikt-Religionsbüros und des PSB brachten am 27. Dezember 1999 die Mönche von Kloster Gangchen gewaltsam in dieses neue Kloster. Letzteren mißfielen besonders zwei neue Shugden Statuen in der Gebetshalle des Klosters Gangchen. Später entfernten sie die Statuen und versteckten sie in einer Meditationshöhle in der Nähe, denn in Kloster Gangchen gibt es keine Tradition der Shugden-Anbetung. Wegen des ständigen Druckes, diese Gottheit zu verehren und Gangchen Lama zu folgen, verließen sieben Mönche das Kloster. Sonam floh im Januar 1999 und nach zwei Monaten Aufenthalt in Shigatse entkam er mit einer Gruppe von 8 Tibetern, die 1.800 Yuan für einen Wegführer zahlten, nach Nepal. Er möchte nun in Indien einem Kloster beitreten.

Teil 5

Hafturteil von 9 Mönchen in Kandze verlängert

Zuverlässige Quellen bestätigen, daß nach der kürzlich abgeschlossenen 56. Sitzung der UN Kommission für Menschenrechte die Gefängnisstrafen von 9 Tibetern, die während der Massendemonstrationen in Kandze am 31. Oktober 1999 festgenommen wurden, um 5 Jahre verlängert wurden. Am 31. Oktober demonstrierten annähernd 3.000 Personen vor dem Gebäude der Volksregierung und dem Haftzentrum von Kandze. Die Protestanten forderten die Freilassung von Geshe Sonam Phuntsok (48), Sonam Choephel und Agya Tsering, die am 24. Oktober 1999 wegen angeblicher politischer Betätigung festgenommen worden waren. Der Protest wurde von den Milizen des PSB unterdrückt, die auf die unbewaffneten Demonstranten schossen. Es heißt, daß an diesem Tag mindestens 10 Tibeter festgenommen wurden, von denen 9 im Februar 2000 von dem Volksgericht des Distrikts Kandze zu 5 Jahren verurteilt wurden. Diese 9 Tibeter wurden in ihrem Dorf zur Schau gestellt, um andere vor ähnlichem Tun abzuschrecken. Zwei wurden dabei brutal geschlagen. Das TCHRD ist augenblicklich nicht in der Lage, die Gründe und die Anklagepunkte für die zusätzliche Gefängnisstrafe ausfindig zu machen. Trotz internationaler Wachsamkeit hinsichtlich der Menschenrechtslage in China, werden dort weiterhin die weltweit gültigen Normen durch Verhängung willkürlicher und unverhältnismäßig harter Gefängnisstrafen mißachtet. Lobsang Nyandak, der Direktor des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie, stellt fest, daß "derartig krasse Menschenrechtsverletzungen in Tibet mit auf die mangelnde Verurteilung Chinas durch die UNO zurückzuführen sind."

Es folgen die Namen von sieben der 9 Tibeter, die uns bekannt sind: Chemi Tsering (56) und Pema (55), beide aus Rego, Jampa Sod (38) aus Sadhu, Chemi Gyaltsen (33) aus Shigatse, Sonam Yeshi (32) aus Kharghang, Ani Khalu (35) und seine namentlich nicht bekannte Freundin aus Golo, Bheshe Tsewang Wangdu (43) und sein Bruder aus Dhura. Es wurde auch über eine Reihe von weiteren Verhaftungen berichtet, die mit der Festnahme des prominenten Mönches Geshe Sonam Phuntsok und seiner zwei Gefährten im Zusammenhang stehen. Im Juni 1999 wurde Gonpo Lhundrup (24) aus dem Kloster Kandze festgenommen, weil er Plakate angebracht und die verbotene tibetische Flagge in seinem Haus und an einigen Stellen im Distrikt Kandze aufgehängt hatte. Er wurde einige Tage in dem Haftzentrum von Kandze eingesperrt und später an einen unbekannten Ort verlegt. Ebenso wenig ist sein Urteil bekannt. Am 20. Juli 1999 nahmen die PSB Milizen 11 Mönche aus Kloster Kandze fest, nachdem sie Unabhängigkeitsgraffiti an den Klostermauern entdeckt hatten. Die Mönche wurden angeklagt, mit roter Farbe "Tibet ist unabhängig" an die Tore und Mauern des Klosters gemalt zu haben. Ihre Namen und der Ort ihrer Festhaltung sind nicht bekannt. Wiederum wurde im September 1999 ein Mönch namens Tashi Nyima (27) aus dem Kloster Kandze wegen politischer Betätigung festgenommen. Es gibt noch keine Information über sein Urteil und wo er sich befindet. Dieser Bericht ist ein deutlicher Hinweis, daß Geshe Sonam Rinchen nicht freigelassen wurde, wie zuvor in der Februar Ausgabe von Human Rights Update berichtet wurde, was auf nicht offiziellen Quellen beruhte.

Teil 6

Strenge Maßnahmen zur Geltendmachung der Geburtenkontrolle

Tenzin ist ein 21-jähriger ehemaliger Mönch aus Kloster Hortsang Kirti (eine Zweigstelle von Kirti). Seine Eltern sind Bauern in der Ortschaft Marthang des Distrikts Lhabrang, Khenlo TAP, Provinz Gansu. Mit 14 Jahren trat Tenzin in Kloster Hortsang Kirti ein, das gegenwärtig etwa 50 Mönche zählt. Er berichtet, daß in Distrikt Lhabrang die Beschränkung auf zwei Kinder streng gefordert wird. Die Distriktbehörden veranstalten regelmäßige Zusammenkünfte der Einwohner, um sie über die neuen Geburtenkontrollregeln der chinesischen Regierung zu unterrichten. Alle verheirateten Frauen bekommen von den Distriktbehörden ein gelbes Zertifikat, das sie bei den Meetings vorweisen müssen. Die Kader nehmen regelmäßige Inspektionen von tibetischen Familien vor. Die Frauen müssen das gelbe Zertifikat an einer sichtbaren Stelle in ihrer Wohnung aufhängen, damit die Inspektoren es sofort sehen können. Bei den Inspektionen müssen sie gewöhnlich den Kadern ihre Kinder und die Zertifikate vorweisen. Familien mit mehr als zwei Kindern wird eine Strafe von 500 bis 2.000 Yuan auferlegt. Wenn sie diese nicht entrichten, werden ihnen ihr Vieh und ihre Habe weggenommen. 1999 wurden vier tibetische Frauen aus der Ortschaft Marthang in Distrikt Lhabrang bestraft, weil sie die offiziellen Richtlinien nicht eingehalten hatten. Tibeterinnen mit mehr als zwei Kindern müssen regelmäßig Kurse über Geburtenkontrolle besuchen. In dem gelben Zertifikat steht, daß eine Tibeterin mit mehr als zwei Kindern sich in dem Distrikt- oder Gemeindehospital der Sterilisierung unterziehen muß. Tenzin hatte schon immer den Wunsch, eine Schule in Indien zu besuchen. Nachdem er 1.500 Yuan für den Wegführer gezahlt hatte, floh er über den Grenzort Dram nach Nepal, wo er am 15. Mai ankam.

Teil 7

Tibetische Nomaden entbehren der Basisgüter

Ein 45-jähriger Nomade (aus Sicherheitsgründen anonym) aus der Gemeinde Pongkhor des Distrikts Lithang der Kanzde TAP kam am 19. Mai in Indien an. Er möchte nach Tibet zurückkehren, nachdem er für die Erziehung seiner zwei Kinder von 6 und 9 Jahren in Indien gesorgt hat. 1998 schickte er seinen ältesten Sohn nach Indien in ein Kloster. Die meisten Einwohner der 8 Dörfer, die zur Gemeinde Pongkhor gehören, sind Nomaden. Für deren Kinder gibt es überhaupt keine Grundschulmöglichkeiten. Die einzige Schule liegt außerhalb der Gemeinde, aber die Lehrer sind nicht qualifiziert, und die Schule ist schlecht eingerichtet. Nur etwa 20 Schüler aus den Dörfern in der Umgegend besuchen sie. Die Leute von Pongkhor können ihre Kinder aber nicht in diese Schule schicken, weil der Weg zu weit und die Gebühren zu hoch für sie sind. 90% der Kinder des Dorfes, aus dem dieser Nomade kommt, sind daher von der Grunderziehung ausgeschlossen. In den Dörfern gibt es auch keine richtigen Straßen, keinen elektrischen Strom, keine Krankenstationen und nicht einmal einen traditionellen tibetischen Heiler. So bleibt den Leuten nur das weit weg gelegene Distrikthospital übrig, aber oft reicht ihr Einkommen nicht für die Behandlungs- und Fahrtkosten aus. Viele arme Tibeter ziehen es wegen der hohen Kosten vor, zu Hause zu sterben, als in dem Distrikthospital Behandlung zu suchen. Trotz der großen allgemeinen Armut der Nomaden treiben die Behörden seit 1992 auf Butter, Käse, Fleisch, Tierhäuten usw. Steuern ein. So mußte etwa die Familie des Berichterstatters jährlich mindestens 10 gyama Butter abliefern, abhängig von der Anzahl ihrer Tiere. Weiterhin sagte er, daß die Behörden nicht mehr als drei Kinder pro Familie erlaubten.

Teil 8

Leben im Drapchi Gefängnis

Die 24-jährige Pasang Lhamo ist aus dem Dorf Thrukgye, Gemeinde Tsoding, Distrikt Phenpo Lhundup gebürtig. Im Alter von 13 Jahren ging sie ein Jahr lang zur mangtsuk Schule. Alle ihre Angehörigen arbeiten in der Landwirtschaft außer ihrem ältesten Bruder, der tibetischer Arzt in dem Mentse Khang (Medizinisch-Astrologisches Institut) von Lhasa ist. Mit 15 wurde Lhamo Nonne in dem Kloster Garu, wo sie zwei Jahre blieb und religiöse Schriften studierte. Wie viele Nonnen damals in Garu waren, kann sie nicht genau sagen. Im Mai/Juni 1994 demonstrierte Lhamo zusammen mit 4 anderen Nonnen von Garu friedlich in der Barkhor Gegend von Lhasa. Die fünf Nonnen begannen vor dem Tsuklhakhang Parolen wie "Free Tibet", "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama" und "Gebt den Tibetern ihre Rechte und Freiheiten" zu rufen. Nur etwa 15 Minuten dauerte ihr Protest, als das Sicherheitspersonal von der Barkhor Polizeistation sie sah und unverzüglich verhaftete.

Etwa 20 Polizisten brachten die 5 Nonnen in die Polizeistation, wo sie vernommen und brutal geschlagen wurden. Später wurden sie in einem Polizeiwagen in die Gutsa Haftanstalt gefahren. Die anderen vier Nonnen neben Pasang Lhamo waren Lobsang Dolma (27) aus Drikung Meldo Gongar, Phuntsok Pelyang (33) aus Toelung Dechen, Yangkar (24) aus Penpo Lhundup und Dekyi Nyima (26) aus Lhoka Tsonak. Sie wurden 6 Monate in Gutsa festgehalten und während dieser Zeit außer an den Wochenenden täglich routinemäßig vernommen. Die Gefängnisschergen fragten sie immer wieder über die Demonstration und schlugen sie mit was immer ihnen unter die Hände kam, um Geständnisse aus ihnen herauszuziehen. Die Nonnen bekamen nur ein tingmo (Dampfbrötchen) am Morgen und ein Schüsselchen Reis zu Mittag. In Gegenwart von 7 Richtern wurden sie unter Anklage der "Propagierung von konterrevolutionären Aktivitäten" vor das Mittere Volksgericht von Lhasa gestellt. Dieses verurteilte Lobsang Dolma und Phuntsok Pelyang zu 6 Jahren Gefängnis und 2 Jahren Entzug der politischen Rechte. Beide sind derzeit im Drapchi Gefängnis. Yangkar, Dekyi Nyima und Pasang Lhamo wurden zu 5 Jahren Gefängnis und einem Jahr Entzug der politischen Rechte verurteilt. Diese drei Nonnen wurden im Mai 1999 aus Drapchi entlassen.

Nach der Verurteilung kamen die 5 Nonnen nach Drapchi in die 3. Einheit, wo sie gleich zu dem harten, militärähnlichen Drill gezwungen wurden. Dazu gehörte auch, daß sie mit einem Buch auf dem Kopf und einem unter die Achselhöhlen geklemmten Stück Papier 9 Stunden täglich in der Sonne stehen mußten. Oftmals fielen sie wegen der Hitze und den heftigen Kopfschmerzen bewußtlos um, aber die Gefängnisschergen ignorierten ihr Flehen und zwangen sie weiter, in der Sonne zu stehen. Lhamo berichtet, daß die Gefangenen vom Februar 1995 bis zum Mai 1998 wie Männer exerzieren mußten, als sie gezwungen wurden, fast den ganzen Tag, mit nur einer Stunde Pause von 13 bis 14 Uhr, zu laufen. Der Militärdrill besteht hauptsächlich darin, den ganzen Tag auf dem Gefängnisgelände zu rennen. Bei den Protesten vom Mai 1998 in Drapchi wurden Lhamo und andere Insassen der 3. Einheit schwer mit Gürteln, Eisenstangen und elektrischen Viehstöcken von den Wachen geschlagen. Auf den Zwischenfall hin wurden die Gefangenen den ganzen Tag in ihre Zellen eingeschlossen, so daß sie nicht einmal wußten, wie es ihren Mitgefangenen nebenan erging. Es war ihnen unmöglich, miteinander zu sprechen oder aus dem Fenster ihrer Zelle zu schauen, weil in jeder Zelle Überwachungskameras und Abhörwanzen installiert wurden. Die Gefangenen litten schrecklich unter der Isolierung und stickigen Luft in ihren Zellen. Einmal monatlich konnten sie 10 bis 30 Minuten lang ihre Verwandten sehen.

Als Lhamo am 25. Mai 1999 aus dem Drapchi Gefängnis entlassen wurde, kamen 3 PSB Beamte des Distrikts Phenpo Lhundup, um sie in Empfang zu nehmen. Als sie Lhamo bei ihren Eltern ablieferten, instruierten sie diese, daß sie Lhamo daran hindern sollten, ihr Dorf zu verlassen und an andere Orte zu reisen. Einmal war Lhamo zu einer ärztlichen Untersuchung nach Lhasa gefahren. Als das PSB ihres Distrikts davon erfuhr, wurden ihre Eltern zur Rede gestellt, und Lhamo mußte sofort ohne ärztliche Behandlung zurückkommen. Lhamo glaubt, daß sie ständig von dem PSB beobachtet und belästigt wurde. Schließlich konnte sie diese Restriktionen nicht mehr ertragen und bat das PSB ihres Distrikts um Erlaubnis, auf Pilgerfahrt nach Lhasa gehen zu dürfen. Am 1. April 2000 verließ sie zusammen mit drei anderen ehemaligen politischen Gefangenen von Drapchi den Lhundup Distrikt und floh nach Indien. Sie zahlten einem Wegführer 900 Yuan, der sie über die Grenze nach Solukhumbhu in Nepal brachte.

Teil 9

Patriotische Erziehung in dem Kloster Dechen Choekhorling

Karma Choedak ist ein 25-jähriger ehemaliger Mönch von Kloster Ngari Dechen Choekhorling. Er verbrachte seine Kindheit in der Gemeinde Lukhang, Distrikt Gergye, Präfektur Nagchu. Seine Eltern sind Nomaden. Im Distrikt Gergye gibt es 7 Klöster: Tashi Choekhorling, Dragya, Kyawo Lhakang, Gonkhor Ling, Khorkang, Dira und Dechen Choekhorling. Tashi Choekhorling ist mit 25 Mönchen das größte der Gegend. Ein "Arbeitsteam" kam erstmals 1996 nach Dechen Choekhorling, wo zu der Zeit 35 Mönche wohnten. Innerhalb von 2 Jahren kamen die Kader viermal, um die Mönche umzuerziehen. Die Offiziellen verboten alle Dalai Lama Bilder und setzten ein Limit von 14 für die Belegschaft fest, was dazu führte, daß 20 Mönche nach und nach das Kloster verlassen mußten. Den "registrierten" Mönchen wurden Ausweise ausgegeben, und die Zulassung von Novizen wurde in allen Klöstern von Distrikt Gergye eingeschränkt. Ähnlich wurden auch sechs andere Klöster von Distrikt Gergye von den Kadern zur Umerziehung aufgesucht: Dalai Lama Photos wurden verboten, Quoten wurden eingeführt und viele Mönche hinausgeworfen.

Karmas Familie zählt 10 Personen, die alle Nomaden in Bartso Dongtso von Distrikt Gergye sind. Sie haben 500 Schafe, 400 Ziegen und etwa 100 andere Rinder. Die Behörden treiben jährlich auf der Basis der Größe der Familie Steuern auf Gras, Fleisch, Butter und anderen Viehprodukten ein. Diese Steuern kommen auf 3.000 Yuan im Jahr. Die Bewohner der 10 Dörfer von Gemeinde Lukhang in Distrikt Gergye sind tibetische Nomaden und Bauern. Nur eine lobchung Schule bietet Erziehungsmöglichkeit für die Kinder all dieser Dörfer, und die Gemeinde erhebt von den tibetischen Eltern trotz ihrer ärmlichen Lebensbedingungen etwa 500 Yuan Schulgebühren pro Jahr.

Teil 10

Festhaltung und Verhaftung beim Versuch, aus Tibet zu fliehen

Tashi Sangpo, ein 27-jähriger Mönch von Tashi Cho-Gang der Ortschaft Chushul in Distrikt Dulan, Tibetisch Autonome Präfektur Tsonub, Provinz Qinghai, berichtet über seine Verhaftung, als er aus Tibet zu fliehen versuchte. Tashi ging nie zur Schule, weil seine Eltern ihn für die Landwirtschaft brauchten. Mit 16 trat er dem Kloster Cho-Gang bei, in dem damals 50 Mönche lebten. 1995 begann die Umerziehung mit sieben Kadern, die ein halbes Jahr lang regelmäßig zweimal im Monat in das Kloster kamen. Von den Mönchen wurde eine "saubere" politische Haltung verlangt und bei Mißachtung der Anordnungen wurde ihnen mit Gefängnis gedroht. Die Kader ermahnten sie, "patriotisch gesinnt zu sein, die Religion und das Mutterland zu lieben". Auch 1996 und 1997 folgten derartige Kampagnen. 1998 wurden diese noch intensiver mit dem regelmäßigen monatlichen Erscheinen der Kader das ganze Jahr hindurch. Bilder des Dalai Lama wurden verboten und die Mönche angehalten, ihn zu denunzieren und den von der chinesischen Regierung erwählten Panchen Lama zu akzeptieren. Alle Novizen unter 18 Jahren wurden aus dem Kloster hinausgeworfen. 1999 wurden alle Mönche mit einem Ausweis versehen, der sie 23 Yuan kostete. Ohne Erlaubnis der Distriktbehörde können sie nicht mehr über ihren Distrikt hinaus reisen. Eine Höchstgrenze von 25 Mönchen wurde eingeführt.

Am 7. Juni 1999 kamen acht PSB Milizen in das Kloster, um die Zimmer der Mönche zu kontrollieren. Dabei entdeckten sie in Tashis Zimmer eine tibetische Nationalflagge. Er wurde sofort gepackt und vor der ganzen Mönchsversammlung verhört. Sie fragten ihn: "Weißt du denn nicht, daß es verboten ist, diese Flagge bei sich zu haben? Weißt du nicht, was für Folgen das hat?" Tashi antwortete, es sei ja nur eine Zeichnung gewesen und sonst nichts. Am nächsten Tag fuhr ein Polizeiauto mit 5 PSB Milizen in dem Kloster vor, und Tashi wurde festgenommen. Als erstes mußte er seinen Daumenabdruck auf ein Dokument setzen, daß er alle Anklagepunkte annehme. Danach wurde er in das Distrikthaftzentrum gefahren. Dort kamen zwei Milizen mit der Flagge, die sie in seinem Zimmer gefunden hatten, auf ihn zu, und die grausame Vernehmung begann. Mehrere Male banden die chinesischen Schergen Draht um sein Ohr, durch den sie Strom schickten. "Ich fiel bewußtlos zu Boden", berichtet Tashi, "als der elektrische Strom mich durchfuhr". Bei den Verhören, die von 12 Uhr mittags bis 7 Uhr abends dauerten, mußte er gegen eine Wand gelehnt stehen und die Hände auf dem Rücken halten, während sie ihm auf die Zehen traten. Dann kam er in eine Zelle mit 8 anderen Gefangenen. "Anfänglich wurde mir erklärt, daß ich ein Jahr lang festgehalten würde, aber wegen des Eintretens des Oberlamas meines Klosters wurde ich nach 17 Tagen freigelassen. Einer seiner Freunde wurde auch festgehalten, aber aus Sicherheitsgründen wird sein Name vertraulich behandelt

Nach der Entlassung standen die beiden unter ständiger Überwachung und all ihre Bewegungen wurden kontrolliert. Unfähig, diesen Zustand noch länger zu erdulden, begab sich Tashi im Dezember 1999 nach Lhasa. Nach 20 Tagen floh er zusammen mit 27 weiteren Personen nach Indien. Sie zahlten dem Wegführer 700 Yuan. Als sie Distrikt Chushul erreichten, wurden sie von dem dortigen PSB festgenommen. Die ganze Gruppe wurde nach Lhasa gebracht. Am nächsten Tag kamen sie in die Gutsa Haftanstalt. Nach 3 Monaten und 9 Tagen wurden sie freigesetzt, außer dem Führer der Gruppe, der dort behalten wurde. Nach zwei Wochen Verbleib in Lhasa machte Tashi einen zweiten Fluchtversuch mit 5 Gefährten. Er zahlte 500 Yuan für einen Wegführer, und nach 20 Tagen Fußmarsch überquerten sie bei Sher Gumbhu die Grenze nach Nepal. Tashi erreichte Dharamsala im Juni 2000 und beabsichtigt nun, nach Kloster Sera in Südindien zu gehen.

Teil 11

Ein Blick auf das chinesisch verwaltete Schulsystem

Der 26-jährige Yungdrung ist aus einer 5-köpfigen Familie der Sektion 3 von Shigatse. Seine zwei Brüder sind Fabrikarbeiter und sein Vater ist Regierungsangestellter. Mit 9 Jahren trat Yungdrung in die Lhatse Drongdel Chatsang Lobchung Schule ein, wo er 6 Jahre lang lernte. Dort wurde hauptsächlich Tibetisch, Chinesisch und Rechnen gelehrt. Die Hälfte der tibetischen Schüler an dieser Schule sind Kinder von Regierungsangestellten. Mit 16 Jahren wurde Yungdrung in die lobdring (Mittel) Schule des Distrikts Lhatse aufgenommen, die 180 Schüler hatte. Dort waren die Fächer Chinesisch, Tibetisch, Mathematik und Politik. Außer Tibetisch wurden alle anderen Fächer auf Chinesisch unterrichtet. Religiöse Äußerungen waren in der Schule verboten. Die meisten Schüler sind Tibeter, aber für die etwa 80 chinesischen Schüler gab es separate Klassen. Ein Studienkurs kostet 400 Yuan. 1993 trat er dem Lehrer-Ausbildungsseminar von Shigatse bei, wo die politische Erziehung wichtiger ist als die eigentliche Lehrerausbildung. Dort waren etwa 400 Studenten. In dem Seminar gab es verschiedene Clubs, etwa den chinesisch-kommunistischem Jugendbund. Die Studenten werden in kommunistischer Ideologie indoktriniert. Yungdrung berichtet, daß alle 43 Studenten seiner Klasse Tibeter waren, von denen die meisten Mitglieder des chinesisch-kommunistischen Jugendbundes wurden. Acht Studenten waren auch Mitglied der Zweigstelle der kommunistischen Partei, die großen Wert darauf legt, daß die Studenten nach den Grundsätzen des Kampfes gegen Separatismus und der Liebe zum Mutterland erzogen werden.

Nachdem Yungdrung 1997 die Lehrerausbildung abgeschlossen hatte, arbeitete er als Tibetisch-Lehrer in der Lhatse Lobdring Schule, wo er ein Monatsgehalt von 763 Yuan empfing. Yungdrung sagt, daß es große Unterschiede zwischen Haupt- und Nebenfächern gebe. Weil Tibetisch nicht zu den Hauptfächern gehört, kommt es viel zu kurz, und weil Chinesisch der Vorzug gegeben wird, wird Tibetisch automatisch zurückgedrängt. Deshalb haben die Schüler kein großes Interesse an Tibetisch, und die Tibetischlehrer haben kein großes Ansehen. Jeden Morgen müssen sich alle Schüler und Lehrer zu dem Flaggenappell versammeln, bei dem die chinesische Flagge gehißt und die chinesische Nationalhymne gesungen werden. Nur an chinesischen Nationalfeiertagen ist schulfrei. 1999 wurde Yungdrung durch Beziehungen seiner Verwandten auf eine Stelle an der vierten lobdring Schule von Lhasa befördert. Wegen einer langwierigen Tuberkulose-Erkrankung mußte er diese jedoch wieder aufgeben. Später floh er ins Exil und erreichte Dharamsala am 12. Juni 2000.

Teil 12

Eingesperrt wegen Unabhängigkeitsprotest

Namdrol Wangmo (Laienname Yangdrol) ist eine 29-jährige, ehemalige Nonne von Kloster Phenpo Shar. Sie kommt ursprünglich aus Dorf Rama, Gemeinde Gelpa, Distrikt Phenpo Lhundup, und ist das zweitjüngste von 4 Geschwistern. Wangmos Eltern sind Nomaden. Von 8 bis 12 Jahren ging sie zur mangtsuk (öffentliche) Schule, danach 5 Jahre in eine Gemeindeschule von Gelpa und weitere 2 Jahre in eine lobdring (Mittel-)Schule. Danach schied sie aus, um ihren Eltern im Haushalt zu helfen. 1990 trat sie in Kloster Phenpo Shar ein, wo damals 94 Nonnen lebten. Wangmo widmete sich im Kloster der Restaurierungsarbeit. 1993 forderten die Kader des Distrikts Lhundup und der Gemeinde Gelpa die Einstellung der Renovierung. Weil jedoch weiter gebaut wurde, erging eine strenge Order, worin es hieß, daß die Erlaubnis für Renovierungen von den betreffenden Behörden in Lhundup und Gelpa eingeholt werden müsse. Auch Umerziehungsteams begannen nun in dem Kloster aufzutauchen, was ein störendes Element für die tägliche religiöse Routine bedeutete. Frustriert darüber, daß sie ihre Religion nicht richtig praktizieren konnte, beschloß Namdrol, zusammen mit sieben Gefährtinnen am Barkhor in Lhasa zu demonstrieren. Sie liefen nach Lhasa, aber ihr Plan wurde vereitelt, als die PSB Kontrollen sie daran hinderten, die Stadt Lhasa zu betreten.

Am 25. Mai 1995 gelang es ihnen dann aber, um 5 Uhr abends am Lingkhor (Umrundungsweg) zu demonstrieren. Sie riefen "Tibet ist unabhängig", "Chinesen verlaßt Tibet" und "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama". Etwa 25 Polizisten nahmen sie fest und schlugen sie, während sie zu der Polizeistation am Barkhor gebracht wurden. Nach einer Stunde kamen sie in das Haftzentrum von Lhasa, wo die Vernehmungen mit schrecklichen Mißhandlungen einhergingen. In der Untersuchungshaft durften die Nonnen nicht von ihren Verwandten besucht werden. Im Juli 1995 sprach der Mittlere Volksgerichtshof von Lhasa wegen "konterrevolutionärer Propaganda und Aufhetzung" das Urteil über die Nonnen. Namdrol und Damchoe Dolma bekamen 6 Jahre Gefängnis und 2 Jahre Entzug der politischen Rechte. Penpa Lhakyi, Norkyi, Phuntsok Gachoe, Choekyi, Choeying Kunsang und Tenzin Dolma wurden zu 4 Jahren verurteilt. Zusammen mit anderen politischen Gefangenen wurden die Nonnen 6 Monate in der Gutsa Haftanstalt gehalten. Später wurden sie zusammen mit annähernd 60 politischen Gefangenen in die neu gebauten Einheiten von Drapchi verlegt, wo sie die ersten Nonnen waren. In den ersten drei Monaten mußten sie den rigorosen militärähnlichen Drill ausführen und die Gefängnisverordnung lernen. Danach kam das Wollespinnen zu ihrer täglichen Routine hinzu. Wangmo hat schon seit langer Zeit ein Nierenleiden, das sich wegen mangelnder Medikation verschlimmerte. Während der berüchtigten Drapchi Proteste vom 1. und 4. Mai 1998 wurde auch Namdrol schwer geschlagen und zwei Monate lang in Einzelhaft gesetzt. Sie ist immer noch im Drapchi Gefängnis eingesperrt und wartet auf ihre Entlassung, die 2001 ansteht.

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