Human Rights Update

Dezember 2000

Inhalt
  1. Mönch wegen Unabhängigkeitsposters zu Tode geschlagen
  2. Adjutant von Sonam Phuntsok schwer mißhandelt
  3. Drei Minderjährige berichten über den Mißstand im Erziehungswesen
    a) Kreis Sangchu
    b) Kreis Sershul
    c) Kreis Kandze
  4. Festgehalten wegen Freiheitsparolen
  5. Religiöse Restriktionen in Kreis Dhingri
  6. Sicherheitsposten in Kloster Sera
  7. China Town in einer tibetischen Gegend
  8. Wegen Unabhängigkeitsflugblättern gehetzt
  9. Restriktionen in dem Dorf Tsanag
  10. Drei Mönche aus dem Kloster Lora ausgestoßen
Teil 1

Mönch wegen Unabhängigkeitsposters zu Tode geschlagen

Choephel, ein Mönch des Klosters Litha in Kreis Kandze, wurde am 6. Februar 1995 von der Polizei so schwer mißhandelt, daß er starb. Drei Tage zuvor hatte er an öffentlichen Plätzen der Gemeinde Litha, etwa in der Nähe der Polizeistation und der Verwaltungsgebäude, Free Tibet Flugblätter verstreut. Unmittelbar nach Identifizierung seiner Handschrift wurde er festgenommen.

Augenzeugen, mit denen unser Berichterstatter sprach, sahen, wie Choephel nach der Festnahme wie ein Sack in ein Polizeifahrzeug geworfen wurde. Er wurde so schwer geschlagen, daß sein geschwollenes Gesicht und sein Körper kaum mehr zu erkennen waren. Später wurden seine Verwandten aufgefordert, seinen Leichnam abzuholen. Die Polizei gab keine Auskunft über seinen Tod, seine Angehörigen wagten auch nicht danach zu fragen. Choephel, ein guter Künstler, war Anfang der zwanziger Jahre. Um Unabhängigkeitsbekundungen vorzubeugen, wurde nun eine Polizeikaserne in dem Litha Kloster eingerichtet, und 20-30 Polizisten halten täglich 24 Stunden lang über die Mönche Wache.

Der Berichterstatter, Thinlay Dawa, brauchte 3 Monate, um von seiner Heimatstadt in Litha nach Nepal zu gelangen. Er brachte 5 Kinder und Halbwüchsige aus seinem Verwandtenkreis mit, die ihn baten, daß er sie in Schulen und Klöstern in Indien unterbringe. In einer Gruppe von 25 Personen floh er über den Grenzort Dram nach Nepal und möchte nun wieder in das Kloster Drepung in Südindien eintreten.

Thinlay Dawa ging bereits kurz nach seiner ersten Flucht aus Tibet 1985 in das Kloster Drepung Losel Ling, wo er 14 Jahre lang lebte. Als er 1999 nach Tibet zurückkehren wollte, wurde er in Dram festgehalten und zusammen mit seinen 2 Kameraden in Shigatse ins Gefängnis geworfen. Er erzählte: "Wir waren zu zwölft, die wir nach Tibet zurückkehrten. Alle wurden wir in ein kleines Haus eingesperrt. Wir durften nicht einmal hinausgehen, um unsere Notdurft zu verrichten, so daß das ganze Zimmer nach Exkrementen stank. Es war einfach unerträglich. Diese 7 Tage waren wie die Hölle für uns". Einmal waren sie 3 Tage lang ohne Wasser, schließlich wurden sie nach 1 1/2 Monaten wieder auf freien Fuß gesetzt. Thinlay und die anderen Rückkehrer aus Indien setzten ihren Weg nach Lhasa fort, aber wurden wieder festgenommen und 7 Tage lang in der Nyari Haftanstalt in der Präfektur Shigatse eingesperrt. Als sie schließlich Lhasa erreichten, fanden sie sich dort nicht minder eingeengt, weshalb sie sich die meiste Zeit versteckt halten mußten. Schließlich kam Thinlay im Juli 1999 in seinem Heimatort an, wo er etwas über ein Jahr blieb, ehe er sich erneut auf den Weg nach Indien machte.

Teil 2

Adjutant von Sonam Phuntsok schwer mißhandelt

Thinley Dolma aus dem Distrikt Kandze berichtete von der gräßlichen Behandlung, der Sonam Phuntsoks persönliche Assistenten Agya Tsering und Sonam Choephel 1999 ausgesetzt waren. Während ihrer Gefangensetzung sollen sie schwer geschlagen worden sein. Sonam Phuntsok und seine zwei Assistenten wurden am 24. Oktober 1999 wegen des Verdachtes politischer Betätigung festgenommen. "Sonam Choephel und Agya Tsering wurden in dem Haftzentrum von Kandze grausam mißhandelt. Sonam Choephel wurden beide Arme verrenkt und sein Gesicht schwer verunstaltet. Auch am Nacken erlitt er Verletzungen. Bei Agya Tsering gossen die Peiniger heißes Wasser über seinen Rücken, was große Brandblasen hervorrief." Nach 1 Monat und 10 Tagen wurden die beiden freigelassen. Sonam Phuntsok wird jedoch immer noch in einem Gefängnis in Kreis Dartsedo, Tibetisch Autonome Präfektur (TAP) Kandze, festgehalten. Weiteres über die Verhaftung von Sonam Phuntsok ist in der Ausgabe Human Rights Update vom November 1999 nachzulesen.

Teil 3a

Drei Minderjährige berichten über den Mißstand im Erziehungswesen

Kreis Sangchu

Panchen Dorje ist ein 17-jähriger Junge aus der Gemeinde Gucha, Kreis Sangchu in der Provinz Gansu, und das älteste von 5 Geschwistern. Obwohl seine Familie von der Landwirtschaft lebt, brauchte er als Kind nicht auf dem Feld zu arbeiten.

Mit 7 Jahren trat er in die Sangchu Tibetische Grundschule ein, die er 6 Jahre lang besuchte. Damals hatte sie etwa 600 Schüler. Seine jüngeren Schwestern gingen zur selben Schule. 90% der Schüler waren Tibeter, der Rest Chinesen. Sie mußten 200 Yuan pro Halbjahr zahlen und hatten 6 Unterrichtsfächer. Später ging Dorje zur Mittelschule, in der es 800 Schüler gab. 85% davon waren Tibeter, ebenso die meisten der Lehrer. Auch dort hatten sie Tibetisch, Chinesisch und Mathe und drei weitere Fächer, aber der Unterricht erfolgte meist auf Chinesisch. In dieser Schule wurde den Schülern streng verboten, irgendeine Form von tibetischen religiösen Zeremonien zu praktizieren, aber einige taten es dennoch heimlich. Jeden Monat kamen Beamte und hielten ihnen Vorträge über die chinesische Art der Religionsausübung. Tibetische Schüler sehen sich fast überall und immer gegenüber den chinesischen diskriminiert. So bekamen etwa die Kinder des chinesischen Personals 10 Minuten mehr Zeit bei Prüfungen.

Dorje gelang es, auf die höhere Schule zu kommen, wo er 1 Jahr studierte. Dort wurde mehr Wert auf Tibetisch gelegt. Die meisten Schüler kamen aus Bauernkreisen, und ihre Eltern mußten jährlich 700 bis 800 Yuan bezahlen, wozu noch zusätzliche Kosten für Bücher kamen. Nach 1 Jahr mußte er die Schule verlassen, weil seine Eltern die hohen Gebühren für ihre 3 Kinder nicht mehr aufbringen konnten.

In Dorjes Gemeinde hatte die Regierung die 2-Kind-Politik eingeführt. Für ein drittes Kind muß eine Strafe von 1000 Yuan entrichtet werden. Andere Einschränkungen in dem Dorf betreffen das Verbot von Photos des Dalai Lama und des von ihm anerkannten Panchen Lama.

Einer seiner Nachbarn, der Mönch Tenzin aus dem Kloster Amdo Labrang, wurde mit 18 Jahren wegen Anbringung von Free Tibet Zetteln verhaftet. 10 Monate lang saß er im Kreisgefängnis. Weil er sich seitdem nicht mehr in Amdo aufhalten darf, wohnt er nun in Lhasa.

Dorje verließ Amdo im Oktober und erreichte einen Monat später Dharamsala.

Teil 3b

Kreis Sershul

Die 15-jährige Jamyang Dolma wurde in Kreis Sershul der Kandze TAP, Provinz Sichuan, geboren. Sie stammt aus einer 7-köpfigen Nomadenfamilie. Mit 6 Jahren kam sie auf die Grundschule, die sie 6 Jahre lang besuchte. Dort gab es fast 60 tibetische Schüler, die in Chinesisch, Tibetisch, Rechnen, Naturwissenschaft, Politik und Gartenbau unterrichtet wurden. Gebühren wurden keine erhoben. Später ging Jamyang 2 Jahre lang zur Mittelschule von Kreis Sershul. Von den etwa 700 Schülern dort waren 500 Tibeter. Die meisten der Lehrer waren ebenfalls Tibeter, aber es gab auch einige Chinesen. Jamyang mußte etwa 180 bis 190 Yuan jährlich an Schulgebühren entrichten, wozu noch Ausgaben für Bücher, Schulartikel und Uniformen, die alleine 150 Yuan ausmachten, kamen. Die Schüler durften keine tibetischen Feste wahrnehmen.

Bei einer Schneekatastrophe 1992 verlor Jamyangs Familie viele ihrer Tiere. Ihre Eltern mußten sie daraufhin von der Schule zu nehmen, denn sie konnten die Kosten nicht mehr aufbringen.

Im August 2000 startete Jamyang in einer Gruppe von 25 Personen, von denen 5 Kinder unter 16 Jahren waren, ihren ersten Fluchtversuch aus Tibet. Auf ihrem Weg nach Dhingri stießen sie auf drei Soldaten der PAP, 2 Tibeter und 1 Chinesen. Da die Gruppe sich zahlenmäßig überlegen fühlte, versuchte sie, die Polizisten durch Steinewerfen zu vertreiben. Bald kamen jedoch 30 weitere Polizisten von Kreis Dhingri, welche die Gruppe verhafteten und sie in die Polizeistation von Dhingri brachten. Nach 2 Tagen kamen sie in das Nyari Haftzentrum, wo sie 25 Tage bleiben mußten. Dort wurden sie alle, einschließlich der Kinder, mit Stöcken mißhandelt. Der Mönch Thuptu wurde am schlimmsten geschlagen. Im Oktober 2000 unternahm Jamyang mit ihrer Familie einen zweiten Versuch, aus Tibet zu fliehen. Nach einem Monat Fußmarsch erreichten sie Nepal und kamen schließlich am 17. Dezember in Dharamsala an.

Teil 3c

Kreis Kandze

Yangchen Lhamo ist ein 14-jähriges Mädchen aus der Kandze TAP in der Provinz Sichuan. Ihre Familie zählt 7 Personen, aber besitzt nur ein kleines Stück Land, von dem sie leben muß. Ihr Vater und ihre älteren Brüder verdingen sich zuweilen als Bauarbeiter.

Mit 7 Jahren kam Yangchen auf die Volksschule der Ngaba TAP, auf die damals 300 tibetische Schüler gingen. Sieben Hauptfächer wurden gelehrt, jedoch wurde chinesischen Fächern der Vorrang vor tibetischen gegeben. An jährlichen Gebühren wurden 90 Yuan verlangt, mit weiteren Ausgaben für Bücher, Schreibgerät und Tinte. Jeden Morgen wurde die chinesische Flagge gehißt, wozu die Kinder die chinesische Nationalhymne singen mußten. Die Schule führte auch wöchentlich die "patriotische Umerziehung" mit den Kindern durch.

Nach der Grundschule ging Yangchen ein Jahr in die Hong Yen Mittelschule von Kandze, wonach sie ihre Erziehung abbrechen mußte, weil die Gebühren stiegen, je höher die Schulstufe wurde. Nun betrugen die jährlichen Gebühren nämlich 2000 Yuan, was Yangchens Familie nicht mehr aufbringen konnte. Außerdem war ihre Mutter damals wegen einer chronischen Krankheit ans Bett gefesselt. Die Schule hatte etwa 500 Schüler, sowohl Tibeter als auch Chinesen. Die hauptsächlichen Fächer waren Chinesisch und Englisch, aber wieder wurde Tibetisch benachteiligt.

Der chinesische Bevölkerungsanteil hat sich in Yangchens Heimat beträchtlich erhöht. Inzwischen sind die meisten Läden und Restaurants in Händen von Chinesen, was die lokalen Tibeter aus dem Geschäft verdrängt. Eine Folge davon ist, daß sie ihre Kinder von der Schule nehmen müssen, weil sie die hohen Gebühren nicht mehr aufbringen können.

Teil 4

Festgehalten wegen Freiheitsparolen

4 Mönche wurden festgenommen, weil sie bei einer religiösen Zeremonie am 11. Mai 1996 Parolen gerufen hatten. Acho, einem ehemaligen Mönch des Klosters Phugon, der den Protest anführte, wurde vorgeworfen, das Bild des Dalai Lamas an jenem Tag auf den höchsten Sitz in der Gebetshalle gestellt zu haben. Die anderen drei festgenommenen Mönche sind aus dem Kloster Konpon.

Während einer von Khenpo Bara in Kloster Phukon angeführten Zeremonie brachte Acho (Ngawang Thupten) ein Bild des Dalai Lama aus seinem Zimmer und stellte es auf einen Thronsitz in der Hauptgebetshalle. Eine Stunde später schlug er die Trommel, um die zum Räucherungsritual außerhalb des Klosters versammelten Leute zu rufen. Gleichzeitig schrie er Freiheitsslogans. Drei Mönche fielen sofort ein: Kunga (36), Urgen Dorje (23) und Jamyang (50), die kurzzeitig festgehalten und dann gegen Kaution freigelassen wurden.

Khenpo Bara und Shilong Rinpoche, denen Nachlässigkeit, solch einen Vorfall geduldet zu haben, vorgeworfen wurde, wurden nach 2 Monaten Festhaltung auf eine Kaution von je 4000 Yuan freigelassen. Acho wurde jedoch weitere 15 Tage eingesperrt. Sie erklärten ihm, die Zurschaustellung des Dalai Lama Bildes sei ein viel schlimmeres Verbrechen als 100 Leute umzubringen, und seine Missetat hätte den Ruf des ganzen Klosters und der Gemeinde befleckt. Schließlich wurde er auf Zahlung von 6000 Yuan an die Polizisten auf Bewährung freigelassen.

5 bis 6 chinesische Kader aus dem Kreis Sichoe kamen regelmäßig in das Kloster Phukon, um die "patriotische Umerziehung" durchzuführen, bei welcher den Mönchen gewaltsam beigebracht wurde, "ihr Mutterland zu lieben und dem Spaltertum Widerstand zu leisten". Die gegenwärtige Stärke des Klosters beträgt 600 Mönche. Acho trat mit 13 Jahren in Phugon ein. Der ursprünglich aus dem Dorf Arab Za der Gemeinde Arab Za, Kreis Sichoe, Kandze TAP, stammende Acho erreichte das Tibetan Reception Centre in Nepal am 26. November 2000.

Teil 5

Religiöse Restriktionen in Kreis Dhingri

Im Februar 2000 untersagte die Volksverwaltung des Kreises Dhingri allen Bauern und Nomaden unter ihrer Befehlsgewalt den Besitz und die Aufstellung von Dalai Lama Bildern in ihren Häusern. Gleichzeitig wurde Order erlassen, alle auf den Dalai Lama bezüglichen Artikel zu entfernen. In dem Dorf Paljor Gan der Gemeinde Chuglok beschlagnahmten die Verwaltungsbeamten von Dhingri viele Dalai Lama Bilder, nachdem sie jedes Haus gründlich durchsucht hatten. Den 45 Haushalten des Dorfes wurde mit gesetzlicher Verfolgung und Gefängnis gedroht, falls das verbotene Bild in Zukunft noch gefunden würde.

1997, drei Jahre früher, erließ der Religionsausschuß von Dhingri und Shigatse eine Verfügung, daß keine neuen Mönche in Kloster Songachoe, das eine laufende Belegschaft von etwa 100 Mönchen hat, mehr zugelassen werden dürfen. 30 Mönche zogen daraufhin ab, damit ihre Zahl auf das vorgeschriebene Maximum reduziert wird.

Von 1993 bis 1999 wurden in Kloster Songachoe jährlich 10 Tage lang "patriotische Umerziehungssitzungen" durchgeführt, bei denen die Kader jeden Mönch zwangen, den politischen Standpunkt der Chinesen zu akzeptieren. Bilder des Dalai Lama wurden auch aus dem Kloster verbannt.

Das Songachoe Kloster hat eine 450-jährige Geschichte. Vor 1959 gab es dort etwa 150 Mönche. Während der Kulturrevolution wurden die meisten religiösen Güter und Kunstgegenstände geraubt, verbrannt oder nach China abtransportiert. Außer der Hauptversammlungshalle wurden alle anderen Gebäude vollkommen zerstört. Unter der Aufsicht einiger älterer Mönche und mit Spenden der Lokalbevölkerung begann der Wiederaufbau des Songachoe Klosters ab 1982.

Lobsang, ein ehemaliger Mönch von Kloster Songachoe, erreichte Kathmandu am 17. August 2000: "Der Hauptgrund, warum ich ins Exil ging, ist, eine Audienz beim Dalai Lama zu erhalten. Danach plane ich, zurückzukehren", meinte er.

Teil 6

Sicherheitsposten in Kloster Sera

1996 wurde Kloster Sera unter der Aufsicht des Vize-Parteisekretärs Tenzin der TAR (Autonome Region Tibet) vier Monate lang der "patriotischen Umerziehung" unterzogen. Ein politisches Sicherheitsbüro wurde für Sera eingerichtet, das die Mönche jeden Montag, Mittwoch und Samstag zu Versammlungen rief. Gegenwärtig gibt es 450 Mönche mit Personalausweisen in dem Kloster, und rund 200 weitere ohne diese Ausweise sind auf Besuch.

Die Kader des Sicherheitsbüros ließen die Mönche drei Bücher über patriotische Erziehung, einschließlich des "Weißbuches" und der Klosterregeln überarbeiten. Bei jeder Zusammenkunft bekamen die Teilnehmer eine rote Marke, und jene, die am Ende jeden Monats nicht genug von diesen Marken vorweisen konnten, durften an keinen Klosteraktivitäten mehr teilhaben. Außerdem wurden sie in das Sicherheitsbüro zitiert und gefragt, warum sie nicht zu den Versammlungen gekommen seien.

Bereits 1989 richtete die chinesische Regierung ein Sicherheitsbüro in Kloster Sera ein mit 18 Kadern, lauter Tibeter. Diese hatten die Aufgabe, jeden eventuellen Vorfall von Dissidentenaktivität zu verhindern, oder wenn dies nicht gelang, aufzudecken und zu unterdrücken.

Am 4. Juni 1998 bemerkten die Sicherheitskräfte zu spät eine tibetische Flagge, die am Tor der Hauptgebetshalle flatterte. Eine weitere Flagge wehte auf dem Wassertank des Klosterrestaurants. Daraufhin wurde der Chef des Sicherheitsbüros Lhundup seines Amtes enthoben und von dem Tibeter Jaring ersetzt. Nach dessen Übernahme wurde die Wachsamkeit intensiviert und Tag aus Tag ein aufrechterhalten. Von da an hörte man nichts mehr von "Freiheitsbegebenheiten".

Lobsang Guegan (Pasang) aus dem Dorf Drashue No 2 der Gemeinde Dhargyal, Kreis Taktse, wurde 1977 Mönch in Sera, in dem es zu jener Zeit nur 56 alte Mönche gab. Zwischen 1979 und 1986 wurden 450 weitere Mönche zugelassen. Ursprünglich Koch und Verwalter, arbeitete Guegan von 1089 bis 1993 als Sicherheitskraft im Kloster. Im November 2000 erreichte er Nepal.

Teil 7

China Town in einer tibetischen Gegend

Lobsang Guegan erzählte auch, daß die Behörden den Bau eines neuen Gebäudekomplexes für chinesische Immigranten auf einem großen, für Picknicks reserviertem Stück Land in dem Dorf No 2 des Kreises Taktse begannen. Dem 10-Jahres Entwicklungsplan der Region zufolge erfolgt hier die Umsiedelung von 100.000 chinesischen Bürgern aus China. Alle Bäume auf dem Grundstück wurden gefällt, und bis jetzt sind 500 neue Gebäude erstellt worden. Jeder, der die Bauarbeiten in Kreis Taktse zu hindern versucht, wird mit schwerer Bestrafung bedroht.

Dieser Picknick-Platz wurde ursprünglich von Mönchen des Klosters Sera angelegt, die während der Kulturrevolution verjagt worden waren. Sie wurden eingesetzt, um den Platz zu ebnen, der dann eingezäunt wurde. Im Zuge der Liberalisierungspolitik von 1980 wurden alle hinausgeworfenen Mönche wieder in das Kloster aufgenommen, und das reservierte Gelände wurde unter 43 Haushalten des Dorfes Karshue No 2 gleichmäßig aufgeteilt. Während der letzten 20 Jahre wurde dieses Picknick-Reservat dann in einen Garten verwandelt, in dem die Leute verschiedene Obstbäume anbauten.

Im Winter 1999 riefen 5 chinesische Beamte mit Genehmigung der TAR Regierung die Dorfbewohner zusammen und gaben jeder Familie eine Ente. Sie kündigten Pläne an für die Entwicklung einer Satellitenstadt zur Verbesserung von Transport und Kommunikation zwischen den Ortschaften. Folglich wurde das Picknick-Reservat von 650 mu Fläche (1 mu = 67 qm) konfisziert, und die Behörden benutzten das Land zu ihrem eigenen Nutzen ohne irgendeine Entschädigung für die lokale Bevölkerung. Es geht jedoch das Gerücht, daß einige Distriktbeamte Schmiergelder von jeweils 2000 Yuan für das dem Volk gehörende Land einsteckten.

Weitere Pläne der Regierung beinhalten den Bau eines internationalen Flughafens auf einem 30 langen Landstreifen entlang des Jichoe Flusses von Tsame Tsal, Kreis Taktse, bis zu dem Land Tsa Tu. Dieses im Januar 2000 begonnene Projekt wird düstere Folgen für die örtliche Bevölkerung haben, weil ihr Land unmittelbar von diesem Plan betroffen ist, und alle früher dort von den Leuten gepflanzten Bäume entfernt wurden.

Teil 8

Wegen Unabhängigkeitsflugblättern gehetzt

Am 19. Juni 2000 wurde das Verbot von Dalai Lama Photos in der Gemeinde Songue, Kandze TAP, bestätigt, das zeitlich auf die Besuchsreise des Dalai Lama in westlichen Ländern abgestimmt war.

Zufällig flohen um dieselbe Zeit ein Mönch und zwei seiner Komplizen, die Free Tibet Flugblätter an wichtigen Orten von Kreis Kandze zirkuliert hatten, nach Lhasa, mit der Polizei auf ihren Versen folgend.

Im Mai 2000 stellten Sonam Wangyal (30), Rinchen Gonpo (33) und Yeshi Dorjee (27) ungefähr 1200 Unabhängigkeitszettel her mit handgeschriebenen Losungen wie "Freiheit für Tibet" und "Nieder mit dem kommunistischen China". Sie schnitzten dieselben Losungen in Holzdruckstöcke und druckten im Juni etwa 18.000 Blätter. Das Druckpapier kauften sie in verschiedenen Läden, um Verdacht zu vermeiden. Die Blätter wurden dann über den ganzen Distrikt Kandze verstreut, besonders an viel besuchten Plätzen wie der Polizeistation oder den Toren des Verwaltungsblockes. Einige Blätter klebten sie an die Mauern, während sie andere einfach im Wind wegflattern ließen.

Die drei Urheber versteckten sich eine Woche lang, nachdem sie die Flugblätter in Umlauf gebracht hatten. Als die Polizei ankam, um nach ihnen zu suchen, flohen sie in die nahegelegenen Hügel. Dann spielten sie ein gefährliches Versteckspiel mit der Polizei, bis sie Lhasa erreichten. Sogar dort standen sie ständig unter der Furcht vor Verhaftung, weil 8 Polizisten aus Kreis Kandze nach ihnen fahndeten.

In Lhasa schloß sich Sonam Wangyal einer Gruppe von 10 Leuten aus Amdo an, von denen jeder 1300 Yuan an einen tibetischen Wegführer zahlte. Dieser brachte sie bis Shar Bhumpa, wo sie von der nepalesischen Polizei festgenommen und in die Immigrationsbehörde gebracht wurden. Personal des Tibetan Reception Centre holte die Gruppe am 17. November 2000 von dort ab. Sonam Wangyal war im Alter von 17 Jahren in das Kloster Khoma eingetreten, in dem es derzeit 60 Mönche gibt.

Teil 9

Restriktionen in dem Dorf Tsanag

Takbumgya, ein 23-jähriger Nomade aus dem Dorf Tsanag, Gemeinde Gomang, Kreis Koenen, stammt aus einer 7-köpfigen Familie, zu der auch eine verheiratete ältere Schwester und drei jüngere Brüder zählen. Als Kind ging Takbumgya 6 Jahre lang in die Dorfvolksschule. Dann mußte er seinen Schulbesuch abbrechen, weil die Eltern die Gebühren nicht mehr aufbringen konnten, zumal auch ein jüngerer Bruder zur selben Schule ging. Die jährlichen Schulgebühren betrugen 300 Yuan, und es wurde dort Chinesisch, Tibetisch und Rechnen gelehrt. Es gab keine örtliche Mittelschule, die nächst gelegene befand sich in der Ortschaft Gomang.

Als Nomadenfamilie besaßen Takbumgyas Angehörige etwa 80 Stück Vieh, aber ihre jährliche Viehsteuer betrug 3.500 Yuan. Die Landbevölkerung kann diesen Steuern nicht aus dem Weg gehen, selbst wenn sie sich in großer Bedrängnis befindet. In seinem Dorf gab es einen Mann namens Doedar, der nur 10 Schafe besaß, aber noch seine Frau und Mutter zu ernähren hatte. Er konnte die Steuern einfach nicht aufbringen, und die Folge war, daß der Steuereintreiber der Gemeinde Gomang sein Haus durchsuchte und alles, was irgendwie von Wert war, konfiszierte, darunter auch einige Tierhäute. Der Mann selbst wurde im August 1998 festgenommen und in ein Gefängnis in Kreis Koenen gebsteckt.

Normalerweise müssen Steuern während der Monate Juli und August entrichtet werden. Wenn jemand innerhalb der festgesetzten Zeit nicht zahlt, muß er eine Strafe von 100 Yuan pro 1.000 Yuan Steuerschuld entrichten.

Die Ehepaare in Takbumgyas Dorf dürfen nur 1 Kind haben, andernfalls wird eine Strafe von 3.000 Yuan für jedes weitere Kind abverlangt. In Takbumgyas Dorf gibt es auch keinen Tempel zur Anbetung. Wenn jemand ein religiöses Opfer bringen will, muß er zum Kloster Tharshul reisen. Auch in diesem Kloster gilt das Verbot von Dalai Lama Bilder, und das Mindestalter für Mönchsanwärter beträgt 18 Jahre. In seinem Dorf ist das Anhören von Voice of America und anderen ausländischen Nachrichten streng verboten. Wenn jemand dabei erwischt wird, wird er verhaftet, aber trotzdem hören die Leute heimlich die verbotenen Sender.

Takbumgya fuhr per Bus von Lhasa nach Shigatse, von wo aus er etwa 21 Tage nach Nepal lief. Er kam schließlich am 16. Dezember 2000 in Dharamsala an und möchte nun eine Schule im Exil besuchen.

Teil 10

Drei Mönche aus dem Kloster Lora ausgestoßen

Lobsang Choezin ist ein 22-jähriger Mönch des Klosters Lora in der Ortschaft Noney, Kreis Markham, Präfektur Chamdo. Seine Eltern sind Halbnomaden. Er ging nie zur Schule, weil es in seinem Dorf oder in der Nähe keine gab. So trat er mit 16 in Kloster Lora ein, das während der Kulturrevolution zerstört und von 1985 an durch Hilfe der lokalen Bevölkerung wieder aufgebaut wurde.

1998 wohnten 115 Mönche in Kloster Lora, und im Juli begab sich zum ersten Mal ein aus 8 Kadern von der Kreisverwaltung Markham bestehendes "Arbeitsteam" in das Kloster. Während seines 2-monatigen Aufenthaltes wurden regelmäßige "patriotische Umerziehungsstunden" abgehalten und ein totales Verbot von Dalai Lama Photos verhängt. Die Kader zwangen die Mönche, ihren Daumenabdruck unter Dokumente mit Schmähungen des Dalai Lama zu setzen und die Belegschaft auf 100 zu begrenzen. Drei Mönche wurden wegen Fernbleiben der Sitzungen ausgewiesen, 100 bekamen die notwendigen Personalausweise, und 12 gingen freiwillig in ihre Heimatorte, während die Kader des Arbeitsteams anwesend waren, kamen aber später wieder zurück.

Im Februar 1999 überfiel erneut ein 14-köpfiges Arbeitsteam das Kloster, in dem es sich 2 Wochen aufhielt. Die fünf tibetischen und 9 chinesischen Kader hielten den "patriotischen Umerziehungsunterricht", wonach es dann regelmäßige Meetings und Inspektionen in dem Kloster gab.

Im Oktober floh Choezin aus Lhasa und erreichte am 14. Dezember Dharamsala, wo er sich nun den 26 anderen Mönchen aus Lora, die bereits im Exil sind, anschließen wird.

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