Human Rights Update

Januar 2001

Inhalt
  1. Jahresbericht 2000: Erzwingung der Loyalität: Offizielle Zusammenfassung
    a) Ausmerzung von politischem Dissens
    b) Beschneidung der Religionsfreiheit
    c) Kultivierung von chinesischem Überlegenheitsgefühl
    d) Kontrolle über Frauen und Kinder
    e) Tibeter werden in die Verarmung getrieben
    f) Empfehlungen
  2. Nonne 22 Monate lang ohne Verbindung zur Außenwelt in Haft gehalten
  3. Massenverhaftung nach Bombendetonation
  4. Ein Lehrer berichtet: Vetternwirtschaft grassiert in dem chinesischen Erziehungssystem
Teil 1

Jahresbericht 2000: Erzwingung der Loyalität
Offizielle Zusammenfassung

Pekings Obsession hinsichtlich Stabilität und Kontrolle in Tibet war das Leitthema des Jahres 2000. China bleibt weiterhin eine der wenigen Nationen der Erde, in denen Menschenrechtsmißbräuche institutionalisiert sind und das Volk in unannehmbarer Weise von Überwachung und Restriktionen bedrückt wird. Dabei herrscht eine totale Mißachtung der grundlegenden bürgerlichen und politischen Rechte, etwa des Rechtes auf freie Meinungsäußerung und Versammlung.

Im vergangenen Jahr verschärfte Peking in Tibet alte Bestimmungen und führte neue restriktive Maßnahmen zur Festigung seiner Kontrolle ein. Religiöse und politische Aktivitäten wurden zunehmend eingeschränkt, die Kontrolle der religiösen Einrichtungen wurde verschärft, die Aufstellung von Dalai Lama Photos verboten und die Überwachung durch die Parteikader wurde strenger.

Umgekehrt war es auch ein Jahr, in dem Peking international einige verzweifelte Versuche zur Verbesserung seines Image unternahm. So wurde eine profilierte Propagandamaschinerie - etwa das Weißbuch mit besonderer Blickrichtung auf Tibet - eingesetzt, um die Welt von angeblichen, in Sachen Menschenrechte und der Erhaltung der tibetischen Kultur gemachten Fortschritten zu überzeugen. China ging sogar so weit, eine Vereinbarung mit dem UN Hochkommissariat für Menschenrechte über die Realisierung von Menschenrechtsstandards zu unterzeichnen.

Seit Mitte der neunziger Jahre betrieb Peking in der internationalen Arena intensive Lobby-Arbeit, um den von vielen Ländern bei ihren Menschenrechtsbeziehungen zu China eingeschlagenen "Konfrontationskurs" in einen das Gesicht wahrenden "bilateralen Dialog" zu verwandeln. Die ernste Verschlechterung der Menschenrechtslage sowohl in Tibet als auch in China läßt jedoch Zweifel an der Wirksamkeit dieses neuen Umgangs mit Menschenrechtsfragen aufkommen. Der kürzliche parlamentarische Bericht Großbritanniens zu China zeugt von der Nutzlosigkeit solch eines Dialogs und mahnt die britische Regierung, eine härtere Linie einzuschlagen.

Die Unterdrückung in Tibet in diesem Jahr betraf hauptsächlich die religiöse Freiheit. Die gesamte tibetische Bevölkerung litt ohne Ausnahme an Übergriffen auf ihr Recht auf Glaubensfreiheit. Die Behörden gingen so weit, bei Überraschungskontrollen auf Altäre, buddhistische heilige Schriften und Bilder des Dalai Lama sogar die Privathäuser von politisch uninteressierten Tibetern zu durchwühlen.

Die Intensivierung der "patriotischen Umerziehungskampagne", die auf die Indoktrinierung der Mönche und des Volkes im allgemeinen gegen den Dalai Lama, seine "Clique" und das Fundament der tibetischen Kultur und religiösen Tradition gerichtet ist, stand bei den Behörden in diesem Jahr im Vordergrund. Sogenannte "Arbeitsteams" wurden zur Durchführung dieser Kampagne pausenlos sogar in die entlegensten Klöster entsandt. Die Auferzwingung der "patriotischen Umerziehung" konnte jedoch nicht die Treue der Tibeter zum Dalai Lama untergraben. In der Tat protestierten viele gegen sie und wurden als Resultat mit Gefängnishaft bestraft oder aus ihren Einrichtungen ausgeschlossen.

Das Jahr 2000 war von einer zunehmenden Paranoia bei den Behörden hinsichtlich der "kommunistischen Gesinnung" der Parteikader und Beamten auf allen Ebenen der Regierung der Autonomen Region Tibet gekennzeichnet. Diese Personengruppe wurde besonders vielfältigen und ständigen Prüfungen in bezug auf ihre Loyalität zur kommunistischen Partei unterzogen. Es wurde nicht nur von ihnen erwartet, daß sie bei der Ausführung von Befehlen stets an vorderster Front stehen, sondern sie erfuhren durch genaue Beobachtung und ständige Überwachung auch drastische Eingriffe in ihre private Lebenssphäre.

Um den Brutalitäten der Chinesen zu entgehen und in den Genuß der Grundfreiheiten zu kommen, kämpfen sich Tausende von Tibetern jedes Jahr sogar in den härtesten Wintermonaten über den Himalaya. Der fortwährende Flüchtlingsstrom, der sich aus Tibet ergießt, um den heftigen Repressionen zu entfliehen, bestätigt die ständig gegen Peking wiederholten Vorwürfe wegen seiner eklatanten Mißachtung sowohl ratifizierter als auch unterzeichneter internationaler Abkommen, der eigenen chinesischen Gesetze und selbst der chinesischen Verfassung. Von den annähernd 2.660 Tibetern, die im Jahr 2000 ins Exil flohen, waren 900 Kinder unter 18 Jahren, 507 Frauen und 642 Mönche/Nonnen. Diese Flüchtlinge stellen eine fortlaufende Informationsquelle über die derzeitige Lage in Tibet dar. Trotzdem ist das TCHRD der Ansicht, daß die in diesem Bericht gebotene Information nur einen Bruchteil der wahren Situation im heutigen Tibet darstellt.

Teil 1a)

Ausmerzung von politischem Dissens

Das TCHRD dokumentierte 26 Verhaftungen über das Jahr 2000 - alle wegen politischer Aktivitäten, die als "Gefährdung der Staatssicherheit" ausgelegt wurden. Mit der Revision des Strafgesetzes (Criminal Procedure Law) und der Neudefinierung des Strafbestandes "konterrevolutionäre Aktivität" als "Gefährdung der Staatssicherheit" hat Peking die anhaltende Praxis der willkürlichen Verhaftung zur Unterdrückung "subversiver Meinungen" abgesegnet. In den meisten Fällen wurden Tibeter deswegen festgenommen, weil sie bei friedlichen Protesten mitmachten oder weil sie Bilder und Audiokassetten des Dalai Lama besaßen. Ebenso sehen sich Rückkehrer aus Indien strenger Überwachung und Kontrolle ausgesetzt. Sie gelten als Kollaborateure mit der "Dalai Clique" und als Separatisten. Erneut wurden Restriktionen über sie verhängt, was zur Entlassung von 29 Touristenführern und der vermutlichen Festhaltung von etwa 50 Schülern führte, die auf dem Rückweg von Schulen in Indien nach Hause waren.

Folter ist ein häufiges Vorkommnis in Haftzentren und Gefängnissen in Tibet, was zu vielen ernsten körperlichen und seelischen Verletzungen und sogar Todesfällen führt. Fast alle verhafteten Gefangenen wurden während ihrer Gefangenschaft irgendwann einmal entweder durch die Beamten des Public Security Bureau (Amt für Öffentliche Sicherheit) oder die Gefängniswachen oder oftmals durch beide brutal mißhandelt. Insgesamt 37 politische Gefangene sahen ihre Urteile verlängert, und neun von ihnen aus Kandze stammende Gefangene bekamen weitere 5 Jahre aufgebrummt.

Gewisse Strafmaßnahmen wurden eingeführt, um die Loyalität von tibetischen Kadern dem Pekinger Regime gegenüber zu testen. Diese schlossen ein Verbot jeglicher sichtbaren religiösen Ausübung und Zurückrufung ihrer Kinder aus den vom Dalai Lama in Indien betriebenen Schulen ein. "Beförderungsstop und Versetzung ohne Zögern" wurden als Strafe für jene Kader und Regierungsangestellte genannt, die sich nicht unter eine Politik zwingen lassen wollten, die nicht nur sie selbst, sondern auch das Leben ihrer Angehörigen und deren Zukunft beeinträchtigt.

Teil 1b)

Beschneidung der Religionsfreiheit

Drakonische Kampagnen mit dem Ziel der Vernichtung der besonderen kulturellen und ethnischen Identität der tibetischen Rasse wurden dieses Jahr von der Pekinger Regierung eingeleitet. Nicht nur über die religiösen Einrichtungen wurde scharfe Überwachung und Kontrolle ausgeübt, sondern auch über die "Kaderkontingente" und die allgemeine Bevölkerung. Weil nun einmal Religion ein Hauptwesenszug der tibetischen Psyche ist, wird sie vom Staat als die Grundursache der "separatistischen Aktivitäten" und Instabilität in Tibet angesehen.

Eine Razzia auf 18 Häuser von tibetischen Künstlern der in Lhasa ansässigen Tibetischen Operngesellschaft im Juni 2000 zur Beschlagnahmung religiöser Objekte, Altäre und Statuen zeigt deutlich Pekings Argwohn, der tibetische Nationalismus stünde in direktem Zusammenhang mit der religiösen und kulturellen Identität der Tibeter. Strenge Order wurde gegen die Begehung der traditionellen tibetischen Feste erlassen, besonders der Feiern zum Geburtstag des Dalai Lama.

Im Zuge der "patriotischen Umerziehungskampagne" rückten die "Arbeitsteams" in die Klöster vor, um die Mönche/Nonnen zu indoktrinieren. Die unendlich langen politischen Unterrichtsklassen ließen ihnen keine Zeit mehr zum Studium der buddhistischen Schriften und für Gebetszeremonien. Eines der Kernziele dieser Kampagne ist der Kampf gegen die tiefe Hingabe des tibetischen Volkes an den Dalai Lama und gegen den Einfluß der "Dalai Clique".

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) verzeichnete als direkte Folge dieser "patriotischen Umerziehung" 862 monastische Ausweisungen - darunter 147 Nonnen - im Jahre 2000. Damit ist die Gesamtzahl von Mönchen und Nonnen, die unter der Wucht dieser Kampagne aus ihren Institutionen ausgewiesen wurden, auf 12.271 angestiegen. Nonnen und Mönche machen etwa 73% der derzeit in Gefängnissen in Tibet eingesperrten und uns bekannten 451 politischen Gefangenen aus.

Teil 1c)

Kultivierung von chinesischem Überlegenheitsgefühl

Tibeter leiden weiterhin unter unfairer Behandlung auf den Sektoren der öffentlichen Vertretung, der Bildung, der Beschäftigung, des Wohnungs- und Gesundheitswesen. Darüber hinaus trägt die absichtlich verfolgte Politik der Bevölkerungsverlagerung von Chinesen nach Tibet zur weiteren Diskriminierung gegen Tibeter bei. Zeugnisse von Flüchtlingen lassen ein tief sitzendes Rassenvorurteil bei chinesischen Arbeitgebern erkennen, die automatisch Tibeter als "inkompetent und rückständig" kategorisieren. Auf dem Beschäftigungssektor läßt sich allgemein sehen, daß Tibeter ganz automatisch untergeordnete Stellen haben und Chinesen die höheren Posten einnehmen. Unter solchen Umständen gaben viele Tibeter an, die einzige Methode, eine Stelle zu bekommen, sei durch Korruption und guanxi (Beziehungen zu Beamten). Ebenso ist die Diskriminierung bei den Löhnen weit verbreitet: Oftmals bekommen Tibeter für denselben Job Gehälter, die gerade die Hälfte und manchmal sogar noch weniger als die ihre chinesischen Kollegen betragen.

Die Struktur und die Finanzierung des Erziehungssystems heutzutage in Tibet sind auch in hohem Maße diskriminierender Natur angesichts der Tatsache, daß die staatlichen Mittel weitgehend auf den Aufbau von Schulen in Gebieten mit einem hohen Bevölkerungsanteil an Chinesen konzentriert werden. Einige Tibeter auf dem Lande wurden gezwungen, Erziehungseinrichtungen selbst zu finanzieren und auf ihre eigenen Kosten und zu bauen. Tibetische Kinder und ihre Eltern berichten, daß horrende Gebühren bezahlt werden mußten neben allerlei sonstigen Ausgaben, welche von den chinesischen Schülern nicht verlangt werden - ganz entgegen der Behauptung der chinesischen Zentralregierung, die Volksschulbildung sei umsonst.

Tibeter sehen sich weiterhin enormer Diskriminierung im Wohnungswesen ausgesetzt. Benachteiligende Zuteilungsschemen garantieren den chinesischen Einwanderern, daß sie entweder gleich bei ihrer Ankunft in Tibet eine Wohnung erhalten oder ganz oben auf die Warteliste kommen. Um Platz für die neu ankommenden Chinesen zu schaffen, wurden viele tibetische Familien aus ihren traditionellen Heimen vertrieben, oder diese wurden abgerissen. Die so ihrer Wohnung Beraubten bekamen oftmals keine Entschädigung und mußten, oft nach langen Wartezeiten, gar noch horrende Mieten für neue Behausungen zahlen.

Die kommunistische Kontrolle erfaßt jede Gesellschaftsschicht, und die Tibeter haben heutzutage genauso wenig politische Meinungsfreiheit wie während der finsteren Tage der Kulturrevolution. Es gibt zwar eine gewisse Zahl an Tibetern, die innerhalb dieses Systems gehobene Stellungen innehaben, doch diese stellen nur eine symbolische Repräsentation dar und haben keine wirkliche oder effektive Entscheidungsbefugnis. Meistens fungieren diese Stellenbesetzungen nur als Marionetten für die Partei oder sie sollen den Anschein geben, daß Tibeter bei der Verwaltung ihres eigenen Landes mitbeteiligt seien.

Teil 1d)

Kontrolle über Frauen und Kinder

Die Berichte der Flüchtlinge beweisen, daß viele tibetische Frauen als Folge der aufgezwungenen und unsachgemäßen Verfahren zur Sterilisierung und Empfängnisverhütung bleibende Schäden erleiden oder gar sterben. Minderwertige Einrichtungen zur Gesundheitsfürsorge, Medikamente schlechter Qualität, und unqualifiziertes, medizinisches Personal haben zu einem miserablen Pflege- und Hygienestandard in den Krankenhäusern geführt. Enorme Geldstrafen werden für Mißachtung der Geburtenkontrollpolitik verhängt, und "über die Quote geborenen" Kindern werden die Grundrechte auf Staatsbürgerschaft, Gesundheitsfürsorge und Ernährung verweigert.

Frauen, insbesondere Nonnen, werden immer noch verfolgt, wenn sie um ihr Recht auf Ausübung ihrer Religion in diesem System kämpfen. Viele werden aus ihren Klöstern ausgewiesen und dürfen keine religiösen Tätigkeiten mehr ausüben, während andere mit langen Haftstrafen belegt werden. Ein unverhältnismäßig hoher Prozentsatz der wegen ihrer politischen oder religiösen Überzeugung inhaftierten Tibeter sind Nonnen.

Tibetische Kinder sind die Leidtragenden eines immer mehr diskriminierenden Erziehungssystems. Nicht nur mangelt es im Schullehrplan an tibetischem Lehrstoff, sondern an den meisten Schulen ist das Unterrichtsmedium auch noch Chinesisch. Darüber hinaus verhindern hohe Schulgebühren und untragbar weite Anmarschwege, daß die Schüler Zugang zu den wenigen zur Verfügung stehenden Einrichtungen haben. Mit der Einführung des Mindestalters für religiöse Einrichtungen bleibt den Kindern auch die monastische Erziehung verwehrt trotz ihres Wunsches, ihr nachzugehen.

Tibetische Frauen sehen sich doppelt benachteiligt, wenn es um die Beschäftigung geht. Viele junge Mädchen, die eine ernsthafte Arbeit suchen, landen in dem blühenden Gewerbe der Prostitution in den Stadtgebieten. Die Prostitution und die Krankheiten, die diese mit sich bringt, stellen einen ernsten und wachsenden Grund zur Besorgnis in Tibet dar.

Teil 1e)

Tibeter werden in die Verarmung getrieben

Es wird berichtet, daß über 70% der in der Autonomen Region Tibet (TAR) ansässigen Tibeter unter der Armutsgrenze leben. Probleme der Armut und der Grundfragen des Überlebens beherrschen heutzutage die Struktur des täglichen Lebens in tibetischen Gebieten. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung sieht sich von den Problemen des Nahrungsmittelmangels, des Zugangs zu medizinischer Versorgung, Unterricht, Beschäftigung und Wohnung bedrängt.

Peking pocht ständig auf die Verbesserungen, welche die "Entwicklung" in Tibet mit sich gebracht hätte. Im Namen der Entwicklung wird vom Staat einer riesigen Zahl von Chinesen Anreiz geboten, sich in Tibet niederzulassen. Ihr Dasein bedroht den Lebensunterhalt des tibetischen Volkes und stellt den Angelpunkt der von der Regierung beabsichtigten Integration der tibetischen Wirtschaft in die chinesische dar. Chinesische Immigranten dominieren inzwischen die tibetische Wirtschaft, und heutzutage befinden sich praktisch alle Geschäfte in Tibet in ihrem Besitz. Der von fünf Jahrzehnten chinesischer Herrschaft verursachte Schaden hat die "Entwicklung" zu einer gebrandmarkten und kontroversen Angelegenheit gemacht.

Im Widerspruch zu Pekings offiziellen Angaben, von tibetischen Bauern und Nomaden würden keine Steuern erhoben, klagten in fast jedem einzelnen vom TCHRD mit Flüchtlingen durchgeführten Interview die tibetischen Bauern und Nomaden ganz speziell darüber, daß sie von horrenden Steuern bedrückt wurden. Die Besteuerungspolitik betrifft fast jeden Aspekt der Existenzbestreitung - angefangen von Steuern auf jeden Einwohner gibt es weitere auf Vieh, Ernteerträge, Weideland, Tierhäute und Schulbildung. Obwohl es ein Recht auf Lebensunterhalt gibt, werden die Mittel dazu schwer eingeschränkt. Eindeutig fehlt jegliche Verantwortlichkeit oder Möglichkeit zur Beschwerde gegen die in den meisten Fällen harten, unfairen und diskriminierenden Steuern.

Weiterhin stellen Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung ernste Probleme in Tibet dar. Viele Tibeter aus Bauern- und Nomadenfamilien halten sich für beschäftigt in der Hinsicht, daß sie trotz ihres Wunsches, einem anderen Beruf nachzugehen, eben helfen, das Vieh ihrer Sippe zu hüten oder sich zu niedrig bezahlten Bau- oder Forstarbeiten verdingen. Ihre Chance, die gebotenen Beschäftigungsmöglichkeiten wahrzunehmen, wird ernsthaft von den absichtlich in das System integrierten Ungleichheiten beeinträchtigt. Diese Unterbeschäftigung in Landbezirken erscheint um so brisanter, wenn sie in Zusammenhang mit Chinas geplanter Urbanisierung gebracht wird.

Teil 1f)

Empfehlungen

  • Das TCHRD bittet internationale Gremien eindringlich, dafür zu sorgen, daß China den ICCPR = International Covenant on Civil and Political Rights (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte) und den ICESCR = International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte) endlich ratifiziert und sofortige Schritte unternimmt, um die in diesen zwei Verträgen verankerten Rechtsnormen in seine nationale Gesetzgebung zu integrieren und sie auch in die Tat umzusetzen.
  • Das TCHRD ersucht den Sonderberichterstatter für Rassismus, Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, Tibet zu besuchen und die Auswirkung der chinesischen Regierungspolitik auf das Erziehungswesen, die Beschäftigungslage, die öffentliche Vertretung, Gesundheit und Bildung zu begutachten, wo überall das tibetische Volk in Nachteil gesetzt wird.
  • Das TCHRD fordert, daß die chinesische Regierung die Dimension und Reichweite des Begriffes "Gefährdung der Staatssicherheit" in ihrem Strafgesetz klärt und definiert: In seiner gegenwärtigen zweideutigen Form wird er nämlich verwendet, um eine ganze Reihe von legitimen Rechten, darunter das Recht auf Redefreiheit und freie Meinungsäußerung zu unterdrücken.
  • Das TCHRD fordert nachdrücklich die Freilassung aller politischer Gefangener, die von der chinesischen Regierung festgehalten werden, einschließlich derjenigen, die wegen Ausübung ihres Rechtes auf Rede- und Meinungsfreiheit eingesperrt sind.
  • Das TCHRD verlangt, daß die Bediensteten aller Abteilungen des Sicherheitsdienstes ab sofort und für immer auf ihre Schlagstöcke verzichten. Der Elektroschock-Schlagstock, von dem Polizei und Gefängnispersonal oftmals auf brutale und erniedrigende Weise Gebrauch machen, wird insbesondere in der geschlechtsspezifischen Folterung von weiblichen Gefangenen eingesetzt.
  • Unter Verstoß gegen alle internationalen Normen über die Rechte des Kindes hält die chinesische Regierung Gedhun Choekyi Nyima, den 11. Panchen Lama Tibets, seit Mai 1995 gefangen. Das TCHRD verlangt die sofortige Freilassung dieses jüngsten Gewissensgefangenen der Welt.
  • Die inoffizielle Sanktionierung der Prostitution in tibetischen Wohngebieten trägt zu ihrem Zunehmen bei und steht im Widerspruch zu den in der VR China sonst geltenden Normen. Das TCHRD verlangt, daß die chinesische Regierung durch strenge Anwendung der Gesetze, welche Prostitution als illegal einstufen, für die Eindämmung dieses Übels in Tibet sorgt.
  • Tibeter werden von einer harten und diskriminierenden inoffiziellen Steuerpolitik belastet. Das TCHRD fordert die chinesische Regierung auf, besonders für das landwirtschaftliche Tibet eine durchsichtigere Besteuerungspolitik zu schaffen, um ein realistisches System und eine Unterbindung des Machtmißbrauches durch die lokalen Behörden zu garantieren.
  • Ausgehend von der Politik, welche in der von China mit dem UN Hochkommissariat für Menschenrechte in 2000 unterzeichneten Vereinbarung niedergelegt ist, bittet das TCHRD die chinesische Regierung, für Regierungsangestellte, Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Polizei- und Gefängnispersonal, Universitätsdozenten und Lehrer Ausbildungsprogramme in Menschenrechten zu organisieren.
  • Das TCHRD ersucht die internationalen Gremien, welche sich mit der chinesischen Regierung zu dem "bilateralen Dialog" über Menschenrechte eingelassen haben, zuzugeben, daß dieser bis zum heutigen Tag keine positiven Resultate gezeitigt hat, sondern andauernd nur benutzt wurde, um internationaler Überprüfung und Rechenschaft zu entgehen. Dieser unproduktive Prozeß sollte eingestellt werden.
  • Das TCHRD ruft die chinesische Regierung auf, unverzüglich die Praxis der Entsendung von "Arbeitsteams" in die religiösen Institutionen einzustellen und von allen Versuchen Abstand zu nehmen, Mönche und Nonnen zur Unterwerfung unter die in dem "patriotischen Umerziehungsunterricht" propagierte Politik zu zwingen.

Teil 2

Nonne 22 Monate lang ohne Verbindung zur Außenwelt in Haft gehalten

Jamdron ist eine 26-jährige Nonne aus dem Kloster Phenpo Gyabrag in Kreis Phenpo Lhundrup. Ihre Eltern sind Bauern und sie ist das jüngste Kind der Familie. Am 13. Februar 1995 machte sich Jamdron zusammen mit 14 Nonnen nach Lhasa auf, um dort für die Unabhängigkeit zu demonstrieren. Im Juni 1995 verkündete das Mittlere Volksgericht von Lhasa das Urteil über die Nonnen, wobei Jamdron mit sieben Jahren Gefängnis bestraft wurde.

Am 30. Juli 1995 war Jamdron eine der 62 Nonnen, die zuerst in die neue rukhag # 3 (Block Nr. 3) des Drapchi Gefängnisses kamen. Während Jamdron im Gefängnis einsaß, starb 1996 ihre Mutter und so wurde sie Waise, denn schon als Kind hatte sie ihren Vater verloren. Am 10. Februar 1997 während des Tibetischen Neujahres (es war das erste Neujahrsfest für die Nonnen in der neuen rukhag) zwangen die Gefängnisaufseher die Nonnen, chinesische Lieder patriotischen Inhalts zu singen. Drei Nonnen hatten ein Loblied auf Mao zu singen. Unterdessen begannen Jamdron und Nyima mit schrillen Stimmen tibetische Freiheitslieder zu singen, welche den Gesang der anderen drei übertönten. Die zwei Nonnen wurden sofort in das Gefängnisbüro abgeführt und intensiv vernommen. Daraufhin wurden sie entsetzlich geschlagen und dann in Einzelzellen gesteckt. Sobald die anderen Nonnen davon erfuhren, weigerten sich alle außer den drei, die gesungen hatten, zu essen, solange Jamdron und Nyima nicht aus ihren Karzern befreit würden. Sie befürchten auch, daß den zweien eine Urteilsverlängerung drohte. Am fünften Tag ihres Hungerstreiks begannen sie wieder Nahrung zu sich zu nehmen, nach wiederholten Aufforderungen und nachdem ihnen zugesagt wurde, daß einige ihrer Klagen berücksichtigt würden. Dennoch blieben Jamdron und Nyima beinahe zwei Jahre lang bis Dezember 1998 in Einzelzellen. Dies ist eine der schrecklichsten Strafen für politische Gefangene.

Nachdem sie schließlich aus der Einzelzelle geholt wurde, kam Jamdron zusammen mit anderen Nonnen, die wegen Mitmachens bei den Drapchi Protesten vom Mai 1998 ebenfalls in Einzelzellen geschmachtet hatten, in die Zelle 7 der neuen rukhag 3.

Nyima wurde im März 1999 nach Ableistung ihres Hafturteils von 5 Jahren entlassen, während Jamdron weiter eingesperrt bleibt. Mitgefangene beobachteten, daß sie ständig gebückt geht. Nach der zweijährigen Einzelhaft scheint sie ihren Appetit verloren zu haben und an einer Reihe von physischen Gebrechen zu leiden. Ehemalige Insassen von Drapchi machen sich Sorgen, die lange Einschließung in der Einzelzelle könnte auch ihr psychisches Gleichgewicht beeinträchtigt haben.

Teil 3

Massenverhaftung nach Bombendetonation

Im Januar 2000 wurden 25 Mönche des Klosters Guesa, sowie einige Zivilisten im Zusammenhang mit einer Bombenexplosion im Bereich der Verwaltungshoheit des Kreises Zakon festgenommen. Gleichzeitig tauchten auch an einigen Stellen Unabhängigkeitsanschläge auf. Die Verhafteten wurden schwer gefoltert, wodurch ihre Körper anschwollen. Um die Mönche zusätzlich zu demütigen und zu kränken, verbrannten die Polizeioffiziere eine Statue Avalokitesvaras. Die Mönche wurden nach 10 Tagen freigelassen, weil die Nachforschungen der Behörden über den Zwischenfall erfolglos blieben.

Die Namen einiger der 25 festgehaltenen Mönche sind uns bekannt: Dawa Dorje (21), Lobsang Gyatso (22), Lobnarong (verstorben), Kalsang Thinlay (30), Kunga, Tashi Choephel, Drapa (24), Lob Dhagyal (22), Samten (36), Lob Kaden (29), Tsering Norbu (26), Bo Gyul (26), Wangchuk Dhagyal (33) und Sito, der Lama des Klosters Guesa. Die festgenommen Zivilisten sind Jampa Sangpo (36), der Gemeindevorsteher, Ten Thinlay (30), ein Thangka-Maler, Lobsang Thinlay (30), Thangka-Maler und Bildhauer, Gonpo Wangchuk, Buten (41), Yeshi Kelsang (22), Dotaha (21), Uhrenhändler, und Lob Dhonyon.

Es scheint, daß von den verhafteten Laien Jampa Sangpo, Ten Thinlay und Lobsang Gyatso etwas über zwei Wochen inhaftiert waren, während Gonpo Wangchuk einen Monat in Gewahrsam war. Nach Ablauf eines Monats wurden die Mönche erneut zur Rede gestellt, wobei bewaffnete Polizisten ihre Zimmer durchwühlten.

Der Verwaltungsblock, wo die Bombe losging, war ein einstöckiges Gebäude, in dem Versammlungen abgehalten wurden. Um 22 Uhr wurde die Halle von der Detonation erschüttert. Die 5 oder 6 darin befindlichen chinesischen Beamten kamen nicht zu Schaden, aber ein Teil des Gebäudes wurde gänzlich zerstört. Am selben Tag erschienen Posters am Tor der Halle mit der Aufschrift "Möge Tibet Freiheit gewinnen", "Chinesen verlaßt Tibet" und "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama". Am folgenden Tag kamen 20 Polizisten von der Kreisverwaltung zur Einschätzung der Lage.

Der Ort der Explosion wurde völlig abgeriegelt und die zum Kreiszentrum führende Straße zwei Wochen lang gesperrt. Unser Berichterstatter sah den Ort des Geschehens jedoch zwei Tage später, als man die festgenommenen Mönche dorthin führte, weil man sie der Schuld an dem Vorfall beschuldigte. Der Fußboden des Gebäudes war tief aufgerissen, die Fensterscheiben zerbrochen und der Zementboden zerstört. Diese Halle mit einer Kapazität von 50 Personen besaß sonst keinen besonderen Wert.

Wenn immer es Fälle von Dissens in Kreis Zakon gibt, fällt der Verdacht sogleich auf das Guesa Kloster, und unverzüglich kommen 5-6 Polizisten aus Kreis Degi zur Untersuchung. Dazu muß das Kloster noch die Ausgaben für die Polizisten bestreiten, die solange blieben, bis die Lage sich beruhigt hat. Etwa 15-20 Unabhängigkeitsposter seien zwischen 1995-2000 in Kreis Zakon aufgetaucht. Bei einem solchem Zwischenfall in 1995 verboten die Kreisbehörden die Feier des Monlam (großes Gebetsfest) in der Gegend.

All dies wurde uns von ehemaligen Mönchen von Kloster Guesa berichtet, die im August 2000 von dort aufbrachen und nach 3 Monaten Aufenthalt in Lhasa am 20. Oktober 2000 Nepal erreichten.

Teil 4

Ein Lehrer berichtet: Vetternwirtschaft grassiert in dem chinesischen Erziehungssystem

Nyima Tsering, ein 20-jähriger Lehrer an einer Volksschule in der Gemeinde Gyalkon, Kreis Dartsedo, meint: "... als Tibeter habe ich nur beschränkte Bildungsrechte, wofür mein Fall exemplarisch ist." Die Aufnahmeprüfung für einen vierjährigen Kurs an der Schule für Tibetische Studien in Kandi (Dartsedo) steht eigentlich allen daran interessierten Lehrern mit einer Berufserfahrung von 6 Jahren offen. Aber Kandidaten mit einem guten finanziellen Rückhalt, der ihnen ermöglicht, die maßgeblichen Personen zu schmieren, bekommen viel schneller und leichter Zulassung.

Üblicherweise bestechen die Eltern die für die Zulassung zuständigen Behörden mit 5.000 bis 10.000 Yuan. Auch wenn ein Anwärter irgendwie Beziehungen zu Ling Young, dem Chef des Erziehungsrates der Schule hat, ist seine Zulassung gesichert. Tsering hatte jedoch keine dieser "Sondervorteile", außer seines akademischen Formates. Er sprach bei Ling Young wegen der Zulassungsprüfung vor, zu der er erscheinen durfte. Obwohl er die Prüfung bestand, bekam er keinen Studienplatz, weil ihm das notwendige Backup fehlte. Seine Eltern konnten auch nicht die gewaltige Bestechungssumme aufbringen, wodurch er der Chance seines Lebens beraubt wurde. Tsering wurde nahegelegt, sich um Zulassung zu der chinesischen Abteilung zu bemühen, was er aber ablehnte, weil er sich in tibetischen Studien spezialisieren wollte. Die Universität nehme jährlich 90 Studenten für beide Abteilungen auf, wobei die Gebühren 3.500 Yuan pro Monat betragen, was sehr hoch ist.

1998 verkündete die chinesische Regierung, alle Tibeter mit einem jährlichen Einkommen von 2.000 Yuan könnten ganz komfortabel leben. Tserings Kenntnis zufolge gibt es in der ganzen Region keine einzige tibetische Familie, deren Jahreseinkommen 2.000 Yuan erreichen würde. Vor 1998 gab es ein paar wenige Studienbeihilfen und Stipendien für arme tibetische Studenten. Ein Tibeter, der sich in einer chinesischen Klasse einschrieb, bekam einen gewissen Betrag der Gesamtgebühren erlassen. Und tibetische Schüler, welche die Aufnahmeprüfungen für höhere Studien bestanden, konnten auch zusätzliche Beihilfe zur Fortsetzung ihrer Studien beantragen. Aber gegenwärtig hat sich die Lage völlig geändert. Unter dem Vorwand, Tibeter seien selbstversorgend, wird keine solche staatliche Beihilfe mehr gewährt.

Tsering fügte ironisch hinzu, seine Provinz sollte besser in "Chinesisch Autonome Region" umbenannt werden, statt Tibetisch Autonome Präfektur Kandze zu heißen, weil die Chinesen alle Schlüsselstellungen innehätten. Er gab an, daß nur die über fünfzigjährigen Tibeter noch eine Ahnung von tibetischer Sprache und Kultur hätten, während die unter dreißigjährigen keinen einzigen tibetischen Satz mehr zustandebrächten und ihre tibetische Identität verloren hätten: "Etwa 90% dieser tibetischen Jugendlichen haben schon ihr tibetisches Wesen verloren. Sie sind nun weder richtige Chinesen noch richtige Tibeter. Wenn ein Land und ein Volk das Wesen seiner Kultur und Sprache verliert, dann hat es alles verloren. Ich denke daher, daß die Chinesen früher Stipendien und Beihilfen gewährten, um Tibeter mit chinesischen Wesenszügen zu züchten. Nachdem ihnen dies nun gelungen ist, unterstützen sie die tibetischen Studenten nicht mehr". Er ist ganz gegen die Ansicht der Chinesen, die buddhistische Religion sei ein Hindernis für die Entwicklung.

Tsering ist der einzige unter seinen Geschwistern, der eine Schulbildung genoß. In Shana Dorji, Kreis Nachoe, TAP Kandze, war es einst Vorschrift, daß in einer Familie von 3 Kindern eines zur Schule geschickt werden mußte. Daher hatte Tsering die Möglichkeit, die Mohui Grundschule zu besuchen, wonach er 3 Jahre zur Mittelschule von Kreis Nachoe ging. Nach deren Abschluß wurde er einer staatlichen Grundschule in der Gemeinde Gyalkon, Kreis Dartsedo, als Lehrer zugeteilt. Diese 80 Schüler umfassende Schule hat elf, hauptsächlich, chinesische Lehrer. Sie reicht bis zur 4. Klasse und ist in eine tibetische und eine chinesische Sektion unterteilt.

Während Tsering 1998-99 an dieser Schule lehrte, bezog er ein Monatsgehalt von 1100 Yuan. Ende 1998 gab es eine Erhöhung in der Besoldung der Lehrer, vielleicht handelte es sich auch um eine allgemeine Gehaltserhöhung in anderen Schulen. Jeder Schüler mußte 200 Yuan an Gebühren pro Semester zahlen. Die Rektorin der Schule ist die Chinesin Hai Sha.

Tsering weilte im Oktober 2000 zwei Wochen in Lhasa und begab sich dann in einer Gruppe von 13 Personen, die je 500 Yuan an einen Wegführer zahlten, auf die Flucht. Alle erreichten am 20. Dezember das Tibetan Refugee Reception Centre in Kathmandu.

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