Human Rights Update

März 2001

Inhalt
  1. Wegen Anbringung von Postern zu neun Jahren verurteilt
  2. Schriftsteller verhaftet
  3. Ein tibetischer Kader der kommunistischen Partei setzt sich ab
  4. Flucht aus Furcht vor Verhaftung nach Verteilen von Freiheitszetteln
  5. Barkhor Protest führt zu acht Verhaftungen
  6. Verhaftung an der Grenze zu Nepal
  7. Verteilung von Flugblättern führt zu Festnahme
  8. Patriotische Umerziehung in verschiedenen Klöstern
    a) Kloster Tsamtron
    b) Kloster Druka
    c) Kloster Gaden
  9. Immer wieder in Haft wegen politischer Betätigung
Teil 1

Wegen Anbringung von Postern zu neun Jahren verurteilt

Nyima Dhakpa floh nach Lhasa, nachdem er Ende 1999 an den Toren eines Gedächtnisgartens in Distrikt Tawu Posters für Unabhängigkeit angeklebt hatte. Auf diesen standen Worte wie "Free Tibet", "Tibeter in Tibet haben keine Freiheit", "Tibet ist kein Teil Chinas", und darunter unterschrieb er noch mit seinem eigenen Namen. Das PSB (Public Security Bureau) dieses Distrikts, das bereits am folgenden Tag nach dem Täter fahndete, nahm einen anderen Nyima Dhakpa aus demselben Kloster fest. Dhakpa floh daraufhin nach Lhasa, während der Festgenommene zwei Wochen später, als die Beamten ihren Fehler merkten, freigelassen wurde. Schließlich verhaftete die Distriktpolizei von Tawu im Mai 2000 Dhakpa in einem Dorf bei Lhasa, nachdem sie von seinem Versteck erfahren hatte. Er kam in das Haftzentrum von Distrikt Tawu, wo er schwer geschlagen wurde. Von seinen Angehörigen durfte er keinen Besuch erhalten.

Am 5. Oktober 2000 verurteilte das Distriktgericht Dhakpa unter Anklage von Propaganda und Aufhetzung der Volksmassen zu 9 Jahren Haft. Erst im Dezember durften seine Angehörigen ihm etwas Nahrung senden, obwohl Besuche immer noch verboten waren. Üblicherweise werden die Häftlinge nach der Verurteilung in ein Gefängnis verlegt, aber Nyima Dhakpa befindet sich weiterhin in dem Distrikthaftzentrum von Tawu.

Der 27-jährige Dhakpa ist ein ehemaliger Mönch von Kloster Tawu Nyitso, Präfektur Kandze, Provinz Sichuan. Drei Jahre lang ging er zur Grundschule und danach ein Jahr zur Distrikt-Mittelschule. Bis zu seinem Eintritt in Kloster Tawu Nyitso 1989 ging er dem Ackerbau nach. 1990 reiste er nach Indien und blieb drei Jahre in Südindien. 1994 kehrte er in sein Kloster nach Tibet zurück, wo er sich bis zu seiner Verhaftung 2000 aufhielt.

Teil 2

Schriftsteller verhaftet

Im August 2000 verhaftete das Nationale Sicherheitsbüro von Gansu den 24-jährigen Schriftsteller Jinpa Gyaltso, weil er eine abgekürzte Biographie des Märtyrers Thupten Ngodup verteilt hatte, sowie die Autobiographie des Dalai Lama "My Land and My People" und einige Reden des Dalai Lama. Als Gyaltso jegliche Aussage verweigerte, wurde er anfänglich 2 Wochen festgehalten und dann wieder weggeschickt. Nach drei Tagen wurde er jedoch wieder festgenommen und am 29. August wieder freigelassen. Unverzüglich floh er nach Indien.

Bei einem ähnlichen Vorfall im August 1996 wurden Gyaltso und seine Freunde Kalsang Drapa und Lobdon willkürlich festgenommen und schwer geschlagen: Man verdächtigte sie der Verteilung von Unabhängigkeitsschriften in Kloster Labrang. Damals wurden Gyaltso 4 Schneidezähne gebrochen. Lobdon, der zu 2 Jahren Haft verurteilt wurde, entkam nach seiner Entlassung nach Indien.

Gyaltso wurde im Alter von 12 Jahren Mönch im Kloster Khachab und mit 17 Jahren schloß er sich der Schule für buddhistische Studien von Gansu (Nangten Lobling) an. Nach deren Abschluß widmete er sich der Schriftstellerei, kehrte jedoch nicht mehr in sein Kloster zurück. Er veröffentlichte im ganzen 200 Artikel, sowie Essays, Gedichte und Kurzgeschichten in verschiedenen tonangebenden und chinesisch-geführten Zeitschriften.

Gyaltso sagt, seine Themen und Inhalte seien "bedeutungslos", denn sie hätten sich nicht gegen die Partei Prinzipien und Ideologien der kommunistischen Regierung richten dürfen. Man brauche einfach ein förderliches Ambiente und Freiheit, um gute Essays oder etwas von Qualität zu schreiben, aber in dem besetzten Tibet gebe es kaum Chance für Kreativität. Gyaltso war auch fünf Jahre lang Herausgeber einer privaten Zeitschrift namens Guku Choepo (Blumenstrauß). Obwohl er sie selbst finanzierte, konfiszierten die Behörden die letzte Ausgabe, die voriges Jahr erschien, weil sie politisch gefärbte Geschichten enthielt.

Gyaltso teilt die zeitgenössischen Schriftsteller in Tibet in drei Kategorien ein. Die ersten sind jene, die Zugeständnisse machen und der CCP (Chinese Communist Party) zu Lobe singen, um Anerkennung und einen Status in der Gesellschaft zu ernten. Zu diesen gehören tibetische Kader und bei der Regierung Angestellte, die hauptsächlich über den Fortschritt und die Entwicklung, welche die Partei Tibet schenkten, schreiben. Sie verfassen auch jedes Jahr Jubiläumsgedichte für die Partei zu wichtigen Anlässen.

Die zweite Kategorie bilden die "Patrioten mit Sinn für Politik". Sie schreiben kritische Artikel und satirische Gedichte im Hinblick auf soziale Reformen, die jedoch nur selten in einer der tibetischen Zeitschriften abgedruckt werden. Das PSB sucht in ihren Aufsätzen nach verdächtigen Elementen und registriert sie. Wenn immer Gyaltso vom PSB vorgeladen wurde, merkte er, daß die Beamten persönliche Akten über ihn und seine schriftstellerisch tätigen Freunde angelegt hatten. Die dritte Gruppe hat keine spezielle Philosophie. Sie dreht ihr Fähnlein nach dem Wind und schreibt hauptsächlich, damit ihre Produkte in verschiedenen Zeitschriften erscheinen. Die chinesische Regierung hält nicht viel von diesen angehenden Publizisten der neuen Generation.

Allgemein stehen alle drei Kategorien unter dem unmittelbaren Druck der kommunistischen Regierung. Tibetische Autoren besitzen überhaupt keine Freiheit des Ausdruckes und haben es daher schwer, gute literarische Arbeiten mit tibetischem Flair zu schreiben. Selbst wenn jemand einen sinnvollen Artikel verfaßt, der jedoch politische Elemente enthält, hat er einfach keine Möglichkeit, ihn den Lesern zu unterbreiten. Solange Tibet unter chinesischer Besatzung bleibt, kann die tibetische Literatur niemals mit der Weltliteratur Schritt halten, sondern wird weit hinter dem internationalen Standard zurückbleiben.

Als junger tibetischer Autor stehe er für die Stimme aller Tibeter in Tibet, meinte Gyaltso weiter. Er fühle sich jedoch wie ein "maskierter Tibeter", weil sie keine Freiheit haben, ihrer tibetischen Identität Ausdruck zu verleihen. Hätte die tibetische Literatur Ausdrucksfreiheit, könnte sie einen bedeutsamen Beitrag zur Weltliteratur leisten, denn Jahre der Folter und Repression in Verbindung mit einer starken Kultur würden einen idealen Rahmen und Stoff zum Schreiben liefern. Nichts von dem jedoch, was heutzutage in den Journals veröffentlicht wird, gibt ein wahres Bild der tibetischen Literatur.

Der aus dem Dorf Hoka Gyal des Distrikts Sangchu, Provinz Gansu, stammende Gyaltso erreichte Nepal am 25. Dezember 2000.

Teil 3

Ein tibetischer Kader der kommunistischen Partei setzt sich ab

Wangtse, ein ausgewachsenes kommunistisches Parteimitglied seit 1997, entkam ins Exil, nachdem er abfällige Äußerungen gegen Chinas restriktive, das Fundament des tibetischen Buddhismus bedrohende Religionspolitik in Tibet gemacht hatte.

Im Juni 2000 erhob Wangtse seine Stimme gegen das Verbot von Pilgerfahrten und der Rezitation von Mantras, gegen die Einengung tibetischer Kader in der Ausübung ihrer Religion und vor allem gegen die in den Klöstern seiner Gegend seit 1999 gehandhabte patriotische Umerziehung. Ein Kollege erzählte ihm, die Chinesen hätten daraufhin bei einem Meeting seine Partei-Loyalität angezweifelt und seine kritischen Äußerungen einer eingehenden Prüfung unterzogen.

Obwohl viele Tibeter gegen die prohibitiven Befehle seien, ließen sich nur sehr wenige Stimmen des Dissens vernehmen, weil alle auf Nummer Sicher gehen und vorsichtig auftreten, wenn sie im trüben fischen. Aus Angst vor Verhaftung durch die Ortspolizei, von der er sich verfolgt fühlte, verließ Wangtse im August 2000 Tibet.

Seine Familie weiß nichts von seiner Flucht, und er hat seinerseits keine Information über das, was ihr inzwischen zugestoßen sein könnte. Seit 1959 litt Wangtses Familie unter der Verfolgung der Chinesen, und während der berüchtigten Kulturrevolution kamen einige Personen dieser Familie um. 1970 begann Wangtse in der Volkskommune zu arbeiten und hatte von 1972 bis 1980 den Posten des Kassenverwalters in einer rukhag (Arbeitsbrigade) inne. Mit der Auflösung der Arbeitsbrigaden und ihrer Ersetzung durch die drongtso (Dorfschaften) wurde Wangtse von 1980-84 Dorfchef in Nachoe, Gemeinde Korong. Zusätzlich war er Abgeordneter in der lokalen Volksvertretung und als Sicherheitsbeauftragter hatte er für die Disziplin der Mönche in dem Kloster Boring zu sorgen. Seit 1984 stand er etwa 5000 Personen auf Ebene der Gemeindeverwaltung vor.

Nachdem er nun beinahe 24 Jahre lang für die chinesische Regierung tätig gewesen war, hatte er Anrecht auf eine Wohnung gehobener Klasse und einen Monatsgehalt von 1500 Yuan. Wangtse weist die hochfahrenden Behauptungen der Partei zurück, chinesische Mitglieder der Partei und tibetische Kommunisten würden gleich behandelt - zwischen ihnen sei vielmehr ein himmelweiter Unterschied und Chinesen stünden in viel höherem Ansehen bei der Partei.

Wangtse erreichte Nepal am 15. Februar 2001. Er beabsichtigt nicht, nach Tibet zurückzukehren, weil er dort unweigerlich verhaftet würde. Abschließend meinte er: "Ich bin politisch nicht so auf dem laufenden, aber ich war in jeder Hinsicht aufrichtig in meiner Tätigkeit. Ich wartete immer darauf, daß Tibet seine Freiheit zurückbekomme und ich möchte so gerne die Rückkehr Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und der tibetischen Brüder im Exil in ihre Heimat sehen".

Teil 4

Flucht aus Furcht vor Verhaftung nach Verteilen von Freiheitszetteln

Zwei Mönche des Klosters Kandze flohen kürzlich nach Indien aus Angst, verhaftet zu werden, weil sie handgeschriebene Unabhängigkeitsslogans verteilt hatten. Zuerst hielten sie sich im Oktober etwa einen Monat in Lhasa auf. Ihre Angehörigen wußten von ihrem Vorhaben. Von Lhasa fuhren sie nach Dram, indem sie einen Ausweis für Geschäftsleute benützten, und von dort bezahlten sie zwei Wegführern 3000 Yuan, die sie nach Boudha in Kathmandu bringen sollten. Am 14. Dezember 2000 kamen sie im Tibetan Reception Centre an.

Die zwei Mönche, Sonam Choeda (21) und Dorjee Sonam (19), verbrachten einen Monat lang damit, heimlich Worte wie "Long Live the Dalai Lama", "Tibet is Free" und "Long Live Free Tibet" auf die Seiten von 10 Schulheften zu schreiben, die sie in verschiedenen Läden gekauft hatten. Am 28. September rissen sie die Seiten aus den Heften und verteilten sie an viel besuchten Plätzen, wie der Hauptstraßenkreuzung in Kandze, in einem Gemüsemarkt und bei dem Tor des neu gebauten Hotels Gue Ling Kou. Außerdem kauften sie einen Meter weißen Stoffes und malten bei Nacht die tibetische Flagge darauf, die sie schließlich auf der Jasong Brücke aufzogen. Danach kehrten sie für eine Woche in ihr Kloster zurück. Die Behörden verdächtigten sofort die Mönche von Kandze und fuhren in das Kloster, um die Handschrift aller Mönche einzeln zu prüfen. Choeda und Sonam fürchteten, ihre Handschrift könnte identifiziert werden und entschwanden eiligst.

Choeda stammt aus einer Bauernfamilie; mit 12 Jahren wurde er Mönch in dem Kloster Kandze, in dem es derzeit 340 Mönche gibt. Sonam, ebenfalls aus bäuerlichem Hintergrund, trat mit 17 Jahren in Kandze ein. Bis die Umstände sie zur Flucht zwangen, gingen sie eifrig ihren religiösen Studien nach. Nun möchten sie sich dem Kloster Sera in Südindien anschließen. Sie sagten, sie wüßten von fünf Mönchen aus Kloster Kandze, die wegen Freiheitsbekundung festgenommen und eingesperrt wurden:

  • Tashi Nyima wurde 2000 wegen Verteilens von Free Tibet Zetteln festgenommen und befindet sich gegenwärtig in Kandze im Gefängnis.
  • Pasang wurde wegen Verteilens von Zetteln mit dem Ruf nach Unabhängigkeit und Unterstützung für den vom Dalai Lama erkorenen Panchen Lama zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Wann seine Haft zu Ende geht, wissen die beiden nicht.
  • Die Verhaftung von Gonpo Lobdon erfolgte vor einem Jahr, weil er Zettel verteilt und Slogans an die Mauern gemalt hatte. Er wurde wahrscheinlich ebenfalls zu 4 Jahren verurteilt.
  • Gyalwa Dhondup, der zusammen mit Gonpo Lobdon festgenommen wurde, kann nicht mehr gehen, nachdem er durch die Polizei zusammengeschlagen wurde.
  • Norbu wurde verhaftet, weil er öffentlich den Panchen Lama der Chinesen angegriffen hatte. Er wurde im Mai 2000 nach 5 Monaten Haft entlassen.

Teil 5

Barkhor Protest führt zu acht Verhaftungen

Am 12. September 1991 protestierten 8 Mönche aus Kloster Drepung in der Nähe des Barkhor Zetroe Restaurants in Lhasa. Sie schrieen Freiheitsparolen und trugen eine handgemalte tibetische Nationalflagge mit sich. Polizisten in Zivil schnitten den protestierenden Mönchen bei dem Mentse-Kang (Medizininstitut) den Weg ab und schleppten sie in das PSB Büro der Stadt Lhasa, wo sie eine Nacht festgehalten wurden. Dann kamen sie in das PSB Haftzentrum, wo man sie einzeln intensiv vernahm, um den "Übeltäter", der die Flagge gezeichnet hatte, herauszufinden. Einer der Mönche nahm die Schuld auf sich, weil er die physische und mentale Tortur nicht mehr aushalten konnte. Alle acht wurden jedoch 5 Monate in Polizeihaft gehalten. Im Februar 1992 sprach das Mittlere Volksgericht von Lhasa die Urteile aus: Ngawang Jigme, Ngawang Thuchen, Jordhen, Namgyal und Ngawang Dawa wurden zu 2-4 Jahren verurteilt. Choephel, Dawa und Tenzin, die zu "Reform durch Arbeit" verurteilt wurden, entließ man aber nachträglich wegen Minderjährigkeit auf Bewährung. Die älteren fünf kamen ins Gefängnis Drapchi.

Tenzin kehrte in das Kloster Drepung zurück. Als dort ein "Arbeitsteam" zur politischen Indoktrinierung auftauchte, verweigerten die Mönche ihre Mitarbeit. Die Kader riefen daraufhin die Eltern der Mönche und drohten mit Verhaftung und Ausweisung. Tenzin verließ das Kloster freiwillig und verdiente sich in Lhasa mit Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt. Weil jedoch ständig die Polizei kam und ihn nach seinen politischen Ansichten fragte, floh er, dieser ständigen Überwachung überdrüssig, nach Indien.

Teil 6

Verhaftung an der Grenze zu Nepal

Die nepalesische Polizei nahm im September 2000 Rinchen Dawa (22), Gyaltso (25), Tashi Dorje (22) und Ashong (23), die in einem Bus von Jiri her kamen, in Barabisi fest. Weil sie den Polizisten nicht das von diesen geforderte Geld aushändigten, nahmen diese ihnen all ihre Sachen weg. Am nächsten Morgen deportierten sie sie über die Grenze nach Dram, wo sie 13 Tage festgehalten wurden. Dann kamen sie für 26 Tage in das Haftzentrum Nyelam. Bei einer geringen Ration von tsampa zweimal täglich mußten sie an verschiedenen Baustellen Erde ausheben und Böden zementieren. Später wurden sie in die Polizeistation Shigatse verlegt. Dawa sah dort 28 andere festgehaltene Tibeter. Dawas Gefährte kehrte nach seiner Entlassung aus Verzweiflung in sein Heimatdorf zurück.

Dawa, der im Januar 2000 von zuhause aufgebrochen war, gelang erst bei seinem dritten Versuch in einer Gruppe von 26 Personen die Flucht. Nachdem die Flüchtlinge von der nepalesischen Polizei an einem ihm unbekannten Ort festgenommen wurden, wurden sie alle der Einwanderungsbehörde in Kathmandu überstellt, von wo sie schließlich von den Mitarbeitern des Tibetan Reception Centre abgeholt wurden. Der Hauptgrund für Dawas Flucht ist, eine Audienz beim Dalai Lama zu erhalten. Der aus der Ortschaft Tetse, Distrikt Drokon, Kandze, stammende Dawa möchte dem Kloster Namdoling in Südindien beitreten.

Teil 7

Verteilung von Flugblättern führt zu Festnahme

Am 21. Oktober 1992, am Abend vor der Inthronisierungszeremonie eines Lamas, erschienen Flugblätter mit der Aufschrift "Free Tibet" und "Chinese Quit Tibet" in dem Kloster Ra Gyal in Distrikt Machen, Provinz Qinghai. In der Hauptgebetshalle wurde sogar eine tibetische Flagge entrollt. Bei der darauf folgenden Razzia der chinesischen Polizei wurde der 30-jährige Lobsang Dhargyal festgenommen, in dessen Zimmer ein Druckstock gefunden wurde. Die zwei anderen für die Verteilung der Flugblätter verantwortlichen Mönche waren Lobsang Palden (30) und Yeshi Gyaltsen (30). Lobsang Dhargyal wurde zu 2 Jahren Haft in dem Distrikt-Gefängnis von Golog verurteilt. Seine zwei Komplizen konnten rechtzeitig nach Indien entkommen. Nach seiner Entlassung gelang auch Lobsang Dhargyal die Flucht aus Tibet.

Auf diese Flugblatt-Affaire hin wurden in den folgenden Monaten an den Toren Polizisten zur Bewachung der Eingänge stationiert und das Kloster öfters inspektioniert. Derzeit gibt es nicht-uniformiertes mit Abhörgeräten ausgestattetes Überwachungspersonal, das sogar die Gespräche der Mönche in ihren Zimmern erfassen kann.

Im Juli 2000 wurde Gochol Dhargyal (31) insgeheim um Mitternacht aus seinem Zimmer heraus festgenommen und weggebracht. Ihm wurde angelastet, ein Mitwisser von Lobsang Dhargyals Flucht gewesen zu sein und in der Folge Briefe von ihm erhalten zu haben. Drei Tage lang wußte niemand, wo er festgehalten wurde. Als Gochol Dhargyal schließlich freigelassen wurde, wurde er streng verwarnt, falls er etwas von dem, was ihm geschehen war, verlauten ließe, würde er mit lebenslänglich bestraft werden.

Im August 2000 saß Gedun Woeser (35), ebenfalls Mönch von Ra Gyal, in einem moslemischen Restaurant in der Ortschaft Jinon, als ein Mann kam und ihm befahl, hinauszugehen. Dann zerrten ihn 5-6 Sicherheitskräfte in ein Fahrzeug und brachten ihn in das Haftzentrum von Golog, wo er zwei Wochen eingesperrt war. Es hieß, er hätte Kontakte zur "Dalai Clique". Woeser ist geschäftlich für das Kloster tätig und war dreimal in Indien, das zweite Mal im Zusammenhang mit der Reinkarnation des Ra Gyal Lamas. Seine Angehörigen sorgten sich schrecklich, weil sie nichts von seiner Festnahme wußten. Die Sicherheitskräfte durchwühlten sein Zimmer auf der Suche nach Schriften und Büchern aus Indien und fanden Photos des Dalai Lamas und Gedhun Choekyi Nyimas.

Gen Dhargyal (29), der uns all dies erzählte, weiß von vier solchen Vorfällen von plötzlichem Verschwinden zu berichten, fügte aber hinzu, daß die festgehaltenen Mönche aus Furcht vor Vergeltung durch die chinesischen Besatzer meistens nichts von ihrem Erleben berichten.

In den 13 Jahren, in denen er in Kloster Ra Gyal weilte, waren dort etwa 500 Mönche. Außer der Haupthalle wurde es während der Kulturrevolution dem Erdboden gleichgemacht. Als Dhargyal 1987 eintrat, war der Wiederaufbau dank Spenden der Lokalbevölkerung im Gange. Lama Tsorab, der erste Mönch im Kloster, überwachte die Arbeiten. 1995 und erneut 1999 wurde das Kloster von "Arbeitsteams" heimgesucht. 1995 führten die Kader dreimal die patriotische Umerziehung durch und prüften jeden Mönch auf seine politische Überzeugung. Mönche, die dem Unterricht fernblieben, wurden hinausgeworfen. 1999 kamen wieder Kader von der Distriktverwaltung, um das Ergebnis der vorhergehenden Umerziehungssitzungen zu begutachten. Das Religionssamt verhängte ein Verbot für Dalai Lama Photos in der Gebetshalle. Vor den Razzien pflegten die Mönche viele der Bilder hinter Thangkas und sonst wo zu verstecken.

Der aus dem Dorf Ra Gyal, Ortschaft Jingo, Distrikt Machen, Provinz Qinghai stammende Dhargyal gehört einer Nomadenfamilie an. Am 21. Juli 2000 verließ er sein Kloster und begab sich mit seinem Gefährten Yamphel, ebenfalls einem Mönch aus Ra Gyal, nach Lhasa. In einer Gruppe von 31 Personen verließen sie, von einem guide aus Amdo begleitet, Lhasa. Über Shigatse wanderten sie in 19 Tagen nach Solokhumbhu. In Jiri wurden sie von der nepalesischen Polizei festgenommen und der Einwanderungsbehörde in Kathmandu überstellt, am 23. Oktober kamen sie endlich in dem Tibetan Reception Centre an. Dhargyal möchte eine Audienz beim Dalai Lama erhalten und dann dem Kloster Sera in Südindien beitreten.

Teil 8a

Patriotische Umerziehung in verschiedenen Klöstern

Kloster Tsamtron

Im Sommer 1998 kamen drei tibetischer Kader von dem Religionssamt von Nachoe Zhangchoe, um die Mönche von Kloster Tsamtron "umzuerziehen". Sie hielten Zusammenkünfte mit den Mönchen ab und stellten nur 40 von 60 die zum Bleiben berechtigenden Ausweise aus.

Die Behörden führten die "patriotische Umerziehung" auch in den Bön Klöstern in Distrikt Drachen ein. Von den 8 Bön Klöstern dieses Distriktes, nämlich Tsamgue, Pala Gue, Patsang, Longkar Gue, Lobum Gue, Gongru Gue, Antam Gue, Marang Gue, ist Lobum Gue das größte. Sie wurden alle während der Kulturrevolution völlig zerstört. Der Wiederaufbau von Kloster Tsamtron wurde 2000 dank des Einsatzes der örtlichen Bevölkerung vollendet.

Der 33-jährige Youdron Phuntsok, ehemaliger Mönch von Kloster Tsamtron, verließ seinen Heimatort im Juli 2000. Am 25. September erreichte er zusammen mit zwei Gefährten das Tibetan Reception Centre in Nepal. Die beiden begehren eine Audienz beim Dalai Lama, wollen dann heilige Orte in Indien besuchen und schließlich einem Bön Kloster in Nepal beitreten.

Teil 8b

Kloster Druka

Seit 1998 kommen die Umerziehungs-Kader zusammen mit örtlichen Polizisten zu dem Kloster Druka in Distrikt Nagwong, Provinz Gansu, um die Mönche in ihrer politischen Loyalität und ihrer religiösen Überzeugung umzupolen. Sie führten auch das Mindestalter von 18 Jahren ein, woraufhin eine ganze Reihe Novizen das Kloster verlassen mußte.

Die Mönche werden gelehrt, sich gegen den Dalai Lama und jede Vorstellung von tibetischer Unabhängigkeit zu wenden. Sogar Photos des Dalai Lama sind in dem Kloster verboten, weshalb die Mönche sie schnell verstecken, wenn die Arbeitsteams anrücken, um sie später wieder aufzustellen. Das Erscheinen bei den Umerziehungssitzungen ist Pflicht, und die Polizisten registrieren die abwesenden Mönche. Die ausgewiesenen Novizen unter 18 Jahren werden nun gezwungen, lokale chinesische Schulen zu besuchen.

Unser Berichterstatter Choe Gyaltso, ein ehemaliger Mönch von Druka, sagte, er hätte nicht mehr in Tibet bleiben können und keine andere Möglichkeit als die Flucht nach Indien gesehen. Er stammt aus dem Dorf Zero, Gemeinde Kalo, Distrikt Nagwong, Provinz Gansu, und trat mit 14 Jahren ins Kloster ein. Gegenwärtig hat dieses eine Stärke von 80 Mönchen.

Gyaltso erzählte auch von der Zwangssterilisierung in seiner Gegend. Die chinesische Regierung verbietet den Familien mehr als zwei Kinder zu haben, wobei zusätzliche Geburten schwer bestraft werden. Er weiß von 8 Fällen von Zwangssterilisierung in seiner Gegend. So wurde etwa die 20-jährige Tochter von Gyaltsos Freund im April 2000 zu diesem Eingriff gezwungen. Sie ist mit dem Bauer Pema Kyab verheiratet und hat zwei Kinder.

Gyaltso erreichte am 4. Dezember 2000 das Tibetan Reception Centre in Kathmandu. Er möchte nun eine Audienz beim Dalai Lama erhalten, Tibetisch studieren und sich dann dem Kloster Drepung in Südindien anschließen.

Teil 8c

Kloster Gaden

1996 kam es zu einem Scharmützel zwischen den Mönchen des Klosters Gaden und chinesischen Polizeibeamten wegen eines Dalai Lama Portraits. Die Chinesen hatten die Entfernung eines großen Bildes des Dalai Lamas verlangt, das Ala Lobsang Drapa in der Haupthalle des Klosters aufgehängt hatte. Aufgebracht über diese Order warfen die Mönche Steine und verhauten sogar einige Kader des DMC (Democratic Management Committee). Ein paar Beamte liefen weg und informierten ihre Vorgesetzten. Am nächsten Morgen hatte die PAP (Bewaffnete Volkspolizei) das Kloster umstellt. Sie verkündete, jene Mönche, die nach diesem Zwischenfall geflohen seien, würden nun als ausgestoßen betrachtet. Sie kehrten jedoch zurück, aber bald wurden die an dem Scharmützel als schuldig Befundenen verhaftet. Manchen Berichten zufolge sollen sie zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden sein, aber unser Berichterstatter Thupten Choegyal weiß nichts Genaues über diese Sache. Es heißt auch, einige der damals Festgenommenen seien inzwischen freigelassen worden.

In den folgenden 6 Monaten veranstalteten die chinesischen Kader intensive Umerziehungskurse für die Mönche und verboten alle Gebetsversammlungen und jegliche andere religiöse Praxis in dem Kloster. Seitdem kommen die Arbeitsteams nun 3-4 Mal im Jahr nach Gaden und instruieren die Mönche, daß der Besitz von Cassetten mit Reden des Dalai Lama als ein ernstes Verbrechen gelte. Die Mönche wurden auch vor dem Aufstellen von Dalai Lama Photos gewarnt. Wer den Umerziehungsklassen fernbleibt, wird mit 15 Yuan Strafe belegt.

Erst im Februar 1997, als Thupten Choegyal in Gaden eintrat, wurde die normale Routine wiederaufgenommen. Die Höchstzahl von Mönchen wurde auf 500 festgesetzt. Soweit Choegyal bekannt, wurden auch 5 Mönche mit regulären Ausweisen, die jedoch irgendwie mit tibetischen Kadern verwandt sind, inzwischen zum Verlassen des Klosters gezwungen. Um wen es sich genau handelt, weiß er jedoch nicht.

Der in der Gemeinde Tsalu, Chamdo, geborene Choegyal gehört einer Halbnomadenfamilie an. Keiner seiner Angehörigen ging jemals zur Schule. Thupten war Viehhirte, seine Familie besitzt 4 mu Ackerland. Zuerst trat er in Kloster Drayak Tsacho ein, wo es 50 Mönche gibt. 1993 kam er dann nach Lhasa und wurde ein "nicht-regulärer" Mönch in Gaden. Solche Mönche können zwar Belehrungen erhalten, aber alle anderen Privilegien sind ihnen vorenthalten. Es gab 15 solcher außerordentlicher Mönche, die eine monatliche Gebühr von 3 Yuan für Unterkunft zahlen mußten.

Choegyal und seinen 14 Kameraden wurde eine Frist von einem Monat gestellt, um die zum Bleiben berechtigenden Dokumente zu erwerben, was hieß, daß sie das "rote Buch" und andere notwendigen Dokumente von der jeweiligen Gemeinde- und Distriktverwaltung und sogar aus Lhasa zu beschaffen hatten. Jene, welche diese Dokumente innerhalb der festgesetzten Zeit nicht beibringen konnten, wurden in ihre Dörfer zurückgeschickt.

Als Choegyal diese Bedingungen, die ihm zum Bleiben berechtigt hätten, nicht erfüllen konnte, lief er weg. Auch an seinem Heimatort sah er keine Aussicht auf ein vernünftiges religiöses Studium. In Purang tat er sich mit 8 anderen Mönchen aus Markham/Kham zusammen. Mit Hilfe eines Sherpa guide erreichten sie nach 20 Tagen Marsch ein nepalesisches Dorf auf der anderen Seite der Grenze bei Purang. Am 5. November 2000 trafen sie im Tibetan Reception Centre in Kathmandu ein.

Teil 9

Immer wieder in Haft wegen politischer Betätigung

Samdup, alias Thinlay Choendhen, wurde 1966 geboren und stammt aus bäuerlichem Milieu in Distrikt Phenpo Lhundrup, östlich von Lhasa. 5 Jahre lang ging er zur Grundschule. Weil sein Onkel Mönch in Drepung war, beschloß Samdup, ebenfalls Mönch zu werden.

Am 9. September 1992 begannen Samdup und eine Gruppe anderer Mönche seines Klosters eine friedliche Demonstration in Lhasa. Sie riefen Parolen wie "Free Tibet", "Long live His Holiness the Dalai Lama", "China quit Tibet". Am selben Tag noch wurden sie festgehalten und in das PSB Haftzentrum von Lhasa eingesperrt. Acht Monate später sprach das Mittlere Volksgericht von Lhasa das Urteil. Samdup wurde zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt und alle wurden im Mai 1993 in das Drapchi Gefängnis verlegt.

Samdup kam im April 1995 frei, durfte jedoch nicht mehr in sein Kloster zurückkehren. Entlassene Gefangene haben nur geringe Arbeitschancen, weil sie ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr aufnehmen dürfen, ebenso wenig wie neue Stellen besetzten. Um sich irgendwie über Wasser zu halten, arbeitete Samdup als Hausmeister in einer buddhistischen Druckerei. Im April erhielt er von einem Freund Blätter zum Verteilen, in denen für Unabhängigkeit geworben wurde. Er nahm sie zum Umrundungspfad bei Sera mit und gab sie an die Leute aus.

Im Juni wurde er zum zweiten Mal von dem PSB Lhasa festgenommen aus Verdacht der Verteilung politischer Schriften. Weil Samdup immer wieder solches tat, wurde er nun als Schwerverbrecher eingestuft. Üblicherweise entscheidet ein Gericht das Urteil innerhalb von 6 Monaten, aber diese vier "Delinquenten" blieben eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft. Während dieser Zeit sind keine Besuche von Verwandten gestattet. Schließlich verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa am 6. Januar 2000 Samdup zu 4 Jahren Gefängnis mit Entzug der bürgerlichen Rechte für weitere 3 Jahre. Er wurde nach Drapchi verlegt, wo er immer noch im Gefängnis schmachtet.

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