human rights update

April 2002

Inhalt
  1. Zerstörung der Altstadt von Lhasa
  2. Junge Tibeterin auf der Flucht monatelang sexuell belästigt
  3. Rückkehrer aus dem Exil wegen Plakateklebens zu 10 Jahren verurteilt
  4. Angesehener tibetischer Lama und Wohltäter der Gesellschaft festgenommen
  5. Biographie von Tulku Tenzin Delek
  6. Das TCHRD gedenkt des 13. Geburtstages des 11. Panchen Lama
  7. Aus Tibet geschmuggelter Filmstreifen zeigt die Zerstörung von Tibets größter religiöser Einrichtung
Teil 1

Zerstörung der Altstadt von Lhasa

Ende April 2002 erreichten uns Berichte aus Tibet über Ausweisungen von Mietern und den Abbruch von Häusern, die zu einem als Weltkulturerbe geschützten Areal gehören.

Berichte weisen darauf hin, daß um den 24. oder 25. April mit dem Abbruch eines Gebäudes an der Südwestecke dieses Areals, wo sich Dekyi Shar Lam (chin. Beijing Dong Lu) und Snow Land Street treffen, begonnen wurde. Anscheinend hat die Regierung Pläne, den gesamten Block um dieses Gebäude abzureißen, einschließlich einer alten Residenz namens Samding. Es handelt sich um den Häuserblock unmittelbar nördlich des bekannten Touristenhotels Snowlands, einschließlich eines französischen Restaurants gegenüber des Pentoc Hotels und des Xiangbala Hotels. Dieser Häuserblock, zu dem auch einige bedeutende alte aristokratische Häuser, wie Phunkhang und Ganglha Metok gehören, stellt eines der wenigen verbliebenen Beispiele traditioneller tibetischer Bauweise dar. Das Areal liegt etwa 3 Minuten Gehzeit vom Jokhang Platz, dem historischen Zentrums Lhasas, entfernt.

Der Abbruch dieser Häuser fügt sich in das Bild der derzeit von den chinesischen Behörden betriebenen Zerstörung des traditionellen tibetischen Charakters der Stadt. Viele Gebäude im tibetischen Stil verschwanden bereits als Folge der Entschlossenheit der Regierung, Lhasa zu einer modernen chinesischen Stadt umzuformen. Es heißt, die Mieter eines der Häuser seien um den 24. April zur Räumung innerhalb von 5 Tagen aufgefordert worden. Berichten von "International Campaign for Tibet" zufolge werden ihnen Wohnungen in den neuen anstelle der alten zu erbauenden Gebäuden angeboten, doch die Miete wird dort viel höher und die Wohnungen viel kleiner sein. Deshalb werden viele Tibeter, die in der Altstadt zur Miete wohnten, nun gezwungen sein, in einen anderen Teil der Stadt zu ziehen, wo die Mieten niedriger sind. Indessen können sich die chinesischen Migranten, die zu Arbeits- und Geschäftszwecken nach Lhasa kommen, sicherlich die höheren Mieten leisten. Dies ist ein weiteres Beispiel, wie ein "Modernisierungsprojekt" in Tibet eher den Chinesen als den Tibetern Nutzen bringt.

Diese Ausweisungen und Demolierungen verstoßen gegen zahlreiche internationale Gesetze, darunter auch das Recht, nicht gewaltsam zur Räumung einer Wohnung gezwungen zu werden, ein wichtiger Teil des Rechtes auf angemessene Wohnung, wie es im "International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights" festgelegt ist. Die Zerstörung kulturell wertvoller Bauten bedeutet auch eine Verletzung des von der UNESCO als Weltkulturerbe gewährten Schutzstatus. Das TCHRD schließt sich zahlreichen NGOs auf der ganzen Welt an und ruft die Vereinten Nationen auf, eine Untersuchung dieser Demolierungen vorzunehmen und die chinesische Regierung aufzufordern, sie möge sich an die internationalen Verträge halten.

Teil 2

Junge Tibeterin auf der Flucht monatelang sexuell belästigt

Eine Tibeterin erzählte dem TCHRD unter dem Vorbehalt der Anonymität ihre grauenhaften Erlebnisse während ihrer Flucht über den Himalaya:

"Als ich zehn war, kam ich in die Grundschule. Nachdem ich diese durchlaufen hatte, besuchte ich drei Jahre lang die Mittelschule in Kreis Gyaltse. Weil ich die Prüfungen nicht bestand, flog ich von der Schule. Ich blieb dann ein Jahr zu Hause und half meiner Tante bei der Arbeit in ihrem Restaurant in Lhasa. Im Januar 2002 schmiedete ich mit meinen Kameraden einen Plan, um über Dram aus Tibet zu fliehen. Wir engagierten einen Guide und zahlen ihm je 4.500 Yuan, damit er uns sicher über die Grenze bringen soll. Wir gelangten ohne größere Probleme nach Dram, wo wir zwei Tage blieben. Dann übergab uns der Guide einem nepalesischen Kollegen namens Sundra. Wir marschierten mit noch einem anderen Guide weiter, der drei Flüchtlinge führte, darunter eine ältere Frau. Nach einigen Tagen gingen uns die Nahrungsmittel aus. Die zwei Guides rannten weg und sagten, sie würden Lebensmittel für uns besorgen. Sie schickten uns statt ihrer zwei Buben, die uns helfen sollten. Wir beauftragten einen, nach unseren ursprünglichen Guides zu suchen und sie zurückzubringen. Einer suchte also nach ihnen, während der andere uns ein beträchtliches Stück weiterführte, aber dann ließ auch er uns im Stich. So kamen wir vom Weg ab, aber gelangten dennoch irgendwie nach Tatopani, der Grenzstation zu Nepal. Dort trafen wir eine Gruppe von Nepalis, die versprachen, sie würden uns einzeln nach Kathmandu bringen.

Ein Nepali namens Matang nahm mich an sich, weshalb ich von meinen Begleitern getrennt wurde, die alleine weiterzogen. Matang brachte mich zum Haus seines Cousins Sherpa Norbu. Er wollte mich gegen meinen Willen zu seiner Frau machen und vergewaltigte mich. Ich war völlig fremd an dem Ort und sprach kein Wort Nepali. Ich war so hilflos, aber konnte nicht weglaufen. Den ganzen Tag lang mußte ich im Zimmer bleiben, und die folgenden zweieinhalb Monate war ich gänzlich in dem Haus eingesperrt. In dieser Zeit benützte er mich öfters gegen meinen Willen als seine Frau.

Dort war noch ein Sherpa, Tsering. Ich flehte ihn an, mich zu dem Tibetan Reception Centre in Kathmandu zu bringen. Ohne Matangs Wissen entwich ich mit Sherpa Tserings Hilfe aus dem Haus seines Cousins. Ich versteckte mich 10 Tage in Sherpa Tserings Haus, ehe ich den Weg nach Kathmandu antrat. Dort traf ich zwei Tibeter aus Amdo, die mir 2.000 NCR gaben. Ich selbst hatte 400 Yuan bei mir. Ich gab alles Geld Sherpa Tsering. Matangs Frau und Sherpa Tsering lieferten mich am 21. März 2002 beim Tibetan Reception Centre ab." Dort wurde die Information gebührend medizinisch untersucht. Sie möchte nun an einer der tibetischen Exilregierung unterstehenden Schule studieren.

Teil 3

Rückkehrer aus dem Exil wegen Plakateklebens zu 10 Jahren verurteilt

Nyima Dakpa ist ein 27-jähriger Mönch aus dem Kloster Tawu Nyitso in der TAP Karze, Provinz Sichuan. Er ging drei Jahre lang zur Grundschule und danach noch ein Jahr zur Kreis-Mittelschule. Bis zu seinem Eintritt in das Kloster Tawu Nyitso half Dakpa seiner Familie bei der Landarbeit. Nach einem Jahr Verbleib im Kloster Tawu Nyitso floh Dakpa 1990 nach Indien und hielt sich drei Jahre lang in Südindien auf. 1994 kehrte er in sein ursprüngliches Kloster nach Tibet zurück, wo er bis zu seiner Verhaftung 2000 wohnte.

Im Sommer 2000 brachte Nyima Dakpa in dem Distrikt Tawu an den Toren eines lokalen chinesischen Amtes, der Bank und des Gedächtnis- Gartens Unabhängigkeits-Poster an. Auf ihnen standen Worte wie "Free Tibet", "Tibeter in Tibet haben keine Freiheit", "Tibet ist kein Teil Chinas", und sie waren sogar mit seinem Namen unterzeichnet. Viele lokale Tibeter wurden Zeugen des Zwischenfalls. Die Beamten des Public Security Bureau, welche am nächsten Tag die Untersuchung einleiteten, verhafteten anfänglich einen anderen Nyima Dakpa aus demselben Kloster. Der eigentliche Dakpa konnte entkommen, während der andere nach 15 Tagen aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, nachdem die Beamten ihren Fehler gemerkt hatten.

Eine von Yeshi, einem tibetischen Polizeioffizier in Tawu, geführte Polizeieinheit wurde ausgesandt, um nach Nyima Dakpa zu fahnden. Schließlich gelang es ihr, nachdem sie von seinem Versteck erfahren hatte, ihn im Mai 2000 in einem Dorf in der Nähe von Lhasa festzunehmen. Als Belohnung für die "beispielhafte Tat", die der Polizeioffizier Yeshi mit der Festnahme von Nyima Dakpa geleistet hatte, schenke die chinesische Regierung ihm ein Auto. Auch wurde ein Sicherheitsposten in der Nähe des Klosters Tawu mit etwa 15 Leuten eingerichtet, für den nun Yeshi verantwortlich war.

Dakpa wurde in das Haftzentrum des Distrikts Tawu eingesperrt und mit schweren Schlägen traktiert, um ein Geständnis seiner angeblichen Verbrechen zu erzwingen. Die Gerichtsverhandlung im Fall Dakpa erfolgte hinter geschlossenen Türen aus Angst vor einem möglichen Protest der Bevölkerung. Am 5. Oktober 2000 verurteilte das Distriktgericht Dakpa unter Anklage der Aufhetzung der Massen und schädlicher Propaganda zu 10 Jahren Haft in dem Tawu Gefängnis. Erst im Dezember 2000 wurde seiner Familie und seinen Verwandten erlaubt, ihm Nahrungsmittel zu bringen und ihn zu besuchen. Wie verlautet, wurde Dakpa so grausam geschlagen, daß seine beiden Beine brachen, und er nicht mehr richtig stehen kann. Er heißt, er benötige die ständige Hilfe seiner Mitgefangenen, um zur Toilette zu gehen. Er soll geäußert haben: "Wenn ich entlassen werde, werde ich fortfahren, überall die Worte Free Tibet anzukleben, bis Tibet seine Freiheit wiedererlangt". Dakpa stammt aus einer Bauernfamilie; Norbu, einer seiner Brüder, lebt in Gaden Tilwu Khangtsen in Südindien.

Teil 4

Angesehener tibetischer Lama und Wohltäter der Gesellschaft festgenommen

Am Abend des 7. Aprils 2002 wurde Tulku Tenzin Delek zusammen mit seinen vier Gehilfen wegen angeblicher Beteiligung an einer Reihe von Bombenattentaten in Chengdu von Polizeibeamten des Public Security Bureau von Sichuan festgenommen. Beim Volk ist er auch unter dem Namen Ah-Nga Tashi bekannt und genießt im Distrikt Lithang in der Tibetischen Autonomen Präfektur Karze hohes Ansehen. Bei den vier Assistenten handelt es um Tsultrim Dhargyal, Tamding Tsering, Asher Dhargyal und den Laien Dhondup. Der gegenwärtige Verbleib aller fünf Personen ist unbekannt.

Die Anhänger von Tulku Tenzin Delek glauben, man habe ihm die Bombenattentate wegen seiner sogenannten "spalterischen" Tätigkeiten angehängt. Tulku Tenzin Delek ist bekannt für seine großen Bemühungen zur Wiederbelebung tibetischer Kultur und Religion, für sein soziales Engagement und seine kühnen Äußerungen über die repressive Politik der Chinesen in Tibet. Energisch pflegte er lokale Probleme zur Sprache zu bringen und konnte oftmals zu ihrer Lösung beitragen. Tenzin betonte stets die Notwendigkeit, Streitigkeiten auf dem Wege gütlicher Verständigung zu lösen und sich nach den Lehren des Dalai Lama zu richten. Er befürwortete die Erhaltung der einzigartigen Kultur Tibets und war auch dafür, daß tibetische Kader Tibet in die Modernität des 21. Jahrhunderts führen.

Bei den Verhaftungen in letzter Zeit ist eine Tendenz festzustellen, daß die Pekinger Regierung gezielt gegen prominente religiöse Gestalten vorgeht, welche irgendwann einmal vom Dalai Lama empfangen wurden. Geshe Sonam Phuntsok, ein geachteter buddhistischer Praktizierender und Lehrer, wurde im März 2000 zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihm wurde angelastet, daß er um eine Audienz beim Dalai Lama nachgesucht und eine Langlebens-Gebetszeremonie für ihn durchgeführt hatte. Khenpo Jigme Phuntsok, der Großabt des Serthar Instituts, wird ohne jede Verbindung zur Außenwelt in Chengdu festgehalten, und im vergangenen Jahr wurden die meisten seiner weit über 8.000 Schüler des Ortes verwiesen und annähernd 2.000 ihrer Behausungen niedergerissen. Die chinesische Regierung verdächtigte Khenpo, daß er in politischen und religiösen Angelegenheiten mit dem Dalai Lama in Verbindung stehe, nachdem er ihn 1990 in Dharamsala besucht hatte. Die Verhaftung von Tulku Tenzin Delek ist der jüngste Fall in dieser Reihe. Alle drei führenden religiösen Gestalten kommen aus derselben Region, nämlich dem Distrikt Karze in der Provinz Sichuan.

Teil 5

Biographie von Tulku Tenzin Delek

Tulku Tenzin Delek, der 1950 als Sohn von Tsepak Dorjee und Dolma Choezom in Lithang geboren wurde, trat im Alter von sieben Jahren in das Kloster Lithang ein. Er wurde von Khensur (ehemaliger Abt) Shakpa zum Mönch ordiniert. Infolge der chinesischen Gewaltherrschaft in Tibet kehrte Tulku Delek 1959 zu seiner Familie zurück.

Während des Besuchs der ersten Delegation der tibetischen Regierung-im-Exil im Jahre 1970 konnte Tulku Tenzin Delek einem ihrer Mitglieder ausführlich über die von den Chinesen in Tibet angerichtete Zerstörung berichten. Kurz nachdem der 10. Panchen Lama 1978 aus chinesischer Haft entlassen wurde, hatte Tulku Tenzin Delek insgeheim im Kloster Labrang Tashi Kyil eine Unterredung mit ihm. Er bekundete dem Panchen Lama sein Entsetzen darüber, wie die lokale tibetische Bevölkerung willkürlich von den Chinesen gefoltert wird und bat ihn, er möge intervenieren, um die Rehabilitierung der als "schwarze Kappen" Gebrandmarkten (um diese Zeit wurden die politisch Ausgestoßenen von den Behörden als "Schwarzkappen" bezeichnet) zu erreichen. Er betonte auch die Notwendigkeit des Wiederaufbaus der zahlreichen zerstörten Klöster, besonders desjenigen von Lithang.

1982 hatte Tulku Tenzin Delek eine Audienz beim Dalai Lama in Dharamsala, wonach er 6 Jahre im Kloster Drepung Tashi Gomang in Südindien verbrachte. 1983 erkannte ihn der Dalai Lama als eine Wiedergeburt von Geshe Adham Phuntsok an und verlieh ihm den Tulku-Namen Tenzin Delek. 1987 kehrte Tulku Tenzin Delek in seine Heimat nach Tibet zurück. Er zog zuerst in das wenige km von der Kreisstadt Nyagchuka entfernte Dorf Othok Thang Karmar, um seine Idee der Renovierung von Klöstern in die Tat umzusetzen. Aber hier versuchten regionale Kader, ihn an seinen Plänen zu hindern. Er fuhr nun direkt nach Peking, wo ihm der Panchen Lama die offizielle Genehmigung erteilte und dem neuen Kloster den Namen Kham Nalanda Thekchen Jangchub Choeling verlieh.

Zwischen 1991 und 1995 gelang es Tulku Delek, sieben Klöster und ein Altenheim im Distrikt Nyagchuka (chin. Yajiang Xian), TAP Karze, zu bauen. Die sieben Klöster sind: Jamyang Choekhor Ling, das Nonnenkloster Delek Choeling, Golok Thegchen Namgyal Ling, Tsochu Gaden Choeling, Golok Tashi Kyil, das Kloster Detsa und Tsegon Shedrup Dhargyal Ling.

In jener Zeit sprach Tulku Delek immer wieder bei den Offiziellen der Distriktverwaltung von Lithang vor, um die von der Forstbehörde betriebene Abholzung in Nyagchuka zu stoppen. Er argumentiere, daß der Wald der Lokalbevölkerung gehöre, und daß sie alleine das Entscheidungsrecht darüber habe, was mit ihrem Land zu geschehen habe. Später erhob er bei einem Gericht auf Provinzebene Klage.

Bei der Kontroverse um die Reinkarnation des 10. Panchen Lama im Mai 1995 erklärte der Tulku kühn: "Ich akzeptierte nur die von seiner Heiligkeit dem Dalai Lama bestätigte Reinkarnation des 10. Panchen Lama und sonst niemanden". Vor Distriktbeamten sagte der Tulku einmal: "Sie erlassen immerzu Verordnungen, die das Aufstellen von Bildern seiner Heiligkeit des Dalai Lama in Klöstern verbieten. Für mich spielt dies keine Rolle. Weder vertieft das Zeigen der verbotenen Bilder in der Öffentlichkeit meine Hingabe zu Seiner Heiligkeit, noch mindert das offizielle Verbot dieser Bilder meinen Glauben. Der Dalai Lama ist meine Seele selbst".

Bei einer Sondersitzung im Distrikt Karze im Jahr 1997 erhoben die Kader sechs verschiedene Anschuldigungen gegen Tulku Tenzin Delek, darunter "Gefährdung der Staatssicherheit" und illegaler Bau von Klöstern unter dem Vorzeichen der Religion, die in einem Dokument mit Titel "Ah-Nga Tashi" niedergelegt wurden. Dieses Dokument wurde in 18 verschiedenen Distrikten verteilt, so daß der Tulku in unmittelbarer Gefahr der Verhaftung stand. Er setzte sich ab und ging für 5 Monate in den Bergen in der Umgebung in Retreat. In der Zwischenzeit sammelten die Tibeter der Gegend 30.000 Unterschriften und richteten einen Appell an die Provinzregierung, den Verhaftungsbefehl rückgängig zu machen. Diese lenkte unter der Bedingung ein, daß der Tulku sich fortan aller politischen Aktivitäten enthalte.

Noch im Jahr 1997 baute der Tulku eine Schule in dem Dorf Geshe-Lungpa in dem Distrikt Nyagchuka, die über 300 Waisen und Kinder armer Nomaden und Bauern Unterschlupf bot. Alle Kosten, so wie Essen, Kleidung und Lehrergehälter wurden von dem Tulku selbst bestritten. Die Lokalbehörden brandmarkten diese Privatschule jedoch als illegal. Sie bemächtigten sich ihrer und führten die patriotischen Erziehungsklassen ein, was schließlich zur Schließung der Schule führte. Das Altenheim in Kreis Nyagchuka mußte auf Druck der Lokalbehörden ebenfalls geschlossen werden.

Im Jahre 2000 vermittelte der Tulku bei einem Zwist über Besitzrechte auf Weidegründe, der bereits zwei Todesopfer gefordert hatte, zwischen den Gemeinden von Lithang und Mola. Die chinesische Regierung bezichtigte ihn daraufhin der unerwünschten Einmischung und machte erneut Anstalten, ihn zu verhaften. Wieder entzog er sich, indem er für 7 Monate in Retreat ging.

In einem von ihm zurückgelassenen Brief erklärte er: "Ich machte mich niemals irgendwelcher politischer Vergehen schuldig. Ich erhielt einen Telefonanruf von der chinesischen Verwaltung, ich solle alleine in das Haftzentrum kommen, weil sie mir etwas mitzuteilen hätten. Wenn meine Freunde hier die Anklagen gegen mich auf gesetzlichem Wege ausräumen können, werde ich herauskommen".

Zum zweiten Male unterschrieben annähernd 20.000 Lokalbewohner und appellierten an die Zentralregierung in Peking, den Fall des Tulku wohlwollend zu betrachten. Diese antwortete, der Tulku dürfe in Zukunft keine religiösen Zeremonien mehr durchführen, und schränkte seine Freizügigkeit ein. Er darf fortan nur noch das Leben eines gewöhnlichen Mönches führen. Man nimmt an, daß die Zentralregierung Tulku Tenzin Delek im selben Licht wie den Großabt des Serthar Instituts Khenpo Jigme Phuntsok sieht, nämlich als einen "Separatisten", welcher die "Staatssicherheit gefährdet".

Teil 6

Das TCHRD gedenkt des 13. Geburtstages des 11. Panchen Lama

Der 11. Panchen Lama, Gedhun Choekyi Nyima, feiert am 25. April 2002 seinen 13. Geburtstag; es sind nun sieben Jahre her, seit er und seine Eltern verschwanden. Am 14. Mai 1995 erkannte Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, Gedhun Choekyi Nyima als die Wiedergeburt des 10. Panchen Lama an. Die Regierung der VR China erklärte diese Anerkennung für ungültig und widerrechtlich. Ein paar Monate nach dem Verschwinden des Knaben ernannte die chinesische Regierung ihren eigenen Panchen Lama, einen Jungen namens Gyaltsen Norbu. Ein Jahr später, im Mai 1996, gab die VRC zu, daß sie Gedhun Choekyi Nyima "auf Ersuchen seiner Eltern" in Gewahrsam halte, denn er "stünde in Gefahr, von den Separatisten entführt zu werden und seine Sicherheit sei bedroht". Es mutet seltsam an, daß die Chinesen so viel daransetzen, jemanden zu "schützen", den sie nur als einen gewöhnlichen Jungen betrachten.

In den auf diese Erklärung folgenden Jahren verlangte die VRC, daß nur der von ihr ausgewählte Panchen Lama in Tibet anerkannt werde, und sie schreibt Mönchen, Nonnen und allen anderen Tibetern vor, sich von Gedhun Choekyi Nyima zu distanzieren. Aus Tibet kommende Flüchtlinge und westliche Touristen erzählen, Bilder des chinesischen Panchen Lamas würden überall in den Hauptklöstern und Touristenhotels in Tibet an sichtbarer Stelle zur Schau gestellt. Andererseits sind Bilder Seiner Heiligkeit, des Dalai Lamas, und Gedhun Choekyi Nyimas in ganz Tibet verboten.

Viele UN Vertreter und Regierungsdelegationen aus der ganzen Welt äußerten ihre Besorgnis über die fortgesetzte Gefangenhaltung des Panchen Lama und appellierten an die chinesische Regierung, einer unabhängigen Person, die sowohl für sie als auch für die Tibeter akzeptabel ist, Zugang zu dem Knaben zu gewähren, um sich seines Wohlergehens und seiner Lebensumstände zu vergewissern. Die VRC läßt jedoch weiterhin keine Außenstehenden zu dem Knaben und seinen Eltern. Im Oktober 2000 wurde einer britischen Delegation mitgeteilt, dem Knaben gehe es gut und er besuche die Schule. Seine Eltern wünschten nicht, daß die internationale Öffentlichkeit und die Medien sich in sein Leben einmischen. Zwei Photos, die angeblich vom Panchen Lama stammen sollen und auf denen ein Junge im etwa richtigen Alter zu sehen ist, wurden der britischen Delegation gezeigt. Es war ihr jedoch unmöglich, die Identität des Jungen oder den abgebildeten Ort zu bestimmen, noch wurden die Photos den britischen Regierungsvertretern gestattet, die Photos mitzunehmen.

Im August 2001 wurde einer polnischen parlamentarischen Delegation, die auf Besuch in Lhasa weilte, als Antwort auf ihre wiederholten Fragen erklärt, Gedhun Choekyi Nyima sei gesund. Es wurden ihr auch Photos des Jungen versprochen, die sie innerhalb von 6 Wochen bekommen sollte, aber diese trafen nie ein. Unlängst erhielt die polnische Regierung einen Brief von der chinesischen Botschaft in Warschau, in dem es heißt, Gedhun Choekyi Nyima und seine Eltern wollten nicht, daß ihr friedliches Leben von Fremden gestört werde; die chinesische Regierung respektiere überdies "die freie Willensentscheidung ihrer Bürger und hoffe, das polnische Volk würde es sicher verstehen".
Im März 2002 traf eine offizielle Delegation der Autonomen Region Tibet (TAR) mit Repräsentanten des Europäischen Parlaments zusammen und wieder einmal wurde erklärt, Gedhun Choekyi Nyima wünsche nicht, gestört zu werden. Die Delegation der TAR weigerte sich auch, auf Fragen hinsichtlich der den polnischen Delegierten versprochenen Photos zu antworten.

Angesichts der Weigerung, Bilder zu liefern, auf denen Gedhun Choekyi Nyima eindeutig zu erkennen ist, oder eine unabhängige Person den Knaben und seine Familie besuchen zu lassen, kann das tibetische Volk nur noch das Schlimmste befürchten. Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie ist entsetzt über die fortgesetzte Gefangenhaltung eines 13-jährigen Knaben. Wir appellieren erneut an die VRC, einer unabhängigen Person zu erlauben, Gedhun Choekyi Nyima zu besuchen und sich seiner Gesundheit und Lebensumstände zu vergewissern.

Die Verschleppung und das fortgesetzte Versteckthalten des zweithöchsten Lamas in der tibetischen Hierarchie widerlegt gänzlich Chinas Behauptung, die Religionsfreiheit in Tibet zu respektieren. Während wir es begrüßen, daß sich Länder in der ganzen Welt um das Schicksal des Panchen Lamas bemühen, kann das TCHRD nicht verstehen, warum in diesem Jahr kein Land den Mut aufbrachte, eine Resolution gegen Chinas Menschenrechtsverstöße bei der UN Menschenrechtskommission einzubringen. Ohne internationale Verurteilung wird China fortfahren, bedeutende religiöse Persönlichkeiten in Haft zu halten und die Religionsfreiheit in Tibet zu verweigern.

Teil 7

Aus Tibet geschmuggelter Filmstreifen zeigt die Zerstörung von Tibets größter religiöser Einrichtung

Das TCHRD zeigte heute zum ersten Mal einen 10-minütigen Film über die massive Zerstörung des Buddhistischen Instituts Serthar in der Provinz Sichuan in Tibet. Dieser Dokumentarstreifen wurde aus Videoaufnahmen, die von ehemaligen Bewohnern des Instituts aus Tibet geschmuggelt wurden, zusammengestellt.

Das auch als Larung Gar bekannte Institut Serthar liegt in der Tibetischen Autonomen Präfektur Karze, Provinz Sichuan. Bis zum letzten Jahr galt es als das größte buddhistische Institut Tibets. Die konfessionsübergreifenden akademischen Belehrungen des Abtes Khenpo Jigme Phuntsok zogen buddhistische Studenten aus der ganzen Welt an, darunter auch solche aus Festlandchina, Taiwan, Hongkong und Korea. Serthar beherbergte eine große Zahl tibetischer Mönche, Nonnen und Laien. Die Gesamtzahl der Bewohner betrug vor der Verwüstung durch die Behörden weit über 8.000.

1999 suchte ein Arbeitsteam der chinesischen kommunistischen Partei das Institut auf und ordnete an, daß nur 1.400 Personen dort studieren dürften. Als erste wurden die Studenten aus anderen asiatischen Ländern ausgewiesen. Dann trafen im Juni 2001 fünfzig Lastwagen und Geländefahrzeuge in dem Institut ein, und Tausende von Sicherheitsbeamten, die ihr Lager am Rande des Komplexes aufschlugen, begannen die Wohnviertel niederzureißen.

Der Dokumentarfilm zeigt, wie chinesische Beamte die Abbruchaktion überwachen, während Mönche und Nonnen versuchen, ihre Habe aus den Trümmern zu bergen. Er enthält auch ein Interview mit zwei ehemaligen Bewohnern des Serthar Instituts, die jetzt im Exil sind. Große Sorgen machen sich die ehemaligen Bewohner des Instituts um Khenpo Jigme Phuntsok und seine Nichte, ebenfalls eine religiöse Lehrmeisterin, die an unbekanntem Ort in Chengdu festgehalten werden. Ein weiterer Anlaß zu Sorge ist, wie von der interviewten Nonne beschrieben wird, daß Hunderte von aus dem Institut vertriebenen Nonnen nun obdachlos sind.

In den letzten sieben Jahren verzeichnete das TCHRD die Ausweisung von fast 19.000 Mönchen und Nonnen aus religiösen Einrichtungen in Tibet, sowie die Schließung von 24 religiösen Institution und die Festnahme von Tausenden von Mönchen und Nonnen, deren einzige Schuld oft nur war, daß sie ihrer Meinung Ausdruck verliehen oder sich weigerten, ihr spirituelles Oberhaupt, den Dalai Lama, zu verunglimpfen.

Youdon Aukatsang vom TCHRD kommentierte: "Dieser Dokumentarstreifen widerlegt chinesische Behauptungen, in Tibet werde die Religionsfreiheit respektiert. China mag dieses Jahr bei der Menschenrechtskommission der Verurteilung wegen seines Umgangs mit den Menschenrechten entgangen sein, aber anhand von Zeugnissen wie diesem Dokumentarfilm kann sich die Welt nicht mehr einfach blind stellen."

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