Teil 2 |
Seminar zur "Patriotischen Erziehung" in Lhasa
Der Zeitung "Lhasa Evening Daily" von 1. November 2004 zufolge ging in Lhasa am 31. Oktober 2004 die formelle Eröffnung eines einwöchigen Seminars für Regierungsbedienstete, welche für die "Patriotische Erziehung" in den Klöstern zuständig sind, über die Bühne.
Der stellvertretende Parteisekretär der Stadt Lhasa, der Präsident des nationalen Volkskongresses Lhasa, der Vorsitzende des Komitees für Patriotische Erziehung in Lhasa-Stadt, diverse Mitglieder der Chinese People's Political Consultative Conference Lhasa, diverse Kader der Vereinigten Arbeitsfront, des Religionsbüros wie auch der Vorsitzende der Patriotischen Erziehung in der TAR waren während der Eröffnungsfeierlichkeiten anwesend.
Während seiner Eröffnungsrede sagte der Vorsitzende des Komitees für Patriotischen Erziehung in Lhasa, Lobsang Gyurmey: "Die Patriotische Erziehung in den Klöstern sollte bis aufs Äußerste intensiviert werden, um separatistische Aktivitäten zu verhindern. Des weiteren sollten vorbeugende Maßnahmen in Angriff genommen werden, mittels derer das Eindringen von Schriften der im Exil befindlichen spalterischen Gruppe gestoppt werden kann."
Kader der Vereinten Arbeitsfront, des Religionsbüros sowie der Polizei- und Justizbehörden nahmen an dem Seminar teil. Bis zum Ende des Jahres werden die Teilnehmer die Inhalte des Workshops in zwei oder drei Klöstern probeweise anwenden. Bei Erfolg werden die neu erarbeiteten Maßnahmen innerhalb der nächsten Jahre - beginnend Anfang 2005 - im gesamten Stadtgebiet von Lhasa umgesetzt werden.
Die Kampagne "Patriotische Erziehung" wurde 1994 im Anschluß an das dritte Arbeitsforum zu Tibet formuliert und läuft praktisch ununterbrochen seit 1996. Obwohl die Kampagne den Behauptungen der VR China zufolge im Jahr 2000 offiziell abgeschlossen worden sei, kann das TCHRD belegen, daß sie in den religiösen Institutionen in Tibet weiterhin durchgeführt wird.
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Teil 3 |
Geshe Sonam Phuntsok nach Vollendung seiner Gefängnisstrafe entlassen
Einer bestätigten, dem Tibetan Centre for Human Rights and Democracy zugegangenen Information zufolge, entließen die chinesischen Behörden Geshe Sonam Phuntsok nach Ablauf seiner fünfjährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis. Beim Volk als der Geshe von Kardze bekannt, wurde er für seine religiösen Tätigkeiten, insbesondere die Organisation von Gebetszeremonien für das lange Leben des Dalai Lama im Oktober 1999 mit Gefängnis bestraft.
Am frühen Morgen des 26. Oktober 2004 brachten chinesische Angehörige des Public Security Bureau (PSB) den Geshe in einem Dienstwagen in seine Heimat Rongbatsang im Distrikt Kardze der TAP Kardze, Sichuan. Bereits am 24. Oktober war er in Dartsedo eingetroffen, wo er auf sich nach seiner Entlassung aus dem Chuandong Gefängnis No. 3 im Distrikt Tazhu einer ärztlichen Behandlung unterzogen hatte. Das TCHRD ist wegen der langen Inhaftierung und Mißhandlung im Gefängnis sehr um den gesundheitlichen Zustand von Geshe Sonam Phuntsok besorgt.
Festnahme: Am 25. Oktober 1999 wurde der Geshe von einem Trupp von 20 PSB Polizisten mit vorgehaltener Pistole verhaftet. Er befand sich gerade in einem Retreat und war zur Zeit seiner Festnahme nur spärlich bekleidet und barfuß. An die 3.000 Tibeter versammelten sich spontan vor dem Verwaltungsgebäude von Rongbatsang und forderten seine sofortige und bedingungslose Freilassung. Am folgenden Tag kamen noch viel mehr Tibeter aus den benachbarten Landkreisen zusammen, und alle verlangten sie, daß der Geshe unverzüglich auf freien Fuß gesetzt werde. Ungefähr 600 Milizionäre des PSB und der PAP (People's Armed Police) warfen Tränengaspatronen in die Menschenmenge und gaben wahllos Schüsse auf sie ab, um den Protest zu unterdrücken. Viele Tibeter wurden festgenommen und einige wegen ihrer Handlungen mit Gefängnis und Geldbußen bestraft. Tsering Wangchuk, einer der Demonstranten, starb sogar in der Haft.
Urteil: Im März 2001, ein Jahr und fünf Monate später, verurteilte das Mittlere Volksgericht von Kardze den Geshe wegen "Aufhetzung der Massen zu spalterischen Aktivitäten" zu fünf Jahren Gefängnis; weitere Anklagepunkte waren "eine Reise nach Indien mit einem illegalen, in Lhasa beschafften Dokument, um den Dalai Lama zu treffen und sich mit ihm photographieren zu lassen, die illegale Durchführung religiöser Zeremonien zu mehreren Anlässen im Kreis Kardze und die Leitung einer Gebetszeremonie für das lange Leben des Dalai Lama in Rongbatsang".
Gesundheitlicher Verfall in der Haft: Der Vater und ein anderer Verwandter des Geshe, die ihn zweimal im Gefängnis besuchten, waren schockiert, als sie ihn in einem derart angegriffenen Zustand sahen. Agya Phuntsok berichtete, der Geshe sei sehr abgemagert und nur halb bei Bewußtsein gewesen und habe sich nicht richtig bewegen können. Sieben Stunden lang waren ihm Infusionen verabreicht worden.
Hintergrund: Geshe Sonam Phuntsok wurde 1951 im Dorf Choesa, Gemeinde Shusar, Kreis Rongbatsang, TAP Kardze, geboren. Bereits in seiner Kindheit wurde er zum Mönch ordiniert und mit 18 Jahren erhielt er die geistliche Initiation und andere religiöse Unterweisungen von bedeutenden buddhistischen Lehrmeistern. In den achtziger Jahren lehrte er Mönche aus 35 verschiedenen Klöstern tibetische Literatur. Er zeichnete auch die Geschichte von 13 Klöstern der TAP Kardze auf. Meistens hielt sich der Geshe im Kloster Dhargay im Kreis Rongbatsang auf, doch oftmals begab er sich auch in andere Klöster und in entlegene Dörfer des gesamten Distrikts Kardze, um religiöse Zeremonien durchzuführen und Belehrungen zu geben. 1996 unternahm er eine Pilgerfahrt nach Indien, wo er die heiligen Stätten besuchte. In ihrem Verlauf traf er auch den Dalai Lama. Danach kehrte Geshe Sonam Phuntsok nach Tibet zurück und hielt in den folgenden drei Jahren noch zahlreiche religiöse Zeremonien ab.
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Teil 4 |
Tibetische Autorin wegen positiver Erwähnung des Dalai Lama verfolgt
Die tibetische Autorin Woeser (chin: Wei Se) hat ihren Arbeitsplatz, ihr Zuhause und ihre Freizügigkeit verloren, weil die chinesischen Behörden ihre Veröffentlichungen als zu Dalai Lama-freundlich ansahen.
Einer Presseveröffentlichung von Human Rights in China (HRIC) vom 27. Oktober zufolge sind "die Einheitsfrontarbeit-Abteilung und das Publikationsbüro zu dem Schluß gekommen, daß die Schriften von Wei Se politische Entgleisungen enthalten, was sich höchstwahrscheinlich auf ihre positive Erwähnung des im Exil lebenden Oberhaupts der Tibeter bezieht. Die Folge war, daß Wei Se ihren Arbeitsplatz verlor, und ihre bisherige Arbeitseinheit, die Vereinigung für tibetische Kultur, sie zur Räumung ihrer Wohnung gezwungen und die Beiträge zur Gesundheits- und Altersversorgung gestrichen hat. Außerdem wurde ihr untersagt, einen Reisepaß zu beantragen, um das Land zu verlassen."
Woesers in chinesischer Sprache geschriebenes Buch "Xizang Biji (Notizen über Tibet) wurde 2003 vom Huacheng Verlag in Guangzhou veröffentlicht. Es besteht aus 38 Essays, die alle von tibetischer Geschichte und vom sozialen Leben der Menschen in Tibet handeln. Das Provinzbüro von Guangdong verbot das Buch, die Behörden der TAR folgten im September 2003. HRIC zitiert seine Informanten in Tibet wie folgt: "Der Direktor des Huacheng Verlags wie auch der Herausgeber des Buches mußten Ermittlungen und Kritik über sich ergehen lassen."
HRIC zufolge "organisierte Wei Ses Arbeitseinheit, die Tibetische Kulturvereinigung, ein spezielles Komitee, das Wei Se einer "Korrektur des Denkens" unterziehen sollte. Zusätzlich schickten die Parteiorgane diverse Kader, die täglich mit Wie Se und ihrer Familie sprachen. Des weiteren wurde sie verpflichtet, einen lobenden Artikel über die Qingzang (Qinghai)-Eisenbahn zu verfassen, und man setzte sie unter Druck, die Ausübung des tibetischen Buddhismus aufzugeben.
Woeser wurde 1966 geboren und ist Bürgerin der Provinz Sichuan. 1988 schloß sie ihre Studien am Südwestlichen Institut für Nationale Minderheiten in Chengdu mit einem Magistergrad in Chinesisch ab. Sie arbeitete als Journalistin und war Herausgeberin der Zeitschrift "Tibetische Literatur" (Xizang Wenxue). In der Folge wurde sie als Gastgelehrte auf die Lu Xun Akademie für Schöne Künste in Peking berufen. Noch vor den "Notizen über Tibet" stellte Woeser die Gedichtsammlung "Für Tibet" zusammen, welche 1999 von dem Qinghai Volksverlag verlegt wurde.
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Teil 5 |
Tibetischer Lama erschossen
Zuverlässigen dem TCHRD zugegangenen Informationen zufolge erschoß ein chinesischer PSB-Offizier Mitte September in der Polizeistation des Distrikts Darlag den tibetischen Mönch Tsering Pal. Dieser wurde infolge eines dort ausgebrochenen Streits in die Stirn getroffen.
Nach den beim TCHRD eingegangenen Informationen, erhärtet durch das News Update des TIN vom 18. Oktober 2004, wollten Tsering Pal und zwei weitere Mönche in Darlag für das Sommer-Picknick des Klosters Togden, das den Abschluß des Summer Retreats markiert, Einkäufe tätigen. Die drei mieteten sich nach ihrer Ankunft in Darlag in einer Pension ein. Als sie abends vom Einkaufen zurückkehrten, fanden sie die Türen der Pension geschlossen. Die Mönche verlangten lauthals, der Manager solle ihnen öffnen. Daraufhin rief dieser die Polizei. Die PSB-Beamten nahmen die Mönche fest und brachten sie zum örtlichen Haftzenrum. Dort wurden sie zwei Tage lang festgehalten und während der ersten Nacht schwer geschlagen.
Nach ihrer Freilassung ließen sie ihre Verletzungen im Krankenhaus behandeln. Gleich nach ihrer Rückkehr ins Kloster begab sich Tulku Drondul zusammen mit den Mönchen zur Polizeistation von Darlag. Er verlangte Entschädigung für die Kosten der ärztlichen Behandlung. Die Beamten verweigerten jedoch jegliche Zahlung, was zu einer heftigen Auseinandersetzung führte. Der PSB-Offizier Xiao Fu gab nun einen Warnschuß in die Luft ab. In dem darauffolgenden Gerangel löste sich ein weiterer Schuß aus seiner Pistole, der Tsering Pal tödlich am Kopf traf.
Gleich nachdem die Nachricht von dem Vorfall Trachog erreichte, machte sich eine wütende Menge von 100 bis 200 Menschen zu Pferd nach Darlag Shen auf. Polizeistation und Dienstwagen wurden mit Steinen beworfen, aber es scheint keine weiteren Verletzten gegeben zuhaben. Den zwei Lamas Amdo Geshe und Tulku Tenpe Nyima, Mitgliedern der People's Political Consultative Conference, gelang es, die Menge zu beruhigen. Berichten zufolge mußte das PSB der Familie des Getöteten eine beträchtliche Summe Geld als Kompensation anbieten.
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Teil 6 |
Gefängnisbesuch eines UN-Expertenteams in Drapchi abgebrochen
Die Vorsitzende der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftung (WGAD) erklärte in ihrer Pressemitteilung vom 4. Oktober 2004, das Team hätte "seinen Besuch im Drapchi Gefängnis in Lhasa abbrechen müssen". Der Expertengruppe, die sich für 12 Tage in China aufhielt, wurden die beabsichtigten Interviews mit einigen Insassen von Drapchi verweigert. Als Begründung gaben die chinesischen Behörden interne Regelungen an. Im Unterschied zu ihrem ersten Besuch im Jahr 1997 konnten die WGAD-Experten das gemeinhin unter dem Namen Gutsa bekannte Haftzentrum in Lhasa besuchten.
Die vierköpfige Expertengruppe unter der Leitung der Vorsitzenden Leila Zerrougoui und ihres Stellvertreters Tamas Ban erklärte, bei ihrem jetzigen Besuch habe das Hauptaugenmerk auf den Entwicklungen seit 1997 gelegen. Die Experten führten Gespräche mit denselben Behörden und besuchten dieselben Gefängnisse wie bei ihrem früheren Besuch.
Sie hoben hervor, daß "die vier Empfehlungen, welche im WGAD-Bericht von 1997 ausgesprochen worden waren, bislang noch nicht umgesetzt wurden". In der Pressemitteilung hieß es: "Weder wurden die Grundlagen für die Durchsetzung der Unschuldsvermutung, die besagt, daß niemand als schuldig betrachtet werden darf, der noch nicht verurteilt ist, geschaffen, noch gibt es eine klare Definition des Straftatbestandes der "Gefährdung der nationalen Sicherheit'. Aufgrund dieses äußerst vage gefaßten Begriffs kann es bei der Anwendung des Strafgesetzes zu Willkürhandlungen kommen; da keine deutlichen gesetzlichen Vorgaben existieren, führt dieser viel zu unklare Terminus sogar unweigerlich zu Willkür. Außerdem wurden keine gesetzlichen Schritte unternommen, damit diejenigen Menschen, welche im Rahmen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte friedlich ihre Rechte ausüben, klar von der Strafverfolgung ausgenommen sind; abschließend muß festgestellt werden, daß das Prozedere für die Verurteilung zur "Umerziehung durch Arbeit' keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Eine Klage, die ein Betroffener zwar einreichen darf, kann aus der Sicht des internationalen Rechts jedoch nicht als effektives Rechtsmittel gegen willkürliche Freiheitsberaubung betrachtet werden".
Weiter vermerkte das Expertenteam, "einige der für Inhaftierungen zuständigen Behörden seien sich anscheinend nicht darüber im klaren..., daß im Hinblick auf den Schutz vor willkürlicher Inhaftierung der internationale Standard respektiert werden muß". Die Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftung wird ihren vollständigen Bericht Anfang 2005 der 61. Menschenrechtskommission vorlegen.
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Teil 7 |
Rettet Tulku Tenzin Delek vor der Hinrichtung!
TCHRD, Mittwoch, 27. Oktober, 2004. Das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy - TCHRD (Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie) gibt heute eine achtseitige Broschüre mit dem Titel "Rettet Tulku Tenzin Delek vor der Hinrichtung!" heraus. Die Broschüre enthält eine Zusammenfassung von Hintergrundinformationen über Tulku Tenzin Delek, seine Inhaftierung und Verurteilung zum Tode, sein Gerichtsverfahren und seine Gefangenschaft, sowie Empfehlungen für ein weiteres Vorgehen. Falls das Todesurteil mit zweijährigem Aufschub vorher nicht aufgehoben wird, wird am 25. Januar 2005 die Vollstreckung des Urteils angeordnet werden.
Tulku Tenzin Delek ist ein populärer religiöser Lehrer aus der Provinz Sichuan in Osttibet. Am 2. Dezember 2002 hat der Mittlere Volksgerichtshof von Kardze Tulku Tenzin Delek und seinen Schüler Lobsang Dhondup wegen "Verursachens von Explosionen" und "Aufhetzung zu separatistischen Bestrebungen" zum Tode verurteilt. Der Tulku wurde mit einem Aufschub von zwei Jahren zum Tode und lebenslanger Aberkennung seiner bürgerlichen Rechte verurteilt, während die Todesstrafe an Lobsang Dhondup sofort vollstreckt wurde und ihm seine bürgerlichen Rechte lebenslang entzogen wurden.
Die Verhaftung und das Gerichtverfahren gegen Tulku Tenzin Delek und Lobsang Dhondup machen die Mißachtung grundlegender Menschenrechte der Tibeter und die Verletzung internationaler Rechtsnormen ebenso wie der nationalen Gesetze in China deutlich: Die willkürliche Natur der Festnahmen, der Mangel an ausreichenden und konkreten Beweisen für eine Verurteilung, das Fehlen jeglicher Unschuldsvermutung, die Anwendung von Zwangsverhören und die Folterung der Häftlinge, die Verweigerung des Besuchsrechts und des Rechtes der Angehörigen auf Information, das Fehlen einer angemessenen Verteidigung der Häftlinge vor Gericht, das nicht-öffentliche und unfaire Gerichtsverfahren, die willkürliche Verhaftung und Verurteilung von Verwandten und der unmittelbare Vollzug der Hinrichtung an Lobsang Dhondup - all diese Faktoren beeinträchtigen die Chancen auf ein faires Wiederaufnahmeverfahren gegen den Tulku. Die widersprüchliche Berichterstattung in den Medien über die Sprengstoffexplosionen bestätigt nur, daß die von den chinesischen Behörden erhobenen Vorwürfe frei erfunden sind.
Die Gerichtsverhandlungen gegen Tulku Tenzin Delek und Lobsang Dhondup waren nicht öffentlich, und der Richter verweigerte Tulku Tenzin Delek das Recht auf einen Verteidiger. Dieses Vorgehen hat wegen der Nichteinhaltung eines Mindeststandards von Fairness bei Gerichtsverfahren in China einen weltweiten Aufschrei hervorgerufen. Die chinesischen Behörden haben nicht nur versäumt, Informationen zu den Beweisen vorzulegen, die zur Verurteilung führen sollten, noch über die Art und Weise, wie sie zu derartigen Beschuldigungen gelangten; sie konnten überhaupt nicht beweisen, daß es eine Verbindung zwischen den Explosionen und Lobsang Dhondup oder Tulku Tenzin Delek und ihrer angeblichen Verschwörung gab.
Trotz aller Appelle an das Höhere Volksgericht in Sichuan, die Todesstrafe aufzuheben, hielt das Gericht an dem früheren Urteilsspruch fest und vollzog die Hinrichtung Lobsang Dhondups am 26. Januar 2003. Dieser Urteilsspruch ist ein Verstoß gegen Chinas eigenes Strafrecht, das besagt, daß nur das Oberste Volksgericht eine Revision von Todesstrafen vornehmen oder sie bestätigen darf. Artikel 48 des Strafrechts sieht vor, daß "abgesehen von den Urteilen, die vom Obersten Volksgericht selbst gefällt werden, alle Todesurteile diesem zur Billigung vorgelegt werden müssen. Todesurteile mit einem Vollzugsaufschub von zwei Jahren können von einem höheren Volksgericht entschieden oder bestätigt werden". Artikel 199 des Strafverfahrensgesetzes gewährleistet, daß "Todesurteile durch das Oberste Volksgericht genehmigt werden müssen", und Artikel 202 schreibt vor, daß die Revision von Todesurteilen durch das Oberste Volksgericht sowie die Revision von Todesurteilen mit zweijährigem Aufschub durch ein höheres Volksgericht von einem jeweils aus drei Richtern bestehenden Ausschuß durchgeführt werden muß.
Ebenso wie Chinas gesetzliche Bestimmungen und Definitionen im bezug auf Begriffe wie "Staatsgeheimnisse" und "Gefährdung der Staatssicherheit" vieldeutig sind, findet man auch Widersprüche in der chinesischen Gesetzgebung, was die Revision von Todesurteilen und deren Bestätigung betrifft. Die das Oberste Volksgericht betreffende Klausel im "Gerichtsverfassungsgesetz", daß nämlich die Autorität für die Revidierung und Bestätigung von Todesstrafen an höhere Provinzialgerichte delegiert werden kann, steht in krassem Widerspruch zum Strafrecht und Strafverfahrensrecht [entspricht der Strafprozeßordnung]. Einerseits wurden sowohl das Strafrecht als auch das Strafverfahrensrecht vom Nationalen Volkskongreß verabschiedet und stellen daher grundlegende nationale Gesetze dar, andererseits wurde das "Gerichtsverfassungsgesetz" über das Oberste Volksgericht vom ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongresses verabschiedet und ist daher ein gewöhnliches nationales Gesetz. Nach Ansicht eines Professors der Pekinger Universität ist "die Rechtskraft des letztgenannten Gesetzes geringer als die des vorgenannten. Es ist zweifellos nicht verfassungsgemäß, wenn ein gewöhnliches Gesetz angewandt wird, das gegen ein grundlegendes Gesetz verstößt".
In einer Antwort des chinesischen Außenministeriums auf eine offizielle Anfrage der Europäischen Union (EU) zu dem Fall Tulku Tenzin Delek wurde dem deutschen Außenministerium mitgeteilt, daß der Tulku "im Chuandong Gefängnis im Distrikt Dazu in der östlichen Provinz Sichuan gefangen gehalten wird und bei guter Gesundheit ist". Das chinesische Außenministerium ließ weiterhin verlauten, daß das aufgeschobene Todesurteil "von dem Tag an gerechnet werde, an dem das Urteil rechtskräftig wurde, und in ein milderes Urteil umgewandelt werden könnte". Da die Urteilssprüche am 26. Januar 2003 gefällt wurden, läuft die zweijährige Aufschiebungszeit für Tulku Tenzin Delek am 25. Januar 2005 ab. Artikel 51 von Chinas Strafrecht besagt, daß ein Todesurteil in eine lebenslange Gefängnisstrafe umgewandelt werden kann, "wenn während der Periode der Aufschiebung" kein vorsätzliches Verbrechen von dem Häftling begangen wurde und "wenn dieser in lobenswerter Weise einen echten Dienst leistet, die Strafe in eine festgesetzte Haftzeit von nicht weniger als 15 Jahren und nicht mehr als 20 Jahren abgemildert werden kann".
Die Regierung in Peking argwöhnt, daß es zwischen dem Dalai Lama, dem tibetischen Buddhismus und dem politischem Aktivismus in Tibet einen Zusammenhang gebe. Aus dieser Furcht heraus hat Beijing alles darangesetzt, die Herzen und Gemüter der Tibeter umzuwandeln, es stößt dabei jedoch seit Jahrzehnten auf störrischen Widerstand und Ablehnung seitens der Tibeter. Chinas Strategien, um den tibetischen Buddhismus auszurotten und den Einfluß des Dalai Lama unschädlich zu machen, reichen von der tatsächlichen Zerstörung religiöser Einrichtungen in Tibet zwischen 1949 und 1979 bis hin zu der "patriotischen Umerziehungs-Kampagne", die 1996 gestartet wurde, dem Verunglimpfungs-Feldzug gegen den Dalai-Lama, der seit 1994 offiziell betrieben wird, und dem Vorgehen gegen einflußreiche religiöse Persönlichkeiten wie Tulku Tenzin Delek, den verstorbenen Khenpo Jigme Phuntsok, den vor kurzem freigelassenen Geshe Sonam Phuntsok, Chadrel Rinpoche und den XI. Panchen Lama Gedhun Choekyi Nyima.
Im Gefolge von Chinas Paranoia hinsichtlich des vermeintlichen Einflusses des Dalai Lama und eines Wiederauflebens des Nationalismus bei den tibetischen Buddhisten sind populäre religiöse Personen in den letzten Jahren verdächtigt und intensiv überwacht worden. Mehrere der führenden Lamas Tibets sahen sich wegen ihrer vermeintlichen Verbindung zu "spalterischen" Aktivitäten und ihrer Loyalität zum Dalai Lama schier unüberwindlichen Hindernissen und der Verfolgung durch die chinesischen Behörden ausgesetzt. Die Festnahme und Verurteilung von Tulku Tenzin Delek läßt vermuten, daß charismatische und einflußreiche religiöse Persönlichkeiten in Tibet von den Behörden als Bedrohung empfunden werden - gerade wegen ihrer Fähigkeit, Respekt und Vertrauen unter der Bevölkerung zu gewinnen.
Es wird allgemein angenommen, daß Tulku Tenzin Delek durch die Beschuldigungen fälschlicherweise einer Mittäterschaft bei den Sprengstoffattentaten bezichtigt wird. Der Tulku ist ein entschiedener Befürworter der Wiederbelebung und Wiederherstellung der tibetischen Kultur und Religion und hat sich aktiv für Werke sozialer Wohlfahrt engagiert. Die steigende Popularität des Tulku wegen seiner ausgesprochenen Treue zum Dalai Lama und seiner zahlreichen sozialen Leistungen - dem Aufbau von sieben Klöstern, eines Altersheims und einer Waisenschule im Kreis Nagchuka (chin. Yaijing Xian) im heutigen Sichuan - waren der Auslöser für Chinas Sorge um die "nationale Sicherheit". Wie es heißt, habe der Tulku auch den Kandidaten des Dalai Lamas für das Amt des Panchen Lama unterstützt.
Angesichts der vielen Beweise, die dem TCHRD zugingen, ist es der festen Überzeugung, daß Tulku Tenzin Delek unschuldig ist und vor der Hinrichtung, lebenslänglicher Gefangenschaft oder auch vor einer zeitlich begrenzten Inhaftierung bewahrt werden sollte. Als Menschenrechtsorganisation verurteilt das TCHRD die Todesstrafe, weil sie die allergrausamste, unmenschlichste und entwürdigendste Bestrafung überhaupt ist und eine Verletzung des grundlegenden Rechtes auf Leben darstellt. Tulku Tenzin Deleks Verfahren ist sowohl aus juristischer Sicht unfair als auch ungerecht wegen des Fehlens jeglicher Beweise, die ein so hartes Urteil rechtfertigen würden. Daher ersucht das TCHRD die Regierung in Peking dringend, von einer Hinrichtung und lebenslanger Gefangenschaft Tulku Tenzin Deleks abzusehen und ihn bedingungslos freizulassen oder ihm zumindest eine angemessene Wiederaufnahme des Verfahrens unter fairen Bedingungen mit den üblichen Rechtsmitteln und einer ordentlichen Verteidigung zu gewähren.
Anmerkung: Kopien dieser Broschüre zum Verteilen und für Kampagnen können beim TCHRD, e-mail dsala@tchrd.org, angefordert werden.
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Teil 8 |
Zwei der "Singenden Nonnen" aus Drapchi im Exil angelangt
Zwei der "14 Singenden Nonnen von Drapchi", Gyaltsen Dolker, 33, und Namdrol Lhamo, 39, sind am 22. Oktober 2004 in Nepal angelangt. Beide verbüßten 12jährige Haftstrafen im Drapchi Gefängnis, weil sie gegen die chinesischen Behörden protestiert hatten. Gyaltsen war am 21. März 2002 freigelassen worden. Damaligen Berichten zufolge soll sie zu diesem Zeitpunkt bei schlechter Gesundheit gewesen sein.
Gyaltsen wurde im Kreis Meldro Gungkar, Bezirk Lhasa, geboren. 1990 wurde sie zu vier Jahren Haft verurteilt, weil sie mit 12 anderen Nonnen aus dem Kloster Garu an einer friedlichen Demonstration teilgenommen hatte. Da sie zusammen mit 13 weiteren Nonnen während ihrer Haft Freiheitslieder aufgenommen hatte, wurde ihre Strafe1993 um acht auf 12 Jahre verlängert.
Namdrol Lhamo, alias Nyidron, wurde im September 2003 nach Vollendung ihrer Haftstrafe entlassen. Ihr Gesundheitszustand soll bei ihrer Entlassung ebenfalls schlecht gewesen sein. Zusammen mit zwei anderen Nonnen wurde Namdrol am 12. Mai 1992 wegen Aktivitäten für die Unabhängigkeit Tibets verhaftet und zu sechs Jahren Haft verurteilt. Wegen ihrer Beteiligung bei den Aufnahmen der Freiheitslieder im Drapchi Gefängnis erhielt sie sechs Jahre Strafverlängerung.
Tibetische Gewissensgefangene werden wegen ihres politischen Hintergrunds häufig von den Staatsorganen drangsaliert. Auch nach ihrer Haftentlassung verändert sich ihr Leben nicht, denn sie sind weiterhin durch "unsichtbare Ketten" gefesselt.
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Teil 9 |
Gefangenenportrait: Fünf Tibeter wegen Lang-Lebens-Gebeten für den Dalai Lama inhaftiert
Ende 2001 wurden im Distrikt Kardze, TAP, Provinz Sichuan, in 64 Dörfern und zwei Klöstern eine Reihe von Gebeten für ein langes Leben des Dalai Lama zelebriert. Die Gebetszeremonie, die im Nonnenkloster Gaden Choeling im Dorf Sershul ihren Anfang nahm, wurde nach ca. sechs Monaten vollendet.
Im Oktober 2002 erfuhren die Behörden von Kardze von den geheim abgehaltenen Zeremonien und vermuteten politische Motive dahinter. Infolgedessen wurden alle Personen, welche die Gebetszeremonien in den beteiligten Dörfern organisiert hatten, verhört. Jampa Sangpo, 41, Dorjee Phuntsok, 53, Namgyal, 35, und Choephel aus dem Dorf Shae, Distrikt Kardze, Tsering Dorjee, 42, aus dem Dorf Chulen Lago und Tsering Nyima, 26, aus dem Dorf Lhopa Sertok wurden als Verantwortliche für die in ihren Dörfern abgehaltenen Zeremonien identifiziert. Sie wurden alle zu Hause verhaftet und im PSB-Haftzentrum von Kardze festgesetzt. Der 30jährige Dargay, ein Mitglied der Mönchs-Tanzgruppe, wurde ebenfalls in Haft genommen.
Infolge der von den Behörden in allen beteiligten Dörfern zur Ermittlung weiterer für die Organisation der Zeremonien verantwortlicher Personen durchgeführten intensiven Nachforschungen flohen viele Menschen, darunter auch einige, die an den Zeremonien teilgenommen hatten, an andere Orte oder versteckten sich in den Bergen, um so der Verhaftung zu entgehen. Insgesamt wurden mehr als 20 Personen in Verbindung mit den Gebetszeremonien verhaftet.
Die inhaftierten Tibeter wurden während der Verhöre brutal geschlagen. Im April 2003 sprach der Mittlere Volksgerichtshof Kardze die Urteile über die Verhafteten. Dorjee Phuntsok, Jampa Sangpo, Namgyal Choephel, Tsering Dorjee und Tsering Nyima wurden zu dreijährigen Haftstrafen verurteilt. Dargay, der durch die ständigen Schläge in der Untersuchungshaft zum Krüppel geworden war, wurde mit der Auflage, 3000 Yuan Geldstrafe zu zahlen, zu seinen Angehörigen zurückgeschickt.
Die TAP Kardze ist in den vergangenen Jahren zu einer der politisch brisantesten Regionen Tibets geworden. Viele der dort lebenden Tibeter kamen wegen ihrer religiösen oder politischen Überzeugungen ins Gefängnis.
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