März 2005
Human Rights Update
March 2005

Inhalt


Version in pdf.
  1. Jamphel Jangchub nach 16 Jahren aus der Haft entlassen
  2. Website über tibetische Kultur kurzzeitig geschlossen, Chefredakteur verschwunden
  3. Ausschluß von Mönchen wegen Meinungsäußerung zur Zulassungsquote
  4. Familien müssen auf ihren Feldern Häuser für die "Stadtentwicklung" erbauen
  5. Keine China-Resolution bei der 61. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission
  6. Mönch nach dem Tod des Oberlamas des Klosters verwiesen
  7. Mönch wegen politischem Journal zu drei Jahren "Umerziehung-durch-Arbeit" verurteilt

Teil 1

Jamphel Jangchub nach 16 Jahren aus der Haft entlassen

Bestätigten Informationen zufolge wurde Jamphel Jangchub, ein Mitglied der "Zehnergruppe von Drepung", nach 16 Jahren und vier Monaten Haft im Gefängnis Drapchi um den 7. März 2005 herum freigelassen. Es heißt, der nunmehr 43 Jahre alte Jamphel leide auf Grund der in der Gefangenschaft erlittenen Folterungen und Mißhandlungen an Herz- und Nierenproblemen.

Hintergrundinformation

Jamphel Jangchub wurde in dem südlich von Lhasa gelegenen Kreis Toelung Dechen, TAR, geboren. Er besuchte drei Jahre lang die Grundschule und half danach seiner Familie bei der Feldarbeit.

1983 trat er in das Kloster Drepung in Lhasa ein. Gemeinsam mit 20 weiteren Mönchen bereitete Jamphel eine Demonstration gegen die chinesische Besetzung Tibets vor, wozu er drei tibetische Nationalflaggen malte. Die Demonstration dieser Gruppe am 27. September 1987 war die erste politische Protestaktion seit der chinesischen Invasion Tibets im Jahr 1959. Nachdem die Mönche den Barkhor (das ist der Markt, der den Jokhang-Tempel in Lhasa umgibt) dreimal umrundet hatten, gingen sie weiter zum Hauptsitz der TAR-Regierung. Als sie am Tor des Gebäudes ankamen, wurden die Mönche und weitere 38 Tibeter, die sich der Demonstration angeschlossen hatten, von Sicherheitsbeamten (Public Security Bureau) verhaftet und im PSB-Haftzentrum von Lhasa inhaftiert. Vier Monate später, am 22. Februar 1988, wurden sie auf Grund der Intervention des inzwischen verstorbenen Panchen Lamas sowie der wiederholten Appelle der Mönche aus den drei großen Klöstern Lhasa - Sera, Drepung und Gaden - aus der Haft entlassen.

Jamphel kehrte nach seiner Freilassung in sein Kloster zurück. Dort bildeten zehn der ursprünglich 21 Mönche eine geheime Organisation, die sogenannte "Zehnergruppe", um sich weiterhin für die Freiheit Tibets und die Menschenrechte des tibetischen Volkes einzusetzen. Die Gruppe brachte Plakate an, auf denen "Unabhängigkeit für Tibet" gefordert wurde, und verteilte tibetische Übersetzungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Die stets wachsamen chinesischen PSB-Beamten deckten ihre Aktivitäten jedoch auf und verhafteten sie der Reihe nach. In der Nacht des 8. Märzes 1989 wurde Jamphel zusammen mit anderen Mitgliedern der "Zehnergruppe" unmittelbar im Kloster verhaftet. Alle wurden in das PSB-Haftzentrum von Lhasa gebracht. In den darauffolgenden Tagen wurden weitere Angehörige der Gruppe verhaftet und ebenfalls im Haftzentrum festgehalten. Sie alle wurden während der Verhöre schwer geschlagen und gefoltert.

Am 28. November 1989 mußten sich ungefähr 1.500 Tibeter beim Sitz der Regierung in Lhasa versammeln, um bei der Verurteilung der Zehnergruppe dabei zu sein, weil man ein Exempel statuieren wollte, um andere von eventuellen Aktivitäten für die Freiheit Tibets abzuschrecken. Der Mittlere Volksgerichtshof Lhasa verurteilte Jamphel und die anderen Gruppenmitglieder zu Haftstrafen zwischen 5 und 19 Jahren. Jamphel Jangchub wurde wegen "Bildung einer konterrevolutionären Gruppe", "konterrevolutionären Aktivitäten" und "Ausspionieren von Geheiminformationen" zu 19 Jahren Haft und Aberkennung seiner politischen Rechte für fünf Jahre verurteilt. Jamphel und weitere Mitglieder der "Zehnergruppe" wurden im Januar 1990 ins Gefängnis Drapchi verlegt, um dort ihre Strafen zu verbüßen.

In Drapchi wurde Jamphel von den Vollzugsbeamten zu schwerer Arbeit gezwungen und gefoltert. 1993 bekam er wegen guter Arbeitsleistungen auf den Gemüsefeldern der Anstalt drei Jahre Strafmilderung. Nachdem er 16 Jahre und vier Monate im Gefängnis verbracht hatte, wurde Jamphel Jangchub am 7. März 2005 aus der Haft entlassen. Berichten zufolge leidet er auf Grund der jahrelangen Folterungen und Mißhandlungen an Herz- und Nierenproblemen.

Alle Mitglieder der "Zehnergruppe", mit Ausnahme ihres Anführers Ngawang Phulchung, wurden im Laufe der Zeit nach Verbüßung ihrer Haftstrafen freigelassen. Nur Ngawang sitzt gegenwärtig noch in Drapchi ein. Wenn er seine 19-jährige Haftstrafe im Jahr 2008 verbüßt hat, wird er 50 Jahre alt sein.

Teil 2

Website über tibetische Kultur kurzzeitig geschlossen, Chefredakteur verschwunden

Ende März 2004 wurde die Website für tibetische Kultur www.tibetcul.com vorübergehend abgeschaltet, der verantwortliche Herausgeber ist seither verschwunden.

Das China Information Center berichtete am 30. März 2005 über die Schließung der "Website Tibetische Kultur: "Die Website wurde von der Xueyu Zangren Cultural Exchange Co Ltd aus der nordwestchinesischen Provinz Gansu ins Netz gestellt und am 25. März von der Internet-Verwaltungsabteilung des PSB Lanzhou geschlossen." Es wird spekuliert, von Internetsurfern plazierte Texte über "heikle Themen" könnten zu der Schließung geführt haben. Der Chefredakteur und verantwortliche Herausgeber der Website, Tsewang Norbu, ist seitdem verschwunden. Nach massiven Protesten verschiedener Organisationen aus aller Welt wurde die Schließung rückgängig gemacht. Über den Verbleib von Tsewang Norbu ist indessen nichts bekannt geworden.

Peking betrachtet das Internet als Schlüsselinstrument für den Empfang, den Austausch und die Verbreitung abweichender politischer Informationen und Ideen. Deshalb haben die chinesischen Behörden seiner Überwachung und Kontrolle zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt. Peking hat bereits mehrere Millionen Dollar für ein landesweites Überwachungssystem ausgegeben und konnte Websites mit mutmaßlich gegen die Regierung gerichteten Inhalten erfolgreich blockieren.

"Reporter ohne Grenzen", eine internationale Organisation, die sich für die Pressefreiheit einsetzt, kritisierte bereits Ende 2003 die Pläne der chinesischen Behörden zur Errichtung eines landesweiten Überwachungssystems mittels streng kontrollierter Internetcafe-Ketten. Es wurde Überwachungs- und Kontrollsoftware in den Internetcafes installiert, womit sich die Behörden über die übermittelten Informationen auf dem Laufenden halten können. Im April 2004 führte die Abteilung des Public Security Bureau Lhasa für Internetsicherheit eine Pflicht-Registrierungskarte für Internetbenutzer ein. Alle Surfer müssen auf einem Formular ihre Ausweis- oder Bürger-Identifikationsnummer (chin. shen fen zheng) eintragen, bevor sie ins World Wide Web gehen dürfen. In Tibet ist es möglich, alle Informationen, durch welches Medium, ob Radio, Presse, Internet, Fernsehen oder Telefon, sie auch übermittelt werden, zu blockieren.

Das Recht auf Information bildet die Grundlage für mehrere andere grundlegende Menschenrechte. Bei ihrer ersten Sitzung im Jahr 1946 proklamierte die UN-Generalversammlung: "... die Informationsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht und der Prüfstein für all jene Freiheiten, denen sich die Vereinten Nationen verpflichtet fühlen". Das Recht auf Information ist ein integraler Bestandteil des Rechts auf Meinungs- und Redefreiheit.

Das TCHRD mißbilligt die zeitweilige Sperrung der Website "Tibetische Kultur" und fordert die Behörden dazu auf, das Recht von Tibetern und Chinesen auf Information zu respektieren sowie den freien Informationsfluß in jeglicher Form zu gestatten. Des weiteren verlangt das TCHRD, daß die chinesische Regierung den Aufenthaltsort von Tsewang Norbu bekanntgibt.

Teil 3

Ausschluss von Mönchen wegen Meinungsäusserung zur Zulassungsquote

Bereits seit Jahren schicken die chinesischen Behörden ihre Kader in die Klöster Tibets, um die Aktivitäten der Mönche zu kontrollieren und zu überwachen. Lobsang Tenzin und Thupten Nyima trafen Anfang März in Nepal ein und schilderten dem TCHRD, wie sich die Regierungskader in ihrem Kloster einmischten und alles kontrollierten.

"Im Kloster Ramoche in Lhasa haben auf Anordnung des Religionsbüros Lhasa zwei Kader auf Dauer Quartier bezogen. Obwohl sie die Klosterleitung selbst wählen, dürfen die Mönche nicht die Aktivitäten ihres eigenen Klosters bestimmen. Die von der Regierung eingesetzten Kader berufen Versammlungen ein und halten im Rahmen der Kampagne "liebe Dein Land, liebe Deine Religion" politische Schulungen ab.

Neue Mönche werden nur nach einer Prüfung zugelassen. Statt sie jedoch nach ihrem spirituellen Wissen zu befragen, wird ihre politische Einstellung überprüft. Durch die Fragen soll festgestellt werden, wie loyal die neuen Mönche gegenüber der Kommunistischen Partei Chinas sind. Wer bei diesem Loyalitätstest durchfällt, wird nicht als Mönch zugelassen.

2004 haben sich 70 Bewerber angemeldet. Bei der Prüfung wurden ihnen folgende Fragen vorgelegt: Stimmen Sie zu, daß gegen "separatistische" Gruppierungen hart vorgegangen werden muß? Wie kann Ihrer Meinung nach die Solidarität mit dem Mutterland erreicht werden? Was halten Sie von der Aussage, daß sich das Kloster selbst tragen soll, anstatt auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen zu sein? ... Bis auf 24 Anwärter verweigerten alle die Beantwortung dieser Fragen und wurden damit automatisch von der Zulassung ausgeschlossen.

Um den abgewiesenen Kandidaten dennoch die Zulassung zu ermöglichen, baten die gewählten Vorsteher des Klosters, Yeshi Lodoe und Drakpa Gyaltsen, die Regierungskader darum, deren Aufnahme dennoch zuzustimmen. Sie versuchten, die Regierungsleute davon zu überzeugen, daß das Zulassungsverfahren fairer und vernünftiger gestaltet werden müßte und nicht in Form des üblichen Tests in politischer Ideologie ablaufen sollte. Die Kader wurden sehr wütend, als sie das hörten, und es entspann sich ein hitziges Streitgespräch.

Am nächsten Tag wurden die 115 Mönche des Klosters zusammengerufen. Die Kader behaupteten, die von den Mönchen gewählten Vorsteher würden die Verwaltungsarbeit behindern und verwiesen sie des Klosters. Yeshi Lodoe und Drakpa Gyaltsen, beide ca. 30 Jahre alt, gehörten dem Kloster Ramoche schon lange an."

Viele Tibeter möchten gerne ihr Leben dem Studium des Buddhismus widmen, doch die Kader in den Klöstern machen ihnen ein friedliches Leben als Mönch sehr schwer. Jeder, der den von der Regierung aufgestellten Regeln nicht nachkommt und offen seine Meinung äußert, muß mit dem Ausschluß aus seinem Kloster, oder schlimmer noch, mit Inhaftierung rechnen.

Teil 4

Familien müssen auf ihren Feldern Häuser für die "Stadtentwicklung" erbauen

Chinas "Entwicklungsprogramm für den Westen" greift massiv in die Lebensumstände der Tibeter ein und bringt zahlreiche Veränderungen mit sich. Alte Gebäude werden abgerissen und Menschen werden umgesiedelt, um Platz für Staudämme zu schaffen, während die tibetische Bevölkerung andernorts zu Wiederaufforstungs- oder Bauarbeiten verpflichtet wird, um die Folgen früher getroffener, falscher politischer Entscheidungen zu übertünchen oder ungeschehen zu machen. Nach der Meinung der betroffenen Tibeter wird dabei nicht gefragt, was sie verwirrt und verunsichert.

Der aus dem Distrikt Chamdo stammende Maler Yungdung Lodoe, 33, traf am 10. Dezember 2004 in Nepal ein und schilderte dem TCHRD, wie die urbane Entwicklung in seinem Geburtsort betrieben wird.

"2002 wurde der tibetische Dorfvorsteher von Sarsa aufgefordert, von seinem Posten zurückzutreten, und ein Chinese wurde an seiner Stelle ernannt. Ende März 2002 wurden 30 Familien aus dem nahe Sarsa gelegenen Dawonang angewiesen, auf ihren Feldern zweistöckige Häuser zu bauen. Die Anordnung erfolgte im Rahmen des urbanen Entwicklungsplans, welcher den Ortschaften ein entwickeltes und modernes Erscheinungsbild verpassen sollte. Die betreffenden Familien teilten den Behörden mit, sie könnten keine Häuser auf ihren Feldern bauen, weil sie kein Geld dafür hätten und weil sie diese Äcker brauchten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Behörden bestanden jedoch auf der Durchführung ihrer Anordnung und rieten den Leuten, die Neubauten zu vermieten, um ihre Kosten zu decken. Außerdem sollte ein neues Gemeindeamt in dem Viertel gebaut werden, sagten sie. Ferner ließen sie wissen, alle diejenigen, die der Anordnung nicht nachkämen, würden als "Separatisten" eingestuft, schließlich "gehörten das Land und der Himmel ja der Kommunistischen Partei".

Den Tibetern blieb also keine andere Wahl, als sich der Anordnung der Behörden zu beugen und die Häuser auf ihren Feldern zu errichten. Jede der betroffenen Familien mußte für den Bau des Hauses an die 10.000 Yuan aufbringen. Manche der neben den Bauplätzen gelegenen Äcker wurden im Hinblick auf künftige Entwicklungspläne beschlagnahmt. Besonders vier Familien büßten sehr große Felder ein – es waren die Thagatsang, Kartsotsang, Sonam Tentsang und Khigetsang. Nachdem die Häuser fertiggestellt waren, brachen die Behörden jedoch ihr Wort und untersagten den Tibetern diese zu vermieten."

Um halbwegs anständig leben zu können, sah Yungdung sich gezwungen ins Exil zu gehen.

Teil 5

Keine China-Resolution bei der 61. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) bedauert, daß bei der UN-Menschenrechtskommission (UNCHR), die derzeit in Genf tagt, kein einziges Land eine Resolution zu Chinas Umgang mit den Menschenrechten einbringen wird. Am 17. März 2005 gab die US Regierung ihren Beschluß bekannt, bei der diesjährigen Kommission keine china-kritische Resolution vorzulegen.

Resolutionen bei den UN-Kommissionen sind effiziente Werkzeuge zur Kritik der Menschenrechtsbilanz von Ländern, welche die grundlegenden Menschen- und Freiheitsrechte ihrer Bürger verletzen. Allein schon die Tatsache, daß eine Resolution gegen ihr Land eingebracht wird, bedeutet für viele UN-Mitgliedstaaten bereits einen größeren Gesichtsverlust - besonders gilt dies für die VR China, die dem Aufbau eines guten Images ungeheuer großen Wert beimißt. Eine Resolution spricht immer für die schlechte Menschenrechtsbilanz eines Landes.

Dieses Jahr ist das zweite Mal innerhalb von drei Jahren, daß die USA es versäumten, bei der UN eine Resolution zur Verurteilung von Chinas Menschenrechtsverletzungen einzubringen. Seit 1990 scheiterten die Versuche der USA und europäischer Länder, eine Resolution zu China zu verabschieden, ausnahmslos an der massiven Lobbyarbeit und dem Druck der Chinesen. 1995 wurde eine derartige Resolution durch einen Nichtbefassungsantrag Chinas mit einer Stimme Mehrheit verhindert.

Der VR China hat es mit Hilfe der verschiedensten diplomatischen Taktiken und verfahrenstechnischen Tricks, sowie der Ausübung von gewaltigem politischem und wirtschaftlichem Druck geschafft, einer Rüge durch die UN-Kommission zu entgehen. Es gelang ihr, viele in der Entwicklung begriffene und bereits entwickelte Länder um sich zu scharen. Die Entscheidung der USA, vom Einbringen einer Resolution abzusehen, zeigt jetzt, daß es China letztendlich gelungen ist, auch noch die einzige Supermacht der Welt zu beeinflussen. Und es beweist wieder einmal, daß mächtige Nationen wie China die internationalen Menschenrechte sowie ihre eigenen Gesetze ungestraft verletzen dürfen.

Die Menschenrechtslage in Tibet ist weiterhin miserabel. Dies wurde von den meisten Beobachter-Organisationen bestätigt, und in jüngster Zeit sogar von dem Bericht des US State Department zu den Menschenrechten in China. Das TCHRD erhielt Kenntnis davon, daß seit Januar 2004 einundzwanzig Tibeter verhaftet wurden, denen friedliche politische Aktivitäten vorgeworfen werden. Weiterhin werden 145 Tibeter, deren Identität bekannt ist, immer noch in verschiedenen Gefängnissen in Tibet festgehalten, nur weil sie ihre grundlegenden Menschenrechte in Anspruch nahmen. Verbleib und Befinden des Panchen Rinpoche, Gedhun Choekyi Nyima, sind immer noch unbekannt. Viele bedeutende religiöse Persönlichkeiten werden wegen ihrer religiösen Überzeugungen und politischen Einstellung verfolgt. Tulku Tenzin Delek und Bangri Tsamtrul Rinpoche, zwei prominente religiöse Führungspersönlichkeiten aus Osttibet, verbüßen derzeit wegen ihnen unbewiesen zur Last gelegten Delikten lebenslange Haftstrafen, nachdem sie zuerst zum Tode verurteilt worden waren. China nahm im Oktober 2004 die Hartdurchgreif-Kampagne wieder auf, welche der Polizei unbegrenzte Autorität und die Befugnis gibt, gegen vermeintliche "separatistische" Aktivitäten von Tibetern scharf vorzugehen.

Die VR China lehnt jegliches multilaterale Verfahren zur Überprüfung ihres Umgangs mit den Menschenrechten strikt ab und geht einer Überführung bei der jährlichen Menschenrechtskommission in Genf geflissentlich aus dem Wege. Sie behauptet, solche Verfahren stellten eine Einmischung in ihre "inneren Angelegenheiten" dar. Sie gibt dem bilateralen Dialog über Menschenrechte den Vorzug, um es nicht zu einer möglichen öffentlichen Verurteilung ihrer Menschenrechtsbilanz bei multilateralen Foren kommen zu lassen. Doch die über die Jahre geführten bilateralen Gespräche haben bisher keinerlei Besserung der Menschenrechtslage in China, geschweige denn in Tibet, gezeitigt. Sie führten nur zur gelegentlichen Freilassung einiger prominenter politischer Gefangener, aber hielten China nicht davon ab, weiterhin die Menschenrechte zu verletzen. Derartige Freilassungen ändern nicht die Gesetze und die Praktiken, zu denen die chinesischen Behörden regelmäßig greifen, um Personen wegen der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlung und anderer grundlegender Rechte festzunehmen und in Haft zu halten.

Als eine Menschenrechtsorganisation möchte das TCHRD die internationale Gemeinschaft daran erinnern, daß China in Tibet immer noch schwere Menschenrechtsverletzungen begeht, welche die unmittelbare Aufmerksamkeit und Intervention der Vereinten Nationen und ihrer Mitgliedstaaten erfordern. Das TCHRD drängt die VR China, die grundlegenden Menschenrechte des tibetischen Volkes zu achten und sie durch geeignete gesetzliche Verfügungen und deren wirksame Umsetzung zu gewährleisten. Es ruft ferner die UN-Mitgliedstaaten dazu auf, sich wirksam dafür einzusetzen und politischen Druck auf China auszuüben, damit sich seine Menschenrechtsbilanz verbessert.

Teil 6

Vertreibung aus dem Kloster nach dem Tod des Oberlamas

Sonam Gyatso, 27, ein Mönch des Klosters Thoshar in der Gemeinde Samdo, Tibetisch Autonome Präfektur (TAP) Tsolho, Provinz Qinghai, berichtete dem TCHRD von der Einmischung der chinesischen Behörden in das Klosterleben nach dem Tod seines obersten Lamas:

“Ich komme aus einer Nomadenfamilie im Dorf Gonga, Gemeinde Samdo, TAP Tsolho. Mit sieben Jahren brachten meine Eltern mich in das Kloster Thoshar. Der Oberlama des Klosters, Yongzin Lobsang Khedup Rinpoche, war für die Mönche und zugleich für die in der Umgebung lebenden Tibeter das geistliche Oberhaupt gewesen. Ebenso stand er bei vielen Tibetern aus der Nachbarprovinz Gansu in hohem Ansehen. Darüber hinaus hatte er Anhänger in Hongkong, Taiwan, Japan, den USA, England und sogar in China. Der Rinpoche hatte das Kloster zu einem idealen Ort für das Studium und die Praxis des tibetischen Buddhismus gemacht. Er kam auch selbst für die Ausgaben des Klosters auf und ließ in allen zwölf zu Thoshar gehörenden Dörfern sowie in elf Dörfern der Gemeinde Samdo Grundschulen errichten. Zum Wohle der armen Tibeter ermöglichte er auch den Bau eines Krankenhauses, in dem die Behandlungskosten viel niedriger als in den staatlichen Krankenhäusern liegen.

Der Rinpoche verfügte über großen Einfluß bei der Bevölkerung, und die in den diversen Regierungsämtern tätigen Tibeter schätzten ihn hoch und waren ihm treu ergeben. Die chinesischen Offiziellen wollten jedoch über die Angelegenheiten des Klosters bestimmen und versuchten bei den verschiedensten Gelegenheiten, den Rinpoche am Lehren zu hindern. Als dessen Anhänger um eine Erlaubnis zur Abhaltung der Kalachakra-Zeremonie nachsuchten, verweigerten die Behörden diese unter dem Vorwand, sie gefährde die Sicherheit und Gesundheit der Teilnehmer. Die tibetischen Offiziellen übernahmen jedoch die Verantwortung und wandten sich an höhere Verwaltungsstellen, so daß die Zeremonie schließlich doch stattfinden konnte.

Am 1. Juni 2004 starb der Rinpoche im Alter von 77 Jahren. Etwa zwei Monate später wurde ein Meeting einberufen, an dem die acht führenden Lamas des Klosters sowie acht Regierungsbeamte von der Kreis- und Gemeindeverwaltung teilnahmen. Die Kader forderten, daß die Anzahl der Mönche von 600 auf 400 reduziert würde und alle Novizen unter 18 Jahren das Kloster verließen. Trotz aller Gegenargumente der Lamas wurde diese Anordnung durchgesetzt, und die überzähligen Mönche wurden entweder vertrieben oder in andere Klöster geschickt. Die Behörden begrenzten auch die Aufenthaltsdauer für ausländische Schüler des Rinpoche, die bisher lange bleiben und in Ruhe buddhistische Texte studieren konnten.

Ich wurde von der Klosterleitung nach Lhasa gesandt, um im Namen des Klosters für den Rinpoche Gebete darzubringen. Dort beschloß ich, nach Indien zu fliehen. Ich erreichte das Flüchtlingsauffanglager in Kathmandu am 17. März 2005.”

Teil 7

Portrait eines politischen Gefangenen: Mönch zu drei Jahren “Umerziehung-durch-Arbeit” verurteilt, weil er ein "politisches" Journal herausgab

Tashi Gyaltsen wurde 1964 im Dorf Yagel Hrongu geboren. In seiner Jugend studierte er tibetische Grammatik, Geschichte und Poesie. 1986 trat er in das Kloster Drakar Trezong ein. Von seinem Lehrer Kelsang Tsultrim Woeser Rinpoche wurde er zum Mönch ordiniert. Im Lauf der Jahre meisterte Tashi alle buddhistischen Texte und durchlief erfolgreich die fünf Disziplinen des tibetischen Buddhismus. 1993 wurde er als die Wiedergeburt von Kyabje Arol Dorjee Chang anerkannt.

Tashi war einer der Herausgeber des Klosterjournals Prachtvoller Glanz von Sonne und Mond” (tib: nyi da’i gzi byin). Die chinesischen Behörden betrachteten den Inhalt jedoch als politisch bedenklich, und am 14. Januar 2005 kamen Sicherheitsbeamte (Public Security Bureau) aus dem Kreis Tsegorthang und der TAP Tsolho ins Kloster. Tashi Gyaltsen wurde zusammen mit vier anderen Mönchen vom Herausgeberteam festgenommen und in das örtliche Haftzentrum des PSB gebracht. Dort wurde er wegen des Journals und den Gründen für dessen Veröffentlichung vernommen und dabei von den Beamten mit Stiefeln getreten und ins Gesicht geschlagen.

Nach 16 Tagen im Polizeigewahrsam verurteilte das Public Security Bureau der Provinz Qinghai ihn zu drei Jahren “Umerziehung-durch-Arbeit” (Administrativhaft). Tashi Gyaltsen verbüßt derzeit seine Strafe in einem Umerziehungslager im Kreis Hongdung in der Nähe von Xining.

Das 20 km südwestlich des Distrikts Tsegorthang gelegene Kloster Drakar Trezong beherbergt etwa 400 Mönche. Die chinesischen Behörden vermuten politische Aktivitäten in dem Kloster. Außer Tashi Gyaltsen und den vier kürzlich festgenommenen Mönchen wurden bereits im Juli 2002 sechs Mönche wegen Bildung einer Untergrundorganisation verhaftet.