Februar 2007
Human Rights Update

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Erneuter Fluchtversuch eines Überlebenden der Schüsse am Nangpa-Paß erfolgreich
EP und Kanada verabschieden Resolutionen zu Tibet
Richard Gere bittet Deutschland, China in Sachen Menschenrechte und Tibet zu mahnen
Portrait der ehemaligen politischen Gefangenen Ngawang Rigdol
Eisenbahn und Bergbau in Tibet - Interview mit einem jungen Mann aus Markham


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Erneuter Fluchtversuch eines Überlebenden der Schüsse am Nangpa-Pass erfolgreich

Am 30. September 2006 schossen Soldaten der Bewaffneten Chinesischen Volkspolizei (PLA) auf eine Gruppe tibetischer Flüchtlinge, die im Begriff waren, den die Grenze zu Nepal bildenden Nangpa-Paß zu überschreiten. Die 17 Jahre alte Nonne Kelsang Nortso starb im Kugelhagel und ein junger Mann Mitte 20 wurde angeschossen. 41 Angehörige der Gruppe schafften es nach Dharamsala zu kommen, während weitere 32 von den Chinesen festgenommen wurden.

Der 15jährige Jamyang Samten war einer der Festgenommenen, konnte jedoch bei einem zweiten Fluchtversuch nach Indien entkommen. Am 29. Januar 2007 traf er unbeschadet in Dharamsala ein und berichtete dem TCHRD über den Vorfall am Nangpa-La und seine Folgen.

"Ich heiße Jamyang Samten und stamme aus dem Kreis Jomda in der Präfektur Chamdo. Meine Familie zählt vier Personen, nämlich meine Mutter, meinen Bruder, meine Schwester und mich. Mit sechs Jahren kam ich auf die Grundschule in meiner Heimatgemeinde. Im Alter von zehn Jahren verließ ich die Schule wieder und verdingte mich um 300 Yuan monatlich bei der Dorfgemeinschaft als Hirte. Bei meiner Arbeit traf ich viele Menschen und einige von ihnen rieten mir, ich solle doch nach Indien gehen, wo ich Seine Heiligkeit den Dalai Lama sehen könnte und bessere Schulmöglichkeiten hätte. So entschloß ich mich, nach Indien zu fliehen. Ohne meiner Familie etwas zu sagen, reiste ich nach Lhasa und blieb eine Weile bei meinem Onkel, der ein Geschäftsmann ist. Nach zehn Tagen vertraute ich ihm an, was ich vorhatte. Er beschaffte mir einen Wegführer, dem er 5000 Yuan geben mußte. Als wir von Lhasa aus aufbrachen, bestand unsere Gruppe aus 75 Personen und zwei Führern.

Von Lhasa bis Shigatse benutzten wir ein Fahrzeug, danach gingen wir zu Fuß weiter. Als wir am 29. September an der Stelle ankamen, wo der Aufstieg zum Nangpa-Paß beginnt, wurde unser Mitflüchtling Lobsang Paljor aus dem Bezirk Kardze krank und konnte nicht mehr weitergehen. Deshalb beschloß einer unserer Führer, bei ihm zu bleiben, um ihm zu helfen; beide sollten später nachkommen. Wir gingen weiter, und als die Nacht hereinbrach, befanden wir uns kurz unterhalb des Nangpa-Passes. Es war eine helle Mondnacht, weshalb wir genau sehen konnten, wie die Soldaten in ihrem Lager auf der Lauer lagen.

Unser Führer meinte, wenn wir alle zusammen gingen, bestünde große Gefahr, daß die chinesische Polizei uns sehen könnte. Er würde mit der ersten Gruppe von 43 Personen vorausgehen und dann zurückkommen und den Rest holen, sagte er. Wir 32 warteten also unterhalb der schneebedeckten Berge auf die Rückkehr unseres Führers. Da traf unser Mitflüchtling Lobsang Paljor ein, aber sein Guide Jamyang war nicht bei ihm, er sagte, dieser habe ihn verlassen. Er wußte nicht, wohin er gegangen war. Wir warteten die ganze Nacht auf unsere Guides. Es war schon Morgen, als wir plötzlich Schüsse hörten und zwei Militärfahrzeuge vorbeifahren sahen. Wir machten uns große Sorgen um die Sicherheit der ersten Gruppe. Vor lauter Angst und Hilflosigkeit versteckten wir uns drei Tage lang in den Bergen. Dann entschlossen wir uns am Spätnachmittag weiterzugehen, da wir nichts mehr zu essen hatten und am Verhungern waren.

Kurz nachdem wir uns auf den Weg gemacht hatten, bemerkten wir einen Mann, der uns zuwinkte, wir sollten weiter heraufkommen. Wir nahmen irrtümlich an, es sei unser Guide und gingen in seine Richtung. Plötzlich feuerte der Mann zwei Schüsse auf uns ab. Unser erster Gedanke war, wegzurennen, aber wir waren so ausgehungert und erschöpft, daß wir einfach stehenblieben. In Nu kam eine Menge Soldaten den Berg heruntergerannt. Sie legten uns in Handschellen und führten uns in ihr Lager ab.

Eine Nonne aus der Gruppe der 41 Flüchtlinge, die vorausgegangen waren, wurde erschossen und ein junger Mann am Bein getroffen. Im Lager bekamen wir ein wenig zu essen und wurden dann ins Haftzentrum Dhingri (chin. Tingri) verfrachtet. Der Leichnam der Nonne wurde ebenfalls nach Dhingri gebracht, was weiter mit ihm geschah, weiß aber niemand.

Im Haftzentrum wurden wir drei Tage lang intensiv nach unseren Guides befragt und dabei geschlagen und gefoltert. Dann wurden wir in das nahegelegene Haftzentrum Shigatse verlegt. Dort quälten sie uns, indem sie uns zwangen mit einer Schüssel Wasser auf dem Kopf stillzustehen. Wenn immer die Schüssel umkippte, schlugen sie uns. Auf diese Weise wurden wir zehn Tage lang gefoltert. Nach dieser Tortur zwangen sie uns, während eines Monats zu den verschiedensten Arbeiten.

Nach einiger Zeit trafen Angehörige der Verhafteten ein und bemühten sich um ihre Freilassung. Wir hatten 13 Kinder und Jugendliche zwischen vier und 15 Jahren bei uns. Nach einem Monat wurden wir schließlich freigelassen. Bei unserer Entlassung wurde uns mit der Todesstrafe gedroht, falls wir noch einmal bei einem Fluchtversuch aufgegriffen werden sollten.

Wir gingen alle zusammen von Shigatse nach Lhasa und von dort aus in unsere Herkunftsorte. Ich begab mich wieder zur Wohnung meines Onkels in Lhasa. Nach ein paar Tagen gelang es mir, eine Reisegenehmigung von Lhasa nach Dram (einer geschäftigen Stadt an der tibetisch-nepalesischen Grenze) zu ergattern. In Dram bezahlte ich einem Nepalesen 3000 Yuan, damit er mich zum tibetischen Empfangszentrum in Kathmandu brächte. Im Dezember 2006 traf ich dort ein."

EP und Kanada verabschieden Resolutionen zu Tibet

Bei seiner Sitzung vom 15. Februar 2007 in Straßburg verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution zu Tibet, in der es seine Unterstützung für den friedlichen Weg des Dialogs zwischen China und der tibetischen Regierung im Exil bekräftigte. „Die Kommission hofft auf eine mit der chinesischen Souveränität und den Bedürfnissen der tibetischen Bevölkerung vereinbare Lösung der Tibetfrage, wobei der einzige Weg, um dieses Ziel zu erreichen, ein friedlicher Prozeß auf der Grundlage offener und direkter Gespräche ohne irgendwelche Vorbedingungen ist.“ Weiter fordert die Resolution „die Regierung der Volksrepublik China und den Dalai Lama ungeachtet ihrer unterschiedlichen Positionen zu bestimmten maßgeblichen Punkten auf, ihre Gespräche ohne Vorbedingungen wiederaufzunehmen und mit auf die Zukunft gerichtetem Blick fortzusetzen, um zu pragmatischen Lösungen zu gelangen, welche die territoriale Integrität Chinas respektieren und gleichzeitig dem Streben des tibetischen Volkes gerecht werden.“ Hieraus wird ersichtlich, daß sich das Europäische Parlament kontinuierlich für eine friedliche Lösung der Tibet-Frage durch Gespräche ausspricht.

Am selben Tag verabschiedete das kanadische Parlament bei seiner Sitzung in der Hauptstadt Ottawa ebenfalls eine Resolution zu Tibet. In der einstimmig angenommenen Entschließung werden „die Regierung der VR China und die Vertreter der tibetischen Exilregierung trotz ihrer unterschiedlichen Standpunkte zu dem historischen Verhältnis Tibets zu der territorialen Integrität Chinas aufgefordert, das Streben des tibetischen Volkes nach einen geeinten und wirklich autonomen Tibet zu erfüllen“. Eingebracht wurde der Antrag von Peggy Nash, einer Abgeordneten aus Toronto, und unterstützt wurde er von Senator Consiglio di Nino, dem Mitvorsitzenden der Parlamentariergruppe „Friends of Tibet“, als eine Initiative, die von anderen Parlamentariern in anderen Ländern in ihren eigenen Legislativen nachgeahmt werden könnte. „Die koordinierten Handlungen von demokratisch gewählten Gremien, die Hunderte von Millionen von Menschen vertreten, könnten ein beispielloses Maß an Solidarität schaffen, damit eine Lösung für Tibet auf dem Verhandlungswege realisiert werden kann“.

Richard Gere bittet Deutschland, China in Sachen Menschenrechte und Tibet ins Gewissen zu reden

Richard Gere, der anläßlich der alljährlichen Gala „Kino für den Frieden“ in der deutschen Hauptstadt weilte, drängte Deutschland, das derzeit das Präsidium sowohl der EU als auch des G-8 innehat, auf China wegen seines Umgangs mit den Menschenrechten und Tibet mehr Druck auszuüben.

Gere, ein langjähriger Verfechter der tibetischen Sache, sagte bei einer Pressekonferenz: „Dies ist ein Augenblick großer Chancen, nicht nur … um zu bestrafen, sondern um China nahezulegen, ein Teil der modernen Welt zu werden. Das Thema Tibet sollte bei den Diskussionen mit China niemals fehlen“.

Bob Geldof, ein Rocker und Aktivist im Kampf gegen Armut, der Gere begleitete, bekräftigte dessen Aufruf zum Handeln bezüglich Chinas: „Es ist die Aufgabe Deutschlands in diesem Jahr, das Privileg Deutschlands in diesem Jahr, China mit den internationalen Normen vertraut zu machen, deren Einhaltung von einem Land, das etwas auf sich hält, erwartet wird“.

Portrait der ehemaligen politischen Gefangenen Ngawang Rigdol

Die 33jährige Ngawang Rigdol, alias Yeshi Dolma, wurde in dem Dorf Yeje, Gemeinde Thangkya, Kreis Meldrogungkar, Bezirk Lhasa, geboren. Sie entstammt bäuerlichem Hintergrund. Wegen der ärmlichen Verhältnisse ihrer Familie mußten alle Kinder auf den Feldern arbeiten und hatten keine Möglichkeit zum Besuch einer Schule. Obwohl sie später Nonne im Kloster Garu wurde, konnte sie auch dort nicht die gebührenden religiösen Studien betreiben, weil das Kloster während der Kulturrevolution völlig zerstört worden war und lange Zeit nicht mehr aufgebaut wurde. Als Ngawang eintrat, lebten um die 50 Nonnen im Kloster. Sie waren hauptsächlich mit dem Wiederaufbau ihres Klosters beschäftigt, so daß ihnen nur wenig Zeit zum Studium der religiösen Texte blieb.

Ende der 80er Jahre, als die Tibeter in Tibet friedliche Demonstrationen veranstalteten und der Ruf nach Unabhängigkeit für Tibet überall ertönte, wurde Ngawang Zeuge, wie die chinesische Polizei diese Demonstrationen mit brutaler Gewalt zerschlug. Seit 1989 nahm sie an diversen Aktivitäten für die Unabhängigkeit teil, wurde aber damals noch nicht gefaßt.

Am 14. Juni 1992 wurde sie dann mit 10 weiteren Nonnen während eines Protests in Lhasa festgenommen. Die Nonnen hatten am Platz vor dem Potala für ein unabhängiges Tibet zu demonstrieren begonnen. Als sie die Lhukhang Straße erreichten, wurden sie von fünf Polizeiautos gestoppt und von den Beamten des PSB festgenommen. Diese warfen sie in die Fahrzeuge und brachten sie zu dem PSB-Haftzentrum der TAR in Lhasa. Eine Stunde lang wurden sie dort grausam geschlagen und dann in das PSB-Haftzentrum der Stadt Lhasa überführt.

Dort wurden sie mit Fragen bedrängt, währen sie mit dem Gesicht zur Wand strammstehen mußten. Ngawang erklärte sich als die Alleinverantwortliche für den Protest. Daraufhin kam sie in Einzelhaft, während ihre Gefährtinnen in eine Zelle im vierten Stock gesperrt wurden.

Ihr Kerker war völlig finster und es stank darin entsetzlich nach menschlichen Exkrementen und Urin. Drei Monate und 17 Tage wurde sie in Einzelhaft gehalten; zuweilen legten ihr die Gefängnisbeamten abends Photos vor und fragten, ob sie sich darauf wiedererkenne. Sie sagten dann, sie sei die Person auf dem Photo und begannen sie unter Schlägen zu vernehmen.

Infolge der schrecklichen Bedingungen in der Einzelhaftzelle, der Folterung und der mentalen Schikanen ließen ihr Seh- und ihr Hörvermögen nach und sie bekam ein Herzleiden. Trotz ihrer Gebrechlichkeit erhielt sie keine Behandlung im Gefängnis. Ngawang wurde später zu sechs Prostituierten in eine Zelle gelegt. Auch dort gingen die Verhöre weiter. Immer wieder wurde ihr die Frage gestellt, welche Organisation und welche Personen hinter ihrer Aktivität stünden.

Im Dezember 1993 wurden Ngawang und Lobsang Choekyi vor dem Mittleren Volksgericht von Lhasa als die Hauptschuldigen angeklagt und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Ihre Gefährtinnen erhielten Strafen von zwei bis fünf Jahren. Im Januar 1994 wurden sie dann in die Einheit No. 3 des Drapchi Gefängnisses verlegt. Damals befanden sich etwa 100 weibliche Häftlinge in der Einheit No. 3, die speziell für Frauen vorgesehen war.

In Drapchi mußte sie über ein Jahr lang die Abwasserabflüsse reinigen, wodurch ihre Gesundheit noch mehr Schaden litt. Obwohl sie drei Jahre lang im Gefängnis dahinsiechte, wurde sie nicht ärztlich versorgt. Trotz ihres Zustandes zwangen die Aufseher sie zur Arbeit. Während der monatlichen Verwandtenbesuche mußte sie von zwei Mitgefangenen gestützt werden, um zu dem Treffpunkt zu gehen.

Als ihre Angehörigen von ihrem schlechten gesundheitlichen Zustand erfuhren, brachten sie bei den monatlichen Besuchen Essen, Stärkungsmittel und Arznei mit, wodurch sich ihre Sehkraft und ihr allgemeiner Zustand ein wenig besserten. Ihre Eltern grämten sich dermaßen wegen der Folter und des großen Leids, das Ngawang im Gefängnis zu erdulden hatte, daß sie ziemlich bald starben. Trotz dieses persönlichen Verlustes und ihrer Leiden gab Ngawang ihren Kampf um Tibet niemals auf. Bei dem berühmten Gefängnisprotest in Drapchi von 1998 wurde sie so schwer geschlagen, daß ihre Hand ernstlich verletzt wurde.

Nach sechs Jahren Folter und Qualen in Drapchi wurde sie schließlich am 14. Juni 1998 nach Verbüßung ihrer Strafe entlassen. Sie begab sich sofort mit Hilfe ihrer Verwandten in ärztliche Behandlung. Später fand sie Arbeit als Straßenkehrerin in Lhasa. Nach wenigen Monaten wurde sie jedoch gefeuert, denn ihr Arbeitgeber, die Stadt, hatte herausgefunden, daß sie eine ehemalige politische Gefangene war.

Danach betrieb sie ein kleines Café im Stadtteil Tsemonling. Aber die Ortspolizei schöpfte Verdacht, daß in dem Café politische Themen diskutiert werden könnten, weil viele ehemalige Gefangene dort einzukehren pflegten. Sie wurde unter ständige Überwachung gestellt und mußte der Polizeistation jeden Monat Bericht über ihr Tun erstatten. Die Polizei setzte nun ihren Vermieter unter Druck, der sie schließlich zur Räumung des Cafés zwang. Da sie keine Möglichkeit mehr sah, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, verließ sich heimlich Lhasa und begab sich zum Berg Kailash, um dort ein kleines Restaurant zu starten. Sie konnte ein wenig Geld verdienen und fand auch einen Mann, den sie heiratete und der ihr in dem Café half. Der Ehe entsprang ein Baby.

Es wurde dem Ehepaar zur Auflage gemacht, sich jeden Monat bei der Polizeistation von Lhasa und Meldrogungkar zu melden. Als sie dort längere Zeit nicht gesehen wurden, begann die Polizei nach ihnen zu suchen und kam ihnen bald auf die Spur. Weil ihr die unmittelbare Verhaftung drohte, trat Ngawang im September 2006 mit ihrer Familie die Flucht ins Exil an. Im Oktober erreichte sie das Tibetan Reception Centre in Kathmandu und am 29. Dezember schließlich Dharamsala.

Eisenbahn und Bergbau in Tibet

Meng Xianlai, der Direktor von China Geological Survey (CGS) (Chinesisches Amt für geologische Forschung), verkündete am 24. Januar 2007 die Entdeckung von Bodenschatzvorkommen gewaltigen Ausmaßes auf dem Qinghai-Tibet-Plateau, darunter von auch Rohöl, Kupfer und vielen anderen Rohstoffen mit strategischer Bedeutung. Ausgehend von dem neuesten Bericht des Geologischen Forschungsamts ist anzunehmen, daß chinesische Geologen seit 1999 sechshundert neue Vorkommen von Kupfer-, Eisen-, Blei- und Zinkerzen auf dem Qinghai-Tibet-Plateau entdeckt haben.

Diese jüngste Verlautbarung von China Geological Survey über die Auffindung riesiger Bodenschatzreserven in Tibet klingt wie eine Bestätigung der seit langem von der tibetischen Exilregierung geäußerten Befürchtung über die Ausbeutung der reichen Naturschätze Tibets durch China. In der Vergangenheit hatten sich gewisse Fachleute nämlich skeptisch über Behauptungen geäußert, daß Tibet sehr reich an Mineralien und Rohöl sei.

Die Lager an Rohöl, Kupfer und Eisenerz haben einen Wert von 128 Mrd. $. Die neuen Funde sind eine Wohltat für die chinesische Wirtschaft, denn sie ist zu einem großen Maße von Rohstoffimporten abhängig. 2006 importierte China 326 Mio. Tonnen Eisenerz. Diese ungeheure Nachfrage nach Eisenerz führte zu einem Preisanstieg von 164% von 2004 bis 2006.

Die neue Eisenbahnlinie von Golmud nach Lhasa, die im Juli 2006 eröffnet wurde, gewinnt angesichts der jüngsten Entdeckung gewaltiger Rohstoffvorkommen in Tibet noch mehr an Bedeutung. Bisher war Tibet wegen seines bergigen Terrains und der mangelnden Transportmöglichkeiten ein schwer zugängliches Gebiet. Seit der Inbetriebnahme der Eisenbahn ist der Abbau der Bodenschätze durch China nicht mehr zu stoppen – rechtmäßig gehören sie aber dem tibetischen Volk!

Der wichtigste Punkt sind hier die Rechte der einheimischen tibetischen Bevölkerung, welcher das Land gehörte. Den Tibetern wird nicht nur der Gewinn aus den reichen Mineralreserven vorenthalten, sie werden auch noch von ihrem Grund und Boden und aus ihren Behausungen vertrieben, ohne dafür entschädigt zu werden. Seit der gewaltsamen Besetzung Tibets durch China 1959 werden die grundlegenden Menschenrechte des tibetischen Volkes in seinem eigenen Land verletzt. Ganz zu schweigen von den gesetzlichen Rechten, welche die tibetischen Bewohner auf ihre Naturressourcen haben, wurden sie im Dunkeln gelassen über die Bergbauaktivitäten an ihrem Wohnort und in ihrer Umgebung. Darüber hinaus zerstört der Bergbau die Umwelt auf vielfältige Weise und hat gesundheitliche Risiken für die ansässige Bevölkerung zur Folge. Das folgende Interview mit einem aus dem Kreis Markham stammenden Tibeter wirft ein Licht darauf, wie China die Ressourcen Tibets ausbeutet.

Interview mit einem jungen Mann aus Markham, wo im April 2005 siebzehn Menschen bei einem Bergwerksunglück ums Leben kamen

Der 24jährige Gyatso aus dem Dorf Bhotsa, Gemeinde Shedrong, Kreis Markham, TAR, der das tibetische Flüchtlingsauffanglager in Kathmandu im Dezember 2006 erreichte, berichtet über die Bergbauaktivitäten in seinem Heimatdorf in der Gemeinde Shedrong:

„Im Januar 2006 kamen um die 15 chinesische Geologen, um auf dem Berg Thaedhong, vor dem das Dorf Bhotsa liegt, nach Bodenschätzen zu graben. Nachdem sie den Berg gründlich untersucht hatten, gingen sie wieder weg. Kurz danach kamen die Geologen in zwei großen Fahrzeugen und brachten viele Maschinen und Geräte mit, die sie für die Suche nach Bodenschätzen benötigen. Sie nahmen einige Boden- und Steinproben von dem Berg für weitere Untersuchungen mit.

Völlig zerstört wurde der Berg Thaedhong dann im August 2006, als sie Dynamit einsetzten, um ihn zu sprengen. Etwa 80 Fuß tief wurden von allen vier Himmelsrichtungen aus Stollen vorgetrieben, und dann begannen sie die Erze abzubauen. Alle Arbeiter in dem Bergwerk sind Chinesen. Keinem einzigen Tibeter gaben sie einen Job in dem Bergwerk, obwohl es sich doch auf dem Gelände ihres Dorfes befindet. Die Tibeter ließ man nicht einmal in die Nähe des Abbaugebiets vor“.

Man nimmt an, daß täglich etwa 10 LKWs Erz von dem Berg abtransportiert haben. Die Dorfbewohner mutmaßten, daß diese Ladungen für die Industrie in Yunnan bestimmt sein könnten, denn sie wußten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was der endgültige Bestimmungsort des Erzes ist.

In der Nähe des Bergs Thaedhong wohnen etwa 28 Familien, von denen 16 ständig um ihn herum leben. Im September 2006 setzten die Lokalbehörden sie davon in Kenntnis, daß sie ihren Wohnort räumen und nach Dram in der Nähe der Grenze zu Nepal umziehen müßten. In der Bekanntmachung, die in einer der allgemeinen Sitzungen der Gemeindeverwaltung verlesen wurde, hieß es ferner, daß die Dorfbewohner so schnell wie möglich, noch vor dem Fristablauf im Januar 2007, verschwinden müßten. Viele Felder der Ortsansässigen wurden nach dem Beginn des Erzabbaus durch von dem Berg herabstürzende Felsen ruiniert. Auch in Zukunft wird sich diese Zerstörung fortsetzen.

Anfänglich, als der Berg von den Geologen der chinesischen Regierung untersucht wurde, appellierten die Dorfältesten an verschiedene Verwaltungsinstanzen, darunter auch auf Kreisebene, und flehten darum, daß die Bergbauaktivitäten in ihrer Gegend eingestellt würden.

Außerdem hatten die Dorfbewohner viele Male durch die Vermittlung von Lodoe, einem wichtigen Funktionär der TAR, der aus Tsadrong, Gemeinde Shedrong, Kreis Markham, gebürtig ist, bei den chinesischen Behörden vorgesprochen und darum gebeten, in ihrem Dorf keine Erze abzubauen. Doch all ihre Bitten wurden in den Wind geschlagen und der Bergbau ohne die Einwilligung der örtlichen Bevölkerung vehement begonnen. Der Berg Thaedhong ist jetzt durch den Abbau vollkommen ruiniert und die Umwelt in dieser Gegend ist zerstört.“