November 2007
Human Rights Update

Inhalt

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  1. Rongye Adrak und weitere Tibeter zu langen Haftstrafen verurteilt
  2. Chinesische Behörden schließen das Kloster Pangsa in Tibet
  3. Kommerzialisierung einer buddhistischen Pilgerstätte
  4. Dalai Lama erhält US-Gold Medaille - Tibeter zum Schweigen verurteilt, mehrere Personen festgenommen
  5. Mineralabbau und neue Autobahn in der Provinz Gansu
  6. Gebildete junge Tibeter leiden unter Arbeitslosigkeit
  7. Neue Erschwernisse für tibetische Angestellte im öffentlichen Dienst

Rongye Adrak und weitere Tibeter zu langen Haftstrafen verurteilt

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) in Dharamsala ist zutiefst empört über die heute erfolgte hastige Verurteilung Rongye Adraks und drei weiterer Tibeter durch das Mittlere Volksgericht von Kardze und mißbilligt auf das schärfste das äußerst harte gegen sie ergangene Urteil.

Rongye Adrak, der am 29. Oktober 2007 vom Mittleren Volksgericht von Kardze vierer „Verbrechen“, die von Störung der öffentlichen Ordnung bis zu Staatsgefährdung reichten, angeklagt wurde, ist einer dem TCHRD zugegangenen bestätigten Information zufolge heute zu acht Jahren Gefängnis mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für weitere vier Jahre verurteilt worden. Adruk Lopoe wurde zu zehn Jahren, Kunkhen (Jamyang Goinqen) zu neun Jahren und Lothok zu drei Jahren verurteilt.

Adruk Lopo
Kunkhyen

Am 29. Oktober war Rongye Adrak, in Handschellen gelegt, dem Mittleren Volksgericht von Kardze vorgeführt und von diesem für schuldig befunden worden. Heute wurde er unter der Anklage der „Aufhetzung zur Spaltung des Staates und der Untergrabung der Einheit des Landes“ sowie der „schweren Störung der öffentlichen Ordnung“ zu acht Jahren Gefängnis und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf vier Jahre verurteilt.

Adruk Lopoe, ein Neffe Rongye Adraks, bekam mit zehn Jahren Gefängnis unter der Anklage der „Verschwörung mit ausländischen separatistischen Kräften zur Spaltung des Landes und der Verteilung politischer Pamphlete“ die härteste Strafe. Kunkhen (Jamyang Goinqen), ein Künstler, der am 22. August willkürlich und ohne Angabe von Gründen von Organen des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) von Lithang festgenommen worden war, wurde wegen „spalterischer Aktivitäten“ zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Lothok, ein 36jähriger Nomade und Vater von fünf Kindern aus Lithang, erhielt von demselben Gericht eine Strafe von drei Jahren. Es gibt keine Information über den physischen Zustand dieser Männer, noch wohin sie nach Verkündung des Urteils gebracht wurden.

Rongye Adrak, ein 52jähriger Nomade und Vater von 11 Kindern, wurde nach seiner friedlichen Solo-Demonstration am 1. August 2007 bei den jährlichen Reiterspielen von Lithang in Kardze, „Tibetische Autonome Präfektur“ („TAP“), Provinz Sichuan, verhaftet. Nach Adraks Festnahme durch Beamte des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) von Lithang versammelten sich Hunderte von ortsansässigen Tibetern und Nomaden aus Lithang und Umgebung vor dem Haftzentrum des PSB, um ihre Solidarität mit Adrak zu bekunden und seine sofortige Freilassung zu fordern. Wenig später wurden sie von einem großen Kontingent paramilitärischer Kräfte in voller Kampfausrüstung unter Einsatz von Tränengas und Warnschüssen auseinandergetrieben.

„Am Abend des 21. August 2007 stürmten Kräfte des PSB und der Bewaffneten Volkspolizei (People’s Armed Police/PAP) von Lithang in großer Zahl plötzlich Adraks Heimatdorf Yonru Karshul, Kreis Lithang, ‚TAP’ Kardze, Provinz Sichuan, und nahmen mehrere seiner Neffen fest“. Nach Aussage unserer Quelle drangen die PSB- und PAP-Kräfte zuerst in Adraks Haus ein und fragten nach Adruk Lopoe, einem Mönch des Klosters Lithang, der den Appell für die Freilassung Adraks angeführt hatte. Da Adruk Lopoe nicht zu Hause war, nahmen die Sicherheitskräfte zwei seiner Brüder, Adruk Gyatso und Adruk Nyima, willkürlich fest und schafften sie gewaltsam in das örtliche PSB Haftzentrum. „Die Milizen von PSB und PAP durchsuchten das ganze Haus der Familie auf der Suche nach Beweismaterial zur Unterstützung ihrer Anklage.“

Unserer Quelle zufolge stellte sich der 45jährige Mönch Adruk Lopoe, nachdem er von der Festnahme seiner zwei Brüder erfahren hatte, wenige Stunden später dem PSB-Kreisamt von Lithang und erklärte dem diensthabenden Offizier, er sei die Person, die sie suchten, und sie sollten seine zwei Brüder jetzt freilassen. Ohne auf seine Bitte einzugehen, nahmen die PSB-Beamten auch ihn fest. Erst sechs Stunden später wurden Adruk Nyima und Adruk Gyatso wieder auf freien Fuß gesetzt. Adruk Lopoe, der sich mit Elan für die Ausbildung der Jugend einsetzte, ist auch ein engagierter Kämpfer gegen die Entwaldung, den Holzschlag und die Jagd von Wildtieren in seiner Heimat Kardze.

Auf die Protestaktion und die Verhaftung von Rongye Adrak hin starteten die chinesischen Behörden einen massiven Feldzug zur „patriotischen Erziehung“ in allen monastischen Institutionen von Lithang und sogar in jenen Dorfgemeinden, in denen einige Tibeter festgenommen worden waren, die sich offen gegen die Behörden gestellt hatten.

Das TCHRD stellt die Integrität des chinesischen Gerichts in Frage, das tibetische Nomaden zu langen Haftstrafen verurteilt hat, nur weil sie gewaltlos ihre grundlegenden Menschenrechte wahrnahmen und den Wünschen der Tibeter in Tibet auf völlig friedliche Weise Ausdruck verliehen. Die Tatsache, daß das Mittlere Volksgericht von Kardze sein Urteil nur dreieinhalb Monate nach der Festnahme der Beschuldigten sprach, zeigt eindeutig, daß das ganze Justizverfahren summarisch und willkürlich war.

Das TCHRD wendet sich schärfstens gegen die Verurteilung von Rongye Adrak und der drei anderen Tibeter, denn indem sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung wahrnahmen, verstießen sie weder gegen die Verfassung noch die Gesetze Chinas. Das TCHRD ist tief besorgt um das Schicksal von Rongye Adrak, Adruk Lopoe, Kunkhen und Lothok and ersucht die Regierungen in der ganzen Welt wie auch die internationale Gemeinschaft um sofortige Intervention. Da diese Nomaden nichts weiter getan haben, als daß ihre Meinung und ihre Gedanken frei zum Ausdruck gebracht und ihre grundlegenden Menschenrechte gewaltlos wahrgenommen haben, appelliert das TCHRD an die chinesischen Behörden, sie bedingungslos freizulassen.

Angesichts des Überhandnehmens summarischer Gerichtsprozesse und Verurteilungen an chinesischen Gerichten drängt das TCHRD die chinesischen Behörden, Rongye Adrak und den mit ihm Verurteilten eine Wiederaufnahme ihres Verfahrens unter fairen Bedingungen mit angemessener gesetzlicher Vertretung zu gewähren und sich dabei an alle nationalen und internationalen rechtlichen Normen zu halten.

Chinesische Behörden schliessen das Kloster Pangsa in Tibet

Einer zuverlässigen Information zufolge, die dem Tibetischen Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) zuging, haben die Kreisbehörden von Meldrogongkar (Bezirk Lhasa, „Tibetische Autonome Region“/“TAR“) das im selben Landkreis gelegene Kloster Pangsa vorübergehend geschlossen.

Das Kloster Pangsa gehört der Sakya-Schulrichtung des tibetischen Buddhismus an. Es ist berühmt wegen einer besonderen Reliquie, dem mumifizierten Körper des Yogi Jampal Gyatso, welcher einen hohen Grad der Verwirklichung erreicht hatte. Je Tsongkhapa Chenpo (1357–1419), der große Meister und Gründer der Gelugpa Schule des tibetischen Buddhismus, brachte diese Reliquie aus seinem Geburtsort Tsongkha in der Provinz Amdo mit, als er im 14. Jahrhundert nach Lhasa kam. Seit jener Zeit wird die Statue des Yogi im Kloster Pangsa als dessen Hauptreliquie verehrt.

Bei seinen religiösen Belehrungen in Indien soll der Dalai Lama des öfteren vor tibetischen und westlichen Buddhisten von der Bedeutung dieser Reliquienstatue und dem Segen, den sie den Gläubigen bringe, gesprochen haben.

Seit der Dalai Lama die Bedeutung der Reliquienstatue hervorgehoben hat, strömten Tausende von Pilgern aus allen Teilen Tibets zum Kloster Pangsa, um den Segen von dieser Reliquie zu empfangen. Zwischen August und September 2007 sollen täglich um die 40 LKWs Gläubige und Pilger zur Reliquienstatue gebracht haben. In den letzten Monaten ist die Zahl der Gläubigen, die das Kloster Pangsa wegen der Reliquienstatue aufsuchten, beträchtlich angestiegen.

Der nicht abreißende Strom tibetischer Pilger zu dem Kloster weckte die Aufmerksamkeit und das Mißfallen der chinesischen Behörden. Als Standardmaßnahme pflegt die chinesische Regierung die Ansammlung einer größeren Zahl tibetischer Buddhisten zu unterbinden, um das tibetische Volk und dessen Religionsausübung unter strenger Kontrolle behalten zu können.

Vor allem in jüngster Zeit, im Vorfeld zu den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking, hat die chinesische Regierung den Tibetern, besonders denen in der „TAR“, Restriktionen auferlegt, wie man sie noch nie erlebt hat. Der Umstand, daß tibetische Gläubige zu Tausenden zu dem Kloster strömten, veranlaßte China, das größere Ansammlungen von Tibetern an einem Ort notorisch fürchtet, in der zweiten Oktoberwoche 2007 das Kloster Pangsa zu schließen.

Das TCHRD bringt seine tiefe Besorgnis über diese ungeheuerliche Verletzung des Rechtes der tibetischen gläubigen Buddhisten auf ihre Religions- und Glaubensfreiheit zum Ausdruck. Die buddhistische Kultur ist ein integraler Bestandteil der Kultur und Lebensweise des tibetischen Volkes, und die Verhängung derartiger Restriktionen widerspricht dem Geist der chinesischen Verfassung, in der allen Bürgern das Recht auf Religionsausübung und Glauben garantiert wird.

Das TCHRD appelliert an die chinesischen Behörden, die Anordnung zur Schließung des Pangsa Klosters sofort aufzuheben und den tibetischen Gläubigen die Ausübung ihrer Religion zu gestatten.

Kommerzialisierung einer buddhistischen Pilgerstätte

Donkar Kyab aus dem Dorf Sarum, Gemeinde Karma, Kreis Dzoege, Tibetisch-Autonome Präfektur Ngaba, Provinz Sichuan, berichtete dem TCHRD vom Bau einer neuen Straße in der Präfektur Ngaba, die direkt am Kloster Kirti vorbeiführen wird und deren Zweck es ist, diesen berühmten Pilgerort in eine Touristenattraktion zu verwandeln.

Nach Donkar Kyabs Aussage liegt oberhalb des Klosters Kirti an einem felsigen Abhang eine Einsiedelei namens Taktsang (Tigerhöhle), welche die Tibeter aufsuchen, um zu beten und sich von dem Lama dort segnen zu lassen. Alljährlich zieht diese Pilgerstätte Tausende von Gläubigen an.

Unlängst faßten die chinesischen Behörden den Plan, aus kommerziellen Gründen diesen heiligen Ort in eine Touristenattraktion umzuwandeln. Da die Höhle ziemlich weit oben liegt, muß sie mittels einer Straße für Touristen zugänglich gemacht werden.

Der Entwurf für den Bau dieser Straße zeigt, daß sie ganz nahe am Kloster Kirti verlaufen wird. Als die Baupläne bekannt wurden, erhoben etwa 700 Mönche des Klosters Einspruch gegen dieses Vorhaben der Behörden. Sie brachten ihre Besorgnis über die negativen Auswirkungen, die der Bau einer Straße auf das Kloster haben wird, zum Ausdruck.

Donkar Kyab erzählte weiter, daß die Beamten des Büros für Öffentliche Sicherheit (Public Security Bureau) der Präfektur Ngaba im April die leitenden Mönche des Klosters Kirti zu einer Besprechung einbestellt hätten. Dabei informierten sie sie über das neue Projekt und daß die in Aussicht genommene Straße direkt neben dem Kloster Kirti verlaufen würde.

Die Mönche äußerten ihre Bedenken: Wenn die Straße erst einmal gebaut ist, würden neben ihr lauter Restaurants, Läden und Hotels wie Pilze aus dem Boden schießen, wonach es mit der stillen und ursprünglichen Atmosphäre des Klosters vorbei sei und die Mönche  bei ihrem Studium und ihrer Meditation erheblich gestört würden.

Als Reaktion auf die Einwände der Mönche erhoben sich die Sicherheitsbeamte und schrieen sie an: „Wir alle sind Bürger der Volksrepublik China. Um unserer nationalen Sicherheit und Entwicklung willen bestimmen wir das Geschehen in den religiösen Institutionen. Religion bringt keinen Fortschritt und keinen Wohlstand. Religion ist Gift. Unser Mutterland China hätte sich nicht so rasch entwickelt und die Ära des Wohlstands und der Moderne betreten, wenn wir an den alten abergläubischen Vorstellungen der Religion festgehalten hätten. Ihr Leute seid immer noch Gefangene des alten Tibets und habt die Weltanschauung des Sozialismus noch nicht begriffen“.

Trotz des heftigen Widerstands der Mönche erklärten die PSB-Offiziellen, daß die neue Straße wie geplant gebaut würde. Sie fügten warnend hinzu, daß alle, die dieses Projekt behinderten, festgenommen und schlimmen Folgen entgegenblicken würden.

Die lokalen chinesischen Behörden wollen die heilige Pilgerstätte in einen Touristenpark umwandeln, sie wollen Läden, Restaurants und einen Picknick-Park anlegen. Um ihr Vorhaben umzusetzen, planen sie, Hunderte oder gar Tausende von hui-chinesischen Wanderarbeitern herbeizuholen. Bereits jetzt betreiben einige hui-chinesische Neusiedler in unmittelbarer Nähe des Klosters Kleider- und Lebensmittelgeschäfte.

Wie man an anderen größeren Infrastruktur-Projekten in tibetischen Gebieten gesehen hat, bringen diese der örtlichen tibetischen, größtenteils aus Nomaden und Bauern bestehenden Bevölkerung kaum einen wirtschaftlichen Vorteil. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß das aus dem Projekt fließende Geld von den Behörden und jenen, die in die Spekulationsobjekte investierten, eingesteckt wird.

Dank des ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwungs in China können seit einiger Zeit Tausende und Abertausende reicher chinesischer Buddhisten Jahr um Jahr die Pilgerstätten Tibets besuchen. Viele dieser Orte sind zu Touristenattraktionen geworden, die jedes Jahr Millionen von Yuan an Gewinn abwerfen.

Hier haben wir ein weiteres Beispiel für die Brutalität der Partei und ihre Rücksichtslosigkeit gegenüber den religiösen Überzeugungen und den Gefühlen der einheimischen Tibeter. Diesen wird das ihnen zustehende Recht auf Selbstbestimmung genommen, auch bei den Entscheidungsprozessen haben sie kein Mitsprachrecht. Im vorliegenden Fall wurden die verzweifelten Bitten der Mönche des Klosters Kirti in den Wind geschlagen: Trotz der entschiedenen Einwände der tibetischen Bevölkerung ziehen die Behörden ihr Vorhaben eiskalt durch.

In ähnlicher Weise wurde ein Areal altehrwürdiger heißer Quellen in der Gemeinde Khumtsar, Kreis Dzoege, Präfektur Ngaba, von den Lokalbehörden verstaatlicht, weil unzählige Touristen den Ort aufzusuchen und in den als heilkräftig geltenden Quellen zu baden pflegten. Seit Jahrhunderten pilgern die dort ansässigen Tibeter zu den heißen Quellen, um bei gewissen Leiden Heilung zu suchen.

Die chinesische Regierung hat sowohl für einheimische und als auch für von auswärts kommende Besucher der heißen Quellen strenge Regeln erlassen. Sie erhebt nun Eintrittsgeld für das Baden, wobei Ortsansässigezwei Yuan pro Person, Besucher aus Gemeinden und Landkreisen fünf Yuan und Touristen aus westlichen Ländern und aus China 15 Yuan entrichten müssen.

Dalai Lama erhält US-Gold Medaille – Tibeter zum Schweigen verurteilt, mehrere Personen festgenommen

Einer bestätigten Mitteilung zufolge, die dem Tibetischen Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) zuging, wurden ein Mönch aus dem Kloster Drepung, fünf Personen aus dem Kloster Labrang Tashikyil und zwei weitere aus der Präfektur Kardze festgenommen, weil sie trotz scharfer Restriktionen und Verwarnungen von chinesischer Seite die Verleihung der Gold-Medaille des US-Kongresses an den Dalai Lama feiern wollten.

Hunderte von Tibetern in Festtagskleidung versammelten sich am frühen Morgen des 17. Oktober an der Lingkhor Straße und am Barkhor [die traditionellen Pilgerrundwege] in Lhasa zum traditionellen Sangsol-Ritual, bei dem Räucherwerk verbrannt und Tsampa in die Luft geworfen wird, was Erfolg und Glück bringen soll. Sie suchten in großer Zahl Tempel auf, um ihre Gebete darzubringen, obwohl die Behörden im Vorfeld zur Auszeichnung des Dalai Lama mit der Gold-Medaille des US-Kongresses schwere Restriktionen erlassen und spezielle Überwachungsmaßnahmen getroffen hatten. Dort, wo sich Leute aus allen Gesellschaftsschichten zu einer Art Picknick versammelt hatten, um das Ereignis zu feiern, soll eine festliche Atmosphäre geherrscht haben, wurde aus Tibet berichtet.

Schon einen Tag zuvor, am 16. Oktober, hatten Dutzende von Mönchen des Klosters Drepung begonnen, als Ausdruck ihrer Freude über die Entscheidung des US-Kongresses, dem Dalai Lama die höchste zivile Ehrung zuteil werden zu lassen, die Halle, die die ihm gewidmet ist, neu zu tünchen. Die Behörden untersagten ihnen jedoch dieses Tun. Als die Mönche am Morgen des 17. Oktober glückbringende Symbole an die Wände innerhalb des Klosters malten, schritten die Sicherheitskräfte (Public Security Bureau) ein, um dies zu unterbinden, was zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen den Mönchen und den Polizisten führte, bei der ein Mönch eine Kopfverletzung davontrug. Es wird auch berichtet, daß ein Mönch von Drepung während der Feier der Auszeichnung festgenommen wurde.

Ein riesiges Aufgebot chinesischer Soldaten im Drepung-Kloster, um eventuelle Unruhen sofort niederzuschlagen

Einem Bericht zufolge umstellte ein großes Kontingent von etwa 3000 bewaffneten Polizisten das Kloster Drepung, um es rund um die Uhr zu bewachen. Niemand durfte das Kloster betreten oder verlassen. Zudem gab es strenge Kontrollen an der westlichen Einfahrtsstraße nach Lhasa, um den Personenverkehr einzuschränken. Ähnlich restriktive Maßnahmen sollen auch in dem unterhalb des Klosters Drepung gelegenen Kloster Nechung sowie im Kloster Sera im Norden der Stadt getroffen worden sein.

Wie aus Quellen aus Tibet verlautet, hatten die Behörden ein großes Aufgebot an Kräften der bewaffneten Volkspolizei und des Büros für Öffentliche Sicherheit an den größeren Straßen der Stadt stationiert, besonders an dem berühmten Barkhor-Pilgerweg. Zusätzliche Überwachungskameras wurden rund um die Stadt angebracht, um die Menschen zu identifizieren, die kamen, um am Sangsol-Ritual (Verbrennung von Räucherwerk) teilzunehmen, und um festzustellen, ob sich auch tibetische Regierungsangestellte unter ihnen befinden, denen die Teilnahme an religiösen Aktivitäten untersagt ist.

Bei einem ähnlichen Vorfall in Amdo wurden im Kloster Labrang Tashikyil im Kreis Sangchu, „Tibetische Autonome Präfektur“ („TAP“) Kanlho, Provinz Gansu, ein Mönch und vier Laientibeter festgenommen. Sie feierten die Ehrung des Dalai Lama mit dem Sangsol-Ritual und dem Abbrennen von Feuerwerkskörpern. Weiter wurde von der Festnahme von zwei Tibetern aus dem Dorf Othok, Kreis Lithang, „TAP“ Kardze, am 17. Oktober berichtet, die aus gegebenem Anlaß Gebetsfahnen aufzogen und das Sangsol-Gebet für den Dalai Lama darbrachten. Das TCHRD konnte ihre Identität noch nicht feststellen, wird jedoch die Lage in Tibet und das weitere Schicksal der in diesem Zusammenhang von den chinesischen Behörden Festgenommenen im Auge behalten.

Das Zentrum hatte schon vor der Verleihungszeremonie über die Verhängung schwerer Restriktionen und erhöhte behördliche Wachsamkeit berichtet. Trotz aller Verbote und Überwachungsmaßnahmen jedoch riskierten Tibeter in allen drei traditionell tibetischen Provinzen Festnahme und Inhaftierung, indem sie den Tag mit Gebet und Festlichkeiten begingen. In den entlegenen Gegenden Tibets wurde dieser Tag weniger gefeiert, anders dagegen in den größeren Ortschaften und Städten, wo die Behörden durch diverse Verbote die Feierlichkeiten zu verhindern suchten.

Das Resultat dieser verstärkten Sicherheitsmaßnahmen und Restriktionen ist die Verletzung der grundlegenden Menschenrechte des tibetischen Volkes: Menschen, die zu Ehren ihres geistlichen Oberhaupts des Dalai Lama Gebete darbringen und feiern wollten, wurden willkürlich festgenommen. Das TCHRD bringt seine tiefe Besorgnis über den Verbleib und die Lage der Verhafteten zum Ausdruck und verurteilt auf das entschiedenste diese neuerliche Verletzung der grundlegenden Menschenrechte des tibetischen Volkes, die sowohl von der chinesischen Verfassung als auch von den bedeutenden internationalen Menschenrechtsverträgen, denen China beigetreten ist, garantiert werden.

Mineralabbau und neue Autobahn in der Provinz Gansu

Lobsang Tendhar, 27, ein Mönch aus der Gemeinde Kharma, Kreis Dzogen, TAP Ngaba, berichtete dem TCHRD vom Bau einer neuen Straße von Lanzhou nach Chengdu in Sichuan.

Seit über zehn Jahren wird nun schon unter Aufsicht des chinesischen Militärs an einer vierspurigen über 1000 km langen Fernstraße gebaut, die Lanzhou im nordöstlichen Amdo mit Chengdu, der Hauptstadt Sichuans, verbinden soll. Diese Straße führt zur Zeit durch die Provinz Gansu, den Kreis Dzogen und endet in Chengdu.

Die chinesische Regierung hat Milliarden für dieses Autobahnprojekt bereitgestellt, das bis Ende 2007 abgeschlossen sein soll. Der Zweck der Anlage einer solchen Straße ist angeblich, den Fortschritt nach Tibet zu bringen, doch in Wirklichkeit dient sie vornehmlich den strategischen Interessen Chinas, das Militärausrüstung und Truppen schnell nach Tibet transportieren und gefährliche Nukearabfälle auf tibetischem Boden entsorgen will.

Da diese Straße die traditionellen Weidegründe durchschneidet, entstehen den tibetischen Bauern und Nomaden erhebliche Einbußen bei der Erwirtschaftung ihres Lebensunterhalts. Die Regierung hat zwar Entschädigungen von 50.000 Yuan pro Haushalt in Aussicht gestellt, aber die tibetischen Bauern und Nomaden bekamen infolge des korrupten und erpresserischen Verhaltens der Lokalbehörden am Ende nur einen lächerlichen Betrag von 10.000 Yuan.

Der betreffende Streckenabschnitt erfordert die Anlage eines zwei km langen Tunnels durch einen Berg. Dieser Berg namens Lago ist den Tibetern heilig. Als diese von den Bauplänen hörten, richteten sie wiederholt schriftliche Gesuche an die Lokalbehörden, sie möchten von ihrem Vorhaben absehen, einen Tunnel durch ihren heiligen Berg zu treiben. Letztere stellten sich jedoch taub für die Bitten der Tibeter und kränkten sie überdies, indem sie ihnen auf empörende Weise erklärten, der Berg gehöre der Volksrepublik China und nicht der einheimischen Bevölkerung.

Während der Tunnel im Bau war, wurden Soldaten um den Berg herum stationiert, um den Tibetern das Betreten der Baustelle zu verwehren. Später wurde den Tibetern klar, daß der Bau des Tunnels nur als Vorwand diente, um sie zu täuschen und den Abbau von Bodenschätzen in dem Berg vor ihnen zu verheimlichen. Dieser birgt nämlich reiche Lager diverser Mineralien, welche nun erschlossen werden sollen.

Lobsang Tendar sagte, die chinesische Regierung habe kein Verständnis für die Lebensweise der einheimischen Tibeter und setze sich rücksichtslos über deren Gefühle hinweg. Die Fernstraße werde in unmittelbarer Nähe des Klosters Khangsar gebaut. Im Sommer feiern Tibeter, die aus den Gegenden von Tawo, Hai, Ngawor, Ngor und Ghakor kommen, auf dem weiten Grasland um das Kloster Khangsar Picknicks und veranstalten Pferderennen. Sie suchen dieses Kloster auch häufig während religiöser Zeremonien und Rituale auf. Eine Autobahn in nächster Nähe des Klosters stellt daher eine potentielle Gefahr für Pilger dar, die während der Festzeiten zu Fuß angereist kommen.

Gegenwärtig ist es den Tibetern in der Gegend verboten, auf den Berg zu steigen, weil dies angeblich wegen Erdrutschgefahr zu riskant für sie sei. In Wirklichkeit jedoch sollen sie nichts von dem hektisch betriebenen Bodenschatzabbau in dem Berg merken.

Hier haben wir ein weiteres typisches Beispiel dafür, wie die Chinesen den Tibetern ihre fundamentalen Menschenrechte verweigern und sich über ihre hergebrachten Bräuche grob hinwegsetzen. Letzten Endes wird der Bau der Autobahn den einheimischen Tibetern, die ja eigentlich die von all den Entwicklungsprojekten der Chinesen Begünstigten sein sollten, keinerlei Nutzen bringen. Diese Straße dient nur China zur Verwirklichung seiner langfristigen Pläne für Tibet und zur Ausbeutung der reichen Ressourcen für seine rohrstoffhungrige Wirtschaft.

Gebildete junge Tibeter leiden unter Arbeitslosigkeit

Sonam Choetso, eine 22jährige Studentin aus dem Dorf Padur, Gemeinde Maro, Distrikt Nyachuka, TAP Kardze, erzählte dem TCHRD unlängst von dem großen Problem der Arbeitslosigkeit, dem sich die jungen tibetischen Absolventen von Hochschulen und Colleges gegenübersehen.

Sonam Choetso entstammt einer bescheidenen Bauernfamilie. Ihr Wunsch zu studieren, ließ sich wegen der finanziell prekären Lage der Familie nicht realisieren. Die hohen Studiengebühren konnte sie sich nicht leisten, weshalb Sonam Choetso ihre Ausbildung abrechen mußte. Schließlich beschloß sie nach einer Stelle zu suchen, aber selbst das stellte sich als ein sehr schwieriges Unterfangen heraus.

So war sie eine zeitlang arbeitslos, ehe sie in das Tibetan Medical Institute eintrat. Tibetische Medizin war ihr Hauptfach, und nebenbei lernte sie noch fünf Jahre Mandarin und Englisch an der Schule für Tibetische Sprache von Sichuan in Dartsedo.

Üblicherweise entrichten die Studenten um die 2.400 Yuan pro Semester. Für ein ganzes akademisches Jahr müssen sie einschließlich Unterkunft und Verpflegung 4.800 Yuan aufbringen. Um Sonam Choetso zu zitieren: „Ich mußte mein Budget erheblich reduzieren und gab monatlich für meine Grundbedürfnisse nur einen Minimalbetrag von 120 Yuan aus“.

Die chinesische Regierung behauptet, daß im Rahmen des Programms „Neun Jahre Schulpflicht“ der Besuch der Grund- und Mittelschule für all ihre Bürger kostenlos sei. Entgegen diesen Beteuerungen sehen sich die tibetischen Schüler mit deftigen Unterrichtsgebühren konfrontiert, wenn sie ihre Schulbildung fortsetzen möchten. Diejenigen, die aus Nomadengebieten kommen, sind von den unerschwinglich hohen Schulgebühren am meisten betroffen.

Um das notwendige Geld irgendwie zusammenzukratzen, gehen ihre Eltern zum Sammeln von Yartsa Gunbhu (cordyceps sinensis). In China findet dieser Raupenkeulenpilz weite Verwendung in der Medizin, weshalb er einen ansehnlichen Marktpreis erzielt. Eltern mit mehr als zwei Kindern müssen oftmals ihren Viehbestand und andere Vermögensgegenstände verkaufen, um ihre Kinder zur Schule schicken zu können. 

Bei alledem sind die Aussichten für junge Tibeter, eine einigermaßen ordentliche Stelle zu finden, infolge der Diskriminierung, der sie allgemein ausgesetzt sind, sehr düster. Nur diejenigen, die die Mandarin-Sprache gut beherrschen, können auf einen Job hoffen. Auch Sonam Choetso fand nach Abschluß der Tibetischen Medizinschule keine Anstellung, weil ihre Mandarin-Kenntnisse noch nicht ausreichten.

Erfolgreiche Absolventen der staatlichen Zulassungsprüfung für den öffentlichen Dienst haben im allgemeinen bessere Chancen auf eine Karriere, doch auch hier werden tibetische Anwärter wegen ihrer eher auf dem Tibetischen basierenden Schulbildung bei der Einstellung benachteiligt. Die Struktur der Prüfungen ist derart, daß es für tibetische Studien nur 10 Punkte gibt, während die übrigen 90 Punkte auf nicht auf Tibetisch gelehrte Fächer wie Mandarin usw. verteilt sind. Daher haben junge Tibeter wie Sonam Choetso große Schwierigkeiten, eine ordentliche Anstellung zu finden und kommen nicht in den Genuß des von der Kampagne „harmonische Gesellschaft“ verheißenen Wohlstands.

Schließlich setzte Sonam Choetso ihre medizinischen Kenntnisse in entlegenen Dörfern ein, wo es keine Ärzte und Krankenhäuser gibt und sie tibetische und chinesische Heilmittel verkaufte. 2007 faßte sie den Entschluß, Tibet zu verlassen, weil sie sich im Exil die Bildungsmöglichkeiten, die ihr in ihrer Heimat versagt blieben, erhofft.

Neue Erschwernisse für tibetische Angestellte im öffentlichen Dienst

Phentri Kyi, 31, aus der Gemeinde Phelshar, Kreis Dado, Tibetisch-Autonome Präfektur Golog, berichtete dem TCHRD von neuen Auflagen für Tibeter im öffentlichen Dienst, die nun ihre Loyalität gegenüber der KP unter Beweis stellen und sich zum Atheismus bekennen müssen.

Sie erzählte: „Eine Anstellung zu finden, war für mich ein hoffnungsloses Unterfangen und ohne die gerade rechtzeitig erfolgte Hilfe eines Verwandten, der die chinesischen Offiziellen gehörig schmierte, wäre es mir nie gelungen. Auf normalem Wege hätte es Jahre gedauert. Ich arbeitete sieben Jahre in einem staatlichen Unternehmen. Während dieser ganzen Zeit erhielt ich keine Gehaltserhöhung, während die chinesischen Arbeitnehmer viel besser als ich bezahlt wurden. Als Tibeter hätten wir uns über die diskriminierende Behandlung nicht beschweren können, denn das hätte uns nur Riesenprobleme und möglicherweise den Verlust unseres Arbeitsplatzes eingebracht.

Kürzlich protestierten die tibetischen Studenten aus Golog vor einem Regierungsgebäude wegen der schlechten Beschäftigungsmöglichkeiten und der hohen Arbeitslosenquote unter jungen Tibetern mit höherem Studienabschluß. Sie hatten auch Petitionen an die Distriktverwaltung gerichtet, aber statt eine Antwort zu bekommen, wurden sie mit Gewalt auseinandergetrieben.

Heutzutage besteht die Mehrheit der Regierungsbeamten aus Chinesen, die aus diversen Teilen Chinas kommen. Sie werden besser bezahlt, und mit dem stetig wachsenden Zustrom chinesischer Migranten und Fachkräfte bleiben immer mehr Tibeter arbeitslos oder verlieren ihren Job.

Seit einiger Zeit dürfen tibetische Angestellte im Öffentlichen Dienst und das Personal in den Ämtern keine Visa mehr für eine Reise nach Indien beantragen. Insbesondere ist es ihnen verboten, zum Zweck einer Audienz beim Dalai Lama nach Indien zu reisen. So etwas wird als ein ernstes Verbrechen geahndet und die betreffende Person muß mit schwerwiegenden Folgen rechnen.

Eines Tages im Juni 2007 kamen zwei chinesischen Polizeibeamte in mein Büro und stellten mir Fragen wegen meines Sohnes. Ich weigerte ich mich hartnäckig, etwas über ihn auszusagen. Die Beamten belästigten mich und schüchterten mich ein, denn sie wollten unbedingt wissen, in welchem Kloster mein Sohn, ein reinkarnierter Lama, in Indien studiere. Schließlich wurde die Lage unerträglich für mich und ich floh aus Tibet. Ich verschaffte mir einen Paß mit einem Visum für Indien, indem ich einen Beamten schmierte und ihm die Unsumme von 3.000 Yuan dafür zahlte. Normalerweise beträgt die Gebühr für ein Visum nur 250 Yuan. Tibetischen Angestellten im öffentlichen Dienst wurden so viele Hürden in den Weg gelegt, daß es praktisch unmöglich für sie ist, sich ein Visum für eine Auslandsreise zu beschaffen“.