14. November 2001

Zerstörung von Klöstern in Osttibet geht weiter

Mönche / Nonnen zum Abbruch ihrer eigenen Behausungen gezwungen
International Campaign for Tibet (ICT), Washington

Kathmandu (ICT) - Nur wenige Monate sind seit der Zerstörung von Tausenden von Unterkünften in der monastischen Siedlung Larung Gar in Serthar vergangen, und erneut begannen die chinesischen Behörden, Teile von Yachen, einem anderen großen monastischen Komplex in Osttibet, abzubrechen. Demolierungen von Klosteranlagen in einem solchen Ausmaß hat man seit der Kulturrevolution nicht mehr gesehen.

Bis zum 10. Oktober wurden über 800 Wohnhütten von Mönchen/Nonnen in dem Kloster Yachen Gar auf Befehl von Kadern der Distriktregierung von Pelyul (chin. Baiyu) niedergerissen. Yachen liegt südwestlich von Kandze (chin. Garze) und östlich von Pelyul in der Provinz Sichuan.

Aus kürzlichen Interviews mit vier Nonnen, die von Yachen Gar flohen, nachdem ihre Unterkünfte zerstört worden waren, geht hervor, daß von Juli bis Anfang September jede zweite Woche 5 bis 9 Offizielle zählende Arbeitsteams aus Pelyul nach Yachen kamen. Die Kader hätten genaue Beschreibungen und Lagepläne der in den abgelegenen Weidegründen von Tromthar gelegenen monastischen Siedlung gemacht. Die jetzt im Exil befindlichen Nonnen berichteten ICT, in der ersten Hälfte Septemberhälfte seien Kader gekommen, die an alle zum Abbruch bestimmten Häuser Zahlen, sowie das chinesische Wortzeichen "chai" (erster Ton mit der Bedeutung "Abbruch") gepinselt hätten. Um dieselbe Zeit forderten die Kader aus Pelyul die gesamte Kongregation von Mönchen, Nonnen und Laienstudenten in Yachen auf, sich vor der einzigen Versammlungshalle einzufinden. Bei diesem Meeting erklärten sie ihnen, daß nur Mönche und Nonnen, die aus dem Distrikt Pelyul stammen, in Yachen bleiben dürften und daß diejenigen, deren Häuschen mit dem chinesischen Wortzeichen "chai" markiert wurde, diese eigenhändig zerstören müßten. Falls sie dem Befehl nicht Folge leisteten, würde ein Arbeitsteam kommen und die Unterkünfte abreißen und die Mönche/Nonnen müßten obendrein noch 200 Yuan (§25) Strafe zahlen.

Auf offiziellen Anschlägen, die in dem Kloster Anfang Oktober angebracht wurden, stand: "Die bei den gründlichen Untersuchungen über die Pflege und den Schutz des Klosters von dem Pelyul-Distrikt-Arbeitsteam erstellten Pläne zeigen Quartiere von Mönchen/Nonnen außerhalb der erlaubten Grenzen. Diese Häuser, die außerhalb der von dem Arbeitsteam markierten Grenze fallen, müssen bis 15. September 2001 abgerissen werden. Wenn sie nicht von ihren Bewohnern zu dem genannten Datum, zerstört worden sind, wird die Volksregierung von Distrikt Pelyul die Behausungen gewaltsam demolieren, und gemäß den geltenden Gesetzen wird gegen jene Individuen, die dem Befehl nicht Folge leisteten, strafrechtlich vorgegangen."

Eine der Nonnen, die fast 5 Jahre in Yachen studierte, äußerte sich ICT gegenüber: "Sie sagten, daß wir unsere Häuschen selbst zerstören müßten, und wenn wir es nicht täten, würde die Polizei kommen und auch noch unsere Habe wegnehmen. Deshalb machten die meisten Nonnen ihre Hütten kaputt, indem sie die Lehmmauern einstießen. Wir schluchzten und weinten alle, was hätten wir sonst tun sollen? Hätten wir die Mauern nicht selbst umgestoßen, so hätten sie uns geschlagen und uns obendrein unsere wenigen Sachen weggenommen. Bei dem Meeting vor der Hauptgebetshalle erklärten die Kader, wir könnten unsere Habseligkeiten behalten, falls wir die Unterkünfte selbst zerstörten." Sie fuhr fort, die Nonnen hätten unter Aufsicht der Arbeitsteam Kader die Demolierung von 400 ihrer Hütten selbst vorgenommen. "Wir hatten Angst, verhaftet zu werden, falls wir unsere Hütten, die sie markiert hatten, nicht zerstören würden".

Ein chinesischer Mönch berichtete ICT nach seiner Rückkehr in seine Heimat nach Südostchina: "Die Arbeitsteams beschlossen, gewisse Teile des Komplexes in Yachen zu zerstören; zuerst kamen die Nonnen-Unterkünfte in Pema Khando Ling dran, etwa 400 individuelle Hütten... Und am Hang hinter der Hauptgebetshalle wurde dann Dechen Talho Ling niedergerissen. Dies war eines der Wohnareale der Mönche, die ebenso wie die Nonnen die Lehmwände ihrer eigenen Hütten zertrümmern mußten".

Kloster Yachen liegt in dem lieblichen Weideland in der traditionell mit Tromthar benannten Gegend, die jetzt Teil von Distrikt Pelyul in der Provinz Sichuan bildet. Bei einer Höhenlage von über 12.000 Fuß verwenden die Mönche und Nonnen dort Yakmist zum Kochen und als Heizmaterial für ihre Öfen. Die kleinen Behausungen der Mönche und Nonnen sind aus Adobeziegeln (ungebranntem Lehm) errichtet und durch etwas Bauholz verstärkt, das von über 30 Meilen her angeschleppt werden muß. Es gibt keinen elektrischen Strom in Kloster Yachen, abgesehen von kleinen mit Benzin betriebenen Generatoren.

Ein westlicher Tourist, der vor 10 Monaten in der Gegend war, erzählte ICT: "Die Lehmziegel-Hütten, welche die Mönche und Nonnen selbst bauten, enthalten eigentlich nur eine kleine Kammer zur Meditation, wo sie auch schlafen, sowie eine Nische als Kochstelle. Die Mönche und Nonnen sind echte Asketen, denn sie leben ohne modernen Komfort an solch einem abgelegenen Ort, wo sie sich Meditation und Gebet hingeben. Yachen ist weit weg von überall."

Die 2.500 bis 3.500 Studenten, die sich in Yachen Gar angesiedelt hatten, konzentrierten sich unter der Leitung des Nyingmapa Lamas Achuk Khenpo Rinpoche, sowie ein paar weiterer Khenpos hauptsächlich auf Meditation. Man nimmt an, daß etwa 1.500 Mönche/Nonnen in Yachen Gar übrig blieben. Jedes Jahr etwa Mitte Oktober begaben sich die meisten Studenten in Yachen in eine strenge, drei Monate währende Klausur zur Kontemplation und Meditation. Die unlängst erfolgte Demolierung ihrer Hütten und die ständigen Einfälle der Arbeitsteams werden wahrscheinlich das Ende dieser Klausuren bedeuten, meinte eine Nonne aus Yachen.

Es gab außerdem etwa 150 Chinesen, Taiwanesen und Leute aus Singapur in Yachen, ehe die Behörden von Pelyul sie Anfang September aufforderten, die Siedlung zu verlassen. Wie in Larung Gar gibt es des Chinesischen kundige tibetische Khenpos, die dort lehren und dolmetschen.

Der Maueranschlag, der das Siegel der Volksregierung von Distrikt Pelyul trug, verkündete auf Tibetisch und Chinesisch: "Mönche und Nonnen aus anderen Distrikten (als Pelyul), sowie ausländische und taiwanesische Mönche und Nonnen müssen das Institut verlassen und in ihre Heimatorte zurückkehren und dürfen keine Verbindung zu Yachen mehr haben, was bis zum 15. September zu geschehen hat. Bei Nichtbefolgung der Order wird die Volksregierung vom Distrikt Pelyul im Einvernehmen mit dem Ausschuß für Religionsangelegenheiten der Provinz Sichuan und gemäß der Haushalts-Registrierungs-Verordnung gegen die Zuwiderhandelnden rechtliche Schritte einleiten".

Ein 45 Jahre alter chinesischer Arzt, der vier Monate in Yachen studierte, nachdem er zum Verlassen von Larung Gar in Serthar gezwungen wurde, erzählte ICT: "Die chinesischen Behörden erklärten den Lehrern aus Larung Gar und Yachen, sie dürften den Chinesen keine Vajrayana Belehrungen mehr geben oder zu Belehrungen nach China reisen. Und Chinesen sei es fortan verboten, buddhistischen Unterweisungen von tibetischen Lamas zu folgen."

"So viele Chinesen kommen in diese Gegenden, wo sonst Tibeter leben, aber die Regierung wünscht nicht, daß wir Kontakte zu irgendwelchen Lamas haben", fuhr der chinesische Arzt fort. "Die chinesische Regierung weiß, daß, je mehr Leute an Buddha glauben, desto mehr den Dalai Lama respektieren werden. Deshalb empfinden sie es als eine Bedrohung ihrer staatlichen Ideologie der Einheit, wenn sowohl Tibeter als auch Chinesen an Buddha glauben".

Der Bericht des US State Departments über "Internationale Religionsfreiheit" für 2000 zitiert chinesische offizielle Schätzungen, denen zufolge es über 100 Mio. Buddhisten in China geben soll, die meisten davon der Han Ethnie angehörend.

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