14. Mai 2008
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Geflohener Tibeter schildert, wie China den Aufstand in Lhasa niederschlug

Kusang Sonam

Dharamsala - Ehe ihm die Flucht über die gebirgige Grenze gelang, versteckte sich Kusang Sonam zwölf Tage vor den chinesischen Paramilitärs, die nach jenen Tibetern fahndeten, die gegen Pekings Herrschaft in der Region revoltiert hatten.

„Ich weiß genau, ich wäre tot, wenn sie mich gefangen hätten“, sagte der 38jährige Tuchhändler und Vater einer kleinen Tochter bei seinem ersten Medieninterview in dem Flüchtlingslager in Indien.

Sonam erzählte, daß am 14. März nach vier Tagen von Protesten in Lhasa mit Dolchen bewaffnete chinesische Soldaten die tibetischen Demonstranten angegriffen hätten, worauf diese zu einem Gegenschlag übergingen und zu randalieren begannen. Daraufhin folgte in der Autonomen Region Tibet eine massive Hetzjagd nach den Demonstranten.

„Wir demonstrierten, um des 49. Jahrestag des mißlungenen tibetischen Volksaufstands gegen die chinesische Herrschaft zu gedenken, als die Polizeitruppen uns mit langen Messern angriffen“, sagte er.

„Nun warfen wir Steine und die Soldaten traten den Rückzug an, aber kehrten bald mit Gewehren bewaffnet zurück und dann war plötzlich überall Rauch, Maschinengewehre knallten und die Menschen stießen fürchterliche Schreie aus“, sagte Sonam, der aus dem Bezirk Dartsedo in der Präfektur Kardze gebürtig ist. Er berichtete, er hätte gesehen, wie mehrere Tibeter durch die Schüsse und die Stichwunden starben.

„Die Soldaten schleuderten sie einfach wie Leichen in die Polizeifahrzeuge und fuhren sie weg“, sagte Sonam, der am 26. März nach Nepal entkam….

„Als Tibeter sahen wir es als unsere Pflicht an, gegen die Besetzung unseres Landes durch China zu protestieren, aber sie (die Truppen) gingen mit maßloser Gewalt gegen uns vor“, erzählte, der als erster direkt über die Ereignisse in Lhasa berichtet.

Er ist einer der wenigen, denen in denen letzten Wochen die Flucht aus Tibet gelang. Am 30. April erreichte er von Nepal aus Dharamsala – erst der vierte Tibeter, der seit dem Ausbruch der Gewalt aus der Region fliehen konnte.

Im April erreichten ein junges Mädchen und zwei Knaben Dharamsala. Sie wurden an einen sicheren Ort gebracht, damit ihre Identität nicht bekannt werden soll. Ihre Eltern sind in Tibet als vermißt aufgeführt, sagte der Direktor des Flüchtlingszentrums Dorjee.

Sonam hat bereits Heimweh nach seiner Familie - Tochter, Frau, Bruder und Vater - aber jetzt ist die Rückkehr unmöglich für ihn. „Ich kann jetzt nicht zurückkehren, denn ich erhielt eine Nachricht von meiner Frau, daß die Polizei immer noch nach mir fahndet und meinen ganzen Besitz beschlagnahmt hat“…

Der Direktor der Flüchtlingszentrums Dorjee meinte, daß strengere Grenzpatrouillen und die drakonischen von den chinesischen Behörden ergriffenen Maßnahmen es heute für Tibeter so gut wie unmöglich gemacht hätten, zu fliehen. „Früher empfingen wir jedes Jahr um die 3.000 Flüchtlinge aus Tibet, aber seit dem 14. März sind unsere Schlafsäle völlig leer bis auf Sonam“, meinte er.

„Die Chinesen haben die Mitglieder einer jeden Familie registriert und sie führen tägliche Anwesenheitsappelle durch, und wenn ein Mitglied einer Familie fehlt, dann ist es um den Rest geschehen“. Mehr wollte Dorjee nicht sagen, weil er die Verwandten der Flüchtlinge nicht in Gefahr bringen möchte. „Alles kann ich leider nicht sagen… nicht wahr?“