28. März 2008

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Mönche vor dem Jokhang-Tempel führen chinesische Propaganda ad absurdum

Überall auf der Welt wurden die Bilder von einigen mutigen Mönchen gezeigt, die sich vor dem Jokhang-Tempel den von Peking zu einer streng überwachten Pressereise nach Lhasa eingeladenen Journalisten näherten und dabei laut und teilweise unter Tränen Freiheit für Tibet forderten und ihre Loyalität für den Dalai Lama bekundeten. Mit ihrem friedlichen Protest haben diese Mönche das Vorhaben der chinesischen Regierung sabotiert, die der Welt vorspiegeln wollte, sie hätte die Lage in der tibetischen Hauptstadt nach den angeblich vom Dalai Lama ausgelösten Unruhen unter Kontrolle gebracht. Den Pressevertretern wurde versichert, die Mönche hätten keine Konsequenzen für ihre Protestaktion zu befürchten. Zweifel an diesen Versprechungen sind angebracht; und tatsächlich besteht Anlaß zur Sorge um das Schicksal dieser Mönche.

Das Areal um den Jokhang-Tempel wurde nach dem Vorfall abgesperrt und auch alle drei großen Gelugpa-Klöster in und um Lhasa - Sera, Ganden und Drepung - sind weiterhin abgeriegelt. Der Ramoche-Tempel wurde den Journalisten nicht zugänglich gemacht, obwohl sie mehrmals darum gebeten hatten. Informationen aus der Stadt zufolge wurden Mönche aus Sera mit Waffengewalt am Verlassen des Klosters gehindert. Aus zuverlässigen Quellen verlautet, daß die großen Klöster von der Wasser- und Nahrungszufuhr abgeschnitten sind und der Bevölkerung nicht gestattet wird, die Mönche mit dem Nötigsten zu versorgen.

In den vergangenen Tagen gab es immer wieder Berichte über Massenverhaftungen in Lhasa und in den tibetischen Gebieten in den chinesischen Provinzen Sichuan, Qinghai und Gansu. Bei vielen Verhafteten soll es sich um ehemalige politische Gefangene und um Tibeter handeln, die im indischen Exil eine schulische Ausbildung genossen haben. Jemand, der der Mönchsgemeinschaft nahesteht, gab an, es bestehe große Sorge um die Inhaftierten, denn sie werden entsetzlich geschlagen und müssen Durst und Hunger leiden. Beobachter fühlten sich vom Vorgehen der Sicherheitskräfte an die Kulturrevolution erinnert. Genau wie damals werden Häuser nach Fotos des Dalai Lama durchwühlt, Tibeter werden willkürlich verhaftet und mit vorgehaltener Waffe abgeführt.

Ein Augenzeuge berichtet, eine von bewaffneten Sicherheitskräften bewachte Gruppe von mehreren hundert Tibetern sei mit dem Zug weggebracht worden. Unter ihnen hätten sich zahlreiche Mönche befunden, viele davon ohne Schuhe. Zeugenberichten zufolge werden massenhaft Tibeter auf Lastwagen gepfercht und aus der Stadt geschafft. Das löst bei vielen älteren Tibetern große Furcht aus, denn sie können sich noch gut an die Säuberungsaktionen von 1959 erinnern. Noch lange nach dem Volksaufstand wurden Tibeter in Arbeitslager und Gefängnisse in die benachbarten chinesischen Provinzen verschleppt. Von vielen hat man nie wieder etwas gehört. Auch jetzt gibt es wieder viele Familien, die nicht wissen, wo ihre Angehörigen hingebracht wurden oder wie lange sie inhaftiert bleiben.

Die ausländischen Journalisten, die im Rahmen der vom chinesischen Außenministerium organisierten Pressereise Lhasa besuchten, erkundigten sich während der eineinhalbstündigen Pressekonferenz gestern Abend nach den Mönchen vom Jokhang, die so tapfer ihre Meinung geäußert hatten. Ein Journalist von Associated Press zitierte später den tibetischstämmigen Vizegouverneur der TAR: "Ihnen wird nichts angetan. Wir werden keinen derjenigen, die Sie auf den Straßen von Lhasa getroffen haben, verhaften. Ich glaube nicht, daß irgend eine Regierung so etwas tun würde". Die Journalisten forderten die anwesenden chinesischen Funktionäre ferner auf, Beweise für ihre Behauptung zu erbringen, der Dalai Lama habe die Unruhen „angezettelt“.

Bei ihrem siebzehnminütigen Protest vor dem Jokhang-Tempel haben die Mönche deutlich gemacht, daß der Dalai Lama nichts mit den Ereignissen in Lhasa zu tun hat. Das berichteten Journalisten, die Zeuge der Aktion wurden. Einer der Mönche sagte: "Sie verlangen, daß wir den Dalai Lama verfluchen sollen, und das ist nicht richtig". Ein anderer brach in Tränen aus und wieder andere sagten den Journalisten, sie wüßten, daß man sie verhaften würde und sie seien bereit, die Folgen zu tragen.

Immer wieder hört man aus Quellen, die sich noch vor kurzem in Lhasa befanden, wie unglücklich die Tibeter über die Vorwürfe der Chinesen seien, der Dalai Lama habe die gewalttätigen Unruhen angestiftet. Ein westlicher Ausländer, der in den vergangenen Wochen mit vielen Tibetern in Lhasa gesprochen hat, sagte: "Keiner von ihnen glaubt das. Sie können auch mit der Unterscheidung zwischen weltlicher und geistlicher Funktion des Dalai Lama nichts anfangen, die von Politikern im Westen getroffen wird. Für sie ist er ihr Oberhaupt, und das ist alles." Dieselbe Quelle bestätigte auch Berichte über systematische Hausdurchsuchungen in allen tibetischen Stadtvierteln: "Oft holen sie die Leute mitten in der Nacht aus ihren Häusern. Das Militär und die Bewaffnete Volkspolizei konzentrieren sich besonders auf Tibeter, von denen sie wissen, daß sie in Indien zur Schule gegangen sind und dort Englisch gelernt haben. Ich habe selbst gesehen, wie sie Verhaftete lastwagenweise weggeschafft haben. Freunde von mir bezeugen, daß den Menschen bei der Festnahme Schußwaffen an den Kopf gehalten wurden."

Aus einigen Quellen verlautet auch, wie unglücklich viele Tibeter über die Gewalt seien, die einige von ihnen bei den Unruhen vom 14. März gegen Chinesen und deren Eigentum ausgeübt haben. Es sei äußerst bedauerlich, daß Tibeter in Lhasa zur Gewalt gegriffen hätten. Man könne daran sehen, wie verzweifelt die Tibeter in Tibet seien. Einige sähen keine andere Alternative mehr und das sei dumm von ihnen. Ohne jeden Zweifel müßten tibetische Mörder und Randalierer gemäß dem Gesetz bestraft werden, aber die vermutlich in die Hunderte oder gar Tausende gehenden Tibeter, die festgenommen wurden, sollten nicht wie gewalttätige Kriminelle behandelt werden.

Mittlerweile wurde bekannt, daß China im Westen lebende Tibeter daran zu hindern versucht ihre Meinung zu äußern, indem es ihre in Tibet lebenden Angehörigen unter Druck setzt. Wie ein vertrauenswürdiger Exiltibeter angab, haben die Behörden in Amdo Familien, die Verwandte im Ausland haben, gewarnt, sie hätten die Konsequenzen zu tragen, wenn diese sich an friedlichen Demonstrationen beteiligten.

In den staatlichen chinesischen Medien wird verbreitet, 280 Tibeter in Lhasa hätten sich "freiwillig" der Polizei gestellt und 381 weitere in Sichuan. Die amtliche Zeitung Tibet Daily berichtete in ihrer Ausgabe vom 25. März zum ersten Mal über die Festnahme von friedlichen Demonstranten. In dem Artikel heißt es, in Lhasa seien Tibeter verhaftet worden, weil sie "reaktionäre Parolen" gerufen und die tibetische Fahne geschwenkt hätten. Im Gegensatz dazu war in den vergangenen Tagen immer nur die Rede von Festnahmen wegen Brandstiftung, Plünderung oder Gewalttaten.

Ein Journalist, der an der Pressereise teilnahm, sagte gestern: "Alles, was man uns zeigte, sollte die offizielle Version der Ereignisse untermauern, welche die chinesischen Behörden gezimmert haben. Wir sind mit offenen Augen hierhergekommen. Wir wissen, daß sie uns dazu benutzen wollten, um eine bestimmte Darstellung der Vorgänge zu verbreiten." Gestern konzentrierte sich die Berichterstattung im Westen jedoch auf die Protestaktion der Mönche des Jokhang, auf ihre Aussagen zugunsten des Dalai Lama und ihre Beschwerden über die religiöse Unterdrückung.

Den Protest der Mönche des Jokhangs kann man auf dem Video bei YouTube verfolgen: http://www.youtube.com/watch?v=Mhv0ubToreE

(Adaptierte Übersetzung)