17. April 2009
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Inhaftierter tibetischer Verleger wird mit internationalem Preis für „Publikationsfreiheit“ ausgezeichnet

Paljor Norbu, ein 81jähriger tibetischer Drucker und Publizist, der sich gegenwärtig in chinesischem Gewahrsam in Tibet befindet, wurde zum Träger des Jeri Laber Preises 2009 für „Publikationsfreiheit“ ernannt.

Wie das Internationale Komitee für Publikationsfreiheit von Association of American Publishers (AAP), dem Verlegerverband, bekanntgab, wird Paljor Norbu, der in Tibet im Gefängnis sitzt, für seinen unermüdlichen Einsatz für die tibetische Kultur und das Verlagswesen trotz gewaltiger politischer Hindernisse und persönlicher Gefahren im Verlauf eines halben Jahrhunderts gewürdigt.

Paljor Norbu wird am 28. April bei der Jahres-Gala des PEN im Museum für Naturgeschichte in New York offiziell mit diesem jährlich verliehenen Preis ausgezeichnet werden.

Am 31. Oktober des vergangenen Jahres, sechs Monate nach größeren

anti-chinesischen Unruhen in der tibetischen Hauptstadt, wurde Paljor Norbu von der Polizei in seiner Wohnung in Lhasa festgenommen, weil er angeblich  „verbotenes Material“, darunter auch die tibetische Nationalflagge, gedruckt hatte. Es ist die vierte Verhaftung im Laufe seiner langen Karriere. Im November wurde er in einem geheimen Verfahren zu sieben Jahren Haft verurteilt. Weder seine Familie noch seine Freunde wissen, wo er sich befindet.

„Die strafrechtliche Verfolgung von Paljor Norbu, der sich seit sieben Jahrzehnten durch seine Arbeit als Buchdrucker und Verleger für die Erhaltung der tibetischen Kultur eingesetzt hat, macht wieder einmal Chinas unerbittliche Politik deutlich, die auf die Unterjochung des Landes, die Einengung seiner Kultur und Unterdrückung der Freiheit der Meinungsäußerung gerichtet ist“, sagte Hal Fessenden, der Vorsitzende des International Freedom to Publish Committee (IFTPC) während der Ankündigung der Auszeichnung.

„Das IFTPC kritisiert scharf die Art und Weise, wie China im Falle von Paljor Norbu seine eigenen Gesetze verletzt: Die Anklage war  ausgesprochen vage gehalten, der Angeklagte erhielt keinen Rechtsbeistand, die Verurteilung erfolgte hinter verschlossenen Türen und die Familie wird über seinen Aufenthaltsort im Dunkeln gelassen. Wir schließen uns der internationalen Gemeinschaft an und würdigen Paljor Norbus Einsatz für die Bewahrung einer gefährdeten Kultur, indem er für die Verbreitung des geschriebenen und gedruckten Wortes sorgte. Wir fordern, daß er von allen Anklagen entlastet und sofort freigelassen wird“.

Durch diese Auszeichnung für internationale Publikationsfreiheit wird einem Verleger außerhalb der Vereinigten Staaten gehuldigt, der angesichts politischer Verfolgung und schwerer Einschränkungen der Meinungsäußerung Mut und Stärke gezeigt hat. Der Preis trägt den Namen von Jeri Laber, einem Gründungsmitglied des IFTPC und einem kompetenten Ratgeber des Komitees seit 25 Jahren.

Paljor Norbus Geschichte (Auszug aus der Presseveröffentlichung des IFTPC):

Paljor Norbu ist ein 81jähriger tibetischer Drucker und Verleger aus Lhasa. Obwohl er sich selbst nicht schriftstellerisch betätigte, spielte er eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der traditionellen tibetischen Drucktechniken und der Herausgabe populärer religiöser Schriften. Einer altehrwürdigen Familie, die seit Generationen buddhistische Texte für Klöster druckt und veröffentlicht, entstammend, ist Paljor Norbu als Meisterdrucker berühmt und genießt in Lhasa großes Ansehen. In seiner Werkstatt, die mehrere Dutzend Arbeiter beschäftigte, arbeitete er mit den traditionellen Blockdrucktechniken. Außer den religiösen Texten wurden dort Bücher, Gebetsfähnchen, Papierrollen für Gebetszylinder, traditionelle Almanache, rituelle Texte und andere Objekte gedruckt.

Paljor Norbu, einer der wenigen Meister in der traditionellen Druckkunst, wurde in Mongka Kyang im Dorf Nyemo westlich von Lhasa geboren und mit 11 Jahren Druckereilehrling. Später, als er erwachsen war, arbeitete er als Drucker für die tibetische Regierung in Lhasa und stand außerdem mehreren bedeutenden Klöstern bei der Herstellung von Texten mit Druckstöcken bei. So besorgte er den Druck eines kompletten Satzes der 224 Bände des berühmten Narthang Tengyur, einer der Haupteditionen der Kommentare des buddhistischen Kanons. 1959, als der Volksaufstand gegen die chinesische Regierung ausbrach, war er 31 Jahre alt. Er war der Sekretär der Druckerinnung, die im Auftrag der tibetischen Regierung tätig war, und wurde daher als „Rebell“ klassifiziert und für einige Zeit ins Gefängnis gesteckt. In den 60er und 70er Jahren, als die Kulturrevolution wütete, kam es zu heftigen Angriffen auf alle traditionellen und kulturellen Werte der Tibeter, und religiöse Artefakte und Texte wurden vernichtet. Hölzerne Druckstöcke wurden verbrannt und das Drucken von Texten, ausgenommen solcher rein politischen Inhalts, war verboten. Trotzdem schnitzten die Druckermeister insgeheim Druckstöcke und versteckten sie anschließend. Nach Maos Tod 1976 konnte Paljor Norbu zu seiner Tätigkeit als Druckermeister zurückkehren.

1987 verschlechterte sich die Lage in Tibet wieder nach einer Reihe von Demonstrationen in Lhasa, die sich gegen die Herrschaft der Chinesen richteten. Paljor Norbu wurde Anfang der 90er Jahre zweimal unter dem Verdacht festgenommen, die Proteste zu unterstützen und verbotene Literatur zu drucken, aber jedes Mal ohne Anklageerhebung wieder freigelassen.

Am 31. Oktober 2008, sechs Monate nach den Unruhen in der tibetischen Hauptstadt, wurde er zum vierten Mal in seinem Leben von der Polizei abgeführt. Mitten in der Nacht nahmen sie ihn fest und ließen die Familie darüber in Unkenntnis, wohin er gebracht wurde. Die Polizei ließ die Werkstatt schließen, brachte Vermerke über die behördliche Schließung an den Türen an und verbot den Angestellten die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz. Bis heute haben die Behörden die Familie nicht darüber informiert, wo er inhaftiert ist, wann er vor Gericht gestellt wurde und welche Anklagen gegen ihn erhoben wurden. Wahrscheinlich wird er beschuldigt „verbotenes Material“ gedruckt zu haben, womit Gebete für den Dalai Lama oder die tibetische Nationalflagge gemeint sind, die in China verboten sind. Im November wurde er insgeheim vor Gericht gestellt und inoffiziellen Quellen aus Lhasa zufolge zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Man weiß nichts über seinen gesundheitlichen Zustand oder seinen Verbleib.

Obwohl Einzelheiten der Anklage und des Urteils nicht veröffentlicht wurden, lassen die Art der ursprünglichen Beschuldigung und die Länge des Urteils darauf schließen, daß er der „Aufhetzung zum Separatismus“ (Art. 103 des Strafgesetzes) angeklagt wurde. Dieses vage definierte Verbrechen wird immer wieder herangezogen, um Tibeter zum Schweigen zu bringen, die sich der willkürlichen Beschränkung ihrer Ausdrucksfreiheit durch das chinesische Gesetz widersetzen. Paljor Norbus Familie hat diesbezüglich schon viel durchgemacht: Zwei seiner Söhne saßen bereits drei Jahre im Gefängnis wegen gewaltloser Aktivitäten, die vom Staat jedoch als politisch und kriminell angesehen werden – einer weil er 1989 Kindern ein verbotenes Lied beigebracht hat und ein anderer, weil er 1999 dem Karmapa bei seiner Flucht nach Indien behilflich war.