29. November 2010
Radio Free Asia, www.rfa.org

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Tibetischem Demonstranten gelingt die Flucht nach Indien

Ein Tibeter, der wegen seiner Beteiligung an Protestaktionen gegen die chinesische Herrschaft seit über zwei Jahren von der chinesischen Polizei gesucht wird, ist seinen Verfolgern entkommen und sicher in Indien angelangt.

Namsa Wangden, der ursprünglich aus der Stadt Shusor im Bezirk Kardze (chin. Ganzi) in der westchinesischen Provinz Sichuan stammt, erreichte mit seiner Frau und seiner Tochter in der dritten Novemberwoche den indischen Bergort Dharamsala.

Wie Wangden einem RFA-Reporter mitteilte, war die Familie zuvor von Tibet über die Grenze nach Nepal gelangt: „Anfang November kamen wir im Flüchtlingszentrum von Kathmandu an. Das Vorgehen der nepalesischen Polizei machte uns jedoch Sorgen, daher sind wir so bald wie möglich nach Dharamsala weitergereist“, gab er an.

Nepal hat in den letzten Jahren enge Verbindungen zu China aufgebaut und schränkt die Bewegungsfreiheit und die Aktivitäten tibetischer Flüchtlinge im Land ein. Mitunter werden sie zwangsweise nach China zurückgeschickt, wenn sie versuchen, die Grenze zu überqueren.

Chinesische Grenzpatrouillen am Nangpa-La an der Grenze zu Nepal 2006

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen

Wangden, der mit seiner Familie in einer sechsköpfigen Gruppe nach Nepal floh, berichtete, dass die Sicherheitsmaßnahmen in der Gegend, die sie auf ihrem Weg durchquerten, verstärkt worden seien. „Die Zahl der chinesischen Grenzpatrouillen war erhöht worden, und es war sehr schwierig für uns, unentdeckt zu bleiben“, sagte er. „Ich hatte vorher schon einmal die Grenze nach Nepal überquert, als es noch leicht war, aber diesmal sah das Ganze völlig anders aus. An der Grenze hatte man mehrere Kasernen für die Chinesen, die das Gebiet überwachten, gebaut, und es waren (überall) Kameras angebracht worden.“

Wie Wangden berichtete, gelang es der Gruppe beim dritten Versuch, unbemerkt an den Lagern der Grenzsoldaten vorbeizukommen. „Wir hörten, daß eine Gruppe von acht Personen versuchte, hinter uns über die Grenze zu kommen, aber sie wurden entdeckt und festgenommen.“

Versteckt im Wald

Wangden hatte sich, wie er sagte, zwei Jahre zuvor an einer Protestkundgebung in Kardze beteiligt. Gemeinsam mit anderen Tibetern hatte er mehr Freiheit gefordert und verlangt, dass das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, zurückkehren solle, der 1959 nach dem Scheitern des Volksaufstands gegen die chinesische Herrschaft ins indische Exil geflohen war.

„Als die chinesischen Sicherheitskräfte kamen, setzten sie Eisenstangen und Knüppel ein, und am Ende schossen sie auf uns“, berichtete Wangden. „Ein Freund rief uns zu, wir sollten wegrennen, aber er selbst schaffte es nicht, ihnen zu entkommen, und wurde mit zwölf weiteren Tibetern verhaftet. Ich konnte in den Wald fliehen und mich zum angrenzenden Kreis Nyagrong durchschlagen. Ich blieb etwa vier Monate in den Wäldern von Nyagrong. Tagsüber aß ich nichts. Dann schloss ich mich einer Gruppe tibetischer Nomaden an, die in der Gegend lebten.“

Mithilfe eines Freundes erreichte er Lhasa und entschloss sich gemeinsam mit seiner Familie zur Flucht nach Nepal. Er wählte mit seiner Frau, seiner Tochter und anderen dieselbe Route, die er schon einmal genommen hatte. „Fast drei Jahre lang war ich auf der Flucht“, sagte er.

Gewaltsame Auseinandersetzungen des Jahres 2008

Viele Tibeter haben sich jahrelang unter der chinesischen Herrschaft aufgerieben, die, wie sie sagen, die Kultur ihres Landes zerstört und die Menschen in der freien Ausübung ihrer Religion stark eingeschränkt hat.

Im März 2008 wurde Lhasa von Unruhen erschüttert, und die Proteste breiteten sich bis in die von Tibetern besiedelten Gebiete Westchinas aus. Dies brachte die Regierung vor den Olympischen Spielen im August 2008 in Beijing in Verlegenheit. Schätzungen der tibetischen Exilregierung in Indien zufolge wurden bei dem anschließenden scharfen Vorgehen mindestens 220 Tibeter getötet und weitere 7000 verhaftet.