5. März 2010
Radio Free Asia, www.rfa.org

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Gerichtsdokumente über die Inhaftierung eines tibetischen Mönches und die Verurteilung eines Sängers

Zwei Gerichtsdokumente, die kürzlich aus China geschmuggelt wurden, betreffen die Verurteilung des Sängers Tashi Dhondup * und die eines Mönches aus dem Kloster Labrang.

Wie aus dem ersten Dokument hervorgeht, setzten die Behörden in einer tibetisch besiedelten Region in Westchina einen populären Sänger hinter Gitter, weil er CDs mit Liedern verbreitete, in denen er die chinesische Herrschaft über Tibet anprangerte. Der 30jährige Tashi Dhondup wurde von der Kommission für Umerziehung-durch-Arbeit der TAP Malho (chin. Huangnan) in der Provinz Qinghai zu 15 Monaten „Umerziehung-durch-Arbeit“ verurteilt. Da es um eine Administrativstrafe ging, war kein Gerichtsprozeß erforderlich.

Der zweite Satz von Gerichtsdokumenten, die einen seltenen Einblick in die Maßnahmen der Regierung gegen Personen vermittelt, die sie einer abweichenden Meinung verdächtigt,  handelt von dem Verfahren gegen einen tibetischen Mönch im Zusammenhang mit dem landesweiten Aufbegehren gegen die chinesische Herrschaft 2008.

Der schriftlichen Entscheidung der Kommission zur Umerziehung-durch-Arbeit des Bezirks Yulgan zufolge „übertrat“ Tashi Dhondup, ein ethnischer Mongole aus dem Bezirk Yulgan (chin. Henan), TAP Malho (Huangnan), Provinz Qinghai, „die Gesetze“, weil er in Liedern die tibetische Unabhängigkeit und den Dalai Lama besungen hat.

„Tashi Dhondup … verletzte die Gesetze, wie nachstehend aufgeführt. Er wurde am 3. Dezember 2009 von den Beamten der Öffentlichen Sicherheit wegen separatistischer Aktivitäten festgenommen“, steht in dem Urteil, das am 5. Januar 2010 von der oben genannten Kommission gefällt wurde.

In dem Dokument heißt es weiter, Tashi Dhondup sei von der Bezirkspolizei des Mongolisch-Autonomen Bezirks Yulgan am 16. und 18. April 2009 zur Rede gestellt und verwarnt worden, das Lied mit dem Titel „1958“ aus seinem Repertoire zu streichen, weil es an den mißlungenen Aufstand 1958-59 gegen die chinesische Herrschaft erinnere.

Der Sänger wurde schließlich in der Provinzhauptstadt Xining verhaftet, nachdem Tausende von Exemplaren seiner Musik-CD “Folter ohne Spuren“ auf den Märkten der Gegend aufgetaucht waren. „Er und einige seiner Freunde stellten etwa 3.000 CDs her und verbreiteten sie in 11 Bezirken in Qinghai, Sichuan und Gansu“, steht in dem Dokument.

Ermittler fanden heraus, daß Tashi Dhondup trotz Verwarnung nicht aufgehört hatte, sein Lied „1958“, das von „einem dunklen Jahr, einem Jahr der Furcht, einem Jahr innerer Konflikte, und dem Töten der Bürger durch die Schwarzerde“ handelt, zu singen „Diese Liedertexte sind erstunken und erlogen, ihre Themen stellen eine ernstzunehmende Provokation dar“, schloß die Kommission.

In anderen Liedern drückte der Sänger seinen Wunsch nach tibetischer Unabhängigkeit aus, seine Sehnsucht, das im Exil lebende tibetische Oberhaupt, den Dalai Lama, zu sehen, sowie sein Entsetzen über den Raub an Tibets Schätzen.

„Die Person, die diese Liedertexte und Melodien schuf, entkam, aber Tashi Dhondup sang die Lieder, vervielfältigte und verteilte sie“, heißt es in dem Dokument. Der Sänger habe „seine Aktivitäten ohne jegliches Zögern zugegeben“.

Unter dem der Kommission vorgelegten Beweismaterial waren die ins Chinesische übersetzten Texte der Lieder, die Tashi Dhondup gesungen hatte, auch einige seiner Lieder, in denen er die Unabhängigkeit für Tibet forderte, sowie Zeichnungen und Fotos, die ihn beim Singen zeigen, und außerdem Zeugenaussagen.

„In Übereinstimmung mit den Bestimmungen 4 und 13 der Verordnung für Umerziehung-durch-Arbeit des Staatsrates Chinas wird Tashi Dhondup für ein Jahr und drei Monate, vom 3. Dezember 2009 bis zum 2. März 2011, zur Zwangsarbeit abkommandiert“.

Tashi Dhondup stehe das Recht zu, innerhalb von 60 Tagen ab dem Urteil bei der Kommission für Umerziehung-durch-Arbeit Berufung einzulegen, oder beim Bezirksgericht innerhalb von drei Monaten, heißt es weiter.

Die Bevölkerung von Huangnan ist mehrheitlich tibetisch, mit einer großen Anzahl von Mongolen und einer geringeren Anzahl von Han-Chinesen.

Mönch wegen seiner Rolle 2008 ins Gefängnis geworfen

Das zweite Dokument, das einen Gerichtsprozeß in der Provinz Gansu betrifft, vermittelt einen detaillierten Einblick in den Fall eines tibetischen Mönches, der im Zusammenhang mit dem landesweiten Aufstand von 2008 gegen die chinesische Herrschaft verurteilt wurde.

In einem am 21. Mai 2009 vom Mittleren Volksgericht in der TAP Kanlho (chin. Gannan) gefällten Urteil wird der tibetische Mönch Thabkhe Gyatso schuldig gesprochen, am 14. März 2008 bei den Straßenprotesten tibetische Schneelöwen-Flaggen mit sich getragen und anderen weitergereicht sowie Informationen an „separatistische“ Gruppen im Ausland geliefert zu haben.

Das mit drei Richtern besetzte Gericht stellte fest, dass der 31jährige Mönch aus dem bekannten Kloster Labrang am 22. März 2008 inmitten eines Aufstandes der Tibeter, der die ganze Region erfaßt hatte,festgenommen worden sei. Er wurde formell am 29. April 2008 verhaftet, eine Prozedur, die in fast jedem Fall einer strafgerichtlichen Verurteilung vorangeht. Den Gerichtsdokumenten zufolge „ist er gegenwärtig in dem Haftzentrum der Abteilung für Öffentliche Sicherheit der Provinz Gansu inhaftiert“.

„Tsondu Gyatso, der ebenfalls an dem Protest teilnahm, bezeugte in seiner Aussage die Anwesenheit von Thabkhe Gyatso bei dem Protest vom 14. März“, steht in dem Urteil.

Ein weiterer Zeuge, Sonam Gyatso, der ebenfalls an der Demonstration teilgenommen hatte, bezeugte, er habe „gehört, wie Thabkhe Gyatso Parolen rief und die Flaggen in die Höhe hielt… Vier Fotos beweisen, daß Thabkhe Gyatso bei der Protestaktion dabei war“.

„Der Angeklagte gestand, daß er die Schnee-Löwen-Flagge während der Demonstration in der Hand hielt… Beweise für die Beteiligung von Thabkhe Gyatso fanden sich außerdem in den Papieren und Computern, die von dem Sicherheitsbüro von Kanlho beschlagnahmt wurden. Das Gericht verwirft den Einwand des Angeklagten, er habe keine Unabhängigkeits-Parolen gerufen, denn mehrere Zeugen bestätigten, daß er sich solcher Aktivitäten schuldig gemacht habe“.

„Daher gelangte das Gericht zu dem Schluß, daß Thabkhe Gyatso andere Personen zur Durchführung von separatistischen Aktivitäten aufhetzte, es spricht ihn der Verletzung der Art. 55, 56, und 103 des Strafgesetztes der Volksrepublik China schuldig und verurteilt ihn zu 15 Jahren Gefängnis und Entzug der politischen Rechte für weitere fünf Jahre“.

Das Urteil, in dem es weiter heißt, daß Thabkhe Gyatso das Recht zusteht, innerhalb von 10 Tagen bei dem Höheren Volksgericht von Gansu Berufung einzulegen, ist von dem vorsitzenden Richter Bai Yuanlian, der Richterin Cho Lhamo und dem Richter Li Yuanhong unterzeichnet.

* 30. Januar 2010: „Tibetischer Sänger wegen „subversiver Lieder“ zu über einem Jahr verurteilt