20. Dezember 2019
Radio Free Asia, www.rfa.org

China setzt neue Beschränkungen für das tibetische Religionsfest Ganden Ngachoe in Lhasa

Die chinesischen Behörden in Tibet haben die Beschränkungen für ein großes alljährliches Fest in der regionalen Hauptstadt Lhasa in diesem Jahr verschärft und die Teilnahme von Schülern, Studenten und Regierungsangestellten verboten, wie lokale Quellen berichten.

Das Fest, das Ganden Ngachoe heißt, erinnert an den Tod von Tsongkhapa, dem Gründer der größten buddhistischen Schule Tibets, der Gelugpa, im vierzehnten Jahrhundert und wird traditionell mit Butterlämpchen und Gebeten gefeiert, die von Mönchen in den drei Hauptklöstern der Stadt dargebracht werden.

Die diesjährige Zeremonie markiert den 600. Jahrestag des Todes dieses großen Lamas im Jahr 1419 und findet an zwei Tagen, dem 20. und 21. Dezember, statt. Sie wird gleichzeitig im Beisein von zahlreichen Gläubigen in Indien von dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, begangen, was das Ereignis in Tibet politisch heikel werden läßt.

Ein Bewohner von Lhasa berichtete dem tibetischen Dienst von RFA, eine kürzlich von den chinesischen Behörden herausgegebene Bekanntmachung verbiete tibetischen Schülern, Schulbeamten und Regierungsangestellten die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen während der Festperiode.

„In der Bekanntmachung heißt es, wenn jemand an diesen Veranstaltungen teilnimmt, werde er dafür verantwortlich gemacht und habe die Konsequenzen für seine Beteiligung zu ertragen“, sagte die Quelle, die unter der Bedingung der Anonymität sprach.

Einer zweiten Quelle in Tibet zufolge würden die Eltern der Schüler für die Einhaltung der Regierungsanordnung durch ihre Kinder verantwortlich gemacht. Vermutlich spiegeln die diesjährigen Einschränkungen die offiziellen Bedenken gegenüber dem Ereignis, das diese Woche in Indien stattfand, wider.

„Die Zeremonie anläßlich des 600. Todestages von Tsongkhapa ist daher ein heikler Tag in Lhasa“, sagte die Quelle, auch unter der Bedingung, daß sie nicht namentlich genannt werde.

Feiertage gestrichen

Die Anstrengungen der Regierung, die Teilnahme tibetischer Schüler und Studenten an religiösen Veranstaltungen zu verhindern, führten bereits früher in diesem Jahr zur Streichung von Feiertagen, die auf politisch heikle Daten fallen, wie etwa am 10. März das Gedenken an den tibetischen Aufstand von 1959 gegen die chinesische Herrschaft, so die Quelle.

„Der 10. März fiel in diesem Jahr auf einen Sonntag, und der Unterricht wurde nach einem ungewöhnlichen Schritt der Regierung über das Wochenende hin fortgesetzt“.

„Ähnlich fiel der 6. Juli, der Geburtstag des Dalai Lama, auf einen Samstag, und die Schüler wurden gezwungen, an diesem Tag zum Unterricht zu kommen, um sie von 'launischen Ablenkungen' fernzuhalten“.

„Tibetische Schüler daran zu hindern, Stätten der Anbetung zu besuchen und an religiösen Feierlichkeiten teilzunehmen, ist ein bewußter Versuch der chinesischen Regierung, sie dem Einfluß der tibetischen Religion und Kultur zu entziehen“, so die Quelle. „Der Zweck dabei ist, junge Tibeter bereits so früh wie möglich zu sinisieren.“

Bewaffnete chinesische Polizei in Uniform und in Zivilkleidung überschwemmt nun die Straßen von Lhasa während heikler politischer und religiöser Jubiläen, um Pilger und Gläubige genau zu beobachten, sagte die Quelle und fügte hinzu, daß diese restriktiven Sicherheitsvorkehrungen und die ständige Überwachung nun so allgegenwärtig geworden seien, daß die Tibeter sie als „Teil ihres täglichen Lebens“ empfinden.

Wie Beobachter und Teilnehmer angeben, haben öffentliche Versammlungen in den Klöstern Tibets in den letzten Jahren stark zugenommen, wobei sich Zehntausende von Tibetern einfinden, um ihrer nationalen und kulturellen Identität angesichts der chinesischen Herrschaft Nachdruck zu verschaffen.

Um unvermittelten Protesten der Tibeter gegen die Herrschaft Pekings zuvorzukommen, überwachen chinesische Sicherheitskräfte regelmäßig Ereignisse, an denen große Menschenmengen beteiligt sind, und zwingen sie manchmal auch zum Abbruch der Veranstaltung.