28. Dezember 2021
Central Tibetan Administration (CTA), www.tibet.net, Radio Free Asia, www.rfa.org

Wie in der Kulturrevolution: Tibetische Mönche und Anwohner werden gezwungen, bei der Zerstörung einer großen Buddha-Statue zuzusehen

Bei der „respektlosen“ Demolierung wurden auch 45 Gebetsmühlen zerstört.

Die Behörden in der chinesischen Provinz Sichuan haben im vergangenen Monat tibetische Mönche und andere Anwohner gezwungen, dem Abriß einer großen und weithin verehrten Buddha-Statue beizuwohnen, nachdem die Behörden beanstandet hatten, daß die Statue zu hoch gebaut worden sei, wie tibetische Quellen berichteten.

Buddha-Statue vor der Zerstörung

Gleichzeitig mit der 30 m hohen Statue wurden 45 traditionelle Gebetsmühlen zerstört, die von tibetischen Pilgern und anderen Gläubigen in Drango in der Autonomen Präfektur Kardze (Ganzi) aufgestellt worden waren.

Radio Free Asia verifizierte die Zerstörung der Statue durch die Analyse kommerzieller Satellitenbilder. Chinesische Behörden zwangen Mönche des Klosters Thoesam Gatsel und in Chuwar und an anderen Orten in der Nähe lebende Tibeter, der Zerstörung beizuwohnen, die am 12. Dezember begann und neun Tage lang dauerte, so tibetische Quellen im Exil, die sich auf Kontakte in der Region berufen.

 „Auch Tibeter aus anderen Dörfern wurden gezwungen, zuzuschauen“, sagte ein in Indien lebender Tibeter, der anonym bleiben wollte, um seine noch in Drango lebenden Familienangehörigen nicht zu gefährden. „Es wurde auch viel Polizei eingesetzt, um zu verhindern, daß die Zuschauer Fotos oder Videos machten und Störungen verursachten.“

„Es war gerade so wie bei der Kulturrevolution (1966-76), als die chinesische Regierung alles Alte in Tibet vernichtete“, fuhr die Quelle fort.

„Neben der Buddha-Statue wurden auch die in der Nähe des Drango-Klosters errichteten Gebetsmühlen zerstört; die Art und Weise, wie sie diese Demontage vornahmen, war sehr respektlos“, sagte ein anderer in Indien lebender Tibeter, der ebenfalls anonym bleiben wollte, um seine Quellen zu schützen.

Der Bezirksleiter von Drango, Wang Dongsheng, der den Abriß leitete, hatte einige Jahre zuvor eine Demolierungsaktion an der weitläufigen buddhistischen Akademie Larung Gar in Sichuan überwacht, bei der Tausende von Mönchen und Nonnen vertrieben und ihre Behausungen abgerissen wurden.

„Jetzt sehen wir die gleiche Art von Zerstörung hier in Drango und erleben schwere Einschränkungen  für die Tibeter in der Gegend“, verlautet aus der Quelle.

Zusammen mit der 99 Fuß hohen Statue in Drango (chin. Luhuo) in der Tibetisch-Autonomen Präfektur Kardze (Ganzi) wurden 45 traditionelle Gebetsmühlen zerstört, die tibetischen Pilgern und anderen Gläubigen für ihre Andacht dienten.

Kein Wort darüber verlautete, wann die Abbruchsaktion abgeschlossen war. „Aber es ist eine Tatsache, daß die Statue nun fast vollständig zerstört ist und die Tibeter vor Ort gezwungen wurden, diesen Vorgängen zuzusehen: Die Behörden wollten ihnen damit eine Lehre erteilen.“

Die Bronzestatue in Drango, deren Bau am 5. Oktober 2015 vollendet war, wurde unter großem Aufwand und mit den großzügigen Spenden der örtlichen Tibeter in Drango an einer Kreuzung errichtet und kostete rund 40 Millionen Yuan (rund 6,3 Millionen USD). 1973 war Drango von einem massiven Erdbeben heimgesucht worden, das schwere Schäden verursachte und den Tod von mehreren tausend Einwohnern zur Folge hatte. Die 99 Fuß hohe Buddha-Statue wurde errichtet, um solche Naturkatastrophen in Zukunft abzuwehren.

Unseren Quellen zufolge wurde die Bronzestatue errichtet, nachdem alle Genehmigungen des Bezirksamtes eingeholt worden waren, und sie wurde seinerzeit sogar von den örtlichen Behörden gelobt. In den letzten zwei bis drei Jahren hatten jedoch höhere Beamte, die das Gebiet besuchten, die Größe der Statue kritisiert. Und am 12. Dezember 2021 ordnete das Bezirksamt den Abriß der Statue an, nachdem es frühere Dokumente für ungültig erklärt und behauptet hatte, eine Statue dieser Höhe sei verboten. Eine solche Begründung rechtfertigt allerdings nicht die Zerstörung der 45 Gebetsmühlen, deren Bau rund 1.800.000 Yuan (rund 282.500 USD) gekostet hat, sowie das Abbrennen der Gebetsfahnen in der Umgebung. 

Zeremonie an der Statue vor ihrer Zerstörung

Der Abriß buddhistischer Statuen und Bauwerke ist ein direkter Angriff auf die jahrhundertealten Traditionen der Tibeter, zu denen das Aufhängen von Gebetsfahnen zur Vermehrung von Glück, das Errichten religiöser Bauwerke zur Abwehr von Unglück und das Drehen von Gebetsmühlen zur Anhäufung von Mantras für das Wohlergehen aller Wesen gehören. „Diese Handlungen der chinesischen Behörden sind akute Angriffe auf die tibetische Religion, Sprache und Kultur. Das harte Vorgehen gegen den tibetischen Buddhismus und die derzeitige Situation in Drango erinnern an die Zeiten der Kulturrevolution“, so unsere Quellen. Aufgrund der strengen Kontrolle des Informationsflusses in der Region sind wir derzeit nicht in der Lage, uns Bilder und Videos von dem Verlauf der Zerstörungen zu beschaffen.

Im vergangenen Monat wurde die Klosterschule Gaden Namgyal des Klosters Drango mit der falschen Begründung abgerissen, daß sie keine ordnungsgemäßen Dokumente besitze und gegen das Landnutzungsgesetz verstoße. Die Schule wurde zur Zielscheibe, weil sie seit ihrer Gründung ein wichtiges Bildungszentrum in der Region war und eine Reihe von Kursen anbot, darunter tibetischer Buddhismus, tibetische Sprache, chinesisches Mandarin und Englisch. Nach der Schließung der Schule waren die 130 Schüler gezwungen, in ihre Dörfer zurückzukehren, ohne in andere Schulen gehen zu können. Die chinesische Regierung verletzt ausnahmslos die Grundrechte des tibetischen Volkes, einschließlich der religiösen Rechte, der Sprachrechte und des Rechts, die eigene Kultur und Tradition zu bewahren und auszuüben.

„Aber ihre tatsächliche Absicht ist, die Identität Tibets vollständig zu zerstören, indem sie die tibetische Religion und Kultur auslöschen“, so unsere Quelle.