2002
Gu-Chu-Sum
Dharamsala, e-mail: info@guchusum.org, www.guchusum.org

Inhalt
  1. Einleitung
  2. Gefängnisse in der TAR
  3. Gefängnisse in dem Tibet außerhalb der TAR
  4. Laojiao (Zentren zur Umerziehung-durch-Arbeit)
  5. Haftzentren des Public Security Bureau
Teil 1

Chinesische Justiz und Haftzentren in Tibet

Dem chinesischen Recht zufolge können Straftäter auf die folgenden drei Weisen ins Gefängnis kommen:

  • auf Grund eines Gerichtsprozesses, d.h. einer Gerichtsverhandlung und Verurteilung durch ein Gericht,
  • auf administrativem Wege, d.h. Verwaltungsgremien fällen ohne ordentlichen Gerichtsprozeß Urteile bis zu drei Jahren (sogenannte Administrativurteile),
  • ohne ein gesetzliches Verfahren, d.h. Verdächtige werden für eine gewisse Zeitspanne festgehalten und dann ohne Anklageerhebung oder Verurteilung wieder freigelassen.

Häftlinge, die auf gerichtlichem Wege verurteilt wurden, kommen entweder in Gefängnisse oder in laogai (Zentren zur Reform-durch-Arbeit). Mit dem revidierten Strafgesetz (Criminal Procedure Law = CPL) von 1997 wurden die laogai formell abgeschafft, doch in einigen Gefängnissen in der TAR herrscht immer noch ein intensives Zwangsarbeitsregime, weshalb sie de facto laogai darstellen. Auch in den tibetischen Gebieten außerhalb der TAR gibt es viele Zwangsarbeitslager, besonders in der Provinz Qinghai, welcher der üble Ruf anhaftet, die größte Dichte an laogai in ganz China zu haben.

"Administrativurteile" werden ohne gerichtlichen Prozeß verhängt, weshalb die Möglichkeit einer Verteidigung von vorneherein ausgeschlossen ist. Die auf administrativen Wege verurteilten Häftlinge kommen in die sogenannten laojiao (Zentren zur Umerziehung-durch-Arbeit), wobei das höchste Strafmaß drei Jahre ist. Die in diesen Anstalten verrichtete Zwangsarbeit reicht von der Gemüsezucht und dem Leeren von Güllegruben bis zur Arbeit in Steinbrüchen und auf dem Bau. Das bekannteste laojiao ist die 14 km westlich der Stadt Lhasa gelegene Strafanstalt, die im Volksmund Trisam Gefängnis genannt wird.

Die ohne ein gesetzliches Verfahren Festgenommenen werden in die Haftzentren des Public Security Bureau (PSB) eingeliefert. Der revidierten CPL zufolge beträgt die längste Zeit, für die eine Person ohne offiziellen Haftbefehl eingesperrt werden kann, drei Monate. Es gibt (nach dem chinesischen Recht) jedoch zahlreiche ganz legale Wege, um diese Periode auf sechs Monate, ein Jahr oder gar noch länger auszudehnen. Jeder Distrikt, jede Präfektur und jede Provinz hat mindestens ein PSB-Haftzentrum. Alleine in der TAR gibt es 78 PSB Distrikt-Haftzentren, sieben auf Präfektur- und eines auf Provinzebene. Zuweilen werden auch auf administrativem Wege verurteilte Häftlinge in die PSB-Haftzentren gesteckt. Die zur Untersuchung dort einsitzenden Häftlinge dürfen gewöhnlich ihre Zellen nicht verlassen, außer zu einem 5-minütigen täglichen Gang, um ihren Toiletteneimer zu leeren, oder wenn sie zu Verhören gerufen werden. Den ganzen Tag lang haben sie nichts zu tun, als auf die nächste Vernehmung zu warten. Meistens dürfen sie nicht mit ihren Zellengenossen reden oder werden gleich in Isolationszellen eingeschlossen. Das berüchtigtste PSB Haftzentrum ist die als "Gutsa-Gefängnis" bekannte Strafanstalt.

Teil 2

Gefängnisse in der Autonomen Region Tibet (TAR)

Drapchi Gefängnis

Offiziell als Gefängnis No. 1 der TAR bezeichnet, liegt das Drapchi Gefängnis in den nördlichen Außenbezirken der Stadt Lhasa, von den bekannten Touristenhotels nur eine kurze Strecke per Fahrrad entfernt. Über 620 politische Gefangene waren seit 1987 in Drapchi eingesperrt, und rund 140 werden immer noch dort festgehalten. Drapchi verzeichnet mit mindestens 25 Foltertoten seit 1989 die meisten Todesfälle infolge schwerer Mißhandlung in der Haft.

Powo Tramo

Das offiziell mit Gefängnis No. 2 der TAR benannte Powo Tramo liegt 650 km östlich von Lhasa im Distrikt Pome in der Präfektur Kongpo. Mehrere politische Häftlinge verbüßen gegenwärtig dort ihre Strafe, und seit 1987 waren mindestens 16 in Powo Tramo inhaftiert. Diese Strafanstalt ist berüchtigt wegen ihrer harschen Bedingungen, die der Kälte, dem feuchten Wetter und der schwierigen Zwangsarbeit in der Forstwirtschaft zuzuschreiben sind.

Lhasa Gefängnis (Utritru)

Das Lhasa Gefängnis, das offiziell als das Utritru-Gefängnis bekannt ist, liegt etwa 3 km nordöstlich des Jokhang Tempels und bildet Teil eines Sangyip genannten und aus verschiedenen Haftanstalten bestehenden Komplexes. Trotz seiner zentralen Lage befand sich nur etwa ein Drittel der politischen Gefangenen im Lhasa Gefängnis, während es derzeit gar keine mehr dort gibt.

Doch wurden auf die Proteste vom Mai 1998 in Drapchi hin mehrere politische Häftlinge in Isolationszellen im Lhasa Gefängnis gesteckt, weil sie in Drapchi alle schon besetzt waren. Die Zwangsarbeit in Utritru besteht zumeist in der Fertigung von Ziegeln und dem Brechen von Steinen.

Teil 3

Gefängnisse in dem Tibet ausserhalb der TAR

Maowun Gefängnis

Das Gefängnis Maowun liegt in der Tibetischen und Qiang Autonomen Präfektur Ngaba. Mehrere politische Häftlinge wurden von der benachbarten TAP Kardze nach Maowun verlegt. In den 90er Jahren waren mindestens 15 tibetische politische Häftlinge im Gefängnis von Maowun eingesperrt, und acht verbüßen ihre Haftstrafe immer noch dort.

Rang-nga-khang

Rang-nga-khang ist eigentlich ein Netz von Haftanstalten in den Distrikten Dardo und Dawu der TAP Kardze. Die Häftlinge werden dort zur Arbeit in den Goldminen eingesetzt und müssen trotz der dürftigen Ernährung und des wenigen Schlafs ihre täglichen Quoten erfüllen. Wie Tsering Dorje erzählt, der Anfang der Neunziger dort eingesperrt war, werden die Häftlinge oft geschlagen, manchmal so maßlos, daß sie Knochenbrüche und schwere Augenverletzungen davontragen. Mehrere chinesische Häftlinge in der Anstalt, die keine Verwandten hatten, die ihnen etwas zu essen hätten bringen können, wurden zum Selbstmord getrieben, während andere sich selbst verstümmelten, um der Zwangsarbeit in den Minen zu entgehen. Man weiß nicht, wie viele tibetische politische Gefangene gegenwärtig dort eingesperrt sind.

Andere Gefängnisse, in denen Tibeter untergebracht sind

Um Xining, der Hauptstadt der Präfektur Qinghai, gibt es mindestens 10 laogai. In diesen wird eine ganze Reihe von Waren wie Stahlerzeugnisse, Leder- und Pelzkleidung und hydroelektrisches Gerät hergestellt. Es ist dies eine Gegend mit einer relativ großen tibetischen Bevölkerung, doch ist nicht klar, wie viele Tibeter dort gefangen gehalten werden. Es scheint, daß sich viele in einer Fabrik zur Herstellung hydroelektrischer Maschinen (234 von insgesamt 900 Häftlingen) befinden, und es heißt, daß einige davon politische Gefangene seien.

Teil 4

Laojiao (Zentren zur Umerziehung-durch-Arbeit)

Laojiao Trisam

Diese 1992 in Betrieb genommene Strafanstalt liegt 14 km westlich der Stadt Lhasa. Etwa 170 politische Gefangene waren früher in Trisam inhaftiert, doch gegenwärtig gibt es dort nur noch fünf. Die Häftlinge müssen in den Gemüsefeldern und auf Baustellen arbeiten, wo sie Steinblöcke zerkleinern und schwere Lasten an Steinen und Ziegeln schleppen müssen. Sie arbeiten über 8 Stunden täglich und haben alle 2 Wochen einen Tag frei.

Die Arbeit ist sehr anstrengend, und es kommt öfters vor, daß Häftlinge bei der Arbeit ohnmächtig zusammenbrechen. Manchmal kommen sie so von Kräften, daß sie sich beim Gehen an der Mauer festhalten müssen. Man weiß von vier Häftlingen, die in Trisam durch Mißhandlung starben, drei davon kurz nach der Entlassung und einer in der Haft. Das jüngste Opfer war Sherab Ngawang, die erst 12 Jahre alt war, als sie 1992 wegen Beteiligung an einer Unabhängigkeitsdemonstration verhaftet wurde. Sie wurde zu drei Jahren verurteilt und kam nach Trisam, wo sie ständig geschlagen und manchmal auch mit elektrischen Waffen mißhandelt wurde. Sie starb am 17. April 1995 im Alter von nur 15 Jahren. Bei ihrer Bestattung stellte sich heraus, daß Magen und Nieren schwere Verletzungen aufwiesen.

Laojiao Chamdo

Diese Anstalt, die 1998 in Betrieb genommen wurde, liegt in der Nähe von Chamdo, der Hauptstadt der Präfektur Chamdo. Einmal waren dort sechs politische Häftlinge, doch ist anzunehmen, daß es gegenwärtig keine mehr gibt.

Andere Laojiao mit Tibetern: Xinhua Laojiao

Diese Anstalt liegt in dem Bezirk Mianyang, 220 km nördlich von Chengdu in Nord-Sichuan. Von den dortigen Häftlingen wird hauptsächlich Bauarbeit geleistet. Im Oktober 1999 gab es mehrere Proteste gegen die Verhaftung des angesehenen buddhistischen Lehrmeisters Sonam Phuntsog in der Kreisstadt Kardze in der TAP Kardze. Auf die Demonstrationen hin wurden 12 Tibeter festgenommen und in das Xinhua Laojiao eingeliefert.

Zwei Tibeter starben letztes Jahr in Xinhua. Sie brachen zusammen, als sie in der Sommerhitze zur Arbeit gezwungen wurden. Sie bekamen weder Wasser noch medizinische Hilfe, weshalb sie kurz darauf starben. Einer von ihnen konnte als Tsering Wangdrak identifiziert werden. Dieser Mann war verheiratet und hatte zwei kleine Kinder. Als er anfänglich in dem PSB-Haftzentrum von Kandze eingesperrt war, wurde er mindestens einmal bewußtlos geschlagen, und in Xinhua ging die Mißhandlung weiter.

Teil 5

Haftzentren des Public Security Bureau

Das PSB Haftzentrum Gutsa

Hierbei handelt es um das PSB Präfektur-Haftzentrum von Lhasa. Gutsa liegt einige Kilometer östlich von Lhasa. In der Zeit von 1987 bis jetzt waren in dieser Anstalt mehr politische Gefangene eingesperrt als in allen anderen. Viele Häftlinge, die in Gutsa vernommen werden, kommen nach ihrer Verurteilung nach Drapchi, während andere für eine gewisse Zeitspanne dort festgehalten und dann ohne Anklage wieder laufen gelassen werden.

Die Gefängnisoffiziere in Gutsa sind berüchtigt für die barbarischen Methoden, die sie bei der Vernehmung der Häftlinge anwenden. Um Gyaltsen Choetso zu zitieren: "Als ich zuerst nach Gutsa gebracht wurde, zogen sie mich nackt aus und traktierten mich am ganzen Leib mit elektrischen Schlagstöcken. Es gab etwa 60 bis 70 Aufseher, die uns alle folterten und mit Eisenstangen und Holzstöcken auf uns einschlugen. Mindestens vier Häftlinge starben als direkte Folge von Mißhandlungen in Gutsa.

Das PSB- Haftzentrum Sitru
Einen Teil des Sangyib Gefängniskomplexes bildet das nördlich des Lhasa Gefängnisses befindliche Sitru. Viele der in Sitru Inhaftierten wurden des Kontaktes mit "Fremden", zu denen auch Tibeter im Exil zählen, bezichtigt, oder sie waren selbst im Ausland gewesen und wurden verdächtigt, Informationen über die Verletzung von Menschenrechten aus dem Land geschmuggelt zu haben. Über 110 politische Gefangene befanden sich in Sitru.

Das PSB Haftzentrum Shigatse (Nyari)

Tibeter, die beim Versuch, ohne die notwendigen Papiere die Grenze zu Nepal zu überqueren, gefaßt werden, kommen gewöhnlich in das Haftzentrum der Präfektur Shigatse, das im Volk als Ngari bekannt ist.

Andere PSB Haftzentren

Viele politische Gefangene saßen auch in den Haftzentren der Präfekturen Lhoka und Chamdo ein. Es ist nicht bekannt, wie viele sich derzeit in diesen beiden Anstalten befinden.

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