20. November 2002
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
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Tod eines tibetischen Gewissensgefangenen infolge von Misshandlung

Wie aus zuverlässigen Quellen aus Tibet verlautet, starb Lobsang Dhargyal plötzlich am Morgen des 19. Novembers in der Arbeitsbrigade, die sein Lager zur "Reform durch Arbeit" im Dorf Siling, Distrikt Machen (chin. Maqin xian), TAP Golog, Provinz Qinghai, für das Wasserkraftwerk aufgestellt hatte. Er verbüßte einschließlich einer früheren Haftstrafe von zweieinhalb fast 19 Jahre Gefängnis.

Obwohl das TCHRD noch auf detailliertere Informationen wartet, ist es so gut wie sicher, daß Lobsang Dhargyals plötzlicher Tod auf Folterung und Mißhandlung in dem Zwangsarbeitslager zurückzuführen ist. Man nimmt an, daß er an einer Gehirnblutung starb. Näheres zu seinem Tod werden wir mitteilen, sobald wir über weitere Informationen verfügen.

Der Einsatz der Folter als Vergeltung für politische Aktivitäten ist Anlaß zu großer Sorge, besonders angesichts der von der VR China (PRC) im Rahmen der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlung und Bestrafung (CAT) eingegangenen Verpflichtungen. Obwohl die PRC diese Übereinkunft 1988 ratifizierte, sind dem TCHRD seit 1986 insgesamt 79 Todesfälle (in der Haft oder kurz nach Freilassung) als direkte Folge von Folterung bekannt geworden.

Daß Tibeter in von Chinesen verwalteten Gefängnissen und Haftzentren ständig mißhandelt und gefoltert werden, scheint darauf hinzuweisen, daß die chinesische Regierung unbedingt das Nationalgefühl des tibetischen Volkes unterdrücken will. Individuelle Rechte und Rechtsstaatlichkeit scheint es nur innerhalb dieses Parameters zu geben.

Das chinesische Strafrechtssystem legt traditionell große Betonung auf laogai - Reform-durch-Arbeit. 1994 erließ der Nationale Volkskongreß der PRC zwar eine neue Gefängnisverordnung, mit der das laogai System offiziell abgeschafft wurde. Doch unter dem Begriff "Gefängnis" wurde es weiter fortgeführt. Der dem laogai System zugrunde liegende Zweck war nicht nur Bestrafung, sondern auch "Umkehr und Wandel zum Besseren". Die Insassen sowohl der Gefängnisse als auch der Arbeitslager (die nun beide als "Gefängnisse" klassifiziert wurden) werden intensiver Zwangsarbeit und ideologischer Indoktrinierung unterworfen, die als wirksame Mittel gelten, um den politischen Eifer gewisser Leute zu dämpfen und gleichzeitig wirtschaftlich Gewinn zu erzielen.

Kurz zu Lobsang Dhargyal

Der 1962 geborene Lobsang Dhargyal war ehemals Mönch des Klosters Rabgya im Distrikt Machen in der TAP Golog. In der von Unabhängigkeitsbestrebungen geprägten Periode nach 1987 druckte Dhargyal zusammen mit Lobsang Palden und Yeshi Gyaltsen annähernd 40.000 Flugblätter, die die beiden dann an strategisch günstigen Punkten wie Fernstraßen, geschäftigen Straßenmärkten und dem Umrundungsweg um das Kloster Rabgya verteilten. Auf dem Dach der Versammlungshalle des Klosters hißten sie zudem eine tibetische Nationalflagge und in einer Ecke brachten sie eine kleinere Papierfahne an.

Nachdem die Beamten des PSB vom Distrikt Machen hölzerne Druckstöcke in Lobsang Dhargyals Zimmer sichergestellt hatten, nahmen sie ihn am 25. November 1992 fest. Nach einem Jahr Haft im Golog-Gefängnis wurde Dhargyal vom Mittleren Volksgericht Golog zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren und zusätzlich zwei Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Während der ganzen Zeit seiner Gefangenschaft waren seine Hände in Handschellen gelegt und seine Füße gefesselt. Durch die schweren Schläge verlor er zwei seiner Vorderzähne. Am 25. Mai 1995 wurde Lobsang Dhargyal entlassen.

Im April 1997 half Dhargyal dem Oberlama des Klosters Rabgya (zugleich der 20. Wiedergeburt der Mutter von Jetsongkhapa, dem Gründer der Gelugpa Schule des tibetischen Buddhismus) Tenzin Choekyi Gyaltsen Rinpoche bei dessen Flucht aus Tibet. Dem Kloster Rabgya wurden damals schwere Restriktionen auferlegt und es wurde permanent überwacht.

Als Lobsang Dhargyal im Mai 2001 nach Tibet zurückkehrte, um seine kranke Muter zu besuchen, wurde er in der Nähe von Shigatse in der TAR festgenommen und daraufhin den Behörden der Golog TAP überstellt. Im Oktober desselben Jahres verurteilte das Mittlere Volksgericht von Golog Lobsang Dhargyal wegen Verdachts auf Spionage und "spalterische Aktivitäten" zu 16 Jahren Gefängnis.

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