10. Februar 2003

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
Phone: Norzin Dolma/Tenzin Chokey +91/1892/223363/225874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org

Jahresbericht 2002: Die Menschenrechtslage in Tibet

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie gab am 10. Februar seinen neuesten Bericht mit Titel "2002 Annual Report: Human Rights Situation in Tibet" heraus. Darin wird geprüft, ob China zwei internationale Menschenrechtsverträge, nämlich die Internationale Vereinbarung über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) und die Internationale Vereinbarung über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (ICESCR) einhält.

Das TCHRD beurteilt Chinas Politik und Menschenrechtspraxis in Tibet als widersprüchlich und sich selbst aufhebend. Peking pflegte eine Art von "Menschenrechtsdiplomatie", um unter dem Deckmantel von Zugeständnissen neue Attacken auf Dissidenten zu starten - in der Annahme, daß die Weltpolitiker nach einer Geste guten Willens weniger heftig reagieren würden.

Die VR China setzte 2002 mit der Freilassung sechs prominenter politischer Häftlinge, dem Empfang einer tibetischen Delegation aus dem Exil und der Einladung zweier Gruppen ausländischer Korrespondenten ein paar positive Signale. Im gleichen Atemzug aber wurden in diesem Jahr die Aktivitäten religiöser Führungspersönlichkeiten mit dem Terrorismus in Verbindung gebracht, Gerichtsprozesse hinter verschlossenen Türen abgehalten, Hinrichtungen vollstreckt, Leute durch Folterung zu Tode gebracht und extrem lange Haftstrafen verhängt. Im Dezember 2002 waren dem TCHRD 208 politische Häftlinge bekannt, die in verschiedenen Gefängnissen und Haftzentren Tibets schmachten.

Die chinesischen Behörden ließen Lobsang Dhondup am 26. Januar 2003 hinrichten. Das Todesurteil wurde am 3. Dezember verhängt, gleichzeitig wurde Tulku Tenzin Delek wegen angeblicher Beteiligung an Bombenattentaten mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub zum Tode verurteilt. Darüber hinaus wurde der tibetische Mönch Lobsang Dhargyal am 19. November 2020 in der Haft zu Tode gefoltert. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der seit 1987 an den Folgen von Mißhandlungen gestorbenen politischen Gefangenen in Tibet auf 81.

Das Abflauen politischer und religiöser Aktivitäten in der letzten Zeit ist der verstärkten Überwachung und der brutalen Unterdrückung durch den Staat zuzuschreiben. Dem TCHRD wurden zahlreiche Fälle von Verhaftungen von Personen bekannt, die aus dem Exil in die TAR zurückkehren wollten, von Mönchen, die religiöse Zeremonien durchführten, sowie von Tibetern, die auf friedliche Weise für die Unabhängigkeit plädierten. Tibeter, die aus Tibet flohen oder wieder nach Tibet einzureisen versuchten, wurden an der tibetisch-nepalesischen Grenze schwer drangsaliert. Derzeit verbüßen 13 Tibeter lange Haftstrafen in Gefängnissen in Nepal.

Im religiösen Bereich wurde die Anti-Dalai-Lama Kampagne noch vehementer fortgeführt, während traditionelle religiöse Praktiken und Glaubensäußerungen schweren Restriktionen unterworfen wurden. Im Jahr 2002 wurden einflußreiche religiöse Würdenträger in Tibet Opfer brutaler Verfolgung, während die Indoktrinierung von Mönchen und Nonnen unter dem Vorzeichen der "patriotischen Erziehung" unvermindert weiterging.

Auch die Zensur des Internets war 2002 ein hochbrisantes Thema. Man hörte, daß der Staat über 100.000 Cyberspace-Polizisten damit beschäftigt, eine strenge Kontrolle über das Internet auszuüben. Schlüsselworte wie Demokratie, Menschenrechte, Dalai Lama, Tibet und Taiwan, welche der PR China als verdächtig gelten, rufen Blockaden des Internets hervor. Nachrichten aus dem Ausland wurden streng kontrolliert, und es gab fortlaufend Störungen von ausländischen Radio- und Fernsehsendern in Tibet.

Was nun die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte betrifft, so bleibt die Politik der Chinesen auf dem tibetischen Hochland weit hinter dem zurück, was nach internationalen Standards als eine gute Verwaltung gilt. Tibet bildet zusammen mit 11 weiteren westlichen Provinzen eine der ärmsten und unterentwickeltsten Regionen Chinas.

Im Namen des Westlichen Entwicklungsprogramms (WDP), das 1999 gestartet wurde, pumpt China Milliarden von Dollar nach Tibet und andere entlegene westliche Provinzen. Trotz des massiven Propagandarummels um das WDP sehen Tibeter sein Hauptziel in der Ausbeutung ihrer Naturschätze und in der Ansiedlung von Chinesen in ihrem Land. Dem TCHRD scheinen solche "Entwicklungsprogramme" auch die kulturelle Assimilierung zum Zweck zu haben.

Die Bildungspolitik wird in Tibet als ein Mittel zur Indoktrinierung mit kommunistischen Ideologien verwendet. Die Schüler werden gezwungen, den Dalai Lama zu verunglimpfen, die chinesische Version der Geschichte zu lernen, und die Unterrichtssprache an den meisten Schulen ist jetzt Chinesisch.

Tibeter in Tibet haben nur einen sehr eingeschränkten oder gar keinen Zugang zu medizinischen Einrichtungen. Die Gesundheitsfürsorge für Tibeter bleibt weit hinter dem in China üblichen Durchschnitt zurück und entspricht nicht dem internationalen Standard für eine angemessene medizinische Versorgung. Die ständig ansteigenden Kosten für Krankenhausbehandlungen und der Mangel an ausgebildetem medizinischem Personal auf dem Lande tragen zu der sich zunehmend verschlechternden Gesundheitslage der Tibeter bei.

Das grundlegende Problem hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen und der Einschränkung der Freiheitsrechte für Tibeter ist nicht der Mangel an entsprechenden Gesetzen, sondern der mangelnde Wille der chinesischen Regierung sie durchzusetzen. Es wird deutlich sichtbar, daß dort die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, die von ihrer universellen Anerkennung und Beachtung abhängen, nicht respektiert werden.

Das TCHRD ruft die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf die VR China solange aufrecht zu erhalten, bis es greifbare Zeichen einer Verbesserung im Umgang mit den Menschenrechten gibt. Peking muß sich an die internationalen Richtlinien für Menschenrechte halten, was sowohl seine eigenen Bürger als auch das Volk der Tibeter betrifft.