14. November 2003
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
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Intensivierung der Kampagne gegen den Dalai Lama in den Distrikten Kardze und Lithang

Pressemitteilung

Aus zuverlässigen Quellen erhielt das TCHRD die bestätigte Information, daß der Bevölkerung in den Distrikten Kardze und Lithang in der TAP Kardze der Provinz Sichuan mit der Konfiszierung ihres Grund und Bodens gedroht wurde, falls nicht innerhalb eines Monats alle Porträts des Dalai Lama abgegeben werden.

Vertrauenswürdigen Informanten zufolge hielten chinesische "Arbeitsteams" in allen Dörfern und Gemeinden der Distrikte Kardze und Lithang am 11. und 12. November 2003 Versammlungen ab. Am 11. November befahlen die örtlichen Behörden und die Vertreter der "Arbeitsteams" die umgehende Einstellung aller auf die Unabhängigkeit Tibets gerichteten Aktivitäten, sowie jegliche Ehrerbietungsbezeugungen für den Dalai Lama zu unterlassen. Demzufolge wurden die Menschen zur Aushändigung der in ihren Häusern aufbewahrten Bilder des Dalai Lama aufgefordert. Da keine Reaktion erfolgte, versicherten die Behördenvertreter, es würden keinerlei Schritte unternommen gegen Personen, welche die Porträts freiwillig übergäben. Am nächsten Tag wurde aus demselben Grund eine weitere Versammlung einberufen, aber wiederum wurden besagte Porträts nicht ausgehändigt. Daraufhin drohten die Behördenvertreter den Leuten mit der Beschlagnahmung ihres Grundbesitzes, sollten sie nicht innerhalb eines Monats der Anordnung Folge leisten. "Falls am Ende dieser Frist in irgendeinem Haus Bilder des Dalai Lama gefunden werden, verliert die betreffende Familie ihr Land", lautete die Drohung der Behörden.

Die Einberufung dieser Versammlungen durch die Behörden ist vermutlich die Reaktion darauf, daß im Oktober 2003 die tibetische Nationalflagge auf einem riesigen Sendemasten wehte (laut RFA vom 19.11. handelte es um einen 72 m hohen Radio-Sendeturm, an dem anläßlich der Einweihung einer Stupa gegenüber des Klosters Kardze eine tibetische Flagge erschien). Die Behörden versuchten erfolglos den "Übeltäter" zu ermitteln. Diese harten Maßnahmen sollen dazu dienen, derartige Vorkommnisse künftig zu unterbinden. Die Mehrheit der Einwohner der Distrikte Kardze und Lithang sind Bauern und leben seit Generationen von dem, was sie auf ihrem Grund und Boden erwirtschaften. Wegen der Androhung der Konfiszierung fürchten die Menschen nun um ihren Lebensunterhalt.

Hintergrund dieser Entwicklung: Bei dem 1994 abgehaltenen "Dritten Arbeitsforum zu Tibet" nannten die chinesischen Behörden den Dalai Lama "Kopf der Schlange". Daraufhin wurden im Jahr 1996 die ersten Anti-Dalai-Lama-Kampagnen in den Klöstern Tibets durchgeführt. Mönche und Nonnen sind ständigen politischen Indoktrinationen ausgesetzt, in deren Verlauf sie sogar zur Verurteilung des Dalai Lama gezwungen werden. Später wurde die Kampagne auch auf die Laienbevölkerung ausgeweitet. Im Juni 2000 durchsuchten "Arbeitsteams" alle Häuser im Distrikt Toelung Dechen (TAR) nach Bildern des Dalai Lama. Die konfiszierten Porträts wurden auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Seit dem Start der Anti-Dalai-Lama-Kampagne kam es bereits zu etlichen Festnahmen wegen des Aufstellens von Bildern oder des Besitzes von Video- oder Audiocassetten des Dalai Lama, sowie wegen der Wiederholung der Worte "Lang lebe der Dalai Lama".

Seit 2001 hat sich der Schwerpunkt der religiösen Unterdrückung nach Sichuan, das früher relative religiöse Freiheit genoß, verlagert. Drei der prominentesten religiösen Würdenträger - Geshe Sonam Phuntsok (der zur Zeit eine fünfjährige Haftstrafe verbüßt), Tulku Tenzin Delek Rinpoche (mit zwei Jahren Aufschub zum Tode verurteilt) und Khenpo Jigme Phuntsok (der ohne Verbindung zur Außenwelt inhaftiert war und dessen Serthar-Institut Opfer von Massenvertreibung und Zerstörung wurde) - wurden auf Grund ihrer Treue zum Dalai Lama Zielscheibe der Schikanen der chinesischen Behörden. Die in diesem Jahr bei den Verhaftungen festzustellende Tendenz läßt auf eine weitere Intensivierung des Anti-Dalai-Lama-Kurses schließen.