18. April 2005
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
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Chinas Weissbuch zu den Menschenrechten: Fortschritt oder Rückschritt?

Am 13. April 2005 gab das Informationsbüro des Staatsrates der PRC (People's Republic of China) ein Weißbuch mit Titel "Chinas Fortschritte bei den Menschenrechten 2004" heraus. Das Weißbuch nennt sechs Hauptbereiche, in denen es angeblich Verbesserungen gegeben habe: das Recht der Menschen auf Lebensunterhalt und Entwicklung; bürgerliche und politische Rechte; die Verankerung der Menschenrechte in den Gesetzen; wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; gleiche Rechte und Schutz für ethnische Minderheiten; die Rechte und Interessen der Behinderten.

Was das TCHRD über Chinas Umgang mit den Menschenrechten in Tibet in Erfahrung bringen konnte, steht allerdings in krassem Gegensatz zu dem von China in dem Weißbuch erhobenen Anspruch auf die enormen Fortschritte. Das TCHRD hat zahlreiche Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die von den chinesischen Behörden 2004 und in vergangenen Jahren in Tibet begangen wurden. Durch unabhängige Recherchen und die Aussagen der Flüchtlinge konnte es eine ungeheure Vielfalt an Informationen zusammentragen, welche die systematische und kontinuierliche Verletzung der Rechte der Tibeter auf politische und bürgerliche Freiheiten sowie die Verletzung ihrer sozial-ökonomischen Rechte belegen.

Das TCHRD sieht in der Veröffentlichung dieses neuen Weißbuchs zum jetzigen Zeitpunkt einen weiteren diplomatischen Schachzug und politischen Werbetrick Chinas, mit dem Ziel, internationale Kritik an seiner miserablen Menschenrechtsbilanz abzuwenden. Obwohl bei der 61. Sitzung der UN Menschenrechtskommission (UNCHR) in Genf dieses Jahr kein Mitgliedstaat eine Resolution zu Chinas Umgang mit den Menschenrechten eingebracht hat, war das Versagen der PRC in Sachen Menschenrechte eines der Hauptthemen bei der Konferenz. Darüber hinaus haben viele Menschenrechtsorganisationen das chinesische Regime mit seiner erbärmlichen Menschenrechtsbilanz als eines der repressivsten auf Erden eingestuft. Deshalb stellt das Weißbuch eher eine offizielle Sammlung leerer Phrasen dar, mit der China sein internationales Ansehen aufbessern will, als daß es reale Fortschritte bei der Menschenrechtslage in China und Tibet wiedergäbe.

Die Menschenrechtsverletzungen in Tibet sind in dem Rahmen zu sehen, daß den Tibetern, sowohl was die bürgerlichen und politischen als auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte betrifft, ihr Selbstbestimmungsrecht verweigert wird. Die PRC hat jedoch die Internationale Übereinkunft über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) 1998 unterzeichnet; sie hat die Internationale Übereinkunft über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) 1997 unterzeichnet und 2001 ratifiziert.

Beide Verträge garantieren das Recht auf Selbstbestimmung. Trotz der Einrichtung der Autonomen Region Tibet (TAR) 1965 und der Verabschiedung des regionalen ethnischen Autonomiegesetzes 1984 erfreuen sich die Tibeter in Tibet der Autonomie nur dem Namen nach - ohne einen Hauch von Selbstbestimmung. Das Prinzip "von oben nach unten", an dem sich die chinesische Regierung bei ihren politischen Entscheidungen und deren anschließender Realisierung orientiert, läßt keinen Raum für die Partizipation der Tibeter oder die Berücksichtigung lokaler Bedürfnisse. All diese Faktoren führen zu massiven Verletzungen der Menschenrechte des tibetischen Volkes.

Die PRC wird nicht müde zu wiederholen, daß "sich der allgemeine Lebensstandard des Volkes und die Lebensqualität beachtlich verbessert hätten…". Es stimmt, daß China viel Geld aufbringt und viel investiert, um den westlichen Teil des Landes, wozu auch Tibet gehört, zu entwickeln. Doch der vielgepriesene Wirtschaftsboom ging an den Tibetern und anderen ethnischen Minderheiten leider vorüber, und Tibet ist nach wie vor eine der ärmsten Regionen in China, wobei das Einkommensgefälle zwischen Stadt und Land gewaltig ist. Diese Tatsache spiegelt sich auch in den Berichten der Weltbank und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) wider, wo Tibet zusammen mit 11 anderen Provinzen im Westen Chinas als die ärmste und am wenigsten entwickelte aufgeführt wird. Alle staatlich finanzierten Entwicklungsprojekte dienen in erster Linie der Infrastruktur-Entwicklung wie Eisenbahn und Straßenbau, und weniger der menschlichen Entwicklung auf den Sektoren Bildung, Gesundheit, Beschäftigung und Partizipation der Bevölkerung an Ort und Stelle. Tatsache ist, daß Entwicklung und Fortschritt trotz ihrer ständigen Zusicherung nicht bis zu den Bauern und Hirten, die 80% der tibetischen Bevölkerung ausmachen, vorgedrungen sind.

In dem Weißbuch steht, "die Wohnverhältnisse und die Lebensbedingungen für die Bewohner in der Stadt und auf dem Land haben sich beachtlich verbessert". Was Tibet betrifft, so kann von solchen Verbesserungen nur in den größeren Städten die Rede sein, die eine riesige Zahl an chinesischen Wanderarbeitern anziehen und wo der Tourismus boomt. Sie hatten jedoch weitreichende negative Folgen, weil die Planung und Entwicklung von Tibets urbanen Gebieten einseitig ist. Unter dem Vorwand der Entwicklung zerstört und vernachlässigt der chinesische Staat die alten Stadtteile, wo die Mehrheit der Tibeter wohnt. Zwangsräumungen und der folgende Abbruch von Gebäuden sind nicht nur ein Verstoß gegen das Recht auf Wohnung und Besitz, sondern auch gegen das Recht auf eine kulturell angemessene Wohnmöglichkeit.

Die chinesische Regierung behauptet, sie "... messe der Gesundheitsversorgung der Menschen große Bedeutung bei", indem sie wirksame Maßnahmen ergreife, um "bedrohlichen Epidemien vorzubeugen und sie unter Kontrolle zu bringen". Dennoch verzeichnet China weltweit eine der höchsten Zahlen an HIV-positiven Fällen, und es wird befürchtet, daß die HIV/AIDS Infektion bald auch auf die Landbevölkerung übergreift, besonders in den entlegenen westlichen Regionen, wo die Menschen wenig über die Immunschwächekrankheit aufgeklärt sind. Vergrößert wird die Gefahr einer Ausbreitung von HIV/AIDS in diesen Regionen noch dadurch, daß die Prostitution in den Städten und größeren urbanen Zentren infolge des raschen Anstiegs der Zahl von Migranten aus China explosionsartig zunimmt.

Die Aufnahme des Passus "der Staat respektiert und gewährleistet die Menschenrechte" in die chinesische Verfassung im März 2004 wurde international als ein bedeutender Schritt in Richtung auf eine demokratische und konstitutionelle Regierungsform und ein wichtiger Meilenstein beim Fortschritt in Sachen Menschenrechte begrüßt. Es ist in der Tat ein positives Anzeichen, daß Peking zum ersten Mal dem Menschenrechtsaspekt Gewicht bemißt. Dennoch ist ein geeigneter Umsetzungsmechanismus zur Geltendmachung der in der Verfassung garantierten Bestimmungen wichtiger als eine bloße Verfügung auf dem Papier.

Entgegen der Behauptungen Pekings, die zivilen und politischen Rechte seiner Bürger würden gewährleistet, sind dem TCHRD 146 Fälle von politischen Gefangenen bekannt geworden, die in diversen chinesisch verwalteten Gefängnissen und Haftanstalten in Tibet einsitzen und die es dokumentiert hat. Die Wahrnehmung des Rechts auf Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit wird als Abweichlertum und Separatismus, wodurch die Staatssicherheit gefährdet wird, eingestuft. In Tibet ist es immer noch ein Verbrechen, seine Loyalität gegenüber dem Dalai Lama durch den Besitz oder das Anbringen seiner Bilder oder durch das Organisieren von Gebetszeremonien für ihn auszudrücken und eine tibetische Nationalflagge oder politische Literatur zu besitzen.

Die Definition von "Gefährdung der Staatssicherheit" ist in Chinas Strafgesetz so mehrdeutig gefaßt, daß sich damit die Wahrnehmung einer ganzen Reihe ihrer gesetzmäßigen Rechte durch die Tibeter verhindern läßt. Im Rahmen der Kampagne des harten Durchgreifens und des weltweiten Kampfes gegen den Terrorismus geht China scharf gegen alle Aktivitäten vor, in denen es eine Bedrohung der nationalen Stabilität sieht. Zahlreiche Tibeter wurden verhaftet, festgehalten, gefoltert und ins Gefängnis geworfen, weil ihre gewaltlosen politischen Aktivitäten kriminalisiert wurden.

Die PRC behauptet in ihrem Weißbuch, die Informations-, Rede- und Pressefreiheit ihrer Bürger werde durch das Gesetz geschützt. In Wirklichkeit durchläuft jede Veröffentlichung und jede neue Nachricht einen komplizierten Überprüfungsprozeß und muß durch die Partei gebilligt werden, ehe sie der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird. Diese hat nur ein recht beschränktes Wissen von der Außenwelt, weil der Informationsfluß von außerhalb durch die Behörden streng gesiebt und überwacht wird. Die meisten Zeitschriften und Medien gehören dem Staat, und die Leser- und Hörerschaft wird nur mit Nachrichten voller offizieller Parteiideologie und Propaganda gefüttert. Die kürzlich erfolgte Schließung einer Website für tibetische Kultur, die von der Xueyu Zangren Cultural Exchange Co. Ltd. in der nordwestlichen Provinz Gansu betrieben wurde, das darauf folgende Verschwinden ihres Chefredakteurs Tsewang Norbu, das Verbot eines Buches der tibetischen Schriftstellerin Woeser, der die Partei "ernste politische Fehler" vorwarf, und die Informationssperre durch die Störung von Radiosendungen – sind nur ein paar Beispiele, die deutlich beweisen, daß es in China keine Freiheit der Meinungsäußerung und der Presse gibt.

Die Regierung der PRC behauptet, ihre Bürger hätten in Übereinstimmung mit dem Gesetz die volle Religionsfreiheit. Weder die Anzahl der religiösen Stätten, noch die Renovierung von Klöstern oder die Anzahl der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft, sagt etwas darüber aus, ob es wirklich Religionsfreiheit gibt. Peking ist von der Furcht besessen, es bestünde ein Zusammenhang zwischen dem tibetischen Buddhismus, dem Dalai Lama und dem tibetischen Nationalismus. Für China stehen soziale Stabilität und nationale Einheit an oberster Stelle. Daher hat Peking die Anti-Dalai-Lama Kampagne im Laufe der Jahre durch diverse restriktive Maßnahmen wie die "patriotische Umerziehung" in den religiösen Einrichtungen oder das Verbot von Feiern aus Anlaß des Geburtstags des Dalai Lama, des Besitzes seiner Bilder usw. zunehmend verschärft.

Die "patriotische Umerziehungskampagne", die seit 1996 durchgeführt wird, zwingt die Geistlichkeit dazu, die kommunistische Ideologie zu studieren und den Dalai Lama zu verunglimpfen. Für die in den Klöstern lebende Anzahl der Mönche wurde eine Obergrenze festgesetzt, und der Staat greift durch die ständige Überwachung des Lehrplans und die Kontrolle der klösterlichen Aktivitäten ganz massiv in das traditionelle religiöse Studium und die Praxis ein. Im Zuge dieser Kampagne wurden in den letzten acht Jahren 11.383 Mönche und Nonnen aus ihren Klöstern vertrieben. Gedhun Choekyi Nyima, der vom Dalai Lama im Mai 1995 als der 11. Panchen Lama anerkannt wurde, ist schon seit 10 Jahren verschwunden, und sein Aufenthaltsort und sein Befinden sind nach wie vor unbekannt. In letzter Zeit wurden populäre religiöse Führungspersönlichkeiten in Tibet wegen ihrer religiösen Überzeugung und ihrer dem Dalai Lama bezeugten Loyalität von den Behörden verfolgt. Tulku Tenzin Delek und Bangri Tsamtrul Rinpoche verbüßen eine lebenslängliche Haftstrafe, nachdem sie zuerst zum Tode verurteilt worden waren. Chadrel Rinpoche steht seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis unter Hausarrest. Und Geshe Sonam Phuntsok saß fünf Jahre im Gefängnis.

Die PRC behauptet, sie habe sich bemüht, "offene Probleme bei der Anwendung der Gesetze zu lösen... Strafsachen, bei denen Regierungsbedienstete ihre Vollmachten mißbraucht und gegen Menschenrechte verstoßen haben, streng zu ahnden, Fällen von illegaler Festhaltung und Verschleppung nachzugehen, und der Erpressung von Geständnissen durch Folter, der Beweisbeschaffung durch Gewalt, der Mißhandlung von Personen im Polizeigewahrsam mehr Aufmerksamkeit zu schenken...". Dennoch sind Folter und Mißhandlung in Tibet in jeder Phase der Inhaftierung gang und gäbe. Für tibetische Festgenommene und Häftlinge ist es an der Tagesordnung, daß sie Folter und Mißhandlung ausgesetzt sind, um Geständnisse aus ihnen herauszupressen und ihr Nationalgefühl zu zerschlagen. Es gibt viele Fälle, wo schwerkranken Gefangenen die dringend benötigte medizinische Betreuung verweigert wurde. Seit 1987 verzeichnete das TCHRD bei politischen Gefangenen 87 Todesfälle auf Grund von Folter entweder noch in der Haft oder kurz nach der Entlassung.

Darüber hinaus hat die Neuauflage der Hartdurchgreif-Kampagne in Tibet schwerwiegende Auswirkungen auf die Menschenrechte der Tibeter, denn sie geht mit einer Verschärfung der Kontrolle durch die Regierung und exzessivem Machtmißbrauch einher. Charakteristisch für die Kampagne sind brutale Polizeieinsätze, harte Urteile wie die Todesstrafe und Exekution auf der Stelle. Das Verhalten der chinesischen Polizei, der Prokuratur und des Justizapparats entspricht nicht den internationalen Menschenrechtsnormen. Obendrein mißachten die Vollzugsbeamten geflissentlich das von Chinas eigenen nationalen Gesetzen vorgeschriebene Prozedere, wozu sie im Verlauf dieser Kampagne von den Behörden sogar noch angehalten werden.

Weiterhin erwähnt das Weißbuch, "die Justizorgane haben verschiedene Maßnahmen ergriffen, um sehr langen Haftzeiten vorzubeugen oder sie einzuschränken". Das TCHRD ist besorgt um das Schicksal von Chadrel Rinpoche, dem ehemaligen Leiter des Suchkomitees nach der Wiedergeburt des Panchen Lama, und seines engen Mitarbeiters Champa Chungla. Beide Männer stehen immer noch an unbekanntem Ort unter Hausarrest, obwohl sie nach Verbüßung ihrer Strafe längst aus dem Gefängnis entlassen wurden.

Ein weiterer Kernpunkt des Weißbuches ist die Betonung "...eines Entwicklungskonzepts, das die Menschen an die erste Stelle setzt ...der Beteiligung aller Menschen an der Entwicklung... die Anhebung des Standards bei dem Genuß ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte." Pekings Entwicklungsprogramm für den Westen (WDP), das 1999 gestartet wurde, um die westlichen Regionen des Landes einschließlich Tibets wirtschaftlich zu entwickeln, entbehrt der Mitwirkung der Menschen vor Ort, ihrer Anteilnahme und der Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse. Bei den in Tibet betriebenen Entwicklungsprojekten werden die Gefühle des tibetischen Volkes, was sein Land, seine Kultur und seine religiöse Identität betrifft, einfach übergangen. Der ständige Zustrom von chinesischen Migranten nach Tibet, der den Entwicklungsprozeß beschleunigen soll, hat zur Diskriminierung und Marginalisierung der Tibeter geführt, so daß sie nun in ihrem eigenen Land Probleme mit ihrem Lebensunterhalt haben.

Im Weißbuch wird weiterhin behauptet, auf dem Gebiet der Bildung seien "Riesenfortschritte" in den Minderheitengebieten gemacht worden. Zwar hat die Anzahl der Schulen und Bildungseinrichtungen in Tibet über die Jahre zugenommen, doch Bildungspolitik wird in Tibet in erster Linie als Mittel zur Indoktrinierung mit kommunistischer Ideologie verwendet. Chinesische Offizielle in der TAR zeigen eine bedrohliche Tendenz, die Sinisierung der Tibeter zu intensivieren, indem sie vermehrt die tibetische Sprache zum Ziel nehmen. Seit geraumer Zeit bringen die chinesischen Behörden die tibetische Sprache mit dem tibetischem Nationalismus und damit mit der Neigung zu "spalterischen" Tätigkeiten in Verbindung; so wurden sogar Studenten gezwungen, den Dalai Lama zu denunzieren, und sie müssen die chinesische Version der tibetischen Geschichte lernen. Durch Zurückdrängen der Verwendung und der Kenntnis der tibetischen Sprache und ihren Ersatz durch Chinesisch in Handel und Verwaltung hofft China, die kulturelle Identität der Tibeter auszuhöhlen und die nächste Generation von Tibetern vollständig in die chinesische Kultur zu integrieren. Eine den Minderheiten aufgezwungene Bildung stellt jedoch eine Verletzung der Menschenrechte dar, wenn sie ihnen die Beibehaltung ihrer linguistischen und religiösen Identität verweigert. Auch die frühere UN Sonderberichterstatterin für Bildung Ms. Katarina Tomasevski stellte fest, daß der Prozentsatz der des Schreibens und Lesens Kundigen in Tibet nur 39% beträgt, und daß die Behörden in Peking unbedingt Abhilfe schaffen müssen.

In dem Weißbuch heißt es weiter: "Indem sie Abgeordnete zu dem Nationalen Volkskongreß aus ihren eigenen ethnischen Volksgruppen wählen, nehmen alle ethnischen Minderheiten ihr Recht wahr, an der Führung der Staatsgeschäfte teilzuhaben..., die Vorsitzenden aller autonomen Regionen, autonomen Präfekturen und autonomen Distrikte sind stets Angehörige der ethnischen Gruppen und sie genießen in ihren jeweiligen Gebieten die regionale Autonomie". Tatsächlich aber ist der mächtigste und höchste offizielle Posten in der TAR, der des Parteisekretärs, bis heute noch nie von einem ethnischen Tibeter bekleidet worden. Sonstige Volksvertretungen auf Regierungsebene sind eher nominal als funktional und besitzen keine Entscheidungsvollmacht.

Bei den am 29. September 2004 (viertes Zusammentreten des Achten Ständigen Ausschusses des Kongresses der Volksvertreter der TAR) vorgenommenen personellen Veränderungen in der TAR gab es nur nominelle Umbesetzungen, aber keine größere Umschichtung. Abgesehen von ein paar Änderungen im Kongreß selbst und der Volksregierung betrafen die meisten Umbesetzungen von Stellen den Justizbereich – also die mittleren Volksgerichte und insbesondere die Prokuraturen (Staatsanwaltschaften) bei allen sechs Präfekturen der TAR. Die Ernennungen zeigen die Tendenz, die chinesischen Kader den tibetischen vorzuziehen, und sie illustrieren wieder einmal, daß regionale Autonomie für Peking eher eine Übung in Integration als in Diversifikation ist.

Unter 13 Neuernennungen in den Prokuraturen der einzelnen TAR-Präfekturen gibt es nur zwei, wo tibetische Kader chinesische ersetzen. Auf TAR-Ebene schaffte es von fünf Kandidaten nur ein Tibeter in die Prokuratur, wo er teilweise einen anderen Tibeter zu ersetzen scheint. In ähnlicher Weise ist von den sieben in diversen mittleren Volksgerichten neu Ernannten nur einer ein Tibeter.

Fazit: Das Weißbuch stellt nur den Versuch Chinas dar, einer internationalen Gegenreaktion auf seinen miserablen Umgang mit den Menschenrechten vorzubeugen, das eigene Image aufzupolieren und sich auf der internationalen Bühne einen guten Platz zu sichern. Das TCHRD ist fest davon überzeugt, daß die Regierung der PRC keinen echten Fortschritt in Sachen Menschenrechte für sich beanspruchen darf, solange sie ihren Bürgern nicht das Recht auf Selbstbestimmung gewährt, nicht die Rechtsstaatlichkeit einführt, nicht die Menschenrechtskonventionen achtet und keine demokratischen Reformen in China und Tibet einleitet.

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