März 2007
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
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In Tibet wird die Religionsfreiheit weiterhin missachtet

Der 26jährige Jamphel Nyima, alias Dhondup, aus Meldrogungkar, Bezirk Lhasa, TAR, traf kürzlich in Dharamsala ein und berichtete dem TCHRD, wie die Religionsfreiheit in Tibet unterdrückt wird.

"Mit sieben Jahren wurde ich in der Kreisgrundschule von Meldrogungkar eingeschult. Nach der zehnten Klasse wechselte ich auf die Lhasa Higher Secondary School über, wo ich bis zur zwölften Klasse blieb. Ich hätte in der Schule so gerne etwas über unsere eigene Kultur, Geschichte und Religion erfahren, aber dazu gab es keine Gelegenheit, denn die meisten Fächer werden auf Chinesisch gelehrt. Ferner hat die chinesische Regierung eine Anordnung getroffen, der zufolge keine religiösen Zeremonien und Rituale in den Schulen abgehalten werden dürfen. Es ist den Schülern verboten, Amulette (sakrale religiöse Schnürchen) zu tragen und Tempel aufzusuchen. Wer bei der Übertretung dieser Bestimmungen ertappt wurde, hatte mit einschneidenden Konsequenzen wie dem Ausschluß aus der Schule zu rechnen. Wenn jemand nur die tibetische Sprache erlernt, hat er kaum Berufschancen, ja sogar junge Tibeter mit einem Abschluß in Chinesisch finden nur schwer Arbeit. Unter diesen Umständen gibt es in Tibet natürlich immer weniger junge Leute, die ihre eigene Sprache, Religion und Kultur wirklich gut kennen.

Nach der zwölften Klasse brach ich meine reguläre Schulausbildung ab, weil ich mich einem der drei großen Zentren buddhistischer Gelehrsamkeit (Sera, Drepung und Gaden) anschließen wollte. So trat ich im Januar 2000 in das westlich von Lhasa gelegene Kloster Drepung ein. Obzwar ich nicht als Mönch registriert war, hielt ich mich zwei Jahre dort auf. Die Chinesen haben für Drepung eine Obergrenze von 720 Mönchen festgelegt. 2003 wurden 120 neue Mönche registriert, und so wurde auch ich schließlich ein regulärer Mönch dieses Klosters.

Nach meiner offiziellen Aufnahme beabsichtigte ich, mich eifrig dem Studium der buddhistischen Philosophie zu widmen. Allerdings mußte ich zu meiner großen Enttäuschung sehen, wie jeden Monat 15-20 Mitarbeiter des Büros für religiöse Angelegenheiten in Lhasa (Lhasa Religious Affairs Bureau = RAB) ins Kloster kamen und etwa 18 Tage lang den patriotischen Unterricht durchführten. Während dieser Zwangsschulungen wurden die Mönche angehalten, den Dalai Lama zu verurteilen, die sogenannten Separatisten zu beschimpfen und Tibet als Bestandteil der VR China anzuerkennen. Zusätzlich zwangen die Kader die Mönche, vorbereitete Erklärungen desselben Inhalts zu unterschreiben. Die Mönche gerieten in eine Zwickmühle, denn wenn sie die Erklärung unterschrieben, handelten sie gegen ihr Gewissen, wenn sie sich aber weigerten dies zu tun, riskierten sie bestraft oder sogar des Klosters verwiesen zu werden. Die Mönche haben es wirklich sehr schwer, sie leben in ständiger Anspannung und Furcht.

Am 25. November 2005 kamen wieder einmal an die 30 Kader vom Büro für religiöse Angelegenheiten nach Drepung. Sie zitierten uns zu einer Versammlung in die Gebetshalle von Drepung Loseling. Nachdem sich alle Mönche dort eingefunden hatten, trugen die Beamten fünf Punkte vor und erläuterten sie den Mönchen. Wir sollten: 1. Den Dalai Lama schmähen, 2. Widerstand gegen Separatisten leisten, 3. Tibet als Teil Chinas anerkennen, 4. Loyalität gegenüber der VR China geloben, 5. Feedback über die Erfahrungen bei der Umerziehung an das Arbeitsteam abgeben.

Während des Meetings erhob sich Lobsang Wangchuk, der Vorsitzende des Demokratischen Managementkomitees des Klosters, und erklärte: ‚Ein Mönch kann unmöglich seine wichtigsten Lehrmeister kritisieren. Wenn er das tut, verletzt er seine klösterlichen Gelübde. Deshalb ist es unmöglich für uns, den Dalai Lama zu beschimpfen’. Auf diese kühne Äußerung hin wurde Lobsang mehrfach verhört.

Später teilten die Beamten die Mönche in kleinere Gruppen auf, um sie zur Akzeptanz der genannten fünf Punkte zu bringen. Da die Mönche die verlangte Antwort verweigerten, wurden sie gezwungen, sich individuell zu jedem einzelnen Punkt zu äußern. Als Phuntsok Jangchup* aus dem Kreis Phenpo an die Reihe kam, weigerte er sich nicht nur, der Forderung der Kader Folge zu leisten, er legte sich sogar mit ihnen an. Phuntsok kehrte nach der Sitzung in seine Kammer zurück, und die Kader beschlossen, sich ihn am nächsten Tag noch einmal vorzuknöpfen.

Als sie ihn am nächsten Morgen abholen wollten, fanden sie seine Kammer von außen verschlossen vor und dachten, er hätte sich aus dem Staube gemacht. Drei Tage später versuchte ein Mönch des Klosters, Puntsok auf dessen Mobiltelefon anzurufen und wunderte sich, als er es in dessen Zimmer klingeln hörte.

Der Mönch holte sofort eine Leiter, schaute durch das Fenster in Phuntsoks Zimmer und sah ihn auf dem Bett liegen. Er benachrichtigte die Kader. Mitglieder des Arbeitsteams und Mönche eilten in Phuntsoks Kammer, wo sie seinen Leichnam, der bereits in Verwesung übergegangen war, auf dem Bett liegend vorfanden. Anscheinend hatte sich Phuntsok nach der Auseinandersetzung mit den Mitarbeitern der Arbeitsteams das Leben genommen. Da die Kader auf den Selbstmord Phuntsoks hin mit Problemen im Kloster rechneten, setzten die Kampagne kurzzeitig aus.

15 Tage später kamen sie aber schon wieder und machten weiter. Mehrere Mönche weigerten sich, den Dalai Lama zu verunglimpfen. Daraufhin bestellten die Kader eines Morgens in aller Frühe insgeheim die fünf Mönche Ngawang Namdo aus Phenpo, Ngawang Nyingpo aus Phenpo Paenag, Phuntsok Tharlam aus Lhoka, Phuntsok Thubwang aus Lhasa und Ngawang Phelgye aus Gyantse ein. Diese fünf wurden des Klosters verwiesen und durch den Vorsitzenden der Bezirksregierung ihren Familien zwangsweise überstellt.

Noch am selben Abend riefen die fünf Mönche ihre Kollegen im Kloster an und berichteten, was vorgefallen war. Gleich darauf gingen alle Mönche gemeinsam zum Büro des Arbeitsteams und verlangten, den Grund für den Ausschluß ihrer Brüder zu erfahren. Drei Stunden lang, von 15 bis 18 Uhr, argumentierten die Mönche mit den Kadern des Arbeitsteams.

Am nächsten Tag versammelten sich die Mönche erneut vor dem Büro des Arbeitsteams, setzten sich auf den Boden und traten für einen Tag in den Hungerstreik. Sie forderten ein Treffen mit dem Leiter des Arbeitsteams. Angesichts des Ernstes der Lage informierten die Beamten ihre Vorgesetzten. Ein paar Stunden später trafen vier Militär-Lastwagen mit bewaffneten Soldaten im Kloster ein.

Noch in derselben Nacht, nachdem die Mönche in ihre Kammern zurückgekehrt waren, riefen die Kader die Amtsträger des Klosters zu sich und befahlen ihnen, die Mönche unter Kontrolle zu halten, damit die Situation nicht weiter eskaliere. Mehrere Tage lang wurden keine Gläubigen und Pilger von außerhalb ins Kloster eingelassen. Alle Leute, die das Kloster besuchen wollten, wurden abgewiesen und bekamen zu hören, es sei wegen einer Feuerwehrübung vorübergehend geschlossen worden.

Es gibt keine Religionsfreiheit in Tibet, und die Mönche stehen wegen der vielen Kampagnen für Patriotische Umerziehung unter ständigem erheblichem Streß. Viele verlassen deshalb das Kloster. Seit 2003 wurden über 100 Mönche aus Drepung ausgeschlossen oder haben das Kloster aus eigenem Antrieb verlassen. Derzeit befinden sich rund 500 registrierte Mönche im Kloster Drepung.

Der Mangel an religiöser Freiheit bewog mich zum Verlassen meines Klosters und zur Flucht ins Exil. Mein einziger Wunsch ist nun, ins Kloster Drepung in Südindien einzutreten und dort meine Studien der buddhistischen Philosophie wiederaufzunehmen. Ich traf am 27. Februar 2007 in Dharamsala ein. Ich werde um eine Audienz bei Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama nachsuchen und mich danach zum Kloster Drepung Loseling nach Südindien begeben.

* In der Mitteilung des TCHRD vom 29. November 2005 wurde dieser Mönch als Ngawang Jangchub genannt