25. April 2007

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
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Presseerklärung

Gedhun Choekyi Nyima, der verschwundene 11. Panchen Lama, wird 18 Jahre alt

Heute, am 25. April 2007, ist der 18. Geburtstag von Gedhun Choekyi Nyima, dem 11. Panchen Lama Tibets. Es sind nun 12 Jahre her, seit er seine und Eltern verschwunden sind.

In den vergangenen zehn Jahren haben zahlreiche Regierungen und unabhängige Organisationen die Regierung in Peking aufgefordert, Auskunft über den Aufenthaltsort und die Lebensumstände des Panchen Lama und seiner Familie zu geben. Bedauerlicherweise griff die Regierung immer wieder zu der einen oder andere Ausrede, weshalb sie keinen Zugang zu dem Panchen Lama und seinen Angehörigen gewähren könnte. Letztes Jahr erklärte das Informationsbüro des Staatsrats auf eine Anfrage von Reuters, China hätte in Beachtung des von der Familie geäußerten Wunsches, nicht gestört zu werden, keine Treffen zwischen dem Jungen und ausländischen Organisationen arrangieren können. Die wiederholten seit 1997 erfolgten Anfragen der UN-Arbeitsgruppe für Zwangsverschleppung und unfreiwilliges Verschwinden, China möge einen schriftlichen Nachweis liefern, daß Gedhun Choekyi Nyima und seine Familie keinen Besuch von Außenstehenden wünschten, blieben unbeantwortet. Hingegen teilte die chinesische Regierung im September 2005 dem UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit mit, daß Gedhun Choekyi Nyima „sich guter Gesundheit erfreut, gleich anderen Kindern ein normales, glückliches Leben führt und eine gediegene kulturorientierte Erziehung genießt“.

Ein Jahr danach behauptete die Regierung in einer offiziellen Kommunikation an einen UN-Menschenrechtsexperten, Gedhun Choekyi sei nicht der Panchen Lama, sondern „nur ein gewöhnliches tibetisches Kind“. Dennoch weigert sich China hartnäckig, einem unabhängigen Sachverständigen Zugang zu dem Jungen zu gewähren, um sich seines Wohlergehens zu vergewissern.

Zuletzt sprach die Menschenrechtsgruppe Amnesty International bei der chinesischen Regierung wegen des Verbleibs des Panchen Lama vor und bat darum, ihm Freizügigkeit zu gewähren. Außerdem wurde bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats dieses Jahr eine Erklärung von 15 NGOs verabschiedet, in der die Verschleppung und Festhaltung des 11. Panchen Lama Tibets als Verbrechen bezeichnet werden, die bis zum heutigen Tage fortdauern.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, erhob während ihres offiziellen Besuchs in China 2005 Einspruch wegen des Falls Gedhun Choekyi Nyima. In ähnlicher Weise brachte die UN-Sonderberichterstatterin für Religions- und Glaubensfreiheit, Asma Jahangir, am 9. Januar 2005 ihre Besorgnis zum Ausdruck „über diese gravierende Einmischung des chinesischen Staates in die Glaubensfreiheit der tibetischen Buddhisten, welche das Recht haben, ihre Geistlichen gemäß ihren eigenen Riten auszuwählen und denen ihr religiöser Führer weggenommen wurde“.

Im Juni 2005 legte die Arbeitsgruppe für Zwangsverschleppung und unfreiwilliges Verschwinden der UN-Menschenrechtskommission der chinesischen Regierung die Frage nach dem Panchen Lama vor und erklärte, daß “sie es begrüßen würde, wenn sie von der Regierung Chinas Dokumente zur Bestätigung ihrer Aussage erhielte, daß der Junge und seine Eltern diese um Schutz gebeten haben, ein normales Leben führen und sich bester Gesundheit erfreuen”. Bedauerlicherweise erfolgte von den chinesischen Regierungsvertretern keine plausible oder positive Antwort.

Die VR China unterzeichnete die UN-Konvention über die Rechte des Kindes am 29. August 1990 und ratifizierte sie am 2. März 1992. Indem China den Panchen Lama immer noch festhält, verletzt es eindeutig diese Konvention, ebenso wie seine eigenen Gesetze und die Normen des Völkerrechts. Dieser Umstand beweist, wie sehr die Religion in Tibet unterdrückt wird. Es ist äußerst bedauerlich, daß einer so prominenten religiösen Gestalt die Möglichkeit religiöser Studien und einer traditionellen Ausbildung, wie sie der Religion und Kultur Tibets entsprechen, vorenthalten wird.

Hintergrund:

Am 14. Mai 1995 erklärte Seine Heiligkeit der Dalai Lama den damals sechs Jahre alten Gedhun Choekyi Nyima für die Wiedergeburt des 10. Panchen Lama. Drei Tage später verschwanden Gedhun Choekyi Nyima und seine Eltern und wurden seither nie mehr gesehen. Die Behörden in Peking wiesen die Ernennung zurück und gaben am 24. Mai 1995 eine Erklärung ab, in der sie die Proklamation des Dalai Lama als „illegal und ungültig“ bezeichneten. Chinas Reaktion auf die vom Dalai Lama getroffene Wahl des Panchen Lama bestand darin, die Legitimität von Gedhun Choekyi Nyima zu bestreiten und ein anderes Kind als die echte Inkarnation zu proklamieren – eine beispiellose und bizarre Handlungsweise für ein offiziell atheistisches Regime! Kurz nach dieser Erklärung wurde bekannt, daß Gedhun Choekyi Nyima und seine Familie verschwunden sind, und seitdem gab es keine glaubwürdige Information mehr über ihren Verbleib und ihr Befinden. Es sind nun 12 Jahre, daß man sich um den Panchen Lama Sorgen machen muß.

Darüber hinaus wurden Chadrel Rinpoche, der ehemalige Abt des Klosters Tashi Lhunpo, dem Sitz des Panchen Lama, der Vorsitzender der Suchkommission nach der Reinkarnation des 10. Panchen Lama gewesen war, und sein Gehilfe Champa Chungla am 14. Mai 1995 vom Flugplatz von Chengdu in der Provinz Sichuan verschleppt. Am 21. April 1997 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Shigatse Chadrel Rinpoche zu sechs Jahren Gefängnis. Er wurde der „Konspiration zur Spaltung des Landes“ und der „Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ für schuldig befunden und angeklagt, bei der Suche nach dem 11. Panchen Lama mit dem Dalai Lama gemeinsame Sache gemacht zu haben.

Obwohl Chadrel Rinpoches sechsjährige Haftstrafe am 13. Mai 2001 zu Ende ging, gibt es keine zuverlässige Information über seinen Aufenthaltsort oder seinen Gesundheitszustand. Jampa Chungla, der ehemalige Sekretär von Chadrel Rinpoche, wurde 1995 wegen seiner Mithilfe bei der Suche nach dem 11. Panchen Lama festgenommen. Er wurde zu vier Jahren Gefängnis und zwei Jahren Entzug der bürgerlichen Rechte verurteilt. Auch über ihn, der seine 4jährige Strafe inzwischen verbüßt haben sollte, fehlt jegliche Information.

Das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) ist erschüttert darüber, daß Gendun Choekyi Nyima und seine Eltern immer noch von der chinesischen Regierung an einem geheimen Ort ohne Kommunikation mit der Außenwelt festgehalten werden und fordert ihre unverzügliche Freilassung. Das TCHRD fordert die internationalen Gremien auf, ihren Druck auf die chinesische Regierung zu erhöhen, Auskunft über den Verbleib und die Lebensumstände des Panchen Lama zu geben und den zuständigen UN-Ausschüssen einen Besuch bei ihm zu ermöglichen. Die chinesische Regierung sollte die Religionsfreiheit des tibetischen Volkes respektieren, wozu auch das Recht gehört, daß es seine religiösen Führer selbst bestimmt.