5. November 2008

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)

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Pressemitteilung

Chinesisches Gericht verurteilt fünf Tibeter wegen Protestaktionen zu Haftstrafen zwischen drei und zehn Jahren

Wie das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) aus zuverlässiger Quelle erfuhr, wurden in den vergangenen Tagen fünf Tibeter vom Mittleren Volksgericht der Tibetisch-Autonomen Präfektur (TAP) Kardze (chin. Ganzi) in Dartsedo zu Haftstrafen zwischen drei und zehn Jahren verurteilt. Die Anklagen reichen von „Gefährdung der Staatssicherheit“ über „Störung der öffentlichen Ordnung“ bis hin zu „anderen kriminellen Handlungen“.

Am 29. Oktober wurde Sherab Sangpo, ein 26jähriger Mönch des Klosters Dongthog im Bezirk Kardze vom Mittleren Volksgericht in Dartsedo wegen „Gefährdung der Staatssicherheit" zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, weil er bei der Demonstration am 26. März 2008 in Kardze die verbotene tibetische Nationalflagge hochgehalten hatte. Er hatte sie selbst gemalt. Die Quelle berichtet weiter, Sherab Sangpo sei vom Personal des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) während der Demonstration abgeführt und an einen unbekannten Ort gebracht worden, an dem er sich bis zu seiner Verurteilung am 29. Oktober 2008 befand. Er sei um ca. 8:30 Uhr am Morgen (Beijinger Zeit) dieses Tages zum Mittleren Volksgericht in Dartsedo gebracht worden, und die Richter hätten das Urteil um Mittag verkündet.

Am gleichen Tag wurde Loga, ein weiterer Tibeter aus Kardze, zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wegen Teilnahme an einer Demonstration in Kardze im März. Es ist nicht bekannt, ob die beiden während der Gerichtsverhandlung einen Rechtsbeistand hatten.

Einen Tag später, am 30. Oktober 2008, wurden der 53jährige Ngoega aus dem Dorf Serchu und der 49jährige Norbu Tsering aus dem Dorf Drukhang vor dem Mittleren Volksgericht in Kardze der „Gefährdung der Staatssicherheit“ angeklagt und zu acht bzw. neun Jahren Haft verurteilt, weil sie am 18. März 2008 an der Demonstration vor dem Gebäude der Bezirksregierung im Bezirk Kardze teilgenommen hatten.

Laut der Quelle seien die beiden um ca. 9.00 Uhr am Morgen zum Gericht gebracht worden. Rund 20 Personen hätten der Verhandlung beigewohnt – bis auf den tibetischen Übersetzer alle Chinesen. Als er das Urteil vernahm, habe Ngoega dem Richter entgegnet: „Wir haben keinerlei Verbrechen begangen, wir haben kein öffentliches Eigentum zerstört oder angezündet, wir haben lediglich Flugblätter zur Tibetfrage verteilt. Nur aus diesem Grund wurde ich vom Sicherheitspersonal gefoltert und hatte unmenschliche und herabwürdigende Behandlung zu ertragen, so daß ich alles Gefühl in meinen Gliedern verlor, und es kehrte erst Tage nach meiner Verlegung ins Gefängnis wieder zurück.“

Außerhalb des Gerichtsgebäudes habe es während der gesamten Verhandlung bis zur Urteilsverkündung um Mittag ein hohes Aufgebot an Sicherheitskräften gegeben. Den Verteidigern wurde keine Chance gegeben, das Urteil in Frage zu stellen. Laut unserer Quellen wurde Norbu Tsering seit seiner Verhaftung am 18. März ohne Verbindung zur Außenwelt gehalten. Bis zur Gerichtsverhandlung am 30. Oktober 2008 wußte daher keiner etwas über seinen Verbleib.

Obwohl das Mittlere Volksgericht in Kardze in Übereinstimmung mit dem chinesischen Recht Verteidigern das Recht auf Einspruch innerhalb von zehn Tagen nach dem Urteilsspruch einräumt, bleiben solche Berufungen praktisch immer erfolglos, besonders wenn es um „politische Verbrechen“ geht. Auch Ngoegas Angehörige hatten keine Gelegenheit bekommen, sich während der Untersuchungshaft zu dem Fall zu äußern. Sie halten es daher für aussichtslos, gegen das bereits ergangene Urteil Berufung einzulegen.

Eine weitere Person, die aus dem Bezirk Serthar stammt, deren Identität bislang jedoch nicht bekannt ist, wurde von demselben Gericht zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) wird, sobald Einzelheiten bekannt werden, weiter über diesen Fall informieren.

Der stellvertretende Vorsitzende der Regierung der Autonomen Region Tibet (TAR) Baema Cewang [Pema Tsewang] erwähnte bei einem Treffen mit Mitgliedern des Australischen Abgeordnetenhauses am 4. November 2008, daß 55 Tibeter wegen ihrer Beteiligung an den Protesten am 14. März 2008 in Lhasa zu Haftstrafen verurteilt worden seien, deren Länge von drei Jahren bis zu lebenslänglich reiche.

Es gibt noch immer Hunderte von Tibetern, die ohne Anklageerhebung in Haft gehalten werden. Von 105 Tibetern ist bekannt, daß sie verurteilt wurden, sowohl in der Autonomen Region Tibet (TAR) als auch außerhalb dieser, weil sie bei den Protesten, die sich seit März dieses Jahres überall auf dem tibetischen Plateau ereigneten, mitgemacht hatten.

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) verurteilt die Verhängung der hohen Gefängnisstrafen über diese fünf Tibeter auf das Schärfste. Durch die Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinung und freie Meinungsäußerung verstießen sie in keiner Weise gegen die Verfassung oder das chinesische Recht. Das Zentrum drückt darüber hinaus seine tiefste Besorgnis über den Einsatz von Folter gegen die Häftlinge aus und hinterfragt die Transparenz der gerichtlichen Urteile, weil nämlich all diese Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und unter einem hohen Sicherheitsaufgebot stattfanden.