25. April 2008

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
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Pressemitteilung

“Patriotische Erziehung“ für alle Schichten der tibetischen Gesellschaft

Die Behörden in der TAR und in den tibetischen Gebieten in den Nachbarprovinzen haben eine auf zwei Monate angelegte Neuauflage der Kampagne für "Patriotische Erziehung" gestartet, die fast alle Bereiche der Gesellschaft abdecken wird. So sind diesmal nicht nur die Klöster gezwungen, den Dalai Lama und die "separatistischen Kräfte" zu verurteilen, sondern auch Parteikader, Sicherheitskräfte, Regierungsangestellte, Bauern, Geschäftsleute, Bildungseinrichtungen und gewöhnliche Bürger.

Bisher konzentrierte sich diese Kampagne vornehmlich auf die Klöster, in denen die Regierung schon immer Bastionen von politischem Dissens sah. Auf die jüngsten Proteste hin werden nun fast alle Bereiche der tibetischen Gesellschaft davon heimgesucht. Die "Patriotische Erziehung" wurde Anfang April wiederaufgenommen und wird noch intensiver und unerbittlicher als bisher durchgeführt. Bei der jetzigen Kampagne geht es in erster Linie um die "vehemente Opposition gegen die Dalai Lama-Clique", die "Enthüllung der wahren Natur der Dalai Lama-Clique und der Krawalle vom 14. März". Es wurden extra Komitees geschaffen unter der Oberaufsicht der Parteiführung, welche die Kampagne zu organisieren und in den nächsten zwei Monaten durchzuführen haben.

Die derzeitige Kampagne verfolgt drei Ziele: "Erziehung der Massen zur Opposition gegen den Separatismus", "Schutz der Stabilität" und "Unterstützung des Fortschritts". Es werden Versammlungen abgehalten und Fachleute eingeladen, die Vorträge halten, Schulungen durchführen und die Ergebnisse der "Patriotischen Erziehung" mit den Zwangsteilnehmern diskutieren. Ferner führen sie Sitzungen durch, in denen der Dalai Lama verurteilt werden muß, sie leiten Propagandaveranstaltungen und informieren die Bevölkerung über chinesische Gesetze und Vorschriften.

Wie die staatliche Zeitung Tibet Daily am 18. April berichtet, werden im Bezirk Zangri, Präfektur Lhoka, wo diese Kampagne gestartet wurde, aktive und pensionierte Regierungsbedienstete, Bauern und Parteimitglieder aus dem ganzen Bezirk zur Teilnahme verpflichtet. Die bewaffnete Volkspolizei (PAP) von Zangri und die Sicherheitskräfte wurden gemahnt, daß es höchste Zeit sei, gegen die spalterischen Kräfte zu protestieren und zu kämpfen.

Die Gemeindevorstände und höheren PAP-Ränge erhielten Schulungen über die Sicherstellung der Stabilität und die weitere Verbesserung der nationalen Sicherheit. In diversen Bildungseinrichtungen wurden Schüler und Studenten mit der kommunistischen Ideologie indoktriniert. Sie bekamen zu hören, wie Tibet unter der Herrschaft der Partei blühe und wie rückständig es früher gewesen sei. Dabei wurden Filme aus der Zeit der Kulturrevolution gezeigt. Bauern, Nomaden und Geschäftsleute wurden über die Erfolge bei der wirtschaftlichen Entwicklung Tibets und das glückliche Leben unter der Schirmherrschaft und der Politik der kommunistischen Partei belehrt. In den monastischen Institutionen wird Mönchen und Nonnen eingebleut, patriotisch zu sein, die Nation und die Religion zu lieben, sich den separatistischen Kräften zu widersetzen, bei der Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität mitzuwirken und die rechtliche und religiöse Ordnung wiederherzustellen.

Seit Monatsanfang wurden in Tibet nicht nur die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, sondern die Regierung ordnete eine intensivere Durchführung der ideologischen Schulungen und eine effektivere Propaganda an, um eine "anti-separatistische Stimmung" zu erzeugen, wie Tibet Daily am 3. April verlauten ließ. Es werden spezielle "Arbeitsteams" auf regelmäßiger Basis in die Klöster geschickt, und die Mönche und Nonnen gezwungen, an den Schulungen teilzunehmen. Der Parteichef der TAR, Zhang Qingli, drohte Kadern, die in ihrer Befolgung der offiziellen Parteilinie zu lasch sind, harte Strafen an. "Wir werden absolut keine Verletzung der politischen oder organisatorischen Disziplin dulden und die für Nachlässigkeit Verantwortlichen ausfindig machen und schwer bestrafen". Weiter forderte er, negative Aspekte Tibets aus der Zeit vor dem chinesischen Einmarsch im Jahr 1950 hervorzuheben, wonach er über die angebliche Verschwörung der Dalai-Clique herzog, die Tibet von China abtrennen und die Olympischen Spiele sabotieren wolle.

Am 3. April wurden auf eine friedliche Demonstration von Mönchen des Klosters Thongkor im Bezirk Kardze hin mindestens acht Personen, darunter drei Mönche, erschossen und mehrere Dutzend verletzt. Die Protestaktion richtete sich gegen die Verhaftung von zwei Mönchen am 2. April, die sich der "Patriotischen Erziehung" widersetzt hatten.

Im Rahmen der "Patriotischen Erziehung" entsandten die Behören am 11. April ein Arbeitsteam für „Rechtsbelehrung“ ins Kloster Drepung. Einige Mönche, die sich den Kadern widersetzten, wurden verhaftet und es gibt keine Informationen über ihren Aufenthaltsort und ihr weiteres Schicksal. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete am 11. April über die Entsendung einer diesbezüglichen Arbeitsgruppe ins Kloster, die zur "Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität, der sozialistischen Rechtsinstitutionen und der Wiederherstellung der religiösen Ordnung" beitragen solle. Über die Proteste gegen dieses Arbeitsteam und die Verhaftung von Mönchen ließ sie jedoch nichts verlauten. Dafür wurde die Regierung der TAR mit der Aussage zitiert, die Arbeitsteams genössen in ganz Tibet das Verständnis und die Unterstützung der Mönche und Gläubigen. Der kommunistische Parteichef Zhang Qingli besuchte am 18. April des Kloster Drepung.

Am selben Tag besuchte er auch das Kloster Sera und versicherte den Mönchen, daß „das Parteikomitee und die Regierung Tibets die gesetzlich verbürgten Rechte und Interessen frommer und patriotisch gesinnter Mönche und Nonnen schützen würden“. Laut Xinhua wurden die buddhistischen Zeremonien wiederaufgenommen, nachdem sie auf die „Krawalle“ in Lhasa für einige Zeit ausgesetzt worden waren. Doch das staatliche Sprachrohr verschwieg die Festnahme von etwa 400 Mönchen dieses Klosters am Morgen desselben Tages. Es gibt keine Nachricht über den Verbleib und den Zustand der Verhafteten.

Am 12. April wurde eine spezielle Versammlung der Vertreter der diversen monastischen Institutionen aller 18 Bezirke der TAP Kardze in Dartsedo einberufen, bei der diese instruiert wurden, unverzüglich mit der Kampagne der „patriotischen Erziehung“ in allen religiösen Institutionen in Kardze zu beginnen.

Offiziellen Medienberichten zufolge wurde die Kampagne überall in Lhasa verschärft, auch in den Bildungseinrichtungen der Stadt, und ebenso in den Präfekturen Lhoka und Chamdo.

Am 3. April traten Mönche des Klosters Wara im Bezirk Jomda, Präfektur Chamdo, den Arbeitsteam-Kadern entgegen, die gekommen waren, um sie der patriotischen Schulung zu unterziehen, und sagten: „Auch wenn es uns das Leben kosten sollte, werden wir niemals unser religiöses Oberhaupt, den Dalai Lama, diffamieren und schmähen“.

Am 14. April durchwühlten PAP-Kräfte die Wohnbereiche der Mönche des Klosters Tsang im Bezirk Kawasumdo (chin. Thunde Xian), TAP Tsolho, Provinz Qinghai, und beschlagnahmten Bilder des Dalai Lama.

Am 21. April hatte der Bürgermeister der Stadt Lhasa Dorjee Tsering verkündet, die Kampagne der „patriotischen Erziehung“ sei die Nagelprobe für Parteikader.

Mit dem Start dieser neuen Kampagne der patriotischen Erziehung, besonders in den monastischen Einrichtungen (deren eigentlicher Zweck es wäre, den religiös Praktizierenden eine für die Meditation über spirituelle Inhalte förderliche Umgebung zu bieten und ihnen zu innerem Frieden zu verhelfen) werden diese nun gewaltsam umfunktioniert, um der Partei als eine Kaderschmiede zu dienen, in der politisch loyale Bürger hervorgebracht werden.

Religionsfreiheit für die tibetischen Buddhisten würde bedeuten, daß die Behörden nicht nur ihre Kontrollen und Restriktionen der tibetischen buddhistischen Institutionen einstellten, sondern daß sie vor allem damit aufhörten, die religiösen Traditionen mit ideologischen Inhalten der Partei zu korrumpieren. Alle Versuche, sowohl gewalttätige und destruktive wie auch weniger offensive durch Indoktrinierung und Manipulierung, alle Versuche, Politik und Religion zu einer politischen Lesart von Religion zu verflechten, sind ein grober Verstoß gegen das Recht eines Volkes auf Religionsfreiheit. Das TCHRD fordert daher ein sofortiges Einstellung der sogenannten „patriotischen Umerziehung“ in Tibet und eine Wiederherstellung des normalen religiösen Lebens in den monastischen Institutionen.