31. Mai 2008

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
Phone/Fax: +91 1892 23363 / 25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org


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Pressemitteilung

Kontaktperson: Tenzing Norgay (Englisch) / Jampa Monlam (Tibetisch und Chinesisch) Tel: +91 1892 223363 / 229225

Zwölf Mönche des Klosters Shelkar Choedhe in Tingri verhaftet

Einer bestätigten dem Tibetischen Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) zugegangenen Information zufolge nahmen die chinesischen Sicherheitskräfte in einer nächtlichen Razzia am 19. Mai im Kloster Shelkar Choedhe in Tingri zwölf Mönche fest, weil sie sich der Kampagne zur "Patriotischen Erziehung" widersetzt hatten.

Seit zwei Monaten führen die chinesischen Behörden die Kampagne der "Patriotischen Erziehung", bei der der Dalai Lama und die "separatistischen Kräfte" geschmäht werden und die Betroffenen sich mit ihrer Unterschrift von ihm lossagen sollen, wieder verstärkt in der Autonomen Region Tibet (TAR) und in tibetischen Gegenden der Nachbarprovinzen in allen Bereichen der Gesellschaft durch, angefangen von den Klöstern über die Parteikader, die Sicherheitskräfte und die Regierungsangestellten bis zu den Bauern, den privaten Unternehmern, den Erziehungseinrichtungen und sogar den gewöhnlichen Bürgern.

Im Rahmen dieser seit dem 1. April von neuem gestarteten Kampagne kam am 19. Mai 2008 eines der chinesischen "Arbeitsteams" in das Kloster Shelkar Choedhe, welches sich im Bezirk Tingri (chin. Dingri Xian) in der Präfektur Shigatse in der Autonomen Region Tibet (TAR) befindet, um dort die Kampagne durchzuführen. Es kam zu einem erbitterten und hitzigen Wortwechsel zwischen den Mönchen und dem chinesischen "Arbeitsteam". Unserer Quelle zufolge habe sich der ehrwürdige Khenrab Tharchin, ein Mitglied des sogenannten "Demokratischen Verwaltungsrates" des Klosters Shelkar Choedhe, während der Sitzung erhoben, offen seine Ablehnung gegen die Kampagne zum Ausdruck gebracht und gesagt, er könne der Forderung, den Dalai Lama zu diffamieren, nicht nachkommen. Weitere elf Mönche erhoben sich ebenfalls als Zeichen ihrer Übereinstimmung mit Khenrab Tharchin.

Daraufhin sei den Gläubigen und den Besuchern infolge dieses Zwischenfalls der Zutritt zum Kloster verweigert worden. Den Mönchen wurde befohlen, das Klostergelände zu verlassen, außerdem wurden ihre Mobiltelefone konfisziert, um zu verhindern, daß die Nachricht über den Zwischenfall die Außenwelt erreiche, und es wurde ihnen mit schweren Strafen gedroht, falls dies trotzdem geschähe. Noch in derselben Nacht stürmten Kräfte der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) und Mitarbeiter des Büros für Öffentliche Sicherheit das Kloster und verhafteten die zwölf Mönche. Es gibt derzeit keine Informationen über den Verbleib und den Gesundheitszustand der Festgenommenen.

Khenrab Tashi
Choewang Tenzin

Die Namen der Verhafteten sowie ihre Herkunft werden wie folgt angegeben:

Der ehrw. Khenrab Tharchin, 32, aus dem Dorf Drushe, Gemeinde Shelkar

Der ehrw. Tsewang Tenzin aus dem Dorf Phelbar, Gemeinde Shelkar, Bezirk Dingri

Der ehrw. Tenzin Gayphel aus dem Dorf Lingshar, Gemeinde Gaymar, Bezirk Dingri

Der ehrw. Khenrab Tashi aus dem Dorf Mashak, Gemeinde Shelkar, Bezirk Dingri

Der ehrw. Topgyal aus dem Dorf Drushe, Gemeinde Shelkar, Bezirk Dingri

Der ehrw. Tenzin Tsering aus dem Dorf Bichu, Gemeinde Gyatso, Bezirk Dingri

Der ehrw. Lobsang Jigme aus der von Nomadengegend Norgay, Gemeinde Shelkar, Bezirk Dingri

Der ehrw. Khenrab Nyima, Gemeinde Shelkar, Bezirk Dingri

Der ehrw. Dhondup aus dem Dorf Che, Gemeinde Tsakhor, Bezirk Dingri

Der ehrw. Tenpa aus dem Dorf Lolo Langga, Gemeinde Shelkar, Bezirk Dingri

Der ehrw. Samten, Shollingshar, Gemeinde Shelkar, Bezirk Dingri

Der ehrw. Choedhen, Shollingshar, Gemeinde Shelkar, Bezirk Dingri

Tenzin Gephel
Topgay

Der Quelle zufolge hätten die Familien der Verhafteten einige Tage nach ihrer Festnahme die PSB-Mitarbeiter darum ersucht, ihnen den genauen Aufenthaltsort ihrer Angehörigen zu nennen und ihnen ein Besuchsrecht zu gewähren. Doch anstatt ihren Bitten nachzukommen, wurden die Familien verwarnt, sie würden das Image der Regierung schädigen, wenn sie nach dem Verbleib der Mönche forschten.

Die Kampagne der "Patriotischen Erziehung", die auf die Proteste hin, die sich seit dem 10. März überall auf dem tibetischen Plateau ereignen, gestartet wurde, wird nicht nur in den klösterlichen Einrichtungen durchgeführt, sondern betrifft auch Regierungsmitarbeiter, Sicherheitskräfte, Bauern, Nomaden, private Unternehmer und Erziehungseinrichtungen. Die Kernpunkte der Kampagne sind die "vehemente Ablehnung der Dalai Clique", "das Aufdecken der wahren Natur der Dalai Clique", und die „Hintergründe der Unruhen des 14. März". Unter der Aufsicht der Kommunistischen Partei wurden zur Durchführung der Kampagne in allen Teilen der Gesellschaft neue Arbeitseinheiten gebildet. Seit der neuerlichen Intensivierung der Kampagne wird immer wieder berichtet, daß sich Tibeter, insbesondere Nonnen und Mönche, ihr offen widersetzen und deshalb von den Behörden verhaftet werden.

Die Verfassung der Volksrepublik China (VRC), die am 5. Dezember 1982 in Kraft getreten ist, spezifiziert im Kapitel II die grundlegenden Rechte und Pflichten der Bürger; so heißt es beispielsweise im Art. 36: "Bürger der Volksrepublik China genießen Religionsfreiheit. Kein staatliches Organ, keine gesellschaftliche Organisation und keine Einzelperson darf Bürger dazu zwingen, sich zu einer Religion zu bekennen oder nicht zu bekennen, noch dürfen sie jene Bürger benachteiligen, die sich zu einer Religion bekennen oder nicht bekennen. Der Staat schützt normale religiöse Tätigkeiten. Niemand darf eine Religion dazu benutzen, Aktivitäten durchzuführen, die die öffentliche Ordnung stören, die körperliche Gesundheit von Bürgern schädigen oder das Erziehungssystem des Staates beeinträchtigen. Die religiösen Organisationen und Angelegenheiten dürfen von keiner ausländischen Kraft beherrscht werden.“

Khenrab Tarchin
Lobsang Jinpa

Wie jedoch aus den Ereignissen, die sich seit Beginn dieses Jahres in Tibet abspielen, deutlich zu erkennen ist, bieten die großartigen Garantien der Verfassung dem tibetischen Volk nur einen sehr dürftigen Schutz, was Menschenrechte und Religionsfreiheit anbetrifft. Dies wird besonders deutlich in der Wiedereinführung der Kampagne der "Patriotischen Erziehung" und den „TAR-Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung über religiöse Angelegenheiten“, die am 1. Januar 2007 in Kraft traten, sowie den noch spezifischeren Bestimmungen über die „Handhabung der Reinkarnation Lebender Buddhas im Tibetischen Buddhismus“.

Der eigentliche Hintergrund für solche Vorschriften und die Kampagne der "Patriotischen Erziehung" ist, daß die chinesische Regierung einen Zusammenhang sieht zwischen Separatismus oder der vermeintlichen Bedrohung "der staatlichen Sicherheit", "der sozialen Stabilität" und "der ethnischen Einigkeit" einerseits und dem buddhistischen Glauben und den daraus erwachsenden Tätigkeiten der Tibeter andererseits. Wegen der engen Verbindung zwischen tibetischem Buddhismus und tibetischer Kultur und nationaler Identität nimmt China die Ausübung des tibetischen Buddhismus als eine Bedrohung der staatlichen Stabilität wahr. China hegt eine große Furcht vor jeglichem Ausdruck von Religion als einem Potential für Proteste oder unpatriotische Handlungen. Die chinesische Regierung fordert absolute Loyalität von ihren Bürgern und toleriert keinerlei Aktivitäten, die eine Herausforderung oder Bedrohung ihrer Autorität darstellen könnten.

Die chinesische Kommunistische Partei verlangt von den Bürgern, "das Land zu lieben" und die Partei als eine über allem stehende Autorität anzuerkennen. Der Parteisekretär der TAR, Zhang Qingli, behauptete gar, die Kommunistische Partei sei "der wahre Buddha" für die Tibeter.

Bei einem am 29. Mai 2008 veranstalteten Meeting verschiedener Parteimitglieder höheren Ranges aus unterschiedlichen Verwaltungseinheiten der TAR in Lhasa formulierte Parteisekretär Zhang Qingli sechs Themengebiete, denen sich die verschiedenen administrativen Einheiten zukünftig bei ihrer Arbeit zuzuwenden haben. Punkt drei dieser Themenliste befaßte sich mit der Verstärkung der Kampagne der "Patriotischen Erziehung" besonders in den Klöstern.

Das TCHRD fordert die sofortige Beendigung der Kampagne der "Patriotischen Erziehung" in Tibet und die Rückkehr der Klöster zu ihren normalen religiösen Aktivitäten. Ferner fordert das TCHRD die chinesische Regierung dazu auf, die grundlegenden Menschenrechte und Grundfreiheiten in Übereinstimmung mit dem nationalen und dem internationalen Recht zu achten. Außerdem sollte den Häftlingen der sofortige und bedingungslose Zugang zu einer gesetzlichen Vertretung, zu ihren Angehörigen und jeder medizinischen Behandlung, die sie benötigen, gewährleistet werden.