23. April 2009

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
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Ein beliebter religiöser Würdenträger in Kardze wegen falscher Anschuldigungen vor Gericht gestellt:  Tulku Phurbu Tsering wird Waffenbesitz angehängt

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie ist schockiert und entsetzt über die fälschlicherweise gegen Tulku Phurbu Tsering Rinpoche erhobene Anklage, während der friedlichen Proteste in Kardze (chin. Ganzi) im vergangenen Jahr im Besitz von illegalen Waffen gewesen zu sein. Das ist der erste uns bekannt gewordene Fall, wo im Zusammenhang mit den Demonstrationen von 2008 einem hohen buddhistischen Lama der Prozeß gemacht wird.

Der 52jährige Phurbu Tsering Rinpoche, eine in Kardze hoch verehrte religiöse Autorität, der den Frauenklöstern Pangri und Yatseg in Kardze vorstand, wird des „illegalen Waffenbesitzes“ beschuldigt, wie sein Anwalt Li Fangping aus Peking am Dienstag in einem Telefoninterview Associated Press (AP) gegenüber äußerte. Dem Rinpoche könnten bis zu 15 Jahren Gefängnis drohen, falls er von dem Mittleren Volksgericht von Kardze für schuldig erfunden wird.

Tulku Phurbu Tsering

[Aus dortigen Quellen verlautet weiter: Während der Gerichtsverhandlung am Dienstag in Kangding (Dartsedo), wies der Rinpoche die gegen ihn erhobenen Anklagen zurück. Er sagte, die in seinem Haus gefundenen Waffen und der Sprengstoff seien absichtlich dort deponiert worden, um ihm ein Verbrechen anzuhängen. Bei der Gerichtssitzung waren sieben seiner Familienmitglieder zugegen, darunter auch seine Frau, die sehr verstört war und ununterbrochen weinte.]

Informationen aus der Gegend zufolge war infolge der gestrigen Gerichtsverhandlung eine Truppenverstärkung zu verzeichnen, jedoch wurde noch kein Urteil gefällt. Wie berichtet, wurde der Tulku vier Tage und vier Nächte nach seiner Festnahme gefoltert, wobei die Polizei bei dem langwierigen Verhör ein Geständnis von ihm erpreßte. Sie drohten ihm sogar damit, seine Frau und seinen Sohn festzunehmen, falls er sich widerspenstig zeige, heißt es in dem AP-Bericht unter Berufung auf den Rechtsanwalt.

Tulku Phurbu Tsering Rinpoche ist ein hoch angesehener reinkarnierter Lama („Lebender Buddha“) vom Kloster Tehor im Bezirk Kardze, TAP Kardze, Provinz Sichuan. Er ist der spirituelle Präzeptor und das geistliche Haupt der Nonnenklöster Pangri und Yatseg in Kardze. Als eine charismatische Persönlichkeit war er Quelle der Inspiration und Hoffnung für viele der dortigen Tibeter. Er baute auch ein Altenheim und zwei Apotheken für sie.

Es ist entsetzlich und aufs Äußerste zu mißbilligen, daß eine prominente und verehrte religiöse Persönlichkeit aus Kardze unter erfundenen und unhaltbaren Anschuldigungen fast ein Jahr willkürlich inhaftiert wird. Diese von China angewandte Taktik ist nichts Neues, sie erinnert an die finstere, ständige  Herabsetzung und Dämonisierung von beim Volke beliebten religiösen Würdenträgern, die von den Behörden als eine direkte Herausforderung ihrer Macht angesehen werden.

Um den größtenteils friedlichen Protestaktionen vom vergangenen Jahr eine andere Dimension zu geben, entstellen die chinesischen Behörden die Tatsachen und fabrizieren mittels durch Folter erpreßter Geständnisse Beweise, um die prominenten religiösen Gestalten als Leute hinzustellen, die die Gewalt schürten. An der Erhebung einer solchen verlogenen Anklage haben die Behörden seit Monaten hart gearbeitet. Derartige Akte sind herabwürdigend und besorgniserregend, weil eine ganze Reihe von Menschenrechten dabei verletzt wird.

In den vergangenen Jahren wurde eine ganze Reihe von prominenten tibetischen religiösen Würdenträgern – wie Khenpo Jigme Phuntsok von dem berühmten Buddhistischen Institut Serthar, Geshe Sonam Phuntsok vom Kloster Dargay in Kardze, Tulku Tenzin Delek Rinpoche, der Gründer des Kham Nalanda Klosters, der sich für das Wohl des tibetischen Volkes ganz besonders einsetzte, und Bangri Rinpoche, der Gründer des Gyatso Waisenhauses in Lhasa --- unter falschen und erfundenen Anschuldigungen verhaftet. Viele von ihnen verbüßen nun extrem lange Haftstrafen, während andere nach ihrer Entlassung verstorben sind.

Tulku Phurbu Tsering Rinpoche wurde in den frühen Morgenstunden des 18. Mai 2008 von chinesischen Sicherheitskräften, die in seine Wohnung eindrangen, festgenommen, nur wenige Tage nachdem mehr als 80 Nonnen des Klosters Pangri friedlich demonstriert, und ihre Verzweiflung über das gewaltsame Vorgehen der chinesischen Behörden gegen friedliche tibetische Protestler, deren Tötung, Folterung und Verhaftung, zum Ausdruck gebracht hatten. Ebenso machten sie ihrem Groll über die ihnen aufgezwungene „patriotische Umerziehung“ Luft, bei der die Tibeter gezwungen werden, Dokumente zu unterschreiben, in denen der Dalai Lama  kritisiert, verunglimpft und angegriffen wird und wo sie sich schriftlich von ihm lossagen müssen. Auf diese Demonstration hin wurden 55 Nonnen des Klosters Pangri festgenommen. Viele wurden noch am Ort der Demonstration schwer geschlagen, ehe sie in Militärlastwagen geschleudert und weggefahren wurden. Die Lage in Kardze ist äußerst angespannt, nachdem der Tulku gestern vor Gericht gestellt wurde.

China hat eine lange und unrühmliche Geschichte grober Menschenrechtsverletzungen, die durch die Politik der Strafverschonung der an den Menschenrechtsverletzungen Schuldigen begünstigt werden. Folter und Mißhandlung sind endemisch in dem gewaltigen Netz von Gefängnissen und Haftzentren, das sich über das gesamte tibetische Hochland erstreckt. Folter, grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlung scheinen beim Umgang der Staatsdiener mit Tibetern, in denen sie Kritiker des kommunistischen Regimes sehen und jenen, die ihr Recht auf die Freiheit der Vereinigung, der friedlichen Versammlung und der Meinungsäußerung wahrnehmen, das zentrale Element geworden zu sein. Fälle wie die des Tulku zeigen ganz deutlich, daß die chinesischen Behörden immer noch solch verabscheuungswürdige Praktiken anwenden, obwohl die VR China die UN Konvention gegen Folter (CAT) unterschrieben und ratifiziert hat. Das TCHRD stellt fest, daß die Kräfte des Public Security Bureau (PSB) und der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) routinemäßig die Folter als ein Instrument der Einschüchterung bei der Ermittlung anwenden, um Informationen oder Geständnisse von echten oder vermeintlichen Delinquenten und Häftlingen zu erpressen.

Die übliche Praxis der Regierung der VR China, die durch Folter erhaltenen Geständnisse zum Nachweis der Schuld von Verhafteten zu benutzen, gibt Anlaß zu schwerer Sorge und sollte daher von den zuständigen internationalen Stellen ernsthaft untersucht werden. Das Zentrum ruft die zuständigen Gremien der Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft zu dringender Intervention im Fall dieses unschuldigen Tulku auf.