10. Dezember 2010
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy
Top Floor Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala H.P. INDIA 176215, www.tchrd.org, office. +91-1892 223363/ 225874

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Kontakt: Ms. Tenzin Norkyi (English) / Mr. Jampel Monlam (Tibetisch, Chinesisch), Tel: +91 1892 223363, 229225, 225874

Presseerklärung des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie zum Tag der Menschenrechte

Heute, am 10. Dezember 2010, ist der 62. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Gleichzeitig feiern wir die Auszeichnung von Liu Xiaobo mit dem Friedensnobelpreis, der ihm eigentlich heute in Oslo verliehen werden sollte. Das tibetische Volk steht im Kampf um die Menschenrechte und um die Freiheit in der Volksrepublik China (VRC) solidarisch an der Seite von Millionen chinesischer Bürger. Mit dem ungeheuren wirtschaftlichen Fortschritt der vergangenen drei Jahrzehnte wäre es für China nun an der Zeit, echte bürgerliche und politische Reformen einzuführen.

PAP-Soldaten in Dartsedo 2008
PAP-Soldaten in Amdo 2009

Obwohl Mitglied des UN-Sicherheitsrates und Unterzeichnerstaat der Charta der Vereinten Nationen, steht China an der Spitze der Länder, die die Menschenrechte massiv verletzen. Besonders gravierend sind diese Verletzungen in Minderheitenregionen wie Tibet und Ostturkestan. Die chinesische Regierung „schlägt weiterhin hart zu“ gegen friedliche Demonstranten, und die Freiheit der Meinungsäußerung wird heutzutage in China drastisch eingeschränkt. Friedlich Protestierende kommen, ohne daß in einem fairen Gerichtsverfahren ein Urteil gefällt worden wäre, einfach ins Gefängnis, und oftmals lassen die staatlichen Organe sie auch spurlos verschwinden.

Im Januar 2010 diskutierten die Teilnehmer an einer Sitzung des fünften Zentralkomitees der KPCh und des Staatsrates in Peking, wie Entwicklung und langfristige Stabilität in Tibet am besten zu verwirklichen seien. In ähnlicher Weise veranstaltete das Ministerium für Öffentliche Sicherheit der VRC eine zweitägige Tagung der Public Security Bureaus der ethnisch tibetischen Gebiete im heutigen China, also der TAR und der vier Provinzen Qinghai, Sichuan, Gansu und Yunnan. Dabei ging es um einen Erfahrungsaustausch bei der „Wahrung der öffentlichen Sicherheit“ und um den „Kampf gegen die separatistische Bewegung“, sowie darum, wie man den augenblicklichen Herausforderungen in den tibetischen Gebieten am besten begegnen könnte (1).

Dieses Jahr gab es noch viel mehr Festnahmen von tibetischen Intellektuellen, Mönchen, Umweltaktivisten und sogar Sängern. Sie wurden nicht nur wegen unhaltbarer, fadenscheiniger Beschuldigungen verhaftet, sondern auch ohne faire und ordentliche Gerichtsverfahren verurteilt. So wurden beispielsweise Sonam Tsering (2), Pema Yeshi, Lama Lhaka, Soedo und andere zum Tode mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verurteilt. Gekoe Jamphel Wangchuk (3), Tsewang Rigzin und Dorjee Tashi vom Kloster Drepung wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Und viele andere Tibeter sind ebenfalls hinter Gittern verschwunden.

Inhaftierte Nonnen

Über 3000 tibetische politische Gefangene, die ihr Recht auf freie Rede ausübten, sitzen in den chinesischen Gefängnissen in Tibet. Tenzin Delek Rinpoche, ein hoch verehrter religiöser Würdenträger, verbüßt eine lebenslange Gefängnisstrafe. Runggye Adak, ein tibetischer Nomade, wurde zu acht Jahren verurteilt, nur weil er den rechtmäßigen Wunsch nach der Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet äußerte (4). Dhondup Wangchen, ein tibetischer Amateurfilmer, wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in einem Dokumentarfilm die wahren Sehnsüchte der Tibeter in Tibet offenlegte (5). Und von Gendun Choekyi Nyima, dem 11. Panchen Lama Tibets, fehlt seit 16 Jahren jegliche Spur.

In Tibet verletzt die chinesische Regierung heutzutage systematisch die Religionsfreiheit. In den Klöstern in ganz Tibet führen chinesische Kader die patriotische Umerziehung durch. Wenn die Mönche sich diesen Schulungen widersetzen, werden sie entweder verhaftet oder des Klosters verwiesen. In einigen Fällen führte diese Kampagne zur gänzlichen Schließung von Klöstern.

Das Staatliche Amt für Religionsangelegenheiten führte eine neue Verordnung über die Leitung tibetischer Klöster und die Ausübung der Religion ein. Dieses Gesetz hat das Leben und die Funktionsweise der Klöster, wie sie seit Jahrhunderten gang und gäbe waren, völlig durcheinander gebracht. Es hat die Bande zwischen dem Lama [geistlicher Lehrer] und seinen Schülern zerrissen. Die meisten der hohen buddhistischen Lamas leben inzwischen im Exil. Infolge dieses neuen Gesetzes ist es nun für sie fast unmöglich geworden, ihre Klöster in Tibet zu besuchen. Das wird den ohnehin schon vorhandenen Bruch zwischen den Lamas und ihren Schülern in Tibet noch vertiefen. Das gesamte religiöse System wird durch die neuen Maßnahmen schwer in Mitleidenschaft gezogen werden.

Am 19. Oktober 2010 gingen Tausende tibetischer Schüler und Studenten in Rebkong (chin. Tongren) in der TAP Malho, Provinz Qinghai, auf die Straße, um gegen die geplanten Reformen im Bildungssystem zu protestieren, welche den Tibetern nur zum Nachteil gereichen werden. Bei den Kundgebungen forderten die Schüler „Gleichheit für alle Nationalitäten“ und „Freiheit der Sprache“. Sogar in Peking protestierten die Studenten. Bei einer Konferenz der Abteilung für Bildung der Provinzregierung von Qinghai, bei der es um die anvisierten Reformen ging, forderte der Kommunistische Parteisekretär und Vorsitzende, daß fortan alle Fächer auf Mandarin zu unterrichten und die Schulbücher in Chinesisch zu verfassen seien, ausgenommen die sprachlichen Fächer Tibetisch und Englisch.

Schülerprotest in Rebkong

Und schließlich ist es nicht nur diese eklatante Verletzung der Religionsfreiheit, welche den Tibetern das Leben so unerträglich macht. Die Verletzung der grundlegenden Menschenrechte auf allen Ebenen unter der Besatzung Chinas ist für das tibetische Volk deprimierend. Wir, vom Tibetischen Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) appellieren daher an das UN-Hochkommissariat für Menscherechte und an alle staatlichen und nichtstaatlichen Verbände und Organisationen, deren Thema die Menschenrechte sind, ihre Aufmerksamkeit der ernsten und sich stetig verschlimmernden Menschenrechtslage im besetzten Tibet zuzuwenden. Wir rufen sie und alle Menschen guten Willens auf, die chinesische Regierung zu drängen, alle unschuldigen Gefangenen freizulassen, die verhaftet wurden, weil sie ihre Religion friedlich ausübten. Wir appellieren an sie, uns dabei zu helfen, all jene, die an unbekannten Orten festgehalten werden, ausfindig zu machen. Und sie mögen sich dafür einsetzen, daß jene Gefangenen, die in einem juristischen Prozeß abgeurteilt werden, ein faires und gerechtes Verfahren erhalten.

Ein Thema, mit dem sich die internationale Gesellschaft und ihre Entscheidungsträger dringend befassen sollten, ist Chinas Absicht, in der Provinz Qinghai – die ehemalige nordosttibetische Provinz Amdo, aus welcher der Dalai Lama stammt – Chinesisch zur Unterrichtssprache zu erklären. Wenn die Regierung diese neue Verordnung nicht überdenkt und revidiert, dann wird sie bald auch in anderen Teilen Tibets eingeführt werden. Das wird sich drastisch auf die tibetische Kultur auswirken und das Ende der tibetischen nationalen Identität bedeuten.

Wir, vom Tibetischen Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) möchten diese Gelegenheit wahrnehmen, um unsere Solidarität mit all unseren tibetischen Landsleuten zu bekunden, die weiterhin in Tibet Unsägliches erleiden. Wir möchten gleichzeitig all jenen Regierungen, Politikern, Organisationen und Einzelpersonen, die uns zur Seite stehen und ihre Stimme für eine Besserung der trostlosen Menschenrechtslage in Tibet erheben, unseren tief empfundenen Dank aussprechen.

(1) 21. August 2010, „Konferenzen auf hoher Ebene über die „öffentliche Sicherheit“ und die Aktivitäten der Klöster in Tibet

(2) 20. November 2010 „Tibeter in Lhasa zum aufgeschobenen Tode verurteilt

(3) 7. Oktober 2010 „Überaus harte Urteile für zwei Mönche des Klosters Drepung

(4) 3. August 2010 „Seltenes Bildmaterial des kühnen Protestes von Rongye Adak am 1. August 2007 in Lithang

(5) 6. Januar 2010 “Chinesisches Gericht in Xining verurteilt Dhondup Wangchen zu sechs Jahren Gefängnis