13. Juli 2015
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org

Prominenter tibetischer Lama Tenzin Delek Rinpoche starb im Gefängnis

Ein prominenter reinkarnierter Lama und Philanthrop, Tenzin Delek Rinpoche, starb im Alter von 65 Jahren, während er eine lebenslängliche Haftstrafe in einem Gefängnis in der Nähe von Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, verbüßte.

Tenzin Delek Rinpoche war eine hoch angesehene religiöse Persönlichkeit im Bezirk Lithang, TAP Kardze (tib. Provinz Kham), Provinz Sichuan. Er war berühmt für seinen Einsatz zur Bewahrung der tibetischen Kultur und Religion, für sein aktives Engagement für die öffentliche Wohlfahrt und seine offene Kritik an der chinesischen Politik.

Am 5. Dezember 2002 wurden der Rinpoche und sein Neffe Lobsang Dhondup zum Tode mit zweijährigem Aufschub verurteilt, weil sie angeblich hinter einer Reihe von Sprengstoffanschlägen auf dem Tianfu Platz in Chengdu gesteckt hätten. Lobsang Dhondup wurde hingerichtet, doch das aufgeschobene Todesurteil des Rinpoche wurde auf internationalen Druck hin in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt.

Tenzin Delek Rinpoche befand sich seit seiner Verurteilung im Dezember 2002 wegen eines Verbrechens, das er nie begangen hatte, über 13 Jahre lang in Haft.

Zuverlässigen Quellen aus Tibet zufolge kamen am 2. Juli 2015 drei Mitglieder der Kommission für Politik und Recht des Bezirks Lithang zu den Schwestern des Rinpoche, Donkar Lhamo und Sonam Dekyi, und forderten sie auf, mit nach Chengdu zu fahren, um mit ihnen Tenzin Delek betreffende Fragen zu besprechen.

Die Schwestern wurden nach Chengdu gebracht, wo sie fast 10 Tage lang bleiben mußten, vermutlich in einem Gästehaus, ohne daß ihnen gesagt worden wäre, warum. Am Vormittag des 12. Juli wurden sie dann vom Ableben des Rinpoche in Kenntnis gesetzt.

Seitdem sind die beiden Schwestern bei den zuständigen chinesischen Behörden vorstellig geworden, um mehr über den plötzlichen Tod ihres Bruders zu erfahren und um die Herausgabe seines Körpers zu bitten.

Die Behörden weigern sich jedoch die Leiche des Rinpoche seiner Familie zu übergeben, und ebenso hüllen sie sich in Schweigen bezüglich seiner Todesursache. Sie teilten lediglich mit, daß sie zu dem Fall eine Sitzung abhalten würden.

Auf die Nachricht über den Tod des Rinpoche hin versammelten sich die dort ansässigen Tibeter bei dem Kloster von Tenzin Delek im Dorf Othok im Bezirk Nyakchuka, um ihre Trauer zu bekunden. Auch vor der Gemeindeverwaltung in Thang Karma bei Othok strömten viele Tibeter zusammen.

Sicherheitskräfte marschierten auf und die Straße zwischen Lithang und Nyakchuka ist nun gesperrt, während der Reiseverkehr zu der Gegend drastisch eingeschränkt wurde.

Einer anderen Quelle zufolge gingen die vor der Gemeindeverwaltung eingesetzten Sicherheitskräfte bereits gewaltsam gegen die demonstrierenden Tibeter vor. „Die Sicherheitskräfte schossen auf die Tibeter, sie warfen auch Tränengaspatronen, um die Menge zu vertreiben“.

Tenzin Delek Rinpoche war schwer herzkrank, er litt unter hohem Blutdruck, Schwächeanfällen, er hatte Probleme mit den Beinen und konnte nicht gehen.

Trotz der Appelle seiner Verwandten und Anhänger in der ganzen Welt, verweigerten ihm die chinesischen Behörden nicht nur die Freilassung aus medizinischen Gründen, sondern auch eine ordentliche ärztliche Betreuung.

Der Rinpoche wurde unrechtmäßigerweise in Haft gehalten und seine grundlegenden Menschenrechte wurden ihm während des gesamten Prozesses von der Festnahme bis zur Verurteilung vorenthalten. Sieben Monate lang bis zu seinem Erscheinen vor Gericht wurde er an einem geheimen Ort festgehalten. Während der gesamten Dauer der Untersuchungshaft wurden weder Anwälte noch private Besucher zu ihm vorgelassen, wodurch der Verdacht auf Folterung erhärtet wird.

Tibetische religiöse Führungspersönlichkeiten waren wegen ihres Charismas und ihres hohen sittlichen Ansehens unter der Lokalbevölkerung schon immer Zielscheibe der Verfolgung durch die chinesischen Behörden. Diese Sicht, die Religionsoberhäupter als Bedrohung wahrzunehmen, führte zu einer Reihe von Verhaftungen und widerrechtlicher Inhaftierung verehrter Lamas, wie beispielsweise Phurbu Tsering Rinpoche und Bangri Rinpoche, um nur ein paar zu nennen. Die chinesischen Behörden griffen zu vielfältigen Methoden, um die tibetischen Lamas zu dämonisieren und ihren Namen in den ´Schmutz zu ziehen.

„Das wirkliche ‚Verbrechen’ dessentwegen Tenzin Delek Rinpoche zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt wurde, waren seine ungeheure Popularität und seine hohe moralische Geltung bei den Tibetern. Man hatte es auf ihn abgesehen wegen seiner erfolgreichen Förderung der tibetischen Sprache und des Buddhismus unter den Einheimischen. Wir rufen den chinesischen Staat auf, die für den plötzlichen Tod des Rinpoches Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, einschließlich des Gefängnispersonals“, sagte Tsering Tsomo, die Vorsitzende des TCHRD.

Hintergrund

Trulku Tenzin Delek Thupten Choekyi Nyima wurde 1950 als Sohn von Tsepak Dorjee und Dolma Choezom im Bezirk Lithang in der Tibetisch-Autonomen Präfektur Kardze geboren. Mit sieben Jahren kam er ins Kloster, ordiniert wurde er von Khensur Shakpa.

1978 traf Tenzin Delek Rinpoche mit dem 10. Panchen Lama im Kloster Labrang Tashikyil zusammen, wo er ihm von seiner großen Sorge wegen der Folterung seiner Landsleute durch die chinesischen Behörden erzählte. Peking gab ihm Erlaubnis ein Kloster zu bauen, welches der Panchen Lama ‚Kham Nalanda Thekchen Jhangchup Choeling’ benannte. 1983 erkannte Seine Heiligkeit der Dalai Lama ihn als Reinkarnation von Geshe Adham Phuntsok an und gab ihm dem Namen Trulku Tenzin Delek Rinpoche.

Nach seiner Rückkehr nach Tibet 1987 wurde er wegen seiner vermeintlichen politischen Aktivitäten und Verbindungen mit dem Dalai Lama unter ständige Überwachung gestellt. Bis zu seiner Verhaftung am 7. April 2002 engagierte sich der Rinpoche in der Wohlfahrtspflege im Bezirk Lithang.

Zwischen 1991 und 1997 baute der Rinpoche sieben Klöster, ein Krankenhaus, ein Altersheim und eine Schule für Waisen und Kinder armer Familien im Bezirk Nyagchuka. Er setzte sich auch aktiv für die Umwelt ein und war ein bei seinen zahllosen Anhängern und Schülern beliebter Lehrmeister.

Der Rinpoche genoß große Popularität unter den Leuten seiner Gegend. Sehr viele trauten ihm mehr als den Distriktkadern, wenn es darum ging, kommunale Probleme gerecht und wirksam zu lösen; er scheute sich nämlich nicht, an Vertreter der Provinz- und Zentralregierung heranzutreten, wenn die Bemühungen vor Ort fehlgeschlagen waren.

2001 wurde die Präfektur Kardze von einer Reihe von Bombenanschlägen erschüttert. Am 2. April 2002 ging dann eine Bombe auf dem Hauptplatz, Tianfu, der Stadt Chengdu hoch, und kurz darauf nahm die chinesische Polizei Lobsang Dhondup, einen Verwandten und Schüler des Rinpoche, fest.

Die chinesische Polizei behauptete, daß Lobsang Dhondup in die Explosion verwickelt sei. Sein Zimmer wurde durchsucht und ein Foto des Rinpoche sichergestellt. So kam es, daß Tenzin Delek mit dem ganzen Vorfall in Verbindung gebracht wurde. Sowohl Tenzin Delek als auch Lobsang Dhondup beteuerten ihre Unschuld, während die Behörden überhaupt keine aussagekräftigen Beweise erbringen konnten, die ihre Beschuldigungen und die Verurteilung hätten rechtfertigen können.

Die Strafverfolgung des Rinpoche und von Lobsang Dhondup erfolgte zu einer Zeit, als China gerade begonnen hatte, im Anschluß an die Anschläge vom 11. September 2001 in New York unter dem Deckmantel von ‚Kampf gegen den Terror’ gewaltsam gegen legitimen Dissens und Aktivismus vorzugehen. Zudem fungierte der umstrittene Hardliner Zhou Yongkang von 1999 bis 2002 als Parteisekretär der Provinz Sichuan, gerade zu der Zeit, als der Rinpoche festgenommen und verurteilt wurde. Kurz nach Tenzin Deleks Schuldspruch wurde Zhou zum Minister für Öffentliche Sicherheit befördert, eine Position, die bis 2012 innehatte, wobei er mit eiserner Faust durchgriff.

Der bekannte chinesische Schriftsteller Wang Lixiong schrieb auf einer chinesisch-sprachigen Website „Trulku Tenzin Delek ist ein von allen Leuten hoch geachteter Lama. Die chinesische Polizei meint wohl etwas Großartiges getan zu haben, als sie ihm das Etikett eines Terroristen anhängte, ihn vor Gericht stellte und das Todesurteil gegen ihn verhängt wurde.“ Wang Lixiong schrieb weiter, daß er nicht glaube, daß der Rinpoche in die Bombenanschläge verwickelt sei: „Mit diesem Akt benutzte die chinesische Polizei einen Pfeil, um zwei Rehe zu töten. Sie hat Trulku Tenzin Delek klein gemacht und so getan, als habe sie das Rätsel der Bombenanschläge vom April gelöst.“

In einer heimlich aufgenommenen Botschaft, die aus Tibet geschmuggelt werden konnte, erklärte der Rinpoche: „Was immer sie tun und sagen, ich bin vollständig unschuldig. Um diese Zeit rief mich einer meiner Freunde an und fragte, ob Lobsang Dhondup mein Verwandter sei. Da war mir, als sei etwas sehr Ernstes im Gange. Als ich von den Explosionen und der Festnahme von Lobsang Dhondup hörte, kam mir der Verdacht, daß ich fälschlicherweise angeklagt und verhaftet werden könnte, und so zum Sündenbock werden könnte“.