30. Juni 2016

Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org

Eine seit 2008 verschwundene tibetische Nonne ist der Folter erlegen

Yeshi Lhakdron, eine 25jährige Nonne aus dem Kloster Dragkar, Bezirk Kardze in der TAP Kardze, einer tibetischen Präfektur in Kham, galt als vermißt, seit sie zusammen mit zwei anderen Nonnen vor acht Jahren willkürlich festgenommen wurde. Die zwei anderen Nonnen sind Sangay Lhamo und Tsewang Khando aus demselben Kloster. Beide wurden zu je zwei Jahren Haft verurteilt und nach Verbüßung ihrer Strafe entlassen.

Yeshi Lhakdron

Trotz intensiver Bemühungen konnten Yeshi Lhakdrons Angehörige nichts über das Schicksal der Nonne herausfinden. Schließlich kamen sie zu dem Schluß, daß Yeshi Lhakdron im Polizeigewahrsam der Folter erlegen sein muß.

Wie der Mönch Pema Wangyal aus dem Kloster Drepung in Südindien, der mit der Nonne verwandt ist, dem TCHRD mitteilte, protestierten die drei Nonnen 2008 friedlich im Bezirk Kardze, wobei sie Slogans wie „Tibet gehört den Tibetern“, „Tibeter wollen Menschenrechte“ usw. riefen. Sie verstreuten auch Zettelchen, auf denen Wünsche für ein langes Leben Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und „Freiheit in Tibet“ standen. Die chinesische Polizei nahm sie sofort fest. Nach ihrer Vernehmung auf der Polizeiwache, wo sie geschlagen und gefoltert wurden, kamen sie in ein staatliches Krankenhaus im Bezirk Kardze. Ihre Angehörigen durften sie dort nicht besuchen. Durch eine der Schwestern des Krankenhauses drang nach außen, daß eine der drei Nonnen dort verstorben war. Die anderen beiden Sangay Lhamo und Tsewang Khando wurden nach zwei Jahren entlassen, doch Yeshi Lhakdron kehrte niemals nach Hause zurück. Wenn sie nach Yeshi gefragt wurden, erklärten die anderen zwei Nonnen der Familie, daß sie separat festgehalten wurden und sich gegenseitig nicht sehen konnten, weil ihnen bei der Vernehmung Kapuzen über den Kopf gezogen wurden. Später wurden die beiden Nonnen zu je zwei Jahren Gefängnis verurteilt, ohne daß sie gegenseitig von ihrem Schicksal etwas wußten.

In Ermangelung irgendeines sichtbaren Beweises wie etwa Yeshis Körper, fällt es der Familie immer noch schwer, eine endgültige Aussage über ihr Schicksal zu machen. Die Angehörigen gaben etwa 40.000 Yuan aus, um die Behörden in diversen Bezirken wie Kardze, Drango, Serthar, Lithang, Nyagrong und Tawu, alle in der Provinz Sichuan, um Auskunft zu bitten. Sie befragten auch andere politische Gefangene, die bereits entlassen worden waren. Alle ihre Anstrengungen blieben erfolglos, so daß sie annehmen mußten, daß Yeshi nicht mehr lebte. Gemäß der tibetischen religiösen Praxis ließen sie in mehreren Klöstern Todesrituale für sie durchführen.

Yeshi Lhakdron wurde im Dorf Tsochu in der Gemeinde Sershiuting im Bezirk Kardze geboren, wo sie auch aufwuchs. Zur Zeit ihrer Festnahme war sie 25 Jahre alt. Ihr Onkel Ngodup Phuntsok oder Ngoega ist ein ehemaliger politischer Gefangener, der zweimal wegen friedlicher Proteste gegen die chinesische Herrschaft inhaftiert war. 2000 wurde Ngodup wegen „politischer Straftaten“ im Drapchi Gefängnis in Lhasa zu drei Jahren verurteilt. Und dann führte er am 18. März 2008 eine öffentliche Demonstration in Kardze an, wo er von mehreren Schüssen getroffen wurde. Er wurde später zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, die er in Tekying in Sichuan verbrachte, und am 20. März 2016 wurde er entlassen. 2008, als es zu unzähligen Festnahmen kam, berichtete das TCHRD auch über das Verschwindenlassen von mindestens 1000 Tibetern.

Am 9. Dezember 2015 wiederholte der UN Ausschuß gegen Folter in seinen abschließenden Bemerkungen über die fünfte periodische Überprüfung der VR China seine Forderung nach einem Rechenschaftsbericht über die Ereignisse während der Protestwelle 2008 in Tibet. Er rügte die VR China, weil sie über 24 von 26 Fällen von Tibetern, zu denen der Ausschuß in dem letzten Überprüfungsverfahren 2008 nachgefragt hatte, keine Informationen geliefert hatte. 2008, als es zu den weitverbreiteten Demonstrationen in Tibet kam, erfolgte die vierte periodische Überprüfung der VR China vor dem Ausschuß. Ähnlich wie bei der fünften periodischen Überprüfung 2015 wies die VR China alle Behauptungen über Folter in Tibet als „unbegründet“ zurück und unterließ es, praktische oder statistische Informationen über die Umsetzung der Konvention gegen die Folter zu liefern.

Willkürliche Festnahme, Folter und Verschwindenlassen sind nur einige der Mittel, zu denen die chinesischen Behörden greifen, um den friedlichen Ausdruck politischer Opposition und Beschwerden über Mißstände in Tibet zum Schweigen zu bringen. Die chinesischen Sicherheitsbehörden in Tibet, besonders das Public Security Bureau, die People’s Armed Police und die Staatssicherheit lassen Personen verschwinden, um sie, ihre Familie sowie die gesamte Gemeinde zu terrorisieren und einzuschüchtern. 2013 führte die VR China Ergänzungen zu ihrem Strafverfahrensgesetz ein, die das zwangsweise Verschwindenlassen legalisieren. Seitdem gab es eine Reihe von neuen Gesetzen wie z.B. das National Security Law, das vom Staat verübten Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, Folter und Tötungen ohne Gerichtsverfahren den Anschein der Rechtmäßigkeit verleihen sollte.              

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) fordert die chinesischen Behörden auf, die Informationen über Yeshi Lhakdron und viele andere Tibeter, die verschwanden, nur weil sie ihre Menschenrechte wahrgenommen haben, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die chinesischen Behörden müssen unabhängigen Medien, internationalen Berichterstattern und Menschenrechtsorganisationen uneingeschränkten Zugang zu der wirklichen Situation in Tibet ermöglichen.