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China nimmt einen Aktivisten gegen Korruption aus politischen Gründen fest
Die chinesischen Behörden nahmen einen populären tibetischen Aktivisten willkürlich fest, der wegen seines unermüdlichen Bemühens um eine gute Regierungsführung, um den Kampf gegen die Korruption und um soziale Verantwortlichkeit in seiner Heimatstadt Kyangche (chin. Jiangqian), Kreis Gade (chin. Gande), Tibetisch Autonome Präfektur (TAP) Golok (chin. Guoluo), Provinz Qinghai (tibetische Provinz Amdo) hohes Ansehen genießt.
Der 47jährige A-nya Sengdra wurde am 4. September an einer Straßenkreuzung in der TAP Golok von den Mitarbeitern des Public Security Bureau (PSB) des Kreises Gade geschlagen und festgenommen. Die Polizei brachte ihn in das PSB-Haftzentrum im Kreis Drotsang (chin. Ledu), Präfektur Tsoshar (chin. Haidong), wo er sich bis heute befindet. Seitdem wurde seiner Frau Yangkyi und seinen Verwandten verweigert, ihn zu sehen, obwohl sie es mehrmals versucht hatten. Auch die Interventionen seines Anwaltes Lin Qilei, der bei der zuständigen örtlichen Polizeibehörde vorsprach, waren ergebnislos. Am 18. September und am 21. Oktober wollte Yangkyi zusammen mit anderen Familiengliedern ihren Mann besuchen, doch sie erhielten keine Erlaubnis und mußten die Dinge, die sie für ihn mitgebracht hatten, abliefern.
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Anya Sengdra |
Am 22. Oktober erhielt Lin Qilei schließlich vom PSB des Kreises Gade die Genehmigung, Sengdra an seinem Haftort aufzusuchen. Bei seinem Besuch bemerkte Lin Qinlei, daß sein Mandant bei sehr schwacher Gesundheit war und eine Menge an Gewicht verloren hatte. Sein schlechter Gesundheitszustand ist unmittelbar auf die Verfügung der Polizeibehörde, ihn in Drotsang, das im Osten der Provinz Qinghai liegt, zu inhaftieren, zurückzuführen. Diese Stadt ist weit entfernt und niedrig gelegen mit einem abträglichen Klima und schlechter Wasserqualität. Diese Umstände forderten schließlich ihren Tribut an Sengdras Gesundheit. Er bekam starken Durchfall und verlor seinen Appetit. Über fünf Tage lang konnte er nichts trinken und nichts essen. Er, der einst kräftig und stämmig war, ist jetzt nur noch ein Schatten seiner selbst.
Bei dem Treffen mit seinem Anwalt Lin Qilei äußerte er Zweifel an der Entscheidung der Lokalbehörden, ihn in Drotsang statt im Kreis Gade zu inhaftieren. Wie eine Quelle dem TCHRD mitteilte, sagte er zu seinem Anwalt: „Könnte es ein Trick von ihnen sein, um mich zu foltern? Ich habe kein Verbrechen begangen, ich trat nur bei höheren Regierungsstellen für das Wohl der Lokalbevölkerung ein“. Im November wurde er kurz zum PSB des Kreises Gade gebracht, vermutlich, um den Bescheid über die Verlängerung seiner Haftzeit auszustellen, der an das Haftzentrum des Kreises Machen adressiert war.
Sengdra wird jetzt der „Anzettelung von Streitigkeiten und der Unruhestiftung“ beschuldigt, doch ein vom PSB des Kreises Gade ausgestellter Bescheid, der seine Inhaftierungsfrist bis zum 12. Januar 2019 verlängert, bestätigt, daß die Ermittler vor Ort dabei sind, weitere Anklagepunkte zu erfinden, um ihn für eine längere Zeitspanne einsperren zu können. In der am 11. Dezember ausgestellten Benachrichtigung steht, daß das PSB des Kreises Gade Sengdra verdächtigt, noch mehr Delikte als nur „Unruhestiftung“ begangen zu haben, wozu sie angeblich weitere Untersuchungen vornehmen müßten, und daher wurde seine Haftzeit vom 12. November bis zum 12. Januar 2019 ausgedehnt.
„Unruhestiftung“ ist eine vage formulierte Straftat im Art. 293 des chinesischen Strafgesetzes, die in den letzten Jahren, besonders unter Xi Jinpings Präsidentschaft, immer häufiger herangezogen wird, um Menschenrechtsverteidiger und andere Aktivisten, die der Regierungspolitik kritisch gegenüberstehen, zu verfolgen und Repressalien gegen sie in Gang zu setzen.
In ihrer Petition warf Frau Yangkyi den Kreisverwaltungsbehörden von Gade vor, ihren Mann unter grundlosen Beschuldigungen festgenommen zu haben, und sie nannte die Verhaftung eine Vergeltungsmaßnahme dafür, daß er sich für die Rechte der örtlichen tibetischen Nomaden eingesetzt hatte. Sie schrieb, daß ihr Mann an die Provinzbehörden in Qinghai und die zuständigen Justizinstanzen in Beijing appelliert und Petitionen eingereicht habe, in denen er die korrupten Praktiken der Lokalbehörden anprangerte. Sie klagte, daß die Lokalbehörden im Lauf der Jahre den Nomaden zahlreiche Sozialhilfeleistungen zugesagt hätten, um sie zu rehabilitieren und für die Umsiedlung und Wiederansiedelung zu entschädigen, wie etwa Weideland- und Waldwirtschaftbeihilfen, Vergünstigungen für einkommensschwache Haushalte und andere Armutsbekämpfungsmittel, doch viel von den Hilfsgeldern habe die anvisierten Begünstigten oder die Nomaden nie erreicht.
Sengdra war ein unermüdlicher Kämpfer gegen die Korruption in der Beamtenschaft, zumindest seit 2014, als er und andere tibetische Nomaden vor Ort eine Bürgerinitiative namens „Man Dhon Ling“ (Forum für öffentliche Angelegenheiten) gründeten, um gegen Korruption und Machtmißbrauch durch die Lokalbehörden anzugehen. Jahrelang hatte er Lokalbeamte öffentlich angegriffen, weil sie staatliche Gelder veruntreuen. Er organisierte auch Kampagnen gegen illegalen Bergbau und das Wildern von gefährdeten Tieren.
Er wurde bei der örtlichen tibetischen Bevölkerung sehr populär und im Dezember 2014 wählten sie ihn zum Vorsteher des „Komitees für Weideland und Viehhaltung“ seines Dorfes. Er konnte seinen Posten jedoch wegen des Eingriffs der Lokalbehörden nicht antreten, die eine belanglose, aus 2008 datierende Rechtssache gegen ihn vorbrachten und ihn am 14. Dezember 2014 festnehmen ließen. Er wurde zu einem Jahr und 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Am 18. Oktober 2016 kam er aus dem Dongchuan Gefängnis in Siling (chin. Xining) frei.
Das TCHRD verurteilt die willkürliche Festnahme von A-nya Sengdra aufgrund der politisierten Anklage der „Unruhestiftung“ streng und fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung. Bis dahin muß seinen Angehörigen erlaubt werden, ihn zu besuchen und sich seines Gesundheitszustandes und Wohlbefindens zu vergewissern. Die Lokalbehörden müssen seine sofortige medizinische Versorgung in die Wege leiten und garantieren, daß er keiner Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher und herabwürdigender Behandlung ausgesetzt wird. Die Lokalbehörden der Kreise Gade und Drotsang sind für das physische und psychische Wohlergehen von Sengdra voll verantwortlich.
„Als Menschenrechtsverteidiger konzentrierte er seine Arbeit darauf, eine verantwortungsbewußte Regierungsführung herbeizuführen und forderte ein Ende der Korruption und des Machtmißbrauchs bei den Lokalbehörden. Sengdras heroische Kampagne gegen Korruption zu kriminalisieren, stellt die Falschheit und Unaufrichtigkeit des gegenwärtig von der chinesischen Führung durchgeführten sogenannten ‚Krieges gegen die Korruption’ bloß“, sagte Tsering Tsomo, die verantwortliche Direktorin des TCHRD. „Korruption macht die Regierung unfähig, öffentliche Dienste zu erbringen, die für die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte wesentlich sind“.
Mang Dhon Ling
Am 24. Februar 2014 reichte Sengdra zusammen mit zehn anderen Mitgliedern von Mang Dhon Ling eine Petition ein, in der eine Untersuchung der korrupten Aktivitäten der Kreisbehörden von Gade und der Unbill, der die Armen in seiner Gemeinde ausgesetzt sind, gefordert wurde. Die Petition enthielt sieben Punkte, die sich auf die Mißwirtschaft, die mit den für die lokalen Nomaden bestimmten Mitteln betrieben wird, beziehen:
- Warum gibt es keine Wohneinrichtungen für die umgesiedelten Nomaden der Gemeinde Kyangche?
- Die Kreisverwaltung verwendete 1.800.000 RMB/Yuan (etwa 250.000 Euro) des für die Armutslinderung bestimmten Fonds, um einen Geschäftskomplex zu kaufen, der aber den Armen gar nicht übergeben wurde.
- Warum wurden die Wohnungsbeihilfen für die Nomaden eingestellt?
- Was ist mit der Entschädigung für das den Nomaden weggenommene Weide- und Waldland geschehen?
- Die Kreisregierung entschied zwar, den Armen finanzielle Hilfe zukommen zu lassen, doch diese Entscheidung wurde niemals öffentlich angekündigt.
- Was ist der Grund dafür, daß die Liste für die Einzäunung 2012 erst im Jahr 2014 vorgelegt wurde?
- Hat das Kreisbüro für Transportwesen eine Brücke gebaut, die die oberen, mittleren und unteren Nomadengemeinschaften der Gemeinde Kyangche verbindet?
Yangkyi’s Petition
In der Petition vom 8. September bittet Frau Yangkyi, geb. am 15.05.1979, um die Freilassung ihres Mannes, den sie einen die „Gesetze einhaltenden Bürger“ nennt, der unrechtmäßigerweise festgenommen wurde. Sie appellierte an das PSB-Büro des Kreises, ihren Gatten für den Schaden, den er an seinem mentalen und wirtschaftlichen Wohl davongetragen hat, zu entschädigen. Außerdem sollten die Lokalbehörden ihr Augenmerk darauf richten, kriminelle Aktivitäten zu beenden und den Unrat, den sie in der Gesellschaft angehäuft haben, wegzuräumen. „Die korrupten Beamten des PSB-Büros des Kreises Gade und die Lokalregierung haben sich nicht an die Rechtsordnung gehalten und die staatlichen Richtlinien nicht umgesetzt. Indem sie Geheimhaltung vor den höheren Instanzen pflegen und die ihnen unterstellten Leute täuschen, verhalten sie sich rechtswidrig. Sie bringen falsche Anschuldigungen gegen gesetzestreue Bürger vor und zerstören das Vertrauen zwischen den tibetischen Nomaden und der kommunistischen Partei“.
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