7. November 2019
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD), www.tchrd.org

Tibeter aus Nyalam wegen Veröffentlichung von Büchern über WeChat im März festgenommen und zu Gefängnis verurteilt

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) wurde von zuverlässigen Quellen über die willkürliche Inhaftierung von Wangchuk in der Präfektur Shigatse (chin. Xigaze), Autonome Region Tibet (TAR), informiert.

Den erhaltenen Informationen zufolge wurde der 45jährige Wangchuk um den 8. März dieses Jahres von chinesischen Polizisten festgenommen. Er wurde in der Stadt Shigatse festgehalten, während er von einer seiner Geschäftsreisen nach Lhasa zurückkehrte.

Über den genauen Aufenthaltsort von Wangchuk ist nichts Bestimmtes bekannt. Seine Familienmitglieder glauben jedoch, daß er verurteilt wurde und im Nyari-Gefängnis in Shigatse inhaftiert ist.

Wangchuk

Quellen berichteten dem TCHRD, daß Wangchuk vermutlich festgenommen wurde, weil er einige Bücher auf WeChat, dem chinesischen Nachrichten- und Social Media-Dienst, zugänglich gemacht hatte, darunter Lehren Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und eine tibetische Übersetzung von The Noodle Maker of Kalimpong (1). Er hatte Kopien dieser Bücher von seinen Freunden außerhalb Tibets erhalten.

Ob jemals ein Prozeß zur Verurteilung von Wangchuk stattgefunden hat, weiß man nicht. Seine Familienmitglieder wurden weder über die Verhaftung noch die Anschuldigungen gegen ihn informiert.

Seit seiner willkürlichen Inhaftierung sind die Familienangehörigen von Wangchuk rechtswidrig eingeschränkt und bestraft worden. Die lokalen Behörden haben die Sozialleistungen der Familie, einschließlich der Zuschüsse und Altersversicherung, gestrichen. Ohne schriftliche Genehmigung der Gemeindeverwaltung dürfen die Angehörigen nicht ins Ausland reisen. Eine verstärkte Überwachung durch die lokalen Behörden hat das Leben der Familienmitglieder zerstört.

Die willkürliche Inhaftierung von Wangchuk hat die Gesundheit seiner alten Mutter Tsewang, die unter einer Herzerkrankung leidet, stark beeinträchtigt.

Wangchuk ist aus dem Dorf Karchung in der Gemeinde Zurtso im Kreis Nyalam (chin. Nielamu), Präfektur Shigatse. Er hat eine große Familie mit seinen Eltern, Herrn Dorjee und Frau Tsewang, sowie einen älteren und einen jüngeren Bruder, mit denen er eine polyandrische Ehe eingegangen ist. Die drei Brüder haben zusammen fünf Kinder - drei Söhne und zwei Töchter. Als Kleinhändler, der seine Waren in Lhasa und manchmal auch in der Grenzstadt Dram verkaufte, war Wangchuk der Haupternährer der Familie. Durch seine Inhaftierung wird die finanzielle Belastung der Familie noch zunehmen, so daß sie bald das Schulgeld für die Kinder nicht mehr aufbringen kann.

Das TCHRD stellt mit Besorgnis fest, daß die willkürliche Inhaftierung von Wangchuk und die anhaltende Schikanierung seiner Familie die direkte Folge einer zunehmenden Online-Zensur und einer Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Tibet sind. Letzte Woche veröffentlichte die Internetpolizei der TAR eine Reihe von Comics auf Tibetisch und Chinesisch, die die breite Öffentlichkeit davon abhalten sollen, sich frei im Internet zu äußern. Die in den Zeichentrickstreifen enthaltenen Anweisungen spiegeln weitgehend die zahlreichen Mitteilungen wider, die in den letzten Jahren von den chinesischen Behörden in Tibet herausgegeben wurden, darunter die Warnung, daß die Nichtbeachtung der staatlichen Anweisungen zur Internetnutzung zu einer Freiheitsstrafe von ein bis zu acht Jahren führen kann.

Das TCHRD ist äußerst besorgt um das Schicksal und den Verbleib von Wangchuk und verurteilt seine willkürliche Inhaftierung auf das Schärfste. Es fordert die chinesischen Behörden dazu auf, die Drangsalierung und Verfolgung der Familienmitglieder von Wangchuk einzustellen und ihnen mit sofortiger Wirkung wieder alle Sozialleistungen zuteil werden zu lassen und ihre Menschenrechte zu beachten. Das TCHRD fordert die chinesischen Behörden ferner auf, Wangchuk unverzüglich und bedingungslos freizulassen, da seine Inhaftierung gegen die geltenden Menschenrechte und das Völkerrecht verstößt. Die freie Meinungsäußerung und die Meinungsfreiheit sind in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte festgeschrieben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, über Medien jeder Art nach Informationen und Gedankengut zu suchen, sie zu empfangen und zu verbreiten.

(1) Biographie von Gyalo Thondup, dem älteren Bruder des Dalai Lama