30. Oktober 2020
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD), www.tchrd.org

Der tibetische Sänger Lhundrup Drakpa wegen Kritik an Chinas Politik zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt

Wir fordern die Freilassung eines populären tibetischen Sängers, der zu Unrecht schuldig gesprochen wurde, weil er seiner Mißbilligung der chinesischen Herrschaft in friedlicher Weise Ausdruck verliehen hatte. Der 36jährige Lhundrub Drakpa wurde wegen eines Liedes, in dem er die repressive Politik des Staates im Bezirk Driru (chin. Biru), Präfektur Nagchu, TAR, anprangerte, zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Dieses Gebiet gehörte zur ehemaligen Provinz Kham.

Das Lied „Schwarzer Hut“ ist eine Kritik der jahrelangen repressiven Maßnahmen, die zu unzähligen Menschenrechtsverletzungen und Akten von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ im Bezirk Driru sowie in dem benachbarten Bezirk Sog (chin. Suo) geführt haben.

Vorkommnisse in Driru, die vom TCHRD seit 2013 dokumentiert wurden, machen deutlich, daß die chinesischen Behörden für die willkürliche Festhaltung, die Zwangsverschleppung, Folterung und außergerichtliche Tötung von Hunderten von Tibetern verantwortlich sind.

Lhundrup Drakpa

Drakpa war im Zusammenhang mit einem anderen Lied namens „Tashi Yardo“ zwischen 2013 und 2014 mehrere Male kurz inhaftiert gewesen. Bei diesem Lied arbeitete er mit dem berühmten Sänger Gonpo Tenzin zusammen, der später ebenfalls zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Die Inhaftierung von Gonpo Tenzin und eines weiteren Sängers namens Trinley Tsekar erfolgte im Rahmen einer ausgedehnten und systematischen Verfolgung von friedlichem Dissens in Driru.

Obwohl er von den Lokalbehörden überwacht wurde, fuhr Drakpa fort, auf seinem WeChat Konto kurze Verse zu veröffentlichen, in denen er seinen Stolz auf die tibetische Kultur und Tradition zum Ausdruck brachte und die Zerstörung der natürlichen Umwelt und den Niedergang der tibetischen Sprache beklagte. „Bis Ende 2015 stellte er diese Verse ein, und mir war klar, daß er jederzeit verhaftet werden könnte“, teilte Jayang Choephel, sein älterer Bruder, dem TCHRD aus seinem Kloster im südindischen Staat Karnataka mit. „In seinen Online-Posts kritisierte er auch die Zerstörung von Ackerland und den Landraub durch die Lokalbehörden zum Bau städtischer Wohnanlagen“.

Seit 2016 konnte Choephel seinen Bruder nicht mehr kontaktieren, weil die Bezirksbehörden eine Richtlinie umsetzten, nach der es den einheimischen Tibetern verboten war, irgendwelche Kontakte mit Tibetern in Indien zu pflegen - unter Androhung von Gefängnis oder des Verlusts des Rechts, den Raupenkeulenpilz zu sammeln, der Haupteinkommensquelle für viele Menschen in Driru.

Lhundrub Drakpa ist für seine große Liebe zur kulturellen und künstlerischen Tradition Tibets, besonders der Volkstradition, bekannt. Er ist einer der populärsten tibetischen Sänger in der Region, und seine Lieder beziehen sich überwiegend auf die Verteidigung der tibetischen nationalen Identität und den Stolz auf die tibetische Kultur und Tradition als einen Weg, um Widerspruch auszudrücken und die falsche Propaganda der chinesischen Behörden zu entkräften.

Drakpa, der Sohn von Tenzin Sonam und Drokyi, wurde 1984 im Dorf Mokhyim, Bezirk Driru, geboren. Als der zweitjüngste von sechs Geschwistern ging er sechs Jahre zur Gemeindeschule, worauf drei Jahre Mittelschule und drei Jahre höhere Schule in der Stadt Nagchu folgten.

Ereignisse in Driru, die von Exiltibetern in den letzten sieben Jahren dokumentiert wurden, zeigen, daß die chinesischen Behörden vielfach Tibeter im Namen der Politik der gewaltsamen Unterdrückung jeglicher Mißbilligung der chinesischen Herrschaft festgenommen und sogar zu Tode gefoltert haben. Im November 2014 wurde Bachen Gyewa, der Dorfchef von Ushung in der Gemeinde Sentsa, festgenommen und in der Folge auf Anordnung des Parteisekretärs von Driru umgebracht. Im Dezember 2013 war der buddhistische Gelehrte Ngawang Jampel weniger als einen Monat nach seiner Festnahme gestorben. Im Januar 2014 starb ein junger Mann namens Konchok Dakpa aus dem Dorf Chamram in der Polizeihaft, nachdem er einige Wochen lang ohne Verbindung zur Außenwelt eingesperrt war. Anfang 2016 starb Trigyal aus dem Dorf Mokhyim im zweiten Jahr seiner 13jährigen Haftstrafe. Das Schicksal dieser Personen ist nichts Außergewöhnliches, sondern macht deutlich, welche Behandlung politische Gefangene in ganz Tibet erfahren. Sie wurden eingesperrt, weil sie die Beachtung der Menschenrechte forderten und der chinesischen Propaganda über die Lage in Tibet widersprachen. Die Folter, die sie erlitten, war Teil der Unterdrückung jeglichen Aufbegehrens gegen die Herrschaft Chinas.

Hier folgt der Wortlaut des Liedes „Schwarzer Hut“, gesungen von Lhundrub Drakpa:

Ein edles und aufrichtiges Volk,
gezwungen, den schwarzen Hut der Täuschung zu tragen:
Monate und Jahre diesen Hut zu tragen,
die ungewollte Hölle des Leidens auf Erden erduldend.

Eine Sprache, wertvoller als ein wunscherfüllendes Juwel,
gefesselt von einem Netz tausender Strategien:
Monate und Jahre ohne Lockerung dieses Netzes
knebelten die Rede von sechs Millionen rotgesichtigen Tibetern.

Monate und Jahre der wolkenverhängten Sonne,
Tage und Nächte des verdunkelten Mondes:
Die Zeit, als Finsternis das Universum einhüllte,
wurde zur Niederlage für mich und alle Tibeter.


Video mit dem Lied: https://youtu.be/ca3WlL-TrZo