13. Dezember 2021
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org

Angesehener tibetischer Gelehrter Go Sherab Gyatso zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) hat bestätigt, daß Go Sherab Gyatso, auch bekannt als Gosher, vor einem Monat vom Mittleren Volksgerichtshof in Lhasa zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die Nachricht von seiner Verurteilung war am Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, in den sozialen Medien aufgetaucht.

Die Antwort der chinesischen Regierung vom 27. August 2021 auf die Anfrage einer Expertengruppe der Vereinten Nationen bezüglich der Fälle von Go Sherab Gyatso und Rinchen Tsultrim läßt darauf schließen, daß Gosher unter dem Vorwurf der „Anstiftung zum Separatismus“ verurteilt wurde.

„Anstiftung zum Separatismus“ ist einer der häufigsten Vorwände, die der chinesische Parteistaat benutzt, um tibetische politische Gefangene anzuklagen.

Go Sherab Gyatso

Derselbe Vorwurf wurde bereits früher gegen den Verfechter der Rechte der Tibeter auf ihre Sprache, Tashi Wangchuk, und gegen viele andere Aktivisten erhoben, die ihre in der chinesischen Verfassung und im Gesetz über die regionale nationale Autonomie verankerten Rechte wahrgenommen haben.

Der Parteistaat hat erneut auf diese vage Anschuldigung zurückgegriffen, um eine so hohe Strafe über Gosher zu verhängen, der doch kein einziges Verbrechen begangen hat, das gegen das chinesische Recht verstoßen hätte.
Die unablässige und systematische Verunglimpfung tibetischer gesellschaftlicher Akteure wie Gosher unter dieser pauschalen Anschuldigung zeugt von einem erneuten Versuch, das tibetische Nationalbewußtsein zu vernichten.

Gosher, ein angesehener buddhistischer Gelehrter und einflußreicher Pädagoge aus Ngaba, einer tibetischen Region in der westchinesischen Provinz Sichuan, wurde am 26. Oktober 2020 von chinesischen Sicherheitsbeamten in der Stadt Chengdu festgenommen. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt in dieser Stadt auf, um für einen Patienten zu dolmetschen. Danach war er für fünf Monate verschwunden.

Nach konzertierten Bemühungen tibetischer Menschenrechtsgruppen und Aktivisten, darunter auch dringender Appelle vom TCHRD, richtete eine UN-Expertengruppe - bestehend aus der Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwinden (WGEID), der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung (WGAD) und den Sonderberichterstattern für Minderheitenfragen und Religions- und Glaubensfreiheit - am 16. Juli 2021 eine Anfrage an die chinesische Regierung, in der sie um Auskunft über Gosher und Rinchen Tsultrim bat.

Aus der Antwort der chinesischen Regierung im August ging hervor, daß Gosher in einem Gefängnis in Lhasa festgehalten und ihm wegen „Anstiftung zum Separatismus“ der Prozeß gemacht wird.

Die chinesische Regierung leugnete kategorisch den Vorwurf, daß sowohl Gosher als auch Rinchen Tsultrim willkürlich inhaftiert und verschwunden sind. Später wurde berichtet, daß Rinchen Tsultrim im April 2021 zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden war.

In Wirklichkeit galt Gosher nach seiner Verhaftung in Chengdu nicht nur fünf Monate lang als verschwunden, sondern der gesamte Prozeß fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, wobei es immer noch keine Informationen über die Anklage und das Datum der Verurteilung gibt.

Als Gelehrter und Pädagoge hat er einen bedeutenden Beitrag zum Erhalt der tibetischen Kultur, Geschichte, Religion und Sprache geleistet und sich damit den Zorn des chinesischen Parteistaats zugezogen, was zu seiner vierten Verhaftung führte.

Seit 1998 war er mehrmals im Gefängnis, dennoch äußerte er seine Meinung weiterhin öffentlich. Dies ist das vierte Mal, daß Go Sherab Gyatso inhaftiert wurde. Das erste Mal wurde er 1998 wegen des Besitzes und Anbringens von Bildern Seiner Heiligkeit des Dalai Lama verhaftet und zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Im Jahr 2008 wurde er ein zweites Mal in Lhasa verhaftet und für ein Jahr inhaftiert. Seine dritte Verhaftung erfolgte irgendwann zwischen 2011 und 2013 und währte einige Monate.

Sein ganzes Leben lang hat Go Sherab Gyatso Schulen und Klöster in vielen Regionen Tibets besucht und zahlreiche Vorträge zu verschiedenen Themen gehalten, die von der Bedeutung traditioneller Wissensformen, vom Buddhismus und der religiösen Harmonie bis hin zur Bedeutung von Demokratie und Freiheit reichen. Bislang hat er acht Bücher veröffentlicht, in denen er über Themen wie Bildung, Geschichte, Demokratie, Freiheit und Moral schrieb.

Die Vorträge, die er zu diesen Themen an Schulen und in Klöstern hielt, haben eine beachtliche Wirkung erzielt und seinen Bekanntheitsgrad als herausragender Gelehrter vermehrt, der von den Tibetern sowohl innerhalb als auch außerhalb Tibets hoch geschätzt wird.

In Solidarität mit den Hunderten von einfachen Tibetern, ehemaligen politischen Gefangenen, Schriftstellern und Gelehrten in Tibet, die trotz der Gefahr für ihr eigenes Leben die ungerechte und harte Verurteilung von Go Sherab Gyatso mißbilligen, verurteilt das TCHRD diese politisch motivierte Verurteilung auf das Schärfste.

Wir appellieren an die Vereinten Nationen, an die Arbeitsgruppen und Sonderberichterstatter, die sich im Juli dieses Jahres an die chinesische Regierung gewandt hatten, sowie an alle Menschenrechtsverteidiger auf der ganzen Welt, zu dem Schmerz der Tibeterinnen und Tibeter in Tibet nicht zu schweigen und dieses ungerechte Urteil gemeinsam zurückzuweisen.