23. Juni 2021
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD), www.tchrd.org

Der tibetische Schriftsteller Dhi Lhaden muß aus der verlängerten Isolationshaft entlassen werden

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung des bekannten tibetischen Schriftstellers und Intellektuellen Lobsang Lhundup (Pseudonym: Dhi Lhaden), der seit zwei Jahren an einem ungenannten Ort in der Stadt Chengdu in der Provinz Sichuan willkürlich festgehalten wird.

Das TCHRD ist der Ansicht, daß die verlängerte Isolationshaft von Dhi Lhaden eine Vergeltung der Behörden für seine friedliche Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung ist. Die chinesischen Behörden sollten ihren Verpflichtungen nach internationalem Recht nachkommen und Dhi Lhaden nicht länger der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe aussetzen.

Lobsang Lhundup (Dhi Lhaden)

Dhi Lhaden wurde im Juni 2019 von Mitarbeitern des Public Security Bureau (PSB) in Gewahrsam genommen. Die PSB-Beamten nahmen Dhi Lhaden in seiner Wohnung in Chengdu fest, bevor sie seinen Laptop, sein Telefon und andere Dokumente beschlagnahmten. Er war zu diesem Zeitpunkt dabei, seine Memoiren zu schreiben. Es wird vermutet, daß er festgenommen wurde, weil er in einem privaten Bildungszentrum, an dem er als Lehrer arbeitete, verbotene Lehrmaterialien verwendet hatte.

Fast neun Monate nach seiner Verhaftung im März 2020 erfuhr das TCHRD, daß die ermittelnden Beamten auch die englische Übersetzung seines Buches „The Art of Passive Resistance“ (Die Kunst des passiven Widerstandes) durch das TCHRD als Indiz für sein angebliches Vergehen benutzten. Aus Rücksicht auf den Wunsch der Angehörigen von Dhi Lhaden, Schweigen über den Fall zu bewahren, weil sie auf seine baldige Freilassung hofften, hielt das TCHRD die Informationen über seine Inhaftierung zurück. 

Die Isolationshaft von Dhi Lhaden ist ein beunruhigendes Zeichen für das unerbittliche Vorgehen des chinesischen Parteistaates gegen Andersdenkende, das sich gegen tibetische Intellektuelle, Schriftsteller und Kulturschaffende richtet. Die chinesischen Behörden sollten mit ihrer Einschüchterungstaktik aufhören, Angst zu verbreiten und diejenigen, die sich dem Narrativ der Regierung über Tibet nicht anschließen, zum Schweigen zu bringen. Wie Lhaden in dem oben erwähnten Buch schreibt: „Die Verfassung tyrannischer Regime mag die Rechte der Bürger auf Protest, Versammlung, freie Rede und Kritik an der Regierung festschreiben. Aber solche Bekundungen sind bloße Fassade, die dazu dient, entweder das Volk zu manipulieren oder der internationalen Gemeinschaft ein positives Bild vorzugaukeln. Jedes Mal, wenn wir versuchten, diese sogenannten Rechte auszuüben, bestätigte sich diese Tatsache durch unsere Erfahrung von Verhaftung und Folter unter verschiedenen Vorwänden.“

Ein naher Verwandter von Dhi Lhaden, der im Exil lebt und anonym bleiben möchte, wendet sich in folgender Botschaft an die internationale Gemeinschaft, sich dringend für die Freilassung des Schriftstellers einzusetzen (freie Wiedergabe der Übersetzung):

„Mitte 2019 haben dunkle Wolken dich in einem eisernen Netz gefangen, dich aller Freiheiten beraubt. Ohne irgendein Verbrechen begangen zu haben, mußt du die Folter der Hölle ertragen, getrennt von deinem Zuhause im Schattenreich leiden. Demokratie, Freiheit, Gleichheit sind Worte, die so herzergreifend klingen, aber sie werden kleinlaut und machtlos zwischen den scharfen Klingen des autoritären Schwertes. Du bist schon so lange verschwunden, getrennt von deiner Familie und deinen Verwandten. Getrennt von deinen Schülern, wie eine Mutter von ihrem Kind. Wie Waisen sind sie geworden ohne dich, verloren und orientierungslos. Unter einer solchen Katastrophe taumelnd, bleibt uns nichts anderes übrig, als all unsere Hoffnung auf die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen zu setzen, um die Freilassung von Lhaden zu bewirken“.

Lhaden ist ein ehemaliger Mönch, Intellektueller und Schriftsteller, der 1971 im Dorf Dida im Kreis Pema (chin. Baima) in der Tibetisch-Autonomen Präfektur Golog (chin. Guoluo) in der Provinz Qinghai (tibetische Provinz Amdo) geboren wurde. Allgemein als Dhi Lhaden bekannt, war sein ordinierter Name als Mönch Thubten Lobsang Lhundup. Im Alter von 13 Jahren wurde er Mönch in seinem örtlichen Kloster und mit 15 Jahren trat er in das buddhistische Lehrinstitut Larung Gar im Kreis Serta (chin. Seda) in der Tibetisch-Autonomen Präfektur Kardze (chin. Ganzi) in der Provinz Sichuan ein. Mit 27 Jahren reiste er nach Lhasa, um in den Klöstern Drepung und Sera weitere Studien zu betreiben, mußte aber sein Studium abbrechen.

Seit 2008 hat er verschiedene Orte in Tibet besucht, um die Erfahrungen seiner tibetischen Mitbürger zu teilen und aufzuzeichnen. Sein erstes Buch mit dem Titel Tsesog Gi Tunpai Keycha(„Words Uttered with Life at Risk“) wurde im März 2011 - zeitgleich mit dem dritten Jahrestag des Volksaufstandes von 2008 und der 16. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf - vom TCHRD veröffentlicht. Sein zweites Buch, das ursprünglich den Titel Tungol Trimtug („Widerstand durch Kooperation mit dem Gesetz“) trug, wurde vom TCHRD ins Englische übersetzt und am 29. Juni 2015 als „The Art of Passive Resistance“ veröffentlicht.

Auf der Website High Peaks Pure Earth gibt es eine englische Übersetzung einiger Gedichte von Dhi Lhaden: https://highpeakspureearth.com/new-poetry-in-translation-from-detained-tibetan-writer-dhi-lhaden/