21. Mai 2008

Tibetan Solidarity Committee (Tibetisches Solidaritätskomitee)

http://www.stoptibetcrisis.net


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Pressemitteilung

Unmenschliche Zustände in den Gefängnissen in Tibet

Die friedlichen Proteste, zu denen es seit dem 10. März 2008 immer wieder überall in Tibet gekommen ist, haben bis heute nicht aufgehört, und ebensowenig die Verhaftungswelle von friedlich protestierenden Tibetern. Schätzungen zufolge wurden bislang über 5000 Tibeter in ganz Tibet von den chinesischen Behörden festgenommen. Die vereinzelten Aussagen derjenigen, die nur vorübergehend inhaftiert waren und dann wieder freigelassen wurden, zeugen von der kaltblütigen und brutalen Behandlung, der tibetische Häftlinge durch die Aufseher und die Volkspolizisten in den Gefängnissen ausgesetzt sind.

Um völlige Geheimhaltung zu wahren, werden die Häftlinge nicht in den berühmt-berüchtigten Haftanstalten wie Drapchi und Gutsa in Lhasa festgehalten, sondern statt dessen werden sie in provisorischen Gefängnissen außerhalb der Städte - beispielsweise in alten Lagerhäusern und Tunneln - eingeschlossen. Viele Häftlinge werden jedoch auch an unbekannte Orte verbracht, so daß wir überhaupt nichts mehr über ihren Verbleib erfahren können.

Exzessive Schläge, die oft zu gebrochenen Gliedern und nicht selten sogar zur Verkrüppelung der Häftlinge führen, sind in diesen Gefängnissen nichts Seltenes. Während der Verhöre werden die Häftlinge häufig brutal geschlagen oder es werden brennende Zigarettenstummel an ihre Körper gedrückt. Sie sind an Armen und Beinen gefesselt und werden oft an den nach hinten gedrehten durch Handschellen verbundenen Armen über längere Zeit aufgehängt, um sie zum Geständnis von Verbrechen zu zwingen, die sie niemals begangen haben.

Nach den Unruhen in Lhasa gingen die Behörden besonders brutal und unmenschlich mit den Häftlingen um, in der Absicht, aus ihnen etwas über die Drahtzieher hinter den Protesten und ihre „Mitverschwörer“ herauszupressen.

In manchen Gefängnissen erhalten die Häftlinge nur einmal innerhalb von drei oder vier Tagen ein wenig zu essen. Zumeist bekommen sie als tägliche Nahrung nur einen kleinen Dampfwecken. Die Häftlinge werden oft tagelang ohne Wasser gelassen, so daß sie schon ihren eigenen Urin trinken mußten.

Viele erliegen den unbehandelten schweren Verletzungen, die sie entweder bei ihrer Verhaftung oder durch die exzessiven Schläge in den Gefängnissen erlitten haben. Die chinesischen Behörden lassen die Leichen sofort verschwinden. Früher pflegten die Behörden bekannte politische Gefangene zu entlassen, wenn ihr Gesundheitszustand kritisch wurde, doch diese erlagen ihren schweren Verletzungen zumeist bald nach ihrer Freilassung.

Die Häftlinge müssen auf dem kalten Zementfußboden schlafen, weil es in den meisten Gefängnissen keine Betten und nicht einmal Matratzen gibt.

Die chinesischen Polizeioffiziere und Gefängniswärter lassen ihre Laune an den Häftlingen aus, sie schlagen heftig auf sie ein, verprügeln sie nach Lust und Laune und beschuldigen sie, dem Ansehen Chinas geschadet zu haben. Es wird sogar berichtet, daß manche Soldaten die Häftlinge als Objekte benutzen, um ihre Kriegskunst an ihnen zu üben.

Eine große Menge von Häftlingen befindet sich nach unseren Informationen in diversen Gefängnissen in der Provinz Sichuan. Wir befürchten, daß bei dem verheerenden Erdbeben unzählige von ihnen ums Leben gekommen sind.

Angesichts der kritischen Situation in Tibet appellieren wir an die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft, sich dringend unserer folgenden Forderungen anzunehmen:

1) unverzüglich unabhängige Untersuchungskommissionen nach Tibet zu entsenden;

2) unverzüglich der freien Presse Zugang zu ganz Tibet zu gewähren;

3) unverzüglich dem brutalen Morden in ganz Tibet ein Ende zu setzen;

4) unverzüglich für die sofortige Freilassung aller festgenommenen und verhafteten Tibeter zu sorgen;

5) unverzüglich die medizinische Versorgung der verletzten Tibeter zu ermöglichen;

6) die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit der Menschen und ihren Zugang zu lebensnotwendigen Gütern sicherzustellen.

Zitat aus "The Momo Gun" von 1959

Angesichts dieser Schilderung fühlt man sich daran erinnert, was der frühere Regierungsbeamte und ehemalige politische Langzeit-Gefangene Tenpa Soepa in 'The Momo Gun' (in David Patt: A Strange Liberation - Tibetan Lives in Chinese Hands) 1959 schreibt:

„Nach der ersten Verhaftungswelle fuhren die Chinesen damit fort, einige Tibeter individuell zu verfolgen, die noch in der Gesellschaft lebten. Es gab verschiedene Phasen in dem Prozeß der Vernichtung des tibetischen Volkes. Zunächst kamen im Jahre 1959 viele Menschen bei den Kämpfen ums Leben. Als die Kämpfe vorbei waren, wurden die Überlebenden gejagt und verhaftet. Sie wurden nicht gleich erschossen, vielmehr wurden sie ganz allmählich mit der „Momo-Waffe“ getötet - indem die Gefangenen nämlich nur ein Momo am Tag als Nahrung erhielten. Das bedeutete den Hungertod. Von denen, die die Jahre des Hungerns überlebten, wurden etliche entweder hingerichtet oder starben bei den Thamzings (Kampfsitzungen). Die Chinesen haben immer behauptet, wir seien ins Gefängnis gekommen, weil wir gegen sie gekämpft hätten. Aber es waren auch so viele Menschen im Gefängnis, die gar nicht gekämpft hatten, die nur eingesperrt worden waren, weil sie sich um ihre eigenen Landsleute gekümmert hatten. Und deshalb glaube ich, daß es den Chinesen in Wirklichkeit darum ging, die tibetische Identität auszulöschen ….

... Wenn wir das ganze Bild betrachten und das Vorgehen der Chinesen in Tibet zu verstehen versuchen, so sehen wir, daß es ihr Hauptziel ist, sich Tibet einzuverleiben. Tibet ist ein großes Land mit vielen natürlichen Ressourcen, die es auszubeuten gilt. Auch ist Tibet ein großes und dünn besiedeltes Gebiet – natürlich eine Attraktion für das überbevölkerte China... So wollen die Chinesen das tibetische Volk vernichten und das Land für sich haben. Ihre Absicht ist offensichtlich, weil sie nicht nur die tibetische Kultur zerstört haben, sondern den Leuten auch keine neuen Fähigkeiten beigebracht, ihnen keine neuen Möglichkeiten eröffnet haben. Sie wollen nicht, daß die Tibeter überleben und gedeihen. Ihre Absicht ist es, die tibetische Identität ganz langsam zu zerstören, bis sie Tibet ganz für sich allein haben. Ihre Politik ist in ihrer Grausamkeit dazu bestimmt, die Tibeter ihren Meistern gefügig zu machen. Wenn Tibeter überhaupt diesen Prozeß überleben, dann nur als ihre Sklaven. Die Chinesen behandeln die Tibeter wie Lasttiere, und sogar ihre Bezeichnung für die Tibeter bedeutet „Ochse“ – Moniu. Noch einen Namen haben sie uns gegeben, nämlich Latseng, was so viel wie ‚Abfall’ oder ‚Müll’ bedeutet….“