16. Juli 2010
Tibetan Review, http://www.tibetanreview.net/

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Verdrängung der tibetischen Sprache in Tibet

Die offizielle Sprache in Tibet ist Tibetisch, und China behauptet, die Bildung der Tibeter in ihrer Muttersprache zu fördern. Realität ist jedoch, daß alle Schulfächer, mit Ausnahme des Faches „Tibetisch“ selbst, auf Chinesisch gelehrt werden, berichtete Reuters am 14. Juli (1). Die Journalisten von Reuters gehörten zu einer Gruppe ausländischer Medienvertreter, die kürzlich eine von der chinesischen Regierung kontrollierte fünftägige Tour durch Tibet unternahmen.

In dem Bericht werden Lehrer aus Shigatse, der zweitgrößten Stadt des Landes, zitiert, die sagten, daß es für Fächer wie Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften keine Lehrbücher auf Tibetisch gäbe, und daß alle Prüfungen, abgesehen von denjenigen in tibetischer Sprache, auf Chinesisch geschrieben werden müßten.

Schule in Lhasa (Archivbild)

„Es wäre schwierig für die Schüler, Begriffe, die ihnen auf Chinesisch erklärt wurden, ins Tibetische zu übersetzen“, so wird der Rektor Cang Qiong der Shigatse Shanghai Experimental School zitiert, die mit Zuschüssen der Stadtverwaltung von Shanghai in einem heruntergekommenen Kloster eingerichtet wurde. Cang antwortete geduldig auf die vielen Fragen der ausländischen Reporter, die wissen wollten, warum Tibetisch so wenig verwendet wird.

Peking sagt, es fördere die Sprachen der Minderheiten und verweist dabei auf Radiosendungen in Gegenden, wo sie offiziell im Gebrauch sind, außerdem auf die amtlichen Schilder in Tibet - von den Firmenschildern an den Geschäften bis zu Ortsnamen -, wo die tibetische Aufschrift nebst der chinesischen Pflicht ist. Wenn es sich jedoch um Bildung, um offizielle Dokumente und Arbeitsplätze handelt, dann liegt der Schwerpunkt auf Chinesisch.

Das Resultat ist, daß sich ein Tibeter ohne gute chinesische Sprachkenntnisse keine Hoffnung machen kann, auf dem Arbeitsmarkt einen Job zu finden. „Wenn jemand kein Chinesisch spricht, könnte er genauso gut stumm sein“, wird in dem Bericht ein 16jähriger Student namens Dawan Dunjhu [Dawa Dhondup] zitiert.

Viele Tibeter sprechen jedoch kein Mandarin, besonders die, die in dem weiträumigen Landesinneren leben. Menschenrechtsgruppen und Exiltibeter beklagen, daß die Sprache in den Städten und bei der Elite immer mehr an den Rand gedrängt wird. „Ob man Tibetisch sprechen kann, ist schon zweitrangig geworden, aber ob man Chinesisch beherrscht, ist entscheidend für den Erwerb des Lebensunterhalts geworden“, wird die bekannte tibetische Bloggerin Woeser zitiert.

(1) Reuters, 14.7.2010, „Tibetans' mother tongue faces tide of Chinese”,