6/7. Oktober 2012
Voice of America, www.voanews.com, Radio Free Asia, www.rfa.org

Tibet brennt weiter: Dritte Selbstverbrennung innerhalb einer Woche

Am 6. Oktober setzte sich ein Siebenundzwanzigjähriger aus Protest gegen die chinesische Besatzung in Amdo in Brand und starb sofort.

Sangay Gyatso legte um die Mittagszeit auf dem Gelände des Klosters Dokar unweit der Stadt Tsoe (chin. Hezuo), dem Verwaltungszentrum der TAP Kanlho, Provinz Gansu, Feuer an sich.

Sangay Gyatso, der verheiratet und Vater zweier Kinder war, betrieb ein kleines Geschäft. Seine Frau heißt Dorjee Kyi und seine Eltern Gompo Dhondrup und Gompo Tso. Die Familie hat einen bäuerlichen und nomadischen Hintergrund.

Sangay Gyatso

„Er verbrannte sich kurz nach Mittag bei einer Stupa auf dem Grund und Boden des Klosters Dokar“, erfuhr RFA aus einer dortigen Quelle. Das Kloster liegt etwa 10 km vom Stadtzentrum entfernt. Sangay Gyatso forderte die baldige Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet, religiöse Freiheit und das Recht auf die eigene Sprache.

Choe Gyamtso, ein früherer nun im Exil lebender Nachbar von Sangay Gyatso erfuhr, daß die Leiche nach den Totengebeten im Kloster in das Haus der Familie gebracht wurde, und daß den ganzen Samstag über zahlreiche Tibeter kamen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.

Anderen Quellen mit Kontakten zu der Gegend zufolge ist die Lage auf Sangay Gyatsos Tod hin äußerst angespannt und Hunderte von Sicherheitskräften umlagern nun das Kloster.

Ein dort lebender Tibeter, der RFA anrief, sagte: „Wenn ihr Menschen in aller Welt etwas Mitleid empfindet, dann denkt bitte an uns in Tibet. Wir leben hier in der Hölle auf Erden“.

Anderen Quellen zufolge haben die Sicherheitskräfte nun die Kommunikationswege zu dem Kloster unterbrochen und vernehmen die Mönche. Sie suchen nach demjenigen, der als erster von der Selbstverbrennung erfuhr, und erklärten den Mönchen, daß sie keine Information und Bilder an auswärtige Kontakte senden dürften.

„Die Vorsteher der Tibeter-Gemeinde eilten zum Kloster und appellierten an die Behörden, das Kloster zu verschonen, denn die Mönche hätten nichts mit der Selbstverbrennung zu tun“, verlautet aus einer anderen Quelle.

Die chinesischen Behörden würden nun gegen das Kloster Dokar vorgehen, weil dessen Mönche und die ortsansässigen Tibeter in Tsoe 2008 massiv gegen die chinesische Herrschaft demonstriert hätten. „Seit dieser Zeit ist eine chinesische Arbeitsbrigade im Kloster stationiert, die die Umerziehungsprogramme durchführt“.

Der tibetische Anrufer sagte RFA, daß Sangay Gyatso bei seinem Selbstverbrennungsprotest Freiheit für die Tibeter und die Rückkehr des Dalai Lama gefordert hätte. „Die Chinesen drangsalieren die kleine tibetische Gemeinde und sie nehmen uns unser Land weg“, fuhr er fort. „Dem muß Einhalt geboten werden. Das ist ein Appell von uns, einem kleinen Volk. Bitte habt Erbarmen mit uns!“

Bildmontage von Woeser:

links oben: die aufgebahrte Leiche,

rechts oben: Sangay Gyatso,

links unten: seine Frau Dorje Kyi,

rechts unten: seine zwei Kinder,

Mitte: der brennende Körper

Sangay Gyatso stammt aus dem Dorf Jero, nur eine Meile vom Kloster Dokar entfernt. Sein Tod ist der dritte infolge eines feurigen Protestes innerhalb einer Woche, womit die Gesamtzahl der Selbstverbrennungen seit 2009 auf 54 angestiegen ist. Die meisten davon ereigneten sich in den tibetisch besiedelten Gebieten der Provinzen Sichuan, Qinghai und Gansu.

Zu den drei jüngsten Selbstverbrennungen kam es trotz eines Appells von über 400 tibetischen Delegierten aus 26 Ländern, die feurigen Proteste zu beenden. Die Delegierten aus dem Exil waren in Dharamsala zu einer allgemeinen Sonderversammlung zusammengetreten, bei der sie ihre große Besorgnis über die Verbrennungen zum Ausdruck brachten und ihre unter chinesischer Herrschaft lebenden Landsleute drängten, von solch „drastischen Handlungen“ Abstand zu nehmen.

„Tibet ist ein dünn besiedeltes Land, und auch nur ein einziges Leben in der gegenwärtigen Situation zu verlieren, bedeutet einen großen Verlust für das gesamte tibetische Volk“, heißt es in der Resolution, die nach der viertägigen Konferenz verabschiedet wurde. „Bitte bewahrt Euer Leben für die Zukunft!“