26 June 2004
Aus: The Age, Victoria, Australia
www.theage.com.au

Nepal bittet China um Militärhilfe gegen Maoisten

Mit dem nepalesischen Hilfsersuchen bläst ein neuer Wind der Kooperation über den Himalaya. Hamish McDonald berichtet aus Shigatse, Tibet.

In einer geradezu ironischen Wendung der Geschichte hat sich Nepal an seine von Mao Zedong gegründete kommunistische Nachbarrepublik gewandt, um von dort Hilfe bei der Niederschlagung des Aufstandes linker Gruppierungen, die sich als "Maoisten" bezeichnen, zu erbitten.

Der Oberkommandierende der Königlich Nepalesischen Armee, General Pyar Jung Thapa, ließ verlauten, China habe militärische Hilfe gegen die maoistischen Guerilleros, welche die Regierung von König Gyanendra ernstlich bedrohen, zugesagt.

General Thapa ist soeben von einer einwöchigen Chinareise zurückgekehrt, bei der er Gast der Volksbefreiungsarmee war. Weder äußerte er sich darüber, um welche Art von Hilfe er ersucht hatte, noch gab es irgendwelche offiziellen chinesischen Verlautbarungen über den Besuch.

China distanziert sich von den nepalesischen Maoisten. "Wir haben keinerlei Verbindung zu ihnen", meinte ein Regierungsvertreter, "ebenso wenig wie damals zu dem Leuchtenden Pfad (in Peru). Vermutlich leiten sie ihre Doktrin von alten, von Mao verfaßten Handbüchern für den Guerillakrieg ab."

Solche überholten linksradikalen Bewegungen sind für die kommunistische chinesische Führung peinlich, die Wirtschaftswachstum um jeden Preis wie auch den Besitz von Privatkapital propagiert und dabei wenig Wert auf die Garantierung von Mindestlöhnen oder ein System der Sozialfürsorge legt. Kritiker in China, die als "Neue Linke" bekannt sind, greifen mangelndes Gleichgewicht heftig an.

Peking bezeichnet die nepalesischen Maoisten als "gegen die Regierung gerichtete Gruppierung", jedoch nicht als "Terroristen", zu denen Indien und die USA sie erklärt haben. Beide Länder haben die nepalesische Armee vor kurzem mit Waffen versorgt.

Bei einem Gespräch mit nepalesischen Intellektuellen im vorigen Monat rieten chinesische Regierungsberater Nepal, die Rebellion an der Wurzel zu packen und zu versuchen die Aufständischen wieder dem politischen "Mainstream" zuzuführen. Daraus könnte man schließen, daß China an keine unmittelbare militärische Einmischung denkt.

In seiner Rede vom 28. Mai deutete der chinesische Botschafter in Nepal, Sun Heping, an, daß sich China von dem Aufruhr in Nepal gewisse Vorteile verspricht, ebenso wie vom Tauwetter in den Beziehungen zu Indien.

Weiter sagte er, Chinas Hauptsorge in Nepal seien die feindseligen Aktivitäten der Free Tibet Bewegung, wozu er auch die Anwesenheit eines Repräsentanten des im Exil lebenden spirituellen Oberhaupts der Tibeter, des Dalai Lama, sowie das Auffanglager für Tibeter, die auf ihrem Weg ins Exil nach Indien heimlich die Grenze überquert haben, rechnet.

Nepal erhofft sich von der Annäherung an China einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Handel über die Straße, die Kathmandu mit Shigatse verbindet, wuchs letztes Jahr um 12% auf 215 Millionen A$. Innerhalb eines Jahres soll mit den Bauarbeiten für eine weitere Straße von Nepal nach Tibet begonnen werden.

Des weiteren versucht sich Nepal als Pforte für den internationalen Tourismus nach Tibet zu positionieren. Tausende von Touristen aus Indien und anderen Ländern befahren nun diese Straße, die am Mount Everest vorbeiführt. Diesen Monat baten die nepalesischen Tourismus-Verantwortlichen um die Einrichtung einer direkten Flugverbindung zu der tibetischen Hauptstadt Lhasa.

Auch für Indien, das Nepal als zu seiner Einfluß-Sphäre gehörend ansieht, ist der touristische Aspekt sehr verlockend. Auf den Pekingbesuch des früheren indischen Ministerpräsidenten Atul Bihari Vajpayee im Juni letzten Jahres hin haben Peking und Delhi nun erste Schritte in Richtung einer Beilegung ihrer Grenzstreitigkeiten unternommen.

Vajpayee erkannte Tibet ausdrücklich als einen Bestandteil Chinas an. Im Gegenzug wurde in den in diesem Jahr in China gedruckten Landkarten und offiziellen Verzeichnissen darauf verzichtet, Sikkim als unabhängiges Land auszuweisen. Statt dessen wurde es Indien zugerechnet.

Die stillschweigende Anerkennung der indischen Souveränität über das zwischen Nepal und Bhutan gelegene frühere buddhistische Königreich Sikkim, das Indien im Jahr 1974 annektiert hatte, ermöglichte die Wiederaufnahme des Handels über die alte, über 4.400 m hohe Nathu La Paßstraße, die seit dem indisch-chinesischen Grenzkrieg von 1962 geschlossen war.

Indischen Zeitungsberichten zufolge haben bereits Tausende indischer Touristen den einst schwer bewachten Grenzposten passiert – vorbei an Schildern mit Aufschriften wie "Ein Schuß, ein Feind" oder "Lieber Tod statt Unehre" – wo sie in der dünnen, kalten Luft heftig keuchen und den chinesischen Grenzposten zuwinken. Wenn die Grenze einmal vollständig geöffnet ist, wird die Touristenflut erst recht anschwellen.

Der Ministerpräsident von Sikkim, Pawan Chamling, möchte gerne eine regelmäßige Buslinie von seiner Hauptstadt Gangtok nach Lhasa sehen.

Mit dem Voranschreiten der militärischen Entspannung und dem Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen steht zu erwarten, daß Peking Delhi unter Druck setzen wird, es solle die Aktivitäten der seit der Flucht des Dalai Lama im Jahr 1959 im indischen Bergland ansässigen tibetischen Regierung-im-Exil einschränken.