13. Mai 2004
Radio Free Asia, gesandt vom Tibet-Bureau, Genf
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Händler machen Beute auf tibetische Mädchen und Frauen

Möchtegerne-Flüchtlinge gezwungen als Bardamen und Prostituierte zu arbeiten

Kathmandu - Wie von dem tibetischen Nachrichtendienst von Radio Free Asia berichtet, machen die chinesische Polizei und lokale Behörden in Tibet bei der Anwerbung tibetischer Mädchen und Frauen als Animierdamen, Bardamen und Prostituierte in der Nähe der Grenze zu Nepal gemeinsame Sache mit tibetischen und chinesischen Unternehmern. Die meisten der jungen Frauen werden mit dem Versprechen angelockt, daß bald Arrangements für ihre Ausreise nach Indien oder Nepal getroffen würden, doch werden viele von ihnen wieder nach Hause geschickt, wenn sie schwanger geworden sind oder sich mit übertragbaren Krankheiten angesteckt haben.

"Wenn man einmal in die Mühlen dieses Systems hineingeraten ist, kommt man nur schwer wieder heraus", meinte eine 18-jährige Tibeterin bei einem Interview in Nyalam. "Alle tibetischen Mädchen, die in den Nachtclubs arbeiten, möchten nach Nepal oder Indien gehen, aber sie können nicht". Viele der Nachtclubs befinden sich in Grenzortschaften wie Dram und Nyalam, also nicht weit von der Grenze entfernt. "Wenn wir weglaufen, werden wir ins Gefängnis gesteckt, und dort ist das Leben nicht einfach", fügte die junge Frau hinzu, die wie alle Interviewten nur unter der Bedingung, nicht namentlich genannt zu werden, bereit war darüber zu sprechen. "Deshalb mußten wir einen Vertrag unterschreiben. Ein paar versuchten zu fliehen, aber sie wurden gefaßt und grausam geschlagen. Nur zweien von uns gelang die Flucht". Sie sind jetzt in Nepal.

Die vom tibetischen Nachrichtendienst von RFA interviewten Frauen und Mädchen sind davon überzeugt, daß die chinesische Polizei und die Beamtenschaft mit chinesischen und tibetischen Unternehmern zusammenarbeiten, um junge Frauen für das Bar- und Nachtclub-Gewerbe zu rekrutieren. "Die chinesischen Behörden vor Ort sind ziemlich lasch, was diesen illegalen Menschenhandel betrifft. In der Tat machen die Behörden, die Polizei und die Besitzer der Bars und Nachtclubs gemeinsame Sache bei der Anwerbung tibetischer "Sex-Arbeiterinnen", verlautet aus anderer Quelle.

Ein über Telefon kontaktierter tibetischer Polizeibediensteter in Dram, der ebenfalls anonym bleiben möchte, stritt diese Behauptungen ab. "So etwas gibt es bei uns nicht, wir wären doch gegen solche Aktivitäten eingeschritten, wenn sie uns zu Ohren gekommen wären", kommentierte er.

"Wir stehen um Mittag auf und gehen dann, um den Club zu reinigen", erzählte eine 17-jährige tibetische Nachtclub-Angestellte. "Danach haben wir bis Mitternacht nichts zu tun. Dann servieren wir den Kunden Bier im Nachtclub. Sie bezahlen uns auch". Manchmal würden Mädchen von Dram gebracht, um in dem Nachtclub auszuhelfen, wo bereits zwanzig andere tätig sind. "Auch in Dram gibt es viele von ihnen. Sie kommen in unseren Nachtclub. Viele Leute bezeichnen uns als Prostituierte und schauen auf uns herab. So schwindet unsere Aussicht auf ein normales Leben immer mehr dahin. Wir bekommen einmal in zwei Monaten Geld. Durchschnittlich erhalten wir 800 - 1.000 Yuan für zwei Monate", war von einem anderen tibetischen Mädchen aus der Gegend zu erfahren. "Viele sind schwer verschuldet. Sie kaufen sich Kleider und sie müssen obendrein für die medizinischen Untersuchungen zahlen".

Eine von ihnen erzählte: "Tibetische Mädchen und Frauen, die sich angesteckt haben, werden nach Tibet zurückgeschickt. Ein Arzt sucht uns auf und macht eine Blutprobe. Viele Mädchen wurden von Dram weggeschafft, ich hörte, sie seien jetzt in Kongpo". Ein Geschäftsmann, der regelmäßig in Dram und anderen Teilen Tibets verkehrt, sprach von "etwa 45 Etablissements, die Mädchen vermitteln, darunter 25 Bars. Die meisten arbeiten in diesen Bars".

"Manche sind auch in Friseur- und Massage-Salons tätig. Sie sind gewöhnlich zwischen 17 oder 18 und 28 Jahren alt. Die meisten haben gute Beziehungen zur örtlichen chinesischen Polizei", fügte der Geschäftsmann, der anonym bleiben möchte, hinzu. "Etliche werden durch eine List an diese Orte geholt.... Sie wollten eigentlich nach Nepal und Indien entkommen, aber wurden entweder bei dem Versuch zu fliehen gefaßt oder von dem Grenzposten an der Brücke zurückgeschafft. Manche Tibeter, die Hotels, Bars und Restaurants betreiben, locken auch diese Mädchen an".

"Die Mädchen werden in kleine abgeteilte Zimmer gesetzt und wie eine Ware behandelt. Die tibetischen Mädchen ziehen weniger Kunden an als die chinesischen. Deshalb verdienen sie auch weniger als ihre chinesischen Kolleginnen. Sie akzeptieren sogar Essen für ihre Dienstleistungen. Chinesische Mädchen haben einen festen Preis, während die tibetischen von 20 bis 50 Yuan bekommen. Einige nehmen auch Kleidung an".

Eine andere Frau berichtete, viele der in den Nachtclubs tätigen Frauen hätten abgetrieben, nachdem sie mit den Inhabern zusammen waren. "Die Tibeterinnen mußten zur Abtreibung ins Hospital gehen, denn wenn man ein Baby hat, ist das Leben sehr schwer... Sie sind zwei Monate lang mit ihren Partnern zusammen, dann gehen sie auseinander".

Die junge Frau meinte weiter, sie seien oft durch die Aussicht, nach Indien ausreisen zu können, in die Clubs gelockt worden: "Der Besitzer versuchte schon einmal, mich anzuwerben, aber ich rannte weg und vermied ihn, weil ich nicht wußte, wohin er mich bringen würde. Dann sprach er mich ein zweites Mal an und malte mir ein großartiges Leben in Indien aus. Er versprach, mich nach Indien mitzunehmen".

"Wir mieteten ein Auto und wollten etwa um 8 Uhr starten. Ich versuchte zu rennen, aber er holte mich ein. Er sagte, er würde mich nach Indien bringen. Auf diese Weise kam ich zum Grenzort Dram, wo ich gezwungen wurde, den Kunden in den Nachtclubs Bier auszuschenken", erzählte die Achtzehnjährige weiter.

In seinem jüngsten Bericht über Menschenrechte in aller Welt stellte das US State Department fest, daß 2003 "die Prostitution auch in tibetischen Gegenden ebenso wie überall sonst in China ein wachsendes Problem geworden sei". "Hunderte von Bordellen werden halboffen in Lhasa betrieben. Bis zu 10.000 kommerzielle "Sex-Arbeiterinnen" könnten alleine in Lhasa beschäftigt sein. Prostitution gibt es auch an Orten, die der Partei, der Regierung und dem Militär gehören", heißt es weiter in dem Bericht.

"Viele Prostituierte in der TAR sind Han-Frauen, hauptsächlich aus Sichuan. Doch auch einige Tibeterinnen, überwiegend junge Mädchen aus ländlichen und nomadischen Gebieten, arbeiten in diesem Gewerbe. Über das Vorkommen von HIV/AIDS bei den Prostituierten in den tibetischen Gebieten ist nichts bekannt, aber die mangelnde Aufklärung, wie sich der HI-Virus überträgt und der Umstand, daß die Prostituierten aus wirtschaftlichem Druck die gebotenen Schutzmaßnahmen oft unterlassen, macht eine Zunahme der HIV Infektionsrate ziemlich wahrscheinlich".