7. Juli 2005
Tibet Bureau, Genf

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Erklärung des Sondergesandten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, Kasur Lodi Gyari

Am 30. Juni und am 1. Juli 2005 fand in der Botschaft der Volksrepublik China in Bern, Schweiz, ein Treffen zwischen dem Sondergesandten Kelsang Gyaltsen, mir, sowie drei unserer erfahrensten Mitarbeiter, Sonam N. Dagpo. Ngapa Tsegyam und Bhuchung K. Tsering, einerseits und Vize-Minister Zhu Weiqun, sowie einer sechsköpfigen chinesischen Delegation andererseits statt. Dies war die vierte Gesprächsrunde seit der Wiederaufnahme direkter Beziehungen 2002.

Zhu Weiqun ist der stellvertretende Leiter der Einheitsfrontabteilung der chinesischen Kommunistischen Partei, er gehört auch der Zentralkommission zur Überwachung der Disziplin der Kommunistischen Partei an.

Die Gespräche waren dicht und fundiert und fanden in einer freundlichen, offenen und sachlichen Atmosphäre statt. Offenkundig konnten Meinungsverschiedenheiten über eine Reihe von Fragen, darunter auch einigen grundlegenden, nicht beseitigt werden. Dennoch gab die Berner Gesprächsrunde beiden Seiten eine weitere Gelegenheit, ihre Ansichten und Perspektiven zu zentralen Themen ausführlich darzulegen.

Wir machten einige konkrete Vorschläge, die dazu beitragen können, Vertrauen und Zuversicht aufzubauen und den im Gange befindlichen Prozeß verbindlich soweit voranzutreiben, daß tatsächliche Verhandlungen eingeleitet werden können, die zu einer für beide Seiten akzeptablen Lösung der Tibet-Frage führen.

Wir wiederholten mehrfach, daß wir uns verpflichtet sehen, alle Anstrengungen zu unternehmen, um ein besseres Umfeld zu schaffen. Gleichzeitig baten wir die chinesische Seite, sich unseren Bemühungen anzuschließen und wiesen darauf hin, daß wir diesbezügliche eindeutige Gesten von ihrer Seite bisher vermissen.

Deutlich war, daß beide Seiten den im Gange befindlichen Prozeß positiv einschätzen. Trotz der bestehenden Meinungsverschiedenheiten begrüßte Vize-Minister Zhu, daß sich unsere direkten Kontakte stabilisiert hätten und zu einer Art festen Einrichtung geworden wären. Er teilte uns ferner mit, daß die zentrale Führung der KPC diesen Kontakten mit Seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama, große Bedeutung beimesse. Er fügte hinzu, wir dürften wegen der bestehenden Differenzen nicht pessimistisch sein, denn es sei sicherlich möglich, die Diskrepanzen durch weitere Treffen und regelmäßigen Meinungsaustausch einzugrenzen. Dies zeigt, welchen Grad an Vertrauen und Zuversicht der Prozeß inzwischen geschaffen hat.

Bei der dritten Gesprächsrunde in Peking im vergangenen Jahr sprachen wir darüber, daß häufigere Treffen wünschenswert seien, sowie über die Möglichkeit, regelmäßige Treffen an einem geeigneten Ort, auch außerhalb Chinas, ebenso wie die Miteinbeziehung von Ngapa Tsegyam in unsere Delegation, ins Auge zu fassen.

Wir berichteten heute Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama über unsere Gespräche. Seine Heiligkeit zeigte sich sehr erfreut über die Berner Runde, die eine weitere Gelegenheit schuf, um den bestehenden Annäherungsprozeß zu vertiefen. Er begrüßte auch, daß wir Gelegenheit hatten, die von der chinesischen Regierung vorbebrachten Themen ausführlich zu diskutieren und unsere Positionen zu grundlegenden Fragen eingehend darzulegen. Seine Heiligkeit gab dem Kalon Tripa und uns die Anweisung, diesen Prozeß fortzusetzen und die in der Berner Gesprächsrunde diskutierten Fragen weiterzuverfolgen.

Nach unserer Ankunft in Dharamsala am 5. Juli 2005 erstatteten wir dem Kalon Tripa Samdhong Rinpoche Bericht über die Berner Gespräche. Wir werden auch den Vorsitzenden und die Stellv. Vorsitzende der Versammlung der tibetischen Volksabgeordneten (Exilparlament) sowie die Mitglieder des Kashag davon in Kenntnis setzen.