6. Januar 2005
Office of Tibet, New York

Weine Mutter Natur - der Mammon hat wieder gesiegt!

Amtliche chinesische Nachrichtenagenturen berichten, daß Peking beschlossen hat, das im vorigen Jahr auf Eis gelegte Großprojekt der 13 Staudämme am Salween-Fluß (tib: Gyalmo Nyulchu, chin: Nu Juiang) wieder zu beleben. Mit dem ersten dieser Staudämme, dem bei Liuku, soll dieses Jahr begonnen werden.

Im vergangenen Jahr hatte Premierminister Wen Jiabao solange einen Baustop für das Projekt angeordnet, bis mehr "wissenschaftlich fundierte Studien vorhanden seien", anhand derer sich die voraussichtlichen Umweltschäden einschätzen ließen.

Doch Berichten zufolge wurden chinesische Sozialwissenschaftler von der "Southwest Nationalities Study Association" und anderen Organisationen bestochen, damit sie der Regierung Gutachten vorlegten, in denen sie zur Fortsetzung des Projekts rieten.

Nach diesen Berichten wurden die Gutachten gegen Zahlung von je 6.000 Yuan pro Dokument erstellt und nicht etwa aufgrund von Bodenuntersuchungen und sonstigen Forschungen. Die Region, in der die Staudämme gebaut werden sollen, weist alte Waldbestände auf und ist die Heimat von ungefähr 7.000 verschiedenen Pflanzenarten und 80 seltenen oder gefährdeten Tieren. 2003 berichtete die New York Times, daß mindestens ein Viertel aller in China indigenen Pflanzen und die Hälfte der Tierarten, auch der Schneeleopard, dort heimisch sind.

Darüber hinaus wird der Bau der Staudämme die Zwangsumsiedlung von mindestens 50.000 Menschen in Yunnan notwendig machen, darunter viele Tibeter und Angehörige anderer nationaler Minderheiten wie der Lisu, Nu und Drung. 2003 wurde das Projekt sowohl von der Staatlichen Chinesischen Umweltschutzbehörde als auch von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften öffentlich kritisiert. In ähnlicher Weise hat die regierungsunabhängige Umweltorganisation "Grüne Freiwilligen-Union" von Chongqing 15.000 Unterschriften für eine Petition gegen das Staudammprojekt gesammelt.

Chinesische Umweltschützer warnen vor der Zerstörung dieser Region, denn damit "wird in China kein Fleckchen unberührter Natur mehr für künftige Generationen übrig bleiben. Doch der unersättliche Hunger des Landes nach Energie und die ebenso unersättliche Gier seiner Bauunternehmer mit ihren ausgezeichneten Beziehungen haben offenbar wieder einmal den Sieg davongetragen, wie es in den letzten Jahrzehnten wieder und wieder der Fall war.

Da wird man unwillkürlich an ein geflügeltes Wort aus Tibet erinnert: Wenn einer im "sozialistischen China" über Geld und Beziehungen verfügt, kann er alles kaufen, selbst die Volksbefreiungsarmee. Selbst wenn das eine Übertreibung sein sollte, kann man doch mit Fug und Recht behaupten, daß soziale Gerechtigkeit in Tibet nicht nur inexistent, sondern sogar ein Tabu ist, über das taktvoll geschwiegen wird.

Man könnte fast sagen, daß dieser "marxistische Staat" handelt, als wäre es seine fundamentale Ideologie, die persönlichen Interessen der dem Mammon ergebenen Neureichen zu schützen, nur weil es sich bei ihnen um Familienangehörige oder der Führungsspitze der Chinesischen Kommunistischen Partei und um der Volksbefreiungsarmee Nahestehende handelt.

ähnliche Texte