14. November 2009
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Kultureller Genozid in Tibet: Allmähliche Auslöschung von Sprache und Kultur

Am 27. September 2009 veröffentliche die chinesische Regierung ein Weißbuch über ihre Minderheiten-Politik. Es ist dies das dritte Weißbuch über die nationalen Minderheiten. Das erste kam 1999 heraus und das zweite 2005. Außerdem brachte die chinesische Regierung am 25. September 2008 ein Weißbuch über den Schutz und die Förderung der tibetischen Kultur heraus.

Das jüngste vom Informationsbüro des Staatsrates, dem chinesischen Kabinett, herausgebrachte Weißbuch kann als Reaktion auf die landesweiten Protestaktionen in Tibet 2008 und diejenigen in Xinjiang 2009 betrachtet werden. Diese Protestbekundungen, deren Ursache in wirtschaftlicher Marginalisierung und Rassendiskriminierung zu suchen ist, schlug China durch einen gnadenlosen Einsatz militärischer Gewalt, wie man ihn noch nie erlebt hatte, nieder.

Das Weißbuch erschien vier Tage vor dem 60. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober. Es sollte wohl das „Geburtstagsgeschenk“ der Regierung an die nationalen Minderheiten sein. Aber werden die nationalen Minderheiten diese offizielle und wiederholte Beschönigung der Grausamkeiten, die sie all die Jahre lang unter der Kommunistischen Partei erleiden mußten, so einfach hinnehmen? In diesen langen Jahren wurde ihre Identität untergraben, und in manchen Fällen sogar ausgelöscht, ihre Kultur untergraben, ihre Sprachen überflüssig gemacht und ihre legitimen Forderungen nach mehr Freiheit und verfassungsmäßig garantierten Grundrechten aktiv unterdrückt.

Ladenschilder mit großer chinesischer Aufschrift in Lhasa

Eine Gruppe von Mitarbeitern der Zentralen Tibetischen Verwaltung und des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie in Dharamsala haben eine ausführliche Antwort auf diese Fragen unter Berücksichtigung der von ihnen aufgeworfenen Problematik in einem spezifisch tibetischen Kontext verfaßt.

Die tibetische Antwort, die den Titel „Chinas Versuch, die Sprache und Kultur Tibets auszulöschen”, trägt, ist grob in vier Kapitel unterteilt, die wiederum viele Unterteilungen haben. Die vier Hauptkapitel sind:

1. Wie steht es um das Erlernen, die Verwendung und die Förderung der tibetischen Sprache?

2. Wie steht es um die Erhaltung der tibetischen Kultur in Tibet?

3. Wie steht es um die religiöse Freiheit in Tibet?

4. Wie steht es um eine moderne wissenschaftliche Bildung und die Entwicklung der Medien in Tibet?

Für diese Erwiderung wurde eine beachtliche Menge an Material sorgfältig zusammengetragen, um keinen Zweifel daran zu lassen, daß die chinesische Regierung nichts Geringeres als einen kulturellen Genozid auf dem Dach der Welt beging und weiterhin begeht. Dieses Beweismaterial basiert hauptsächlich auf von der chinesischen Regierung selbst herausgebrachten Dokumenten, sowie auf den mündlichen und schriftlichen Zeugnissen, Meinungen oder Vorschlägen von Tibetern in Tibet. Standpunkte von Exiltibetern und ausländischen Tibet-Experten oder Wissenschaftlern wurden bewußt nicht aufgenommen.

In dem Maße, wie der politische Kampf des tibetischen Volkes [für mehr Freiheit in Tibet] auf der internationalen Bühne immer mehr als ein Kampf zwischen Wahrheit und Lüge wahrgenommen wird, hoffen wir, daß diese Antwort dazu beitragen wird, aufzuzeigen, auf welcher Seite die Wahrheit liegt.

Das gesamte Dokument: „China’s Attempts to wipe out the Language and Culture of Tibet

Vorwort

Das chinesische Weißbuch vom September 2008 zu Tibet mit Titel „Protection and Development of Tibetan Culture“ gibt es auf Englisch im Internet.

Ihrer Gepflogenheit folgend hat die chinesische Regierung für dieses Dokument eine Unmenge an statistischem Material aufgetischt, das zeigen soll, daß sie riesige Summen für den Schutz und die Förderung der tibetischen Kultur aufgewandt habe. Es wird weiterhin behauptet, Tibet habe in sprachlicher, geistiger und kultureller Hinsicht sprunghafte Fortschritte gemacht. Dasselbe gelte für die Vermittlung von wissenschaftlicher Bildung und die Entwicklung der Medien seit der „Befreiung von der feudalen Knechtschaft“. Die Verbreitung dieses Dokuments ist ein bewußter Versuch seitens des Establishments in Peking, das Verbrechen, das es in Tibet begangen hat, zu vertuschen, nämlich die Vernichtung einer alten Zivilisation, die jahrhundertelang auf dem höchsten Plateau der Erde erfolgreich existierte.

Die chinesische kommunistische Regierung hat schon immer, seit ihrer Invasion Tibets – abgesehen von einer kurzen Periode der kulturellen Wiederbelebung in den 80er Jahren – eine Politik verfolgt, die darauf abzielte, die Sprache und Kultur und sogar das Volk Tibets zu zerstören, wobei sie manchmal offene, manchmal verdeckte Mittel einsetzte. Das Tauwetter in den 80er Jahren verdankten die Tibeter dem Umstand, daß die von vielen geäußerten Klagen, die chinesische Politik würde dem tibetischen Volk von keinem Nutzen sein, bei dem verstorbenen Hu Yaobang nicht auf taube Ohren stießen. (1)

Von 1955 bis 1978 führte das kommunistische China unverhohlen zahlreiche verheerende Kampagnen durch, die sich gegen die Kultur und das Volk Tibets richteten. Seit den 90er Jahren änderte sie jedoch ihre Strategie bezüglich ihres Umgangs mit Tibet. Sie startete massive Propagandaoffensiven, die davon überzeugen sollten, daß sie Tibet das Recht auf Religionsfreiheit garantiere und die tibetische Sprache und Kultur schütze und fördere; außerdem begann sie, ausländischen Touristen den Besuch einiger Klöster und Tempel in Tibet zu gestatten. Aber all das hatte allein den Zweck, der Außenwelt glauben zu machen, daß sie Religion und Kultur wirksam schütze.

Die Realität ist jedoch, daß die chinesische Regierung unter dem Vorzeichen diverser Losungen wie „Die fortschrittliche Kultur sollte die rückständige führen“, „Entwicklung basiert auf der Zerstörung des Alten“ oder „Der tibetische Buddhismus sollte dem Sozialismus angepaßt werden“ zahlreiche Maßnahmen ergriff, die nur den einen Zweck haben, die tibetische Religion und Kultur schrittweise auszulöschen.

Die Tibeter in Tibet bemühen sich unter Nutzung des winzigen Spielraums, der ihnen unter der chinesischen Herrschaft noch bleibt, so gut sie können, ihre althergebrachten religiösen und kulturellen Werte, ihre Sprache, ihre Bräuche und ihre Traditionen zu bewahren. Darin haben sie beachtliche Erfolge erzielt, aber diese sind alleine ihrem hohen persönlichen Einsatz zu verdanken und sollten nicht etwa als Errungenschaften der chinesischen Regierung angesehen werden.

Das gesamte Dokument „China’s Attempts to wipe out the Language and Culture of Tibet“ kann heruntergeladen werden unter http://tibet.net/en/pdf/diirpub/politics/2009white/1.pdf

(1) Hu Yaobang sagte, „Seit einiger Zeit haben wir nun Anregungen zu unserer Arbeit in Tibet erhalten. Diese Anregungen kamen von Genossen innerhalb und außerhalb der Partei, aus Peking und von den in Tibet arbeitenden Genossen. Einige dieser Anregungen können als etwas zu weitgehend betrachtet werden. Die Genossen im Sekretariat der Partei, wie auch ich, sind allerdings der Meinung, daß vielen dieser Anregungen nicht nur von uns, sondern auch von der Zentralregierung, mehr Gewicht beigemessen werden sollte. Von dem ausgehend, was ich gehört habe, und obwohl Ihr alle diese Anregungen gehört habt, könnt Ihr einigen davon nicht voll zustimmen oder als Vorwurf an Eure Adresse für etwas verstehen, wofür Ihr überhaupt nicht verantwortlich seid. Ihr seid hingegen ein wenig aufgebracht über einige der Behauptungen Eurer Genossen, daß die Politik der Zentralregierung in Anbetracht ihrer Vorgehensweise in Tibet, dem tibetischen Volk in keiner Weise nutzt.“

Zusammenfassung der 7 Erklärungen des Genossen Hu Yaobang vor dem Zweiten Arbeitsforum über Tibet vom 27. Februar bis zum 6. März 1984. Die Reden sind in einer internen Veröffentlichung des “Tibet Autonomous Regional Committee’s Policy Research Department” der KPC unter dem Titel „A Compilation of TAR Documents Concerning the Implementation of the Recommendations of the Work Forum on Tibet Convened by the Central Committee Secretariat”, Vol. 1, 1984, p. 62, zugänglich.