24. Januar 2011

Department of Information & International Relations (DIIR), www.tibet.net, Central Tibetan Administration
Gangchen Kyishong, Dharamsala

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Chinesischer Wissenschaftler bestätigt menschliches Verschulden an der Erdrutsch-Tragödie in Drugchu

Im Bezirk Drugchu (chin. Zhouqu), Provinz Gansu, beutete der Mensch die Berge, das Wasser und die Flüsse aus - die Natur rächte sich durch mächtige Schlammlawinen (1).

Die ungezügelte Ausbeutung der Naturschätze hat ein gewaltiges Risikopotential für Naturkatastrophen mit sich gebracht: Am 8. August 2010 kam es zu den verheerenden Erdrutschen in der Gegend von Drugchu, die Tausende von Menschen töteten. Das schrieb ein führender chinesischer Wissenschaftler in einem Artikel in China Dialogue. Über 1.239 Menschen kamen ums Leben, und von 505 fehlt jegliche Spur.

Jiang Gaoming, der Forschungsleiter an dem Institut für Botanik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, führt drei Hauptfaktoren an, welche zusammengenommen für die Katastrophe verantwortlich sind: rücksichtslose Abholzung, die Anlage von Staudämmen zur Wasserkraftnutzung und den Bau von Wohnhäusern direkt an den Flußufern.

„Die Gegend war für ihre Wälder, reichen Wasservorräte, fruchtbaren Böden und ihr angenehmes Klima bekannt. Aber nach dem Schlagen von 10 Milliarden Kubikmetern Holz [sic! Es handelt sich offenbar um die ohnehin bereits sehr beachtliche Menge von mehreren Dutzend Millionen Kubikmeter Holz] und der Anlage einer großen Anzahl von Stauwehren zur Nutzung der Wasserkraft blieben die Berge der Gegend kahl zurück, so daß sie die Niederschlagsmengen nicht mehr aufnehmen können“, sagte er.

Jiang belegte seine Befunde durch Statistiken über die Waldbestände in der Gegend. „Der Bezirk Drugchu, der für seine reiche Vegetation bekannt ist, besteht zu 65% oder 1.940 qkm aus für Wälder tauglichen Geländes; 820 qkm oder 45% davon waren tatsächlich bewaldet, was über dem natürlichen Durchschnitt von 22% liegt. Unglücklicherweise wurden diese Wälder durch drei Jahrzehnte Abholzung erschreckend dezimiert. In den 70er Jahren wurden bereits jedes Jahr 80.000 Kubikmeter Holz geschlagen. Unkontrolliertes Baumfällen und Holzhandel resultierten schließlich darin, daß die Waldbestände des Bezirks jedes Jahr um 100.000 Kubikmeter verringert wurden“, führte er weiter aus.

„Auf die verheerenden Schlammlawinen vom vergangenen August hin stellten Reporter fest, daß die Abhänge über dem Tal des Sanyan, eine der am schlimmsten betroffenen Zonen, gänzlich baumlos und nur spärlich mit Gebüsch bewachsen waren. Ohne die Vegetation konnte der starke Regen ungehindert das Erdreich und die Steine lockern, und dadurch Erdrutsche auslösen, welche Leib und Leben und Hab und Gut der Bewohner weiter unten bedrohten“.

Zweitens hat der massenhafte Stauwehrbau zusätzlich zu der Entwaldung die Gegend äußerst fragil gemacht. „Es wurden, ohne der Ökologie weiter stromaufwärts auch nur einen einzigen Gedanken zu schenken, sage und schreibe eintausend größere und kleinere Stauwehre am Verlauf des Hauptflusses Bailong gebaut, wodurch die Wahrscheinlichkeit wuchs, daß Schlammlawinen entstehen. Der Bailong fließt zudem durch eine erdbebengefährdete Zone, und das Brechen von Steinen am Ufer des Flusses zum Bau der Dämme hat die Abhänge weiter destabilisiert“, sagte Herr Jiang.

Ferner beobachtete er, daß Anlagen zur Wasserkraftnutzung oft mit den Zielen des Umweltschutzes in Konflikt geraten „So führte der Bau von Staudämmen immer wieder zur Zerstörung der Waldreserven, aber wenn die Forstwissenschaftler Einspruch erhoben, war das meistens wirkungslos“.

„Von 2003 bis 2007 wurden in Drugchu Verträge für 53 Wasserkraftprojekte unterzeichnet, 41 davon sind inzwischen fertiggestellt worden oder befinden sich im Bau, und die restlichen 12 werden bald folgen. Insgesamt machen sie 80% der Entwicklungsprojekte des Bezirks aus. Schätzungen zufolge führt die Anlage von 41 Stauwehren zum Aushub von 38,3 Millionen Kubikmeter Sediment und zum Verlust von 749.000 Tonnen Erdreich. Nach Fertigstellung der Staudämme durchtränkt das Wasser die Abhänge und löst die Erde heraus, was eine Situation schafft, in der es jederzeit zu Erdrutschen kommen kann. Die Entnahme großer Sandmengen läßt ein von Steinbrocken übersätes Flußbett zurück. Sie können vom Hochwasser mitgerissen werden, was diese Wasserfluten noch viel gefährlicher macht“, sagte er.

Das dritte Hauptproblem ist der Mangel an urbaner Planung und der Bau von Wohnhäusern nahe am Flußufer. „Obwohl die Schlammlawinen und Erdrutsche die Bewohner vor Ort für die drohende Gefahr sensibilisiert haben, läßt die urbane Planung immer noch zu wünschen übrig, und es wird weiterhin auf riskantem Gelände gebaut. Die enge Talsohle, in der Drugchu liegt, macht gerade mal 12 qm aus. Die Bevölkerung wuchs seit Jahrzehnten, und der einzige Ort, wo man noch bauen kann, ist am Flußufer. Bauträger sehen die Flüsse Sanyan und Luojia nun als ihre einzig noch vorhandene Option und kaufen dort Land zu Bauzwecken auf“, fügte Jiang hinzu.

„Die Errungenschaften der Wirtschaftsentwicklung sind weit weniger wertvoll als grüne Berge und klare Flüsse. Und es ist gewöhnlich die lokale Bevölkerung, welche die volle Wucht der Umweltkatastrophen abbekommt. Das Leid in Drugchu ist ein umweltbedingtes Leid. Es ist an der Zeit, die menschliche Entwicklung so zu gestalten, daß vermieden wird, die Umwelt, das Leben und den Besitz der Menschen nur um des wirtschaftlichen Gewinns willen zu gefährden“, schloß Herr Jiang.

Jiang Gaoming verwendete für Drugchu natürlich den chinesischen Namen Zhouqu in seinem Artikel.

(1) 10. August 2010, „Die Erdrutschkatastrophe in Zhouqu (Drugchu) - von Menschenhand gemacht?